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BGH, Urteil vom 7. Juli 1970 – V ZR 110/67

Gleichbehandlung Genossenschaft

§ 18 GenG

Zum Gebot der Gleichbehandlung von Eigenheimern durch ihre Genossenschaft.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 7. Februar 1967 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Beklagte hat als Genosse der klagenden Baugenossenschaft von dieser auf Grund formgerechter Verträge vom 22. April 1943 und 13. November 1959 das Anwesen D…weg … in B kaufweise zu Eigentum erworben. Randnummer2

§ 7 des Vertrags von 1943 bestimmt:

„…Randnummer3

2. Der Erwerber ist an die vorherige schriftliche Zustimmung des Wohnungsunternehmens … gebunden

…Randnummer4

c) zur Vornahme von Um-, An- oder Einbauten, zur Errichtung von Neubauten, insbesondere von Ställen, Lauben oder Einfriedigungen sowie zu einer wesentlichen Änderung der gärtnerischen Anlagen. Randnummer5

d) zur Anbringung von Vorrichtungen oder Aufschriften zu Werbezwecken. Randnummer6

3. Das Wohnungsunternehmen kann eine erteilte Zustimmung widerrufen, wenn sich für das Grundstück oder die Nachbarn Unzuträglichkeiten ergeben.“ Randnummer7

Nach § 11 Abs. 1 Buchst. d) war die Klägerin zur Ausübung des Wiederkaufs berechtigt, Randnummer8

„wenn der Erwerber ungeachtet schriftlicher Abmahnung einen vertragswidrigen Gebrauch des Grundstücks fortsetzt…“ Randnummer9

Mit Schreiben vom 5. Juli 1963 hat die Klägerin dem Beklagten die Einleitung eines Ausschlußverfahrens gegen ihn mitgeteilt und als Anlaß angeführt, er habe jahrelang hartnäckig gegen seine Verpflichtungen in grober Weise verstoßen; unter den vorgehaltenen Handlungen befand sich auch die Errichtung eines Taubenschlags mit Taubenhaltung sowie das Anbringen von Reklameschildern. Randnummer10

Im Dezember 1963 hat sie ihn als Genossen ausgeschlossen. Randnummer11

Mit Schreiben vom 26. Mai 1964 hat sie das Wiederkaufsrecht ausgeübt. Randnummer12

Mit der Klage begehrt sie demgemäß Rückauflassung und Übergabe des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung von 15690,25 DM. Randnummer13

Landgericht und Oberlandesgericht haben den Beklagten nach Klagantrag verurteilt. Randnummer14

Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels. Die Parteien sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Entscheidungsgründe

I.

Ohne Rechtsirrtum bejaht das Oberlandesgericht das Vorliegen eines Wiederkaufstatbestands.Randnummer16

a) Die Revision will unter einem „vertragswidrigen Gebrauch“, der nach § 11 aaO die vertragliche Wiederkaufssanktion auslöst, nur Zuwiderhandlungen gegen Abs. 1, nicht auch Abs. 2 von § 7 verstehen, weil die in Abs. 2 genannten Maßnahmen mit dem in Abs. 1 genannten Zweck nichts zu tun hätten, weil diese Sanktion besonders schwer sei und in den Fällen des Abs. 2 ausreichende andere Rechtsbehelfe, z.B. Unterlassungsklage, zur Verfügung ständen.Randnummer17

Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, auch wenn man mit der Revision von einem überregionalen und deshalb im Revisionsverfahren selbständig auszulegenden Typenvertrag ausgeht.Randnummer18

Die einengende Auslegung der Revision widerspricht dem ganz allgemein gefaßten Wortlaut jener Wiederkaufsklausel, die auf einen vertragswidrigen Gebrauch „des Grundstücks“ und nicht nur des Hauses abstellt. Daß Zuwiderhandlungen gegen § 7 Abs. 2 einen Unterlassungsanspruch auslösen können, besagt noch nichts dagegen, daß daneben auch eine weitergehende Sanktion wie das Wiederkaufsrecht gewollt ist. Gegen eine wortlautgemäße Auslegung spricht auch nicht, daß es sich um eine für den Erwerber schwerwiegende Sanktion handelt; ihre Strenge ist in jedem Fall von Buchst. d) dadurch gemildert, daß die Ausübung des Wiederkaufsrechts außer der vertragswidrigen Grundstücksbenutzung noch eine schriftliche Abmahnung der Klägerin voraussetzt; und im Fall einer Zuwiderhandlung nach § 7 Abs. 2 außerdem dadurch, daß die dort genannten Handlungsweisen nicht schlechthin verboten, sondern nur von der vorher bei der Klägerin einzuholenden Zustimmung abhängig gemacht sind, bei deren Erteilung oder Versagung die Klägerin Treu und Glauben zu beachten hat (§ 242 BGB). Sonstige Umstände, die für eine einengende Auslegung der Wiederkaufsklausel sprächen, sind weder von der Revision dargetan noch sonst ersichtlich. Infolgedessen lösen auch Verstöße gegen Abs. 2 von § 7 beim Vorliegen der Abmahnvoraussetzung das Wiederkaufsrecht aus.Randnummer19

b) Ohne Rechtsirrtum stellt das Berufungsgericht Verstöße des Beklagten gegen § 7 Abs. 2 fest. Das gilt ohne weiteres für das seinerzeitige Anbringen von Reklameschildern für seinen Schrotthandel, Flaschenbier- und Zigarettenverkauf, aber auch für die Aufstellung des Zigarettenautomaten (aaO Buchst. d). Es gilt aber auch für die Errichtung eines Taubenschlags für etwa 20 Tauben; er ist nach Sinn und Zweck der Bestimmung mit dem Berufungsgericht sowohl als „Neubau“ wie als „Stall“ im Sinn von Buchst. c) aaO anzusehen; Zweifel bestehen nicht. Daß es sich nach der Behauptung des Beklagten bei den Werbeschildern um Hinweise auf für ihn existenzwichtige Nebentätigkeiten und im ganzen nur um Bagatellen handelte, hätte bei der Entscheidung der Klägerin über die Zustimmung eine Rolle spielen können, wenn der Beklagte sie vorher erbeten hätte; es kann aber auch bei Zugrundelegung des Vertrags des Beklagten nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß diese Zustimmung hätte erteilt werden müssen.Randnummer20

c) Auch das Tatbestandsmerkmal der schriftlichen Abmahnung vor Ausübung des Wiederkaufsrechts (§ 11 Abs. 2 Buchst. d) hat das Berufungsgericht entgegen der Meinung der Revision rechtsirrtumsfrei bejaht.Randnummer21

Das Schreiben der Klägerin vom 5. Juli 1963 hält dem Beklagten die genannten Vertragswidrigkeiten ausdrücklich vor. Angedroht ist darin allerdings nicht die Ausübung des Wiederkaufsrechts, sondern der Ausschluß des Beklagten aus der Genossenschaft. Aber jene Wiederkaufsklausel verlangt nach ihrem Wortlaut keine Rechtsfolgenandrohung, sondern nur eine Abmahnung. Darunter ist natürlichem Sprachgebrauch entsprechend nur das Verlangen nach Beseitigung des beanstandeten Zustands zu verstehen. Das kommt im genannten Schreiben mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck. Die Würdigung des Schreibens als Abmahnung im Sinn jener Wiederkaufsklausel ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden.Randnummer22

Auch die Tatsache, daß die Klägerin den Beklagten Ende 1963 als Genossen ausschloß, steht der Wirksamkeit der späteren Wiederkaufsrechtsausübung nicht entgegen. Weder war dadurch die frühere Anmahnung objektiv „verbraucht“ – dies führt das Berufungsurteil rechtsirrtumsfrei aus – oder „verwirkt“, wie die Revision meint; noch war im Hinblick auf eine etwaige dahingehende rechtsirrige Annahme des Beklagten eine Wiederholung der Abmahnung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) geboten.Randnummer23

d) Das Berufungsurteil gibt auch keinen Anlaß zur Annahme, daß Billigkeitsgesichtspunkte übersehen worden wären, wie die Revision nach § 286 ZPO rügt.Randnummer24

Es kann offen bleiben, ob die Fürsorge- und Treupflichten der Klägerin als Genossenschaft und gemeinnütziges Wohnungsunternehmen gegenüber dem Beklagten als Genossen, Sozialrentner, langjährigem Bewohner (seit 1938) und Rechtsunkundigen dann der Wiederkaufsrechtsausübung nach § 242 BGB hätten entgegengehalten werden können, wenn sich der Beklagte innerhalb angemessener Zeit nach Empfang des Schreibens vom Juli 1963 entweder um eine wenigstens nachträgliche Zustimmung der Klägerin oder um eine Beseitigung der Beanstandungen bemüht hätte. Denn solche Bemühungen sind weder von der Revision geltend gemacht noch ersichtlich; nach der Feststellung des Tatrichters (BU S. 11 Mitte) haben die beanstandeten Zustände jedenfalls bis zur Ausübung des Wiederkaufsrechts am 26. Mai 1964, also über 10 Monate, fortgedauert.

II.Randnummer25

Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht eine rechtserhebliche Ungleichbehandlung des Beklagten gegenüber anderen Hauskäufern verneint hat.Randnummer26

Ein unmittelbarer Verstoß gegen Art. 3 GG scheidet allerdings aus. In Betracht kommen könnte dagegen eine Verletzung des genossenschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Er ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt und besagt, daß eine Genossenschaft verpflichtet ist, ihre Genossen in weitestem Umfang gleich zu behandeln, nicht nur in den sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Beziehungen, sondern auch bei der Inanspruchnahme genossenschaftlicher Einrichtungen (Urteil vom 11. Juli 1960 – II ZR 24/58 LM GenG § 18 Nr. 2 = NJW 1960, 2142). Der Genossenschaft obliegt ihren Mitgliedern gegenüber eine besondere Treupflicht, die um so größer ist, je länger die Mitgliedschaft dauert (BGHZ 27, 297, 305). Das Gleichbehandlungsgebot kann einen Anspruch des einzelnen Genossen begründen, ihn so zu stellen, wie bevorzugte Mitglieder gestellt sind, oder einen Vorteil, der bestimmten Genossen gewährt wird, unter alle aufzuteilen (siehe das genannte Urteil vom 11. Juli 1960).Randnummer27

Die Revision beruft sich auf den Vortrag des Beklagten in den Vorinstanzen, daß die Klägerin gegenüber andern Genossen, die sich vergleichbar verhalten hätten, nichts unternommen habe. Das Berufungsurteil verneint eine Lagegleichheit deshalb, weil im Zeitpunkt der Ausübung des Wiederkaufsrechts der Beklagte nicht mehr Genosse gewesen sei. Aber ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot kann bereits darin liegen, daß die Klägerin den Beklagten abmahnte und als Genossen ausschloß, während sie bei anderen Genossen, die sich vergleichbar verhielten, von Abmahnung und Ausschluß abgesehen hat. Ebenso wie bei einem Verein (BGHZ 47, 381, 385/86) ist es auch bei einer Genossenschaft zwar Ermessenssache, ob sie im Einzelfall von einem Ausschlußgrund Gebrauch machen will; aber auch hinsichtlich des Ausschlusses darf das eine Mitglied in gleichliegenden Fällen nicht schlechter behandelt werden als andere Mitglieder, sonst liegt eine rechtsfehlerhafte Ausübung des Ermessens vor, die den Ausschluß zu einer offenbar unbilligen und damit rechtlich unwirksamen Maßnahme macht.Randnummer28

Eine solche Unwirksamkeit des Ausschlusses wegen offenbarer Unbilligkeit kann der Betroffene im ordentlichen Rechtsweg geltend machen; das ist für eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit anerkannt (BGHZ 47 aaO), muß aber, da die Unwirksamkeit kraft Gesetzes eintritt, auch im Rahmen eines Rechtsstreits mit anderem Gegenstand möglich sein. Eine derartige Berufung auf Unwirksamkeit des Ausschlusses ist auch dann nicht schlechthin ausgeschlossen, wenn der Genosse etwa eine nach der Satzung mögliche genossenschaftsinterne Anfechtung des Ausschließungsbeschlusses versäumt haben sollte (vgl. Urteil vom 22. September 1960 – II ZR 59/60 NJW 1960, 2143), wofür indessen bisher nichts vorliegt.Randnummer29

Hiernach ist, wenn die Klägerin zum Nachteil des Beklagten vergleichbares Verhalten ungleich behandelt hat, sein Ausschluß aus der Genossenschaft möglicherweise unwirksam.Randnummer30

Allerdings muß das Verhalten der anderen Genossen nach Art und Schwere der Vertragswidrigkeit dem festgestellten Verhalten des Beklagten vergleichbar sein. Der einschlägige, unter Zeugenbeweis gestellte Tatsachenvortrag des Beklagten (Schriftsatz vom 12. März 1965 GA 30/32, der Sache nach in Bezug genommen auf S. 6 der Berufungsbegründung, GA 93) läßt jedoch eine solche Lagegleichheit nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen. In diesem Punkt bedarf es also weiterer tatsächlicher Aufklärung.Randnummer31

Daher war die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz geboten.

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