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SG Duisburg, Urteil vom 18. August 2023 – S 37 BA 16/22

GmbH-abhängigen Beschäftigung

§ 7 Abs 1 SGB 4

Ist ein Gesellschafter einer GmbH ohne Mehrheitsbeteiligung nicht zum Geschäftsführer bestellt, sondern angestellt tätig, erhält er eine feste jährliche Vergütung, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auf bezahlten Urlaub und ist er in die betriebliche Organisation eingebunden, so ist er nicht selbständig tätig, sondern i. S. von § 7 Abs. 1 SGB 4 abhängig beschäftigt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2), die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Der Streitwert wird auf 100.150,74 € festgesetzt.

Tatbestand

Im Streit ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.Randnummer2

Die Klägerin wird im Handelsregister bei dem Amtsgericht Essen unter der Registernummer HRB 8411 geführt. Geschäftsgegenstand ist der industrielle Tiefbau sowie der Handel mit Mineralölen und industrieller Maschinenbau. Die Klägerin ist durch Umwandlung des im Handelsregister des Amtsgerichts Essen unter der Registernummer HRA eingetragenen Einzelunternehmens, der Firma R.W, mit Gesellschaftsvertrag vom 15.12.19XX entstanden. Die Satzung wurde seitdem mehrfach geändert, vor der streitgegenständlichen Betriebsprüfung zuletzt mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 27.08.1999. Die dem Amtsgericht Essen zuletzt vorgelegte Liste der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Liste der Gesellschafter
datierte vom 27.08.1999. Danach hielt R.W. mit 40.000,00 DM und 50.000,00 DM 60 % der Geschäftsanteile an der Klägerin, die Beigeladene zu 1) mit 25.000,00 DM 16,67 % sowie der Beigeladene zu 2) mit 10.000,00 DM und 25.000,00 DM 23,33 % der Geschäftsanteile an der Klägerin. Der Beigeladene zu 2) ist zudem seit dem 15.03.1994 zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte ebenfalls am 15.03.1994. Zugleich wurde R.W. als bisheriger Geschäftsführer abberufen. Die Beigeladene zu 1) ist mitarbeitende Gesellschafterin und war im Prüfzeitraum für den Bereich Mineralöle/Handel zuständig.Randnummer3

Der hier maßgebliche Gesellschaftsvertrag der Klägerin enthält u.a. die folgenden Regelungen:Randnummer4

„[…]Randnummer5

§ 3 StammkapitalRandnummer6

Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 150.000,– DM.Randnummer7

Es wird wie folgt aufgeteilt:Randnummer8

1 Geschäftsanteil von 50.000,00 DMRandnummer9

1 Geschäftsanteil von 40.000,00 DMRandnummer10

1 Geschäftsanteil von 10.000,00 DMRandnummer11

1 Geschäftsanteil von 25.000,00 DMRandnummer12

1 Geschäftsanteil von 25.000,00 DMRandnummer13

[…]Randnummer14

§ 5 GesellschafterversammlungRandnummer15

Beschlüsse der Gesellschaft werden mit einfacher Mehrheit gefasst, wenn das Gesetz nicht zwingend eine höhere Mehrheit vorschreibt.Randnummer16

Die schriftliche Abstimmung ist zulässig, wenn kein Gesellschafter widerspricht.Randnummer17

Auf angefangene 1000,00 DM Geschäftsanteil entfällt je eine Stimme.Randnummer18

Zu den Gesellschafterversammlungen sind die Gesellschafter mit eingeschriebenen Briefen mindestens zwei Wochen vorher zu laden, wobei die Absendung der Ladung entscheidend ist.Randnummer19

§ 6 GeschäftsführerRandnummer20

Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder von einem Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. Durch Gesellschafterbeschluss kann einem Geschäftsführer Alleinvertretungsbefugnis und Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden. Ist nur ein Geschäftsführer vorhanden, so vertritt dieser die Gesellschaft allein und ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Prokura können mit Einzel- oder Gesamtvertretung erteilt werden.Randnummer21

§ 7 Veräußerung von GeschäftsanteilenRandnummer22

Die Veräußerung von Geschäftsanteilen oder Teilen eines Geschäftsanteils bedarf zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Genehmigung der Gesellschaft. Das gilt auch für Abtretungen an Mitgesellschafter. Genehmigungspflichtig sind auch sonstige Verfügungen (z.B. Verpfändungen, Abtretung von Gewinnausschüttungen usw.) sowie die Begründung von Unterbeteiligungen.Randnummer23

[…]Randnummer24

§ 9 Einziehung von GeschäftsanteilenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung von Geschäftsanteilen
Randnummer25

1. Die Geschäftsanteile des GesellschaftersRandnummer26

a) in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt,Randnummer27

b) über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist,Randnummer28

c) in dessen Vermögen eine Pfändung ausgebracht wird,Randnummer29

d) der die Auflösungsklage eingereicht hat,Randnummer30

e) der im Falle der Eheschließung nach Aufforderung der Gesellschaft nicht binnen Monatsfrist den Nachweis erbringt, dass die Zugewinngemeinschaft bezüglich der Beteiligung an der Gesellschaft ausgeschlossen wurde,Randnummer31

können durch Gesellschafterbeschluss eingezogen werden. Die Einziehung ist jedoch nicht mehr zulässig, wenn zu b) das Verfahren, zu c) die Pfändung inzwischen wieder aufgehoben und zu e) der Gesellschafter bereits vor Abschluss dieses Vertrages verheiratet ist.Randnummer32

2. Im Falle der Einziehung gemäß Abs. 1 Buchst. a), b) und e) ist das sich nach der letzten vor dem Einziehungsbeschluss unmittelbar vorausgehenden oder mit ihm zusammenfallenden, ordnungsgemäß festgestellten Jahresbilanz buchmäßig auf den beigezogenen Geschäftsanteil entfallende Vermögen der Gesellschaft, in den anderen Fällen der Wert, ermittelt nach den steuerrechtlichen Bewertungsmaßstäben des Stuttgarter Verfahrens, zu vergüten. Maßgeblich bleibt die letzte, ordnungsmäßig festgestellte Jahresbilanz auch, wenn die Jahresbilanz später (z.B. im Zuge einer Betriebsprüfung) geändert wird. Das Abfindungsentgelt ist – beim Fehlen einer anderslautenden Vereinbarung – in sechs gleichen Jahresraten auszuzahlen. Die erste Rate ist fällig drei Monate nach Feststellung des Abfindungsguthabens.Randnummer33

3. Die Gesellschafter können anstelle der Einziehung beschließen, dass der Gesellschafter seine Geschäftsanteile oder Teile von solchen auf die Gesellschaft oder einen von ihr zu bestimmenden Dritten zu übertragen hat. Bei Übertragung auf Dritte haftet die Gesellschaft für die zu zahlende Vergütung, für die der vorstehende Absatz gilt, als Gesamtschuldnerin.Randnummer34

4. Die Einziehung von GeschäftsanteilenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung von Geschäftsanteilen
oder Teilen von solchen und der Erwerb durch die Gesellschaft ist nur insoweit zulässig, als die Gesellschaft die Vergütung zahlen kann, ohne hierfür das Stammkapital anzugreifen.
Randnummer35

§ 10 ErbfolgeRandnummer36

1. Geschäftsanteile können nur an Personen vererbt oder vermacht werden, die mit dem Gesellschafter in gerader Linie verwandt sind.Randnummer37

2. Beim Tode eines Gesellschafters soll immer nur ein Erbe bzw. Vermächtnisnehmer als Nachfolger in die Gesellschaft einrücken. Der Nachfolger ist durch letztwillige Verfügung des berechtigten Gesellschafters zu bestimmen.Randnummer38

3. Geht ein Geschäftsanteil von Todes wegen an mehrere Berechtigte, die alle oder teilweise unter Abs. 1 fallen, so ruhen alle mit den vererbten (vermachten) Geschäftsanteilen verbundenen Gesellschaftsrechte, außer dem Gewinnbeteiligungsrecht, ab dem Tage des Todes des Erblassers. In diesem Falle haben sich die Erbbeteiligten binnen einer Frist von sechs Monaten zu einigen, wer Inhaber des Geschäftsanteils wird. Eine Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
scheidet sodann aus. Kommt zwischen den Erbbeteiligten keine Einigung über die Nachfolge in den Geschäftsanteil zustande, kann die Gesellschafterversammlung beschließen, dass der Geschäftsanteil an sie entschädigungslos abzutreten ist. Der mitberechtigt gewesene Erbberechtigte kann sodann die entschädigungslose Abtretung dieses Anteils an sich verlangen.
Randnummer39

4. Geschäftsanteile, die von Todes wegen an nicht unter Abs. 3 fallende Gesellschafter übergehen und für die nicht Abs. 3 gilt, fallen unter § 9 Abs. 1a.“Randnummer40

In dem undatierten Geschäftsführervertrag des Beigeladenen zu 2) heißt es u.a.:Randnummer41

„§ 1 AufgabenbereichRandnummer42

Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Er führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung des gesamten Betriebes.Randnummer43

§ 2 VergütungRandnummer44

1. Der Geschäftsführer erhält als Vergütung für seine Tätigkeit ein festes Jahresgehalt in Höhe von DM 60.000,–, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen in Höhe von DM 5.000,– jeweils am Monatsende.Randnummer45

2. Zusätzlich steht dem Geschäftsführer die Nutzung eines Firmen Pkw’s zu. Der geldwerte Vorteil aus der Nutzung wird der Lohnsteuer unterworfen.Randnummer46

§ 3 Spesen und AuslagenRandnummer47

Reisekosten und sonstige Aufwendungen, die im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
im Interesse der Gesellschaft
notwendig waren, werden dem Geschäftsführer gegen Nachweis erstattet. Tage- und Übernachtungsgelder können nach seiner Wahl auch im Rahmen der jeweils steuerlich zulässigen Höchstsätze pauschal abgerechnet werden.
Randnummer48

§ 4 Weiterzahlung im KrankheitsfallRandnummer49

Wird der Geschäftsführer durch Krankheit vorübergehend gehindert, seine Tätigkeit als Geschäftsführer auszuüben, so wird ihm die vereinbarte Vergütung auf die Dauer von sechs Wochen weitergezahlt.Randnummer50

§ 5 Geschäftsführungs- und VertretungsbefugnisRandnummer51

1. Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft in Gemeinschaft mit einem anderen Geschäftsführer, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so ist er alleingeschäftsführungs- und allein vertretungsberechtigt.Randnummer52

2. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.Randnummer53

3. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die im Gesellschaftsvertrag enthaltenen und die ihm von der Gesellschafterversammlung erteilten allgemeinen oder besonderen Anweisungen auszuführen.Randnummer54

4. Der Geschäftsführer hat das Recht, jederzeit eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung herbeizuführen.Randnummer55

§ 6 Pflichten und Rechte des GeschäftsführersRandnummer56

1. Der Geschäftsführer hat sein Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen.Randnummer57

[…]Randnummer58

§ 7 NebentätigkeitRandnummer59

1. Der Geschäftsführer hat der Gesellschaft seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Er ist an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden.Randnummer60

2. Für Nebentätigkeiten, die gegen Vergütung geleistet werden, bedarf der Geschäftsführer der vorherigen Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
Zustimmung
Zustimmung der Gesellschafterversammlung
.
Randnummer61

§ 8 WettbewerbsverbotRandnummer62

1. Für die Dauer des Vertrages ist es dem Geschäftsführer nicht gestattet, in einem Unternehmen, das mit der Gesellschaft in Wettbewerb steht, als Inhaber, Gesellschafter oder Angestellter tätig zu werden oder sich an einem solchen Unternehmen direkt oder indirekt zu beteiligen oder es direkt oder indirekt zu beraten oder zu fördern oder direkt oder indirekt eine Vertretung hierfür zu übernehmen.Randnummer63

[…]Randnummer64

§ 9 UrlaubRandnummer65

1. Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen jährlichen bezahlten Urlaub von 27 Arbeitstagen. Samstage werden dabei nicht mitgerechnet.Randnummer66

2. Kann der Geschäftsführer den Urlaub aus zwingenden geschäftlichen Gründen ganz oder teilweise nicht nehmen, so ist der Urlaubsanspruch abzugelten. Das Abfindungsentgelt bemisst sich nach der Höhe des Festgehaltes gemäß § 2.Randnummer67

§10 Dauer des VertragesRandnummer68

Dieser Vertrag beginnt am 01.Dezember 1991 und wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. […]“Randnummer69

Mit Bescheid vom 06.07.1992 stellte die Tiefbau-Berufsgenossenschaft fest, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht mehr zum Kreis der pflichtversicherten Personen zählen. Darüber hinaus wurde ausgeführt, nach den Feststellungen des Rechnungsbeamten anlässlich der Lohnbuchprüfung am 27.04. und 02.06.1992 bestehe auch in der gesetzlichen Renten- bzw. Krankenversicherung keine Versicherungspflicht. In einem weiteren Schreiben der Tiefbau-Berufsgenossenschaft vom 04.01.1996 wurde ausgeführt, nach den vorliegenden Unterlagen hätten die Beigeladenen zu 1) und 2) zwar keinen maßgeblichen Anteil am Stammkapital der Gesellschaft, aufgrund der Ausgestaltung ihrer Tätigkeit hätten sie indes erheblichen Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens. Nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts seien sie daher als Unternehmer anzusehen. Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung könne daher nur bei Abschluss einer freiwilligen Unternehmerversicherung gewährt werden.Randnummer70

Mit Bescheid vom 22.07.1999 stellte die Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft unter Bezugnahme auf eine (der dem Bescheid nicht beigefügten) Erklärung, wonach R.W. das Stimmrecht seines Kapitalanteils von 55 v.H. auf die Beigeladenen zu 1) und 2) übertragen hat fest, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) nicht zum versicherungspflichtigen Personenkreis zählen. Beide würden eine unternehmerische Stellung in der Gesellschaft einnehmen, so dass kein Versicherungsschutz kraft Gesetzes bestehe.Randnummer71

Am XX.XX.2018 verstarb der Gesellschafter R.W.. Daraufhin wurde am 01.12.2018 eine außerordentliche Gesellschafterversammlung durchgeführt. Darin wurde beschlossen, nach der in § 10 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags geregelten Erbfolge den Geschäftsanteil von R.W. zu teilen und diese neuen Anteile auf die Beigeladenen zu verteilen. Die neue Liste der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Liste der Gesellschafter
wurde nicht beim Amtsgericht zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
eingereicht. Es erfolgte auch keine Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
durch die Klägerin.Randnummer72

In der Zeit vom 23.10.2020 bis zum 10.05.2021 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Geprüft wurde der Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2020.Randnummer73

Am 10.05.2021 erfolgte im Anschluss an die Betriebsprüfung eine Aktualisierung der Liste der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Liste der Gesellschafter
. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 02.06.2021. Daraus ergaben sich die folgenden Beteiligungsverhältnisse: E., F. und K. W. hielten in Erbengemeinschaft als Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen R.W. 60 % der Geschäftsanteile. Der Beigeladene zu 2) hielt ferner selbst weiterhin 23,33 % und die Beigeladene zu 1) 16,67 % der Geschäftsanteile.Randnummer74

Unter dem 20.05.2021 hörte die Beklagte die Klägerin zu dem Ergebnis der Betriebsprüfung und der beabsichtigten Nachforderung von 100.150,74 € an. Im Rahmen der Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass für die Beigeladene zu 1) seit dem 02.02.1990 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis als mitarbeitende Gesellschafterin gegen Arbeitsentgelt besteht. Seit mindestens dem 01.01.2016 bestehe Versicherungs- und Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für den Beigeladenen zu 2) habe vom 15.03.1994 bis zum 26.11.2018 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis als Gesellschafter-Geschäftsführer gegen Arbeitsentgelt bestanden. Mindestens vom 01.01.2016 bis zum 26.11.2018 habe Versicherungs- und Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden. Seit dem 27.11.2018 sei der Beigeladene zu 2) im Betrieb der Klägerin nicht mehr abhängig beschäftigt, sondern selbständig tätig. Seitdem bestehe Versicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung. Nach dem Tod des R.W. sei am 01.12.2018 eine außerordentliche Gesellschafterversammlung durchgeführt worden, in der beschlossen worden sei, den Geschäftsanteil von R.W. zu teilen und die neuen Anteile auf die Beigeladenen zu verteilen. Die neue Liste der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Liste der Gesellschafter
sei aber nicht dem Amtsgericht zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Handelsregister
vorgelegt worden. Es sei auch keine Einziehung der Geschäftsanteile erfolgt. Die mit den vererbten Geschäftsanteilen verbundenen Gesellschaftsrechte würden damit weiterhin ruhen. Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft könnten die Beigeladene zu 1) als Gesellschafterin sowie der Beigeladene zu 2) als Gesellschafter-Geschäftsführer lediglich mittels ihrer stimmberechtigten Anteile nehmen. Auf Vertrauensschutz wegen der Nichtbeanstandung der Beschäftigungsverhältnisse der Beigeladenen zu 1) und 2) in früheren Prüfungen könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Prüfung nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) könne auf Stichproben beschränkt werden. Es liege auch keine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Status durch die Clearingstelle der D. Rentenversicherung oder die zuständige Einzugsstelle vor.Randnummer75

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV sei Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Beschäftigter in diesem Sinne sei, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit erfordere die Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung. Umgekehrt sei Kennzeichen einer selbständigen Tätigkeit die im wesentlichen freie Einteilung der Arbeitszeit und die freie Gestaltung der Arbeitsleistung. Darüber hinaus trage der Selbständige in der Regel auch ein eigenes erhebliches Unternehmerrisiko, dem auf der anderen Seite größere Unternehmerchancen als bei einer abhängigen Beschäftigung gegenüberstünden. Entscheidend für die Beurteilung der Tätigkeit sei das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen werde. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis könne bei mitarbeitenden Gesellschaftern aufgrund deren Kapitalbeteiligung oder besonderer Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag von vornherein ausgeschlossen sein. Erfolgen Beschlüsse der Gesellschafter nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen und richte sich dabei das Stimmrecht des einzelnen Gesellschafters nach der Höhe seiner Geschäftsanteile, sei für einen mitarbeitenden Gesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich von vornherein ausgeschlossen, wenn er über mehr als 50 % des Stammkapitals verfüge. Eine Kapitalbeteiligung von bis zu 50 % des Stammkapitals bzw. eine Sperrminorität würden ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis dagegen nicht von vornherein ausschließen. Sofern ein Geschäftsführer zugleich am Kapital der Gesellschaft beteiligt sei, könne sich daraus oder aus dem Gesellschaftsvertrag ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ergeben. Gesellschafter-Geschäftsführer seien nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abhängig beschäftigt, wenn sie funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess teilhaben, für ihre Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhalten und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft haben. Maßgeblichen Einfluss habe der Gesellschafter, der allein über die für die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung erforderliche Mehrheit der Stimmen verfüge. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer sei ausnahmsweise auch dann als Selbständiger anzusehen, wenn ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt sei. Er müsse insoweit alle ihm nicht genehmen Beschlüsse der Gesellschafter verhindern können. Eine auf bestimmte Bereiche begrenzte Sperrminorität sei hingegen nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln.Randnummer76

Die Beigeladene zu 1) arbeite gegen Entgelt im Unternehmen und sei nicht zur Geschäftsführerin bestellt. Sie verfüge über eine Stimmberechtigung i.H.v. 16,67 % des Stammkapitals. Nach dem Tod von Herrn R.W. habe sie weitere Geschäftsanteile geerbt, bis auf die entsprechende Gewinnbeteiligung würden aber die damit verbundenen Gesellschafterrechte ruhen. Damit verfüge die Beigeladene zu 1) weiterhin nur über 16,67 Prozentpunkte der nur noch stimmberechtigten 40 Prozentpunkte. Denn eine aktive Stimmberechtigung sei nur noch mit 60.000,00 DM der Geschäftsanteile verbunden, von denen sie 25.000,00 DM halte. Die im Bescheid der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft vom 22.07.1999 benannte Stimmrechtsübertragung sei nicht in das Handelsregister eingetragen. Eine außerhalb des Gesellschaftsvertrags geschlossene Stimmrechtsvereinbarung sei zwar rechtlich zulässig, aber nicht geeignet, eine sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende, nicht wirksam abbedungene Rechtsmacht wirkungslos werden zu lassen. Die getroffene Regelung führe allenfalls zu einer sogenannten Schönwetter-Selbständigkeit, die für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend sei. Die im Schreiben der Berufsgenossenschaft genannte Stimmrechtsvereinbarung liege nicht vor und habe für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung keine Bedeutung. Zudem stehe sie auch im Widerspruch zu dem einen Monat später beim Handelsregister eingereichten geänderten Gesellschaftsvertrag. Der Beigeladene zu 2) verfüge über 23,33 Prozentpunkte der seit dem Tod von R.W. am 26.11.2018 nur noch stimmberechtigten 40 Prozentpunkte. Vom 01.01.2016 bis zum 26.11.2018 habe der Beigeladene zu 2) nicht über die Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung verfügt, um Beschlüsse herbeizuführen. Er habe daher keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben können. Ab dem 27.11.2018 habe der Beigeladene zu 2) dagegen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gehabt. Ein Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin sei seitdem ausgeschlossen.Randnummer77

Am 25.03.2021 gingen für die Beigeladenen zu 1) und 2) Feststellungsbögen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern, Fremdgeschäftsführern und mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH bei der Beklagten ein. Darin gab der Beigeladene zu 2) u.a. an, er halte 23,3 % der Geschäftsanteile der Klägerin und sei seit dem 15.03.1994 deren Geschäftsführer. Zuvor sei er ab dem 02.02.1990 bei der Klägerin beschäftigt gewesen. Als Stimmrecht sei die einfache Mehrheit vereinbart, sofern nicht durch Gesetz zwingend eine höhere Mehrheit erforderlich sei. Er könne nicht durch Sonderrechte Gesellschafterbeschlüsse herbeiführen oder verhindern. Das Stimmrecht werde auch nicht aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung zugunsten eines Dritten ausgeübt. Darlehen oder Bürgschaften habe er der Klägerin nicht gewährt. Er sei ausschließlich im Rahmen des Gesellschaftsvertrags zur Mitarbeit verpflichtet, die Mitarbeit sei nicht in einem besonderen Arbeits- oder Dienstvertrag geregelt. Er erhalte eine feste monatliche Vergütung, von der Lohnsteuer gezahlt werde und die als Lohn/Gehalt verbucht werde. Darüber hinaus sei er am Gewinn und am Verlust beteiligt. Ergänzend wurde ausgeführt, die Stimmrechte für 60 % am Stammkapital würden seit dem Tod von R.W. ruhen. Eine Einigung über die Nachfolge in den Geschäftsanteil sei nicht zustande gekommen.Randnummer78

Die Beigeladene zu 1) führte aus, sie halte 16,6 % der Geschäftsanteile und sei ausschließlich im Rahmen des Gesellschaftsvertrags zur Mitarbeit verpflichtet. Sie könne nicht durch Sonderrechte Gesellschafterbeschlüsse herbeiführen oder verhindern und übe das Stimmrecht auch nicht aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung zugunsten eines Dritten aus. Sie erhalte ebenfalls eine feste monatliche Vergütung, von der Lohnsteuer entrichtet werde und die als Lohn/Gehalt verbucht werde. Darüber hinaus bestehe eine Beteiligung an Gewinn und Verlust. Ergänzend wurde ausgeführt, sie betreibe in Eigenverantwortung den Geschäftsbereich Mineralöle/Handel.Randnummer79

Unter dem 01.07.2021 führte dann der Steuerberater der Klägerin aus, die Beigeladenen zu 1) und 2) würden mindestens seit dem Jahr 1991 als selbständig tätige Unternehmer behandelt. Der Sachverhalt sei mehrfach geprüft und stets für richtig befunden worden. In ihren früheren Bescheiden habe die Beklagte auch beide Beschäftigungsverhältnisse ausgiebig und vollständig geprüft. In den Bescheiden der Berufsgenossenschaft aus den Jahren 1992 und 1996 sei ebenfalls festgestellt worden, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) nicht zum versicherungspflichtigen Personenkreis gerechnet werden. Sie hätten daher davon ausgehen können, dass ihr versicherungsrechtlicher Status damit abschließend geklärt ist und für die Zukunft Bestand haben würde. Für die Jahre 2004 bis 2007 sei ein Prüfbescheid erteilt worden, in dem die Befreiung der Gesellschafter geprüft und nicht beanstandet worden sei.Randnummer80

Mit Bescheid vom 21.07.2021 machte die Beklagte eine Nachforderung i.H.v. 100.150,74 € geltend. Die Beigeladene zu 1) sei mindestens seit dem 01.01.2016 als mitarbeitende Gesellschafterin abhängig gegen Arbeitsentgelt beschäftigt. Es bestehe Versicherungs- und Beitragspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für den Beigeladenen zu 2) habe mindestens in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 26.11.2018 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis als Gesellschafter-Geschäftsführer bestanden. In dieser Zeit habe Versicherungs- und Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden. Seit dem 27.11.2018 übe er eine selbständige Tätigkeit aus und es bestehe in allen Zweigen der Sozialversicherung Versicherungsfreiheit. Die Begründung entsprach im Wesentlichen derer des Anhörungsschreibens. Ergänzend wurde ausgeführt, die vom Steuerberater der Klägerin vorgebrachten Einwände hätten keine erheblichen Tatsachen enthalten, die zu einer anderen Entscheidung hätten führen können. Die Prüfung der Aufzeichnungen bei den Arbeitgebern könne auf Stichproben beschränkt werden. Durch die Prüfungen solle gesichert werden, dass die Beiträge zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung entrichtet werden. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung komme den Betriebsprüfungen nicht zu. Ein Arbeitgeber könne sich daher nicht auf Vertrauensschutz berufen nur weil der Rentenversicherungsträger einen bestimmten Sachverhalt bei einer vorherigen Betriebsprüfung nicht beanstandet habe. Vertrauensschutz erwachse auch nicht aus dem vorgelegten Bescheid der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft vom 22.07.1999. Bescheide der Berufsgenossenschaften würden sich grundsätzlich nur auf die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch und somit nur auf die Belange im Zusammenhang mit der Unfallversicherung beziehen. Ein Rückschluss auf die übrigen Zweige der Sozialversicherung könne grundsätzlich nicht erfolgen. Vertrauensschutz könne in Ausnahmefällen entstehen, wenn sich der Bescheid des Unfallversicherungsträgers ausdrücklich auch auf weitere Zweige der Sozialversicherung bezieht und dem Empfänger der Eindruck entstehen muss, die Entscheidung gelte nicht allein für die Unfallversicherung. Dies sei jedoch nicht der Fall, da der Bescheid ausdrücklich mit „unfallversicherungsrechtliche Stellung des Herrn F.W.“ betitelt sei.Randnummer81

Gegen diesen Bescheid legte der Bevollmächtigte der Klägerin und dem 25.08.2021 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der VollziehungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aussetzung
Aussetzung der Vollziehung
Vollziehung
. Die Beitragsforderungen für das Jahr 2016 seien verjährt. Darüber hinaus habe die Bundesagentur für Arbeit [sic] zuletzt im Rahmen der vom 08.06.2016 bis zum 01.08.2016 durchgeführten Betriebsprüfung keine Auffälligkeiten festgestellt. Auch bei einem beanstandungsfreien Abschluss einer Betriebsprüfung sei das Verfahren mit einer rechtswirksam Feststellung zum (Nicht-) Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflichten in den stichprobenweise geprüften Auftragsverhältnissen und zum Ergebnis der übrigen geprüften Sachverhalte abzuschließen. Die Betriebsprüfung müsse sich zwingend auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführende GmbH-Gesellschafter erstrecken, sofern ihr sozialversicherungsrechtlicher Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist. Mit Bescheid vom 01.08.2016 sei daher ein Vertrauenstatbestand gesetzt worden. Zudem seien auch die in der Vergangenheit durchgeführten Betriebsprüfungen beanstandungsfrei gewesen. Die Beitragsnach-forderungen für das Jahr 2016 seien zudem verjährt. Die Verjährungsfrist für die im Jahr 2016 fällig gewordenen Beiträge beginne am 01.01.2017 und ende am 31.12.2020. Die Betriebsprüfung habe jedoch erst am 05.01.2021 und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist begonnen. Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung könne die Beklagte nicht geltend machen. Dies führe zu einer Störung des Äquivalenzprinzips. Wenn allein aufgrund der Unkenntnis von einer bestehenden Versicherungspflicht weder Beiträge gezahlt noch Leistungen in Anspruch genommen werden, könnten Beitragsansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, wenn sich das Risiko, dass versichert werden sollte, nicht mehr realisieren lasse. Die Beigeladene zu 1) sei schon nach § 6 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) versicherungsfrei. Sie habe am 16.09.2014 das 55. Lebensjahr vollendet und sei zu diesem Zeitpunkt durchgehend privat krankenversichert gewesen.Randnummer82

Mit Schreiben vom 02.09.2021 führte der Beigeladene zu 2) unter Vorlage von Unterlagen aus den Jahren 1991 bis 2000 aus, er habe noch die Anlage zu einem Bericht der Einzugsstelle gefunden, wonach Beiträge zur Rentenversicherung für den Monat Dezember 1991 zu erstatten waren. Seit 1991 seien er und seine Schwester Mitglieder der privaten Krankenversicherung. Unfall- und Rentenversicherungen seien bei privaten Versicherungsunternehmen fortgeführt worden. Die Beklagte habe den Betrieb lückenlos geprüft. Es sei auch nicht ersichtlich, dass es sich dabei um stichprobenartige Prüfungen gehandelt habe. Man habe keine Veranlassung gehabt, an der Rechtmäßigkeit der Befreiung von der Sozialversicherungspflicht zu zweifeln.Randnummer83

Im Oktober 2021 führte der Bevollmächtigte der Klägerin ergänzend aus, die Deutsche Angestellten Krankenkasse habe mit Schreiben vom 11.09.1991 eine Pflichtmitgliedschaft des Beigeladenen zu 2) verneint. Für die Beigeladene zu 1) sei dies in der Anlage zum Bericht vom 19.06.1992 und vom 21.07.1992 ebenfalls festgestellt worden. Auch die Tiefbau-Berufsgenossenschaft habe mit Bescheid vom 06.07.1992 die fehlende Versicherungspflicht in der Unfallversicherung sowie in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung festgestellt. Dies habe auch die Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 22.07.1999 bestätigt. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte habe aufgrund einer Betriebsprüfung am 29.10.1996 bezüglich der Beigeladenen zu 1) und 2) keine Beanstandungen gehabt. Auch in den nachfolgenden Jahren seien durch die Beklagte keine Beanstandungen erfolgt. Im Übrigen sei auch die Ehefrau des Beigeladenen zu 2), die ebenfalls K. heiße und auf Basis eines Arbeitsverhältnisses im sozialversicherungsrechtlichen Sinne bei der Klägerin tätig sei, in den Bescheiden mehrfach erwähnt worden. Gemäß dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.09.2019 (B 12 R 25/18 R) hätten in der Betriebsprüfung auch zwingend Feststellungen bezüglich der im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner von Abkömmlingen des Arbeitgebers sowie geschäftsführenden GmbH-Gesellschaftern zu erfolgen. Die Vertragsverhältnisse der Beigeladenen zu 1) und 2) hätte die Beklagte daher prüfen müssen.Randnummer84

Mit Bescheid vom 27.01.2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei den vorangegangenen stichprobenweise durchgeführten Betriebsprüfungen seien keine sozialversicherungsrechtlichen Beurteilungen für die Beigeladenen zu 1) und 2) vorgenommen worden. Das BSG habe mit Urteil vom 19.09.2019 den Stichprobencharakter einer Betriebsprüfung, aus dem sich kein Vertrauensschutz herleiten lasse, erneut bestätigt. Der Umstand, dass in der Vergangenheit durchgeführte Betriebsprüfungen hinsichtlich erfolgter Beitragszahlungen ohne Beanstandungen geblieben sind, sei kein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Prüfbehörden. Das BSG habe bestätigt, dass sich aus einer Prüfmitteilung, die keine entsprechenden personenbezogenen versicherungs- bzw. beitragsrechtlichen Feststellungen enthält, weder eine materielle Bindungswirkung noch ein Vertrauensschutz herleiten lasse. Hinsichtlich der Schreiben der Tiefbau-Berufsgenossenschaft vom 06.07.1992 und vom 04.01.1996 sei festzustellen, dass allein der Rentenversicherungsträger und die Einzugsstellen Entscheidungen darüber treffen, ob ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt oder nicht. Die Berufsgenossenschaften seien hierzu nicht ermächtigt. Auf einen Vertrauensschutz könne sich die Klägerin daher nicht berufen. Ein solcher lasse sich auch nicht aus den eingereichten Unterlagen der D. und der A. herleiten. Die Unterlagen würden keine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der mitarbeitenden Gesellschafterin und des Gesellschafter-Geschäftsführers enthalten. Die Beitragsforderung sei auch nicht verjährt. Die Betriebsprüfung habe am 23.10.2020 begonnen und sei mit Bekanntgabe des Beitragsbescheides am 21.07.2021 beendet worden. Seit dem 23.10.2020 habe die Außendienstmitarbeiterin mehrmals mit der Abrechnungsstelle der Klägerin Kontakt aufgenommen. Da Unterlagen teilweise nicht oder nur unvollständig vorgelegt werden konnten, sei die Prüfung erst im Jahr 2021 abgeschlossen worden. Zwischen dem Beginn der Prüfung und der Bescheiderteilung sei das Erfordernis zusätzlicher Ermittlungsarbeit gegeben gewesen, sodass eine laufende Fortführung der Betriebsprüfung erkennbar gewesen sei. Nach Zugang der Unterlagen am 12.04.2021 sei eine Prüfung durch die Außendienstmitarbeiterin erfolgt. Das Anhörungsschreiben sei am 20.05.2021 an die Abrechnungsstelle und an die Klägerin gesandt worden. Die Abrechnungsstelle habe am 07.06.2021 eine Fristverlängerung zur Stellungnahme bis zum 30.06.2021 beantragt. Dem habe die Beklagte zugestimmt. Am 01.07.2021 habe die Abrechnungsstelle sodann mitgeteilt, die Stellungnahme sei am selbigen Tag in die Post gegeben worden. Die Bescheiderteilung sei dann am 21.07.2021 erfolgt.Randnummer85

Hinsichtlich der rückwirkenden Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung habe das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 08.07.2008 (L 16 (18) R 43/05) festgestellt, eine solche sei auch dann zulässig, wenn wegen einer gleichzeitigen privaten Krankenversicherung ein Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse nicht gegeben ist. In diesem Zusammenhang gehe das Solidarprinzip der Sozialversicherung dem abgabenrechtlichen Grundsatz vor, dass zu Beiträgen nur herangezogen werden darf, wer von einem bestimmten öffentlichen Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil zu erwarten hat. Dieser Rechtsauffassung habe sich unter anderem auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg angeschlossen. Das Äquivalenzprinzip beziehe sich in erster Linie auf das sozialrechtliche Versicherungsverhältnis zwischen Sozialversicherungsträger und Versicherten und sei nicht ohne weiteres auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger übertragbar. Es liege keine Störung des Äquivalenzprinzips vor, wenn der gesetzlich Versicherte vom Eintritt der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nichts wisse oder hiervon keine Kenntnis nehme und deshalb keine Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen habe. Das Bundessozialgericht habe eine rechtlich bedeutsame Störung des Äquivalenzprinzips nur bejaht, wenn der Sozialversicherungsträger aus dem Versicherungsverhältnis einseitig Rechtspositionen in Gestalt von Beitragsansprüchen gegen den Versicherten (nicht den Arbeitgeber) ableitet, ohne dafür diesem gegenüber selbst nur das Risiko einer möglichen Gewährung von Versicherungsschutz durch Gewährung von Sozialleistungen zu tragen. Der Arbeitgeber könne sich nicht auf eine Fehlbeurteilung der Versicherungspflicht berufen. Wenn eine Meldung der Versicherungspflicht und damit die Beitragszahlung aufgrund eines Rechtsirrtums des Arbeitgebers unterbleibe, handele der Arbeitgeber fahrlässig. Für die Beigeladene zu 1) bestehe auch keine Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 3a SGB V. Wenn die Beigeladene zu 1) eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hätte vornehmen lassen, wäre von Beginn an eine Krankenversicherungspflicht festgestellt worden. Nur aus einer sozialversicherungsrechtlichen Fehlinterpretation der Tätigkeit könne keine Krankenversicherungsfreiheit abgeleitet werden.Randnummer86

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 25.02.2022 Klage erhoben.Randnummer87

Sie ist der Ansicht, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) in den ausgewiesenen Zeiträumen nicht abhängig versicherungspflichtig bei ihr beschäftigt gewesen sind. Beide Beigeladenen seien bereits seit dem Jahr 1991 von der Versicherungspflicht in der (Gesamt-) Sozialversicherung befreit. Darüber hinaus ergebe sich ein Vertrauensschutz aus den früheren Prüfbescheiden der Beklagten, in denen hinsichtlich der Beigeladenen zu 1) und 2) keine Versicherungspflicht festgestellt worden sei, sowie aus den Bescheiden der Berufsgenossenschaften und den Mitteilungen der Krankenkasse.Randnummer88

Die Klägerin beantragt,Randnummer89

den Bescheid vom 21.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2022 aufzuheben.Randnummer90

Die Beklagte beantragt,Randnummer91

die Klage abzuweisen.Randnummer92

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Beigeladene zu 1) im gesamten Prüfzeitraum sowie der Beigeladene zu 2) in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 26.11.2018 abhängig bei der Klägerin beschäftigt waren und für sie Beiträge für sämtliche Zweige der Sozialversicherung nachzuentrichten sind. Im Übrigen beruft sie sich auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.Randnummer93

Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben keine Anträge gestellt.Randnummer94

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.Randnummer96

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2022 ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin nicht Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten.Randnummer97

Ermächtigungsgrundlage für die Nachforderung von Beiträgen ist § 28p Abs. 1 S. 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfungen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht zur Arbeitsförderung. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte zu Recht die Versicherungspflichtigkeit der Beigeladenen zu 1) in der Kranken- und Pflegeversicherung, der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 26.11.2018 die Versicherungspflichtigkeit des Beigeladenen zu 2) ebenfalls in allen Zweigen der Sozialversicherung angenommen und die Höhe der aufgrund dessen von der Klägerin für diese Versicherungszweige zu zahlenden Beiträge festgesetzt.Randnummer98

Der Versicherungspflicht in der Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, §§ 25 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), 20 Abs. 1 S. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.Randnummer99

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa BSG Urteil vom 22.06.2005 – B 12 KR 28/03 R m.w.N.), der sich die Kammer anschließt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er insbesondere im Hinblick auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung einem umfassenden Weisungsrecht seines Arbeitgebers unterliegt, wobei dieses bei höheren Diensten auf eine „funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein kann (vgl. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 20.11.2009 – L 4 R 1540/08). Eine selbständige Tätigkeit ist dagegen geprägt durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit (vgl. BSG aaO). Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen, wobei das Gesamtbild der Arbeitsleistung entscheidend ist.Randnummer100

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen; darunter fallen in diesem Zusammenhang die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. BSG Urteil vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06). Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist oder sich aus der gelebten Beziehung erschließen lässt. Ausgangspunkt der Prüfung sind dabei jeweils die (schriftlichen) vertraglichen Vereinbarungen, soweit solche bestehen. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Abwicklung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 5 m.w.N.).Randnummer101

Gemessen an diesen Grundsätzen hält der Bescheid vom 21.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2022 einer rechtlichen Überprüfung vollumfänglich stand. Die Kammer gelangt unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu der Überzeugung, dass die Beigeladenen bei der Klägerin im Prüfzeitraum abhängig beschäftigt waren und somit die Beigeladene zu 1) für ihre Tätigkeit im gesamten Prüfzeitraum und der Beigeladene zu 2) in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 26.11.2018 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlagen.

I.

Die Beigeladene zu 1) ist als bloße Minderheitsgesellschafterin im Prüfzeitraum abhängig bei der Klägerin beschäftigt gewesen.Randnummer103

Die dargestellten Abgrenzungsmaßstäbe zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit gelten grundsätzlich auch für in einer GmbH angestellte Gesellschafter (vgl. BSG Urteil vom 29.06.2021 – B 12 R 8/19 R – juris RdNr 12; Urteil vom 12.05.2020 – B 12 KR 30/19 RBSGE 130, 123 = SozR 4-2400 § 7 Nr 47, RdNr 30 ff mwN). Eine GmbH-Gesellschafterin, die in der Gesellschaft angestellt und – wie hier nicht zur Geschäftsführerin bestellt ist, ist regelmäßig abhängig beschäftigt (vgl. BSG Urteil vom 13.12.2022 – B 12 KR 16/20 R). Allein aufgrund der gesetzlichen Gesellschafterrechte besitzt sie noch nicht die Rechtsmacht, ihre Weisungsgebundenheit als Angestellte der Gesellschaft aufzuheben. Denn das Weisungsrecht gegenüber den Angestellten der GmbH obliegt – sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist – nicht der Gesellschafterversammlung, sondern ist Teil der laufenden gewöhnlichen Geschäftsführung. Erst unter besonderen Bedingungen, etwa wenn Gesellschafter kraft ihrer gesellschaftsrechtlichen Position auch die Leitungsmacht gegenüber dem Geschäftsführer haben, unterliegen sie nicht mehr dessen Weisungsrecht (st. Rspr; BSG Urteil vom 29.06.2021 aaO; BSG Urteil vom 12.05.2020 aaO RdNr 32 mwN).Randnummer104

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegen nach dem Gesamtbild die Indizien für die abhängige Beschäftigung.Randnummer105

a) Das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrags über die Mitarbeit in der Gesellschaft hat für die sozialversicherungsrechtliche Statuszuordnung keine Bedeutung. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung kann auch dann vorliegen, wenn eine Tätigkeit – wie hier – allein auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage ausgeübt wird (vgl. BSG Urteil vom 13.12.2022 aaO mwN).Randnummer106

Dass die Vertragsparteien offenbar von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen sind, ist unerheblich. Die wertende Zuordnung nach § 7 SGB IV kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden (vgl. BSG Urteil vom 13.12.2022 aaO, BSG Urteil vom 19.10.2021 – B 12 R 6/20 R juris RdNr 18). Denn über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden.Randnummer107

b) Vorliegend waren in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Falle der Beigeladenen zu 1) eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Dabei kann eine im Widerspruch zu den ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der nur formellen Vereinbarung vorgehen, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist (vgl. BSG Urteil vom 29.08.2012 – B12 R 14/10 R). Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist (BSG Urteil vom 29.08.2012 aaO). Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat das Bundessozialgericht, dessen überzeugenden Ausführungen sich die Kammer anschließt, bislang festgehalten (vgl. BSG Urteil vom 29.08.2012 aaO mit Hinweis auf BSG Urteil vom 11.03.2009 – B 12 KR 21/07 R, BSG Urteil vom 29.9.2011- B 12 R 17/09 und BSG Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R).Randnummer108

Dies zugrunde legend war die Beigeladene zu 1) im Prüfzeitraum nicht in ihrem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig, da sie nicht über eine Mehrheitsbeteiligung an den Geschäftsanteilen der Klägerin verfügte.Randnummer109

Die Beigeladene zu 1) hielt im Prüfzeitraum lediglich 16,67 % der Geschäftsanteile. Von den übrigen Geschäftsanteilen hielten der Beigeladene zu 2) 23,33 % und der am 26.11.2018 verstorbene R.W. 60 %. Nach dem Tod des R.W. gingen dessen Geschäftsanteile auf E., F. und K.W. in Erbengemeinschaft als Gesamtrechtsnachfolger über. Dieser Geschäftsanteil ruht jedoch gemäß § 10 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrags, so dass seit dem 27.11.2018 unter Zugrundelegung der noch verbliebenen stimmberechtigten 40 % der Geschäftsanteile der Beigeladene zu 2) Mehrheitsgesellschafter der Klägerin wurde.Randnummer110

Eine Erhöhung des Geschäftsanteils der Beigeladenen zu 1) ist nicht sozialversicherungsrechtlich bedeutsam bewirkt worden. Zwar wurde in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 01.12.2018 eine Teilung des Anteils des verstorbenen R.W. und eine Verteilung der neuen Anteile auf die Beigeladenen zu 1) und 2) beschlossen, jedoch ist keine entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgt. Insbesondere wurde bis zum Abschluss der Betriebsprüfung keine neue Gesellschafterliste zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
bei dem zuständigen Amtsgericht eingereicht. Es erfolgte auch keine Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
durch die Klägerin, so dass die Beigeladene zu 1) während des gesamten Prüfzeitraums lediglich 16,67 % der Geschäftsanteile hielt. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 01.12.2018 ist auch offensichtlich im Prüfzeitraum nicht umgesetzt worden, da gemäß der am 02.06.2021 zu Eintragung gebrachten aktualisierten Gesellschafterliste E., F. und K.W. in Erbengemeinschaft als Gesamtrechtnachfolger 60 % der Geschäftsanteile der Klägerin hielten. Die am 01.12.2018 beschlossene Teilung dieses Geschäftsanteils ist dagegen erst später umgesetzt und am 13.04.2022 in das Handelsregister eingetragen worden.Randnummer111

Die Beigeladene zu 1) war damit im Prüfzeitraum Minderheitsgesellschafterin und verfügte nicht über die eine abhängige Beschäftigung ausschließende ausreichende Rechtsmacht innerhalb der Klägerin, da gemäß § 5 des Gesellschaftsvertrags Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Insbesondere war die Beigeladene zu 1) nicht in der Lage, die Dienstaufsicht über die nicht an der Klägerin beteiligten Angestellten, die der laufenden Geschäftsführung des Geschäftsführers unterliegen, in Widerspruch zu ihrem Bruder (dem Beigeladenen zu 2) auszuüben. Sie hatte auch nicht die gesellschaftsrechtlich verankerte Rechtsmacht zu verhindern, dass der Beigeladene zu 2) als Geschäftsführer maßgebende Rahmenbedingungen vorgibt, in die sich die Erbringung ihrer Arbeitsleistung eingegliedert hat. Dabei sind die bestehenden familiären Beziehungen und eine gegebenenfalls bestehende familiäre Rücksichtnahme für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unerheblich. Eine „Schönwetter-Selbständigkeit“ außerhalb gesellschaftsrechtlicher Bindungen ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (vgl. etwa BSG Urteil vom 13.12.2022 – B 12 KR 16/22 R mwN).Randnummer112

Die Beigeladene zu 1) war insoweit kraft ihres Anteils am Stammkapital nicht in der Lage auf die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend Einfluss zu nehmen und damit das unternehmerische Geschick der GmbH insgesamt wie ein Unternehmensinhaber zu lenken. Hierfür wäre grundsätzlich eine sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstreckende Gestaltungsmacht erforderlich (vgl. BSG Urteil vom 28.6.2022 aaO). Andernfalls ist auch die mitarbeitende Gesellschafterin nicht im „eigenen“ Unternehmen tätig, sondern in funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als Arbeitgeberin eingegliedert (vgl. BSG Urteil vom 01.02.2022 – B 12 KR 37/19 RBSGE 133, 245 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 61, RdNr 13).Randnummer113

c) Die Beigeladene zu 1) verfügte im Prüfzeitraum auch nicht über eine ihr gesellschaftsvertraglich eingeräumte umfassende Sperrminorität, die es ihr ermöglicht hätte, sämtliche ihr unliebsamen Entscheidungen zu verhindern. Ab dem 27.11.2018 verfügte sie aufgrund ihres Anteils an den noch verbliebenen stimmberechtigten 40 % des Stammkapitals nur über die Rechtsmacht solche Beschlüsse zu verhindern, die kraft Gesetzes (wie in § 53 Abs. 2 und § 60 Abs. 1 S. 2 GmbHG) eine Mehrheit von mindestens 75% der vorhandenen Stimmen erfordern. Alle anderen Beschlüsse vermochte sie kraft ihres Anteils am Stammkapital hingegen nicht zu verhindern. Dies ist nicht ausreichend für die Annahme einer Sperrminorität.Randnummer114

d) Die Beigeladene zu 1) verfügte darüber hinaus nicht aufgrund einer Stimmrechtsübertragung des verstorbenen R.W. über einen höheren Stimmrechtsanteil, der es ihr ermöglicht hätte, einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Klägerin zu nehmen.Randnummer115

Zwar hatte die Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 22.07.1999 unter Bezugnahme auf eine Erklärung, wonach R.W. das Stimmrecht seines Kapitalanteils von 55 v.H. auf die Beigeladenen zu 1) und 2) übertragen hat, festgestellt, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) nicht zum versicherungspflichtigen Personenkreis zählen; diese Erklärung befindet sich jedoch weder in der Verwaltungsakte noch ist sie im Klageverfahren vorgelegt worden. Eine Stimmrechtsübertragung ist auch nicht in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen oder in das Handelsregister eingetragen worden. Es ist auch nicht ersichtlich, in welchem Umfang eine Stimmrechtsübertragung an die Beigeladene zu 1) konkret erfolgt sein soll oder ob die Beigeladenen das Stimmrecht gegebenenfalls nur gemeinschaftlich und einheitlich ausüben können sollten.Randnummer116

Eine außerhalb des Gesellschaftsvertrags vorgenommene Stimmrechtsübertragung (ohne Übertragung der zugrundeliegenden Geschäftsanteile) gewährt der Beigeladenen zu 1) – ebenso wenig wie ein Stimmbindungsvereinbarung – aber jedenfalls nicht die Rechtsmacht, sich – einer gesellschaftsvertraglich vereinbarten umfassenden Sperrminorität qualitativ gleichwertig – jederzeit gegen unliebsame Weisungen zur Wehr zu setzen.Randnummer117

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) führen außerhalb des Gesellschaftsvertrags auf Dauer eingegangene schuldrechtliche Abstimmungsverpflichtungen unter wechselseitiger Beteiligung aller Gesellschafter an der Stimmbindungsvereinbarung regelmäßig zu einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, §§ 705 ff Bürgerliches GesetzbuchBGB), da mit der koordinierten Ausübung der Stimmrechte ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird (BSG Urteil vom 11.11.2015 – B 12 KR 13/14 R; BGHZ 126, 226, 234). Insoweit sind die Vorgaben des § 723 BGB zu beachten. Die Kündigungsrechte können ungeachtet dessen, ob sie die ordentliche Kündigung oder die Kündigung aus wichtigem Grund betreffen, nicht vertraglich abbedungen werden. Dabei liegt der außerordentlichen Kündigung der Rechtsgedanke zugrunde, dass das Dauerschuldverhältnis mit sofortiger Wirkung und nicht etwa unter Einhaltung einer Frist gelöst werden kann, wenn einem der Beteiligten das Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist (vgl. Schäfer in: Münchner Kommentar, 8. Aufl. 2020, § 723 BGB Rn. 19). Die Gestaltungswirkungen der Kündigung treten somit grundsätzlich sofort ein, sobald die Erklärung allen Gesellschaftern zugegangen ist (vgl. Schäfer in: Münchner Kommentar aaO); die Gesellschaft ist dann nach Maßgabe der §§ 730 ff BGB abzuwickeln. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liegt z.B. vor, wenn einer der beteiligten Gesellschafter eine ihm nach dem Stimmbindungsvertrag obliegende Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt hat oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird (§ 723 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB). Aber auch Störungen des Vertrauensverhältnisses rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung (Schäfer in: Münchner Kommentar, § 723 BGB Rn. 31). Das gilt anerkanntermaßen etwa für die nachhaltige üble Nachrede gegenüber Familienmitgliedern eines Mitgesellschafters; ebenso kann das Unterhalten ehewidriger Beziehungen zur Ehefrau eines Mitgesellschafters zu einer unerträglichen Belastung des Gesellschaftsverhältnisses führen und die Auflösung gebieten (Schäfer in: Münchner Kommentar, § 723 BGB Rn. 31).Randnummer118

Nach Auffassung der Kammer können diese Grundsätze auf eine außerhalb des Gesellschaftsvertrags vereinbarte Stimmrechtsübertragung entsprechend angewendet werden.Randnummer119

Die nicht gesellschaftsvertraglich geregelte Vereinbarung über eine Stimmrechtsübertragung ist insoweit als rein schuldrechtliche Vereinbarung – anders als eine Sperrminorität jederzeit sowohl ordentlich fristgerecht als auch außerordentlich fristlos durch einseitige Kündigungserklärung formlos kündbar. Ungeachtet dessen, ob nach ihrem Ausspruch gerichtlich gegen sie vorgegangen werden kann, ist die Kündigung zunächst einmal ausgesprochen und zieht unmittelbar Rechtsfolgen nach sich. Die Anforderungen an die Aufhebung gesellschaftsvertraglicher Regelungen sind dagegen ungleich höher: die gesellschaftsvertraglich verankerte Sperrminorität kann einem Gesellschafter nicht durch eine einseitige (Kündigungs-) Erklärung entzogen werden. Die Entziehung einer Sperrminorität stellt eine Änderung des Gesellschaftsvertrags dar. Eine solche kann gemäß § 53 Abs. 1 GmbHG nur durch Beschluss der Gesellschafter erfolgen. Anders als bei der (einseitigen) Kündigung einer Stimmbindungsvereinbarung oder einer Stimmrechtsübertragung bedarf es mithin eines Zusammenwirkens der Gesellschafter. Der erforderliche Gesellschafterbeschluss muss darüber hinaus nicht nur notariell beurkundet werden, sondern bedarf für seine Wirksamkeit zudem einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen. Wenn ein Gesellschafter über eine umfassende Sperrminorität verfügt, kann sie ihm somit gegen seinen Willen nicht entzogen werden, da er diese Satzungsänderung mit seiner Sperrminorität verhindern kann (vgl. Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 14 Rn. 19; BGH WM 1989, 250).Randnummer120

Die Stimmrechtsübertragung hätte zudem schon im Falle eines Zerwürfnisses der Beigeladenen zu 1) und 2) mit ihrem Vater, dem Gesellschafter R.W., einseitig mit der Folge gekündigt werden können, dass die Stimmrechtsübertragung entfällt. Allein darauf kommt es an. Weder dem Gesetzeswortlaut noch der Kommentierung ist zu entnehmen, dass die Möglichkeit der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung auf absolute Extremsituationen beschränkt sein soll. Vielmehr zeigen die in der Kommentarliteratur genannten Beispiele ganz eindeutig und zweifelsohne, dass ein „herkömmliches“ Zerwürfnis der Gesellschafter erforderlich, aber auch vollkommen ausreichend ist.Randnummer121

Die Möglichkeit mit den sich daraus möglicherweise ergebenden gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen in Gestalt des Wegfalls der Stimmrechtsübertragung ist mit dem Grundgedanken der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände vollkommen unvereinbar. Im Interesse aller Beteiligten muss die Frage der Versicherungspflicht bzw. wegen Selbständigkeit nicht bestehender Versicherungspflicht bereits zu Beginn einer Tätigkeit geklärt werden können, weil dies nicht nur für die Beitragsentrichtung, sondern auch für die Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche der Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (BSG Urteil vom 11.11.2015 – B 12 KR 10/14 R mwN). Eine solche Vorhersehbarkeit ist nicht mehr gegeben, wenn die für die Frage des sozialversicherungsrechtlichen Status entscheidenden Rechtsmachtverhältnisse außerhalb des Gesellschaftsvertrags ohne wesentliche Hürden und Einhaltung von Formerfordernissen durch Ausübung einseitiger Rechte potentiell jederzeit geändert werden können. Dieses das Recht der Pflichtversicherung im Sozialversicherungsrecht prägende Prinzip der Vorhersehbarkeit unterscheidet sich maßgeblich von den Wertungen des an vornehmlich praktischen Bedürfnissen ausgerichteten Gesellschaftsrechts.Randnummer122

Im Übrigen stünde eine solche Stimmrechtsübertragung auch im Widerspruch zu dem geänderten Gesellschaftsvertrag vom 27.08.1999 und der unter demselben Datum beim Handelsregister eingereichten aktualisierten Gesellschafterliste, die eine Stimmrechtsübertragung gerade nicht erkennen ließen.Randnummer123

e) Auch nach den allgemeinen Grundsätzen gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin abhängig beschäftigt war.Randnummer124

Die Beigeladene zu 1) hatte im Verwaltungsverfahren angegeben, für den Bereich Mineralöle/Handel zuständig und nur aufgrund des Gesellschaftsvertrags zur Mitarbeit verpflichtet zu sein. In ihrem Geschäftsbereich könne sie selbständig Personal einstellen und entlassen und ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen. Als wöchentliche Arbeitszeit wurden 40 Stunden angegeben. Für die Tätigkeit erhielt sie eine fest monatliche Vergütung in Höhe von 2068,00 €, von der Lohnsteuer entrichtet wurde. Es bestand zudem Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Damit ist das Vertragsverhältnis durch typische Merkmale einer abhängigen Beschäftigung geprägt gewesen.Randnummer125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund etwaiger größerer Entscheidungs- bzw. Handlungsfreiheiten in ihrem Tätigkeitsfeld im Unternehmen. Denn größere Handlungsfreiheiten sind geradezu charakteristisch für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste verrichten; dies ändert aber nichts daran, dass die Beigeladene zu 1) im Rahmen ihrer Tätigkeit in eine fremde vorgegebene Arbeitsorganisation eingebunden war (vgl. dazu BSGE 16, 289,294; BSG SozR 3-2400 §7 Nr. 20 S. 80; BSGE 66, 168; BSG SozR 3-2940 §3 Nr. 2 S. 57,58f). Denn es bestanden grundsätzlich Weisungs- und Kontrollbefugnisse sowohl der Gesellschafterversammlung als auch des Geschäftsführers dem Beigeladenen zu 2) – da dieser gemäß § 1 des Geschäftsführervertrags die Geschäfte der Gesellschaft führt und die verantwortliche Leitung des gesamten Betriebes hat. Insoweit ist es auch nicht von Bedeutung, ob und inwiefern im Einzelfall umfassende Weisungs- und Kontrollrechte tatsächlich wahrgenommen wurden. Bei Diensten höherer Art – wie sie von der Beigeladenen zu 1) ausgeübt wurden – verfeinert sich das Weisungsrecht nämlich zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess (st. Rspr, vgl. zuletzt BSG Urteil vom 29.08.2012 – Az. B 12 R 14/10 R).

II.

Auch hinsichtlich des Beigeladenen zu 2) hat die Beklagte für die Zeit bis einschließlich 26.11.2018 zu Recht angenommen, dass er bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen ist.Randnummer127

Die dargestellten von dem BSG aufgestellten Grundsätze zur Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit sind auch bei Organen juristischer Personen, zu denen die Geschäftsführer einer GmbH gehören, anzuwenden.Randnummer128

Allein die Organstellung des Gesellschafter-Geschäftsführers schließt dessen Abhängigkeit von der Gesellschaft bzw. den Gesellschaftern nicht aus (vgl. BSG Urteil vom 30.06.1999 – B 2 U 35/98 R; BSGE 13, 196, 200). Die Beurteilung der Frage, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, hängt vielmehr davon ab, ob er einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft ausübt (BSG Urteil vom 30.06.1999, aaO; BSG SozR 4600 § 56 Nr. 1; BSG SozR 2100 § 7 Nr. 7). Bei einem am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist daher zunächst der Umfang seiner Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung. Danach ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis regelmäßig zu verneinen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH aufgrund seiner eigenen Kapitalbeteiligung auf die Gesellschaft beherrschenden Einfluss nehmen kann; hiervon ist auszugehen, wenn er Mehrheitsgesellschafter ist, er also mindestens über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt (vgl. BSGE 23, 83, 84; BSGE 42, 1,2). Gleiches gilt im Falle einer geringeren Beteiligung, wenn sich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die Rechtsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers ergibt, mit seinem Anteil ihm unliebsame Entscheidungen zu verhindern (sog. Sperrminorität; vgl. BSG Urteil vom 23.01.1986 = SozR 5420 § 2 Nr. 35; BSG SozR 4-2400 §7 Nr. 1).Randnummer129

Verfügt ein geschäftsführender Gesellschafter weder über eine Mehrheitsbeteiligung noch über eine Sperrminorität, so kann daraus indes nicht zwingend auf das Vorliegen einer Beschäftigung geschlossen werden. In einem solchen Fall hängt das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach allgemeinen Grundsätzen wesentlich davon ab, ob der Geschäftsführer nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit einem seine persönliche Abhängigkeit begründenden Weisungsrecht der Gesellschaft unterliegt; denn auch wenn der geschäftsführende Gesellschafter nicht über eine Mehrheit der Geschäftsanteile oder über eine Sperrminorität verfügt, kann eine abhängige Beschäftigung ausgeschlossen sein, wenn es ihm sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft ermöglicht, ihm unliebsame Weisungen zu verhindern (vgl. BSG SozR 2100 §7 Nr. 7; SozR 3-2400 §7 Nr. 4).Randnummer130

Vorliegend waren in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Falle des Beigeladenen zu 2) eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung in dem im Bescheid ausgewiesenen Zeitraum, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Dabei kann eine im Widerspruch zu den ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der nur formellen Vereinbarung nur dann vorgehen, soweit eine formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist (vgl. BSG Urteil vom 29.08.2012 – B12 R 14/10 R). Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist (BSG Urteil vom 29.08.2012 aaO). Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den getroffenen Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat das Bundessozialgericht, dessen überzeugenden Ausführungen sich die Kammer anschließt, bislang festgehalten (vgl. BSG aaO mit Hinweis auf BSG Urteil vom 11.03.2009 – B 12 KR 21/07 R, BSG Urteil vom 29.9.2011 – B 12 R 17/09 und BSG Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R).Randnummer131

a) Der Beigeladene zu 2) hielt im Prüfzeitraum lediglich 23,33 % der Geschäftsanteile der Klägerin. In der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 26.11.2018 war er damit Minderheitsgesellschafter. Erst durch den Tod des Mehrheitsgesellschafters R.W. am 26.11.2018 Ruhen dessen auf die Erbengemeinschaft E., F. und K.W. übergegangenen Geschäftsanteils in Höhe von 60 %, so dass ab dem 27.11.2018 zunächst nur noch 40 % stimmberechtigte Geschäftsanteile verblieben sind. Der Beigeladene zu 2) ist daher kraft seines Anteils an dem verbliebenen stimmberechtigten Stammkapital seit dem 27.11.2018 Mehrheitsgesellschafter der Klägerin.Randnummer132

In der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 26.07.2018 war er jedoch allein aufgrund seiner Beteiligung am Stammkapital nicht in der Lage, einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Klägerin zu nehmen. Es verfügte auch nicht über eine ihm gesellschaftsvertraglich eingeräumte Sperrminorität, die es ihm ermöglicht hätte, ihm unliebsame Entscheidungen zu verhindern. Gemäß § 5 des Gesellschaftsvertrags ergehen Beschlüsse der Gesellschaft mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn das Gesetz nicht zwingend eine höhere Mehrheit vorsieht. Selbst für die Veräußerung oder Einziehung von GeschäftsanteilenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung von Geschäftsanteilen
sieht der Gesellschaftsvertrag keine Abweichung von dem Erfordernis einer einfachen Mehrheit vor (vgl. §§ 7 und 9 des Gesellschaftsvertrags). Aufgrund seiner Beteiligung am Stammkapital konnte der Beigeladene zu 2) ihm unliebsame Beschlüsse nicht verhindern. Mit seinem Anteil am Stammkapital war er noch nicht einmal in der Lage, aus eigener Kraft solche Beschlüsse zu verhindern, die kraft Gesetzes (wie in § 53 Abs. 2 und § 60 Abs. 1 S. 2 GmbHG) eine Mehrheit von mindestens 75% der vorhandenen Stimmen erfordern. Der Beigeladene zu 2) verfügte somit nicht über die erforderliche vollumfängliche Sperrminorität, die es ihm ermöglicht hätte, jede ihm unliebsame Entscheidung zu verhindern, was aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderlich wäre (BSG Urteil vom 24.09.1992 – 7 Rar 12/92; Urteil vom 29.08.2012 – B 12 R 14/10 R; Beschluss vom 31.03.2014 – B 12 R 53/13 B).Randnummer133

Auch hinsichtlich des Beigeladenen zu 2) ist eine Erhöhung seines Geschäftsanteils nicht sozialversicherungsrechtlich bedeutsam bewirkt worden, da – wie bereits unter I. ausgeführt – die in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 01.12.2018 beschlossene Teilung des Anteils des verstorbenen R.W. und eine Verteilung der neuen Anteile auf die Beigeladenen zu 1) und 2) zunächst nicht in das Handelsregister eingetragen worden ist und auch keine Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
durch die Klägerin erfolgt ist. Vielmehr ist die Umsetzung dieses Beschlusses erst weit nach der Betriebsprüfung erfolgt und am 13.04.2022 in das Handelsregister eingetragen worden, so dass der Beigeladene zu 2) während des gesamten Prüfzeitraums lediglich 23,33 % der Geschäftsanteile gehalten hat.Randnummer134

b) Der Beigeladene zu 2) verfügte darüber hinaus nicht aufgrund einer Stimmrechtsübertragung des verstorbenen R.W. über einen höheren Stimmrechtsanteil, der es ihm ermöglicht hätte, einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Klägerin zu nehmen. Eine solche Stimmrechtsübertragung ist weder in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen noch in das Handelsregister eingetragen worden. Eine außerhalb des Gesellschaftsvertrags vorgenommene Stimmrechtsübertragung gewährt dem Beigeladenen zu 2) jedoch nicht die Rechtsmacht, sich – einer gesellschaftsvertraglich vereinbarten umfassenden Sperrminorität qualitativ gleichwertig – jederzeit gegen unliebsame Weisungen zur Wehr zu setzen. Insoweit gelten die Ausführungen hinsichtlich einer etwaigen Stimmrechtsübertragung an die Beigeladene zu 1) (vgl. unter I d) für den Beigeladenen zu 2) gleichermaßen.Randnummer135

c) Auch nach den allgemeinen Grundsätzen gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass der Beigeladene zu 2) bei der Klägerin abhängig beschäftigt war.Randnummer136

Der Geschäftsführervertrag des Beigeladenen zu 2) enthält für Arbeitnehmer typische Regelungen. So bestimmt § 2 Ziff. 1 des Geschäftsführervertrags, dass der Beigeladene zu 2) für seine Tätigkeit eine feste jährliche Vergütung in Höhe von 60000,00 DM, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen in Höhe von 5000,00 DM jeweils am Monatsende, erhält. Ferner steht ihm die Nutzung eines Firmenwagens zu, wobei der geldwerte Vorteil aus der Nutzung gemäß § 2 Ziff. 2 des Geschäftsführervertrags der Lohnsteuer unterworfen ist. Reisekosten und sonstige Aufwendungen, die im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
im Interesse der Gesellschaft
notwendig waren sind ihm gegen einen Nachweis zu erstatten (§ 3 des Geschäftsführervertrags). Ferner hat er gemäß § 4 des Geschäftsführervertrags Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von 6 Wochen sowie gemäß § 9 Ziff. 1 des Geschäftsführervertrags Anspruch auf 27 Tage bezahlten Jahresurlaub. Der Beigeladene zu 2) hat der Klägerin gemäß § 7 Ziff. 1 des Geschäftsführervertrags seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und bedarf gemäß § 7 Ziff. 2 des Geschäftsführervertrags für Nebentätigkeiten, die gegen Vergütung geleistet werden, der vorherigen Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
Zustimmung
Zustimmung der Gesellschafterversammlung
.Randnummer137

Die aus seiner Geschäftsführertätigkeit erwachsenden Entscheidungsbefugnisse machen den Beigeladenen zu 2) nicht zum Selbständigen. Vielmehr ist die Kammer davon überzeugt, dass der Beigeladene zu 2) in die betriebliche Ordnung der Klägerin eingebunden war, ohne dass für ihn die rechtliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die von der Klägerin vorgegebene konkrete Arbeitsorganisation bestanden hätte. Nach § 6 Ziff. 1 des Geschäftsführervertrags führt der Geschäftsführer sein Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns. Er ist zudem verpflichtet, die im Gesellschaftsvertrag enthaltenen und die ihm von der Gesellschafterversammlung erteilten allgemeinen oder besonderen Anweisungen auszuführen (§ 5 Ziff. 3 des Geschäftsführervertrags). Seiner Entscheidungsfreiheit sind insoweit deutliche Grenzen gesetzt. Somit ist der Beigeladene zu 2) sehr wohl an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden, da er aufgrund seines Anteils am Stammkapital und in Ermangelung einer Sperrminorität ihm unliebsame Weisungen nicht verhindern konnte. Vielmehr unterlag er in seiner Tätigkeit der Kontrolle der Gesellschafterversammlung.Randnummer138

Dabei ist es nicht von Bedeutung, dass die der Gesellschafterversammlung eingeräumten Kontrollbefugnisse faktisch nicht ausgeübt worden sind und der Mehrheitsgesellschafter R.W. den Beigeladenen zu 1) und 2) weitgehend freie Hand gelassen hat. Im Hinblick auf die umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Verfahrens- und Formvorschriften, wie z.B. §§ 35, 47, 51, 53 54 GmbHG, scheidet eine stillschweigende Änderung aus. Auch Organe einer juristischen Person können nicht im rechtsfreien Raum agieren, sondern unterliegen rechtlichen Rahmenbedingungen, die insbesondere durch das Zivilrecht vorgegeben werden. Dies muss schon deshalb gelten, weil sich die zivilrechtlichen Regelungen nicht auf das Innenverhältnis der juristischen Personen erschöpfen, sondern vielfach auch dem Interesse und Schutz Dritter, wie etwa Gläubigern, dienen.Randnummer139

Darüber hinaus hatte der Beigeladene zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin auch nicht völlig freie Hand. Zwar ist er gemäß § 6 des Gesellschaftsvertrags und gemäß § 5 Ziff. 2 des Geschäftsführervertrags von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit; die Befreiung des Beigeladenen zu 2) vom Selbstkontrahierungsverbot und das Bestehen weitreichender Entscheidungsbefugnisse schließen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung jedoch nicht schlechthin aus. Diesbezüglich hat auch das BSG bereits entschieden, dass nicht schon eine Befreiung von § 181 BGB für das Vorliegen einer Selbständigkeit spricht (BSG Urteil vom 29.08.2012 – Az. B 12 R 14/10R; BSG SozR 4-2400 §7 Nr. 1 RdNr. 11 und Nr. 8 RdNr. 17). Solche Handlungsfreiheiten sind geradezu charakteristisch für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste verrichten; dies ändert aber nichts daran, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit in eine fremde vorgegebene Arbeitsorganisation eingebunden sind (vgl. dazu BSGE 16, 289,294; BSG SozR 3-2400 §7 Nr. 20 S. 80; BSGE 66, 168; BSG SozR 3-2940 §3 Nr. 2 S. 57,58f). Insoweit ist es nicht von Bedeutung, ob vollumfassenden Weisungs- und Kontrollrechte bestanden haben. Bei Diensten höherer Art – wie sie von dem Beigeladenen zu 2) ausgeübt wurden – verfeinert sich das Weisungsrecht nämlich zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess (st. Rspr, vgl. zuletzt BSG Urteil vom 29.08.2012 – Az. B 12 R 14/10 R). Diese bestand vorliegend jedenfalls schon im Hinblick auf die Kontrollbefugnisse der Gesellschafterversammlung.

III.

Da die Beigeladene zu 1) im gesamten Prüfzeitraum und der Beigeladene zu 2) in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 26.11.2018 bei der Klägerin abhängig beschäftigt waren, unterlagen sie für die jeweils von der Beklagten ausgewiesenen Zeiträume der Versicherungs- und Beitragspflicht in sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung, sodass für sie die für diese Zeiträume zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzuerheben waren.Randnummer141

a) Die Beklagte war gemäß § 28p Abs. 1 SGB IV befugt, im Rahmen der Betriebsprüfung über den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) und 2) und das Bestehen von Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung zu entscheiden. Dem stand insbesondere keine die Beklagte bindende frühere Feststellung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status der beiden Beigeladenen durch die Beklagte entgegen. Die Klägerin hat insbesondere keinen Nachweis erbracht, dass für die Beigeladenen bezüglich der im Prüfzeitraum ausgeübten Tätigkeiten bereits eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung durch die Einzugsstelle oder die Beklagte vorgenommen worden ist. Einen solchen Rückschluss lassen auch die im Verwaltungs- und Klageverfahren vorgelegten Unterlagen nicht zu.Randnummer142

aa) Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin ist weder die Beigeladene zu 1) noch der Beigeladene zu 2) seit dem Jahr 1991 von der Sozialversicherung befreit. Das von dem Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegte Schreiben der D. vom 11.09.1991 an den Beigeladenen zu 2) enthält weder eine statusrechtliche Beurteilung hinsichtlich des Beigeladenen zu 2) noch eine Befreiung von der Versicherungspflicht. Vielmehr wird mit diesem Schreiben lediglich das Ende des Versicherungsverhältnisses zum 31.03.1991 bestätigt. Dem Schreiben ist noch nicht einmal zu entnehmen, aus welchem Grunde die Mitgliedschaft beendet wurde. Einen Befreiungsbescheid konnte die Klägerin hingegen nicht vorlegen.Randnummer143

Selbst wenn zeitgleich mit der Bestätigung der Beendigung der Mitgliedschaft durch die Krankenkasse als Einzugsstelle über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 2) entschieden worden wäre, so hätte sich eine solche Entscheidung jedoch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt auf die im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeübte Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer beziehen können. Denn der Beigeladene zu 2) hat im Verwaltungsverfahren angegeben, er sei ab dem 02.02.1990 bei der Klägerin beschäftigt gewesen und seit dem 15.03.1994 deren Geschäftsführer. Diese Angabe deckt sich mit der Eintragung im Handelsregister. Soweit die Klägerin unter Vorlage eines undatierten Geschäftsführervertrags mit darin ausgewiesenem Beginn einer Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen zu 2) zum 01.12.1991 vorbringt, die Geschäftsführertätigkeit sei schon vor dem 03.1994 ausgeübt worden, steht diese Behauptung im krassen Widerspruch zu den Ausführungen des Beigeladenen zu 2) in dem von ihm unterschriebenen Feststellungsbogen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern. Eine schon vor dem 03.1994 ausgeübte Tätigkeit ist angesichts der Angaben des Beigeladenen zu 2) im Verwaltungsverfahren daher völlig unglaubhaft.Randnummer144

Ungeachtet dessen läge aber auch ein vermeintlicher Beginn der Geschäftsführertätigkeit am 01.12.1991 zeitlich eindeutig nach der von der Klägerin behaupteten Befreiungsentscheidung der Krankenkasse, die zeitlich im Zusammenhang mit dem Wechsel in die private Krankenversicherung und der Bestätigung des Endes der Mitgliedschaft mit Schreiben vom 11.09.1991 erfolgt sein soll. Insoweit kann – selbst wenn damals eine Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 2) und das Bestehen von Versicherungsfreiheit getroffen worden wäre – die hier maßgebliche Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer keinesfalls Prüfungsgegenstand gewesen sein und daher keine Bindungswirkung entfalten.Randnummer145

bb) Hinsichtlich der Beigeladenen zu 1) wurde eine „Anlage zum Bericht vom 10.06. und 21.07.92“ vorgelegt. Auf welchen Bericht sich dieses Schreiben bezieht und von wem es ausgestellt wurde, ist nicht eindeutig ersichtlich. Im Hinblick auf die darin getätigten Ausführungen ist zu vermuten, dass es sich um ein Schreiben der Krankenkasse D. handelt. Aufgrund des Ablaufs der Aufbewahrungsfristen lagen bei der D. jedoch keinerlei Unterlagen mehr vor, die dies hätten belegen können. In dem vorgelegten Schreiben wurde ausgeführt, die Beigeladene zu 1) sei bei der Klägerin als Geschäftsführerin bestellt. Sie sei von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Gemäß § 10 des Geschäftsführervertrags beginne dieser am 01.12.1991. Die Umstufung in die Versicherungsklasse für Selbständige entfalle, da die Mitgliedschaft zum 31.12.1991 beendet worden sei. Die Beiträge zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit seien für den Monat Dezember 1991 zu erstatten.Randnummer146

In diesem Schreiben ist jedoch eindeutig keine Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) erfolgt. Die Klägerin hat auch nicht nachgewiesen, dass damals eine statusrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) durch die Einzugsstelle der Krankenkasse vorgenommen worden ist. Die Krankenkasse selbst konnte hierzu keine Angaben mehr machen.Randnummer147

Selbst wenn eine sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung damals erfolgt wäre, so stünde diese der nunmehr von der Beklagten vorgenommenen Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) nicht entgegen, da die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin offensichtlich eine völlig andere Tätigkeit ausgeübt hat, als sie seitens der Krankenkasse 1992 angenommen worden ist. Denn in dem vorgelegten Schreiben wird auf eine Geschäftsführertätigkeit abgestellt. Die Beigeladenen zu 1) ist indes niemals als Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen gewesen. Einen Geschäftsführervertrag mit der Beigeladenen zu 1) hat die Klägerin ebenfalls nicht vorgelegt. Im Verwaltungsverfahren hat die Beigeladene zu 1) zudem selbst angegeben, dass sie seit dem 02.02.1990 bei der Klägerin beschäftigt und ausschließlich aufgrund des Gesellschaftsvertrags zur Mitarbeit verpflichtet ist.Randnummer148

Ungeachtet dessen, ob überhaupt jemals eine in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht wirksame Bestellung der Beigeladenen zu 1) zur Geschäftsführerin bestanden hat, war die Beigeladene zu 1) ihren eigenen Angaben entsprechend jedenfalls im Prüfzeitraum und auch davor nicht Geschäftsführerin der Klägerin. Vielmehr war sie lediglich als mitarbeitende Gesellschafterinnen für die Klägerin tätig. Hinsichtlich dieser Tätigkeit ist jedenfalls bislang keine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung erfolgt.Randnummer149

cc) Auch der Bescheid der Tiefbau-Berufsgenossenschaft vom 06.07.1992 bindet die Beklagte nicht und steht somit der von der Beklagten vorgenommenen Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) und 2) nicht entgegen.Randnummer150

Ob dieser Bescheid wegen einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit gemäß § 40 Abs. 1 SGB X nichtig ist, kann dahinstehen, da der Bescheid sich schon nicht auf die im Prüfzeitraum von den Beigeladenen zu 1) und 2) ausgeübten Tätigkeiten bezieht. Denn in dem Bescheid ist ausgeführt worden, dass die Gesellschafter F. und K.W. als Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund ihrer Beteiligung am Stammkapital der GmbH sowie aufgrund der Ausgestaltung ihrer Tätigkeit nicht mehr zum Kreis der pflichtversicherten Personen rechnen. Ausweislich des historischen Handelsregisterauszugs ist die Beigeladene zu 1) niemals als Geschäftsführerin der Klägerin eingetragen gewesen. Zwar wurde im Klageverfahren einen Nachtrag zu einem (nicht vorliegenden) Geschäftsführervertrag vom 14.11.1991 mit der Beigeladenen zu 1) vorgelegt; dieser ist aber schon deshalb nicht von Bedeutung, weil keine Eintragung einer Geschäftsführertätigkeit im Handelsregister erfolgt ist.Randnummer151

Allein die Beschlussfassung zur Bestellung eines Geschäftsführers einer GmbH (ohne Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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) führt statusrechtlich nicht dazu, dass dies bei der Beurteilung des Bestehens einer durch die Geschäftsführerbestellung herrührenden Rechtsmacht maßgeblich zu berücksichtigen ist (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.04.2020 – 4 BA 825/20 ER-B). Sozialversicherungsrechtlich entfalten ein solcher Gesellschafterbeschluss über die Bestellung – ebenso wenig wie der bloße Geschäftsführervertrag – keine Relevanz, weil ihm ohne notarielle Beurkundung und Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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die insoweit erforderliche Publizität fehlt (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.04.2020 aaO). Denn der Zeitpunkt der Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ist für die statusrechtliche Beurteilung der maßgebliche Zeitpunkt (LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 08.04.2020 aaO). Ab diesem Zeitpunkt manifestiert sich der Wille der Gesellschafter zur Bestellung eines (neuen) Geschäftsführers in rechtlich anzuerkennender Weise.Randnummer152

Ungeachtet dessen hat die Beigeladene zu 1) schon unter Zugrundelegung ihrer eigenen Angaben weder im Prüfzeitraum noch davor eine Geschäftsführertätigkeit ausgeübt, sondern war als mitarbeitende Gesellschafterin für den Bereich Mineralöle/Handel zuständig. Diese Tätigkeit ist von der Tiefbau-Berufsgenossenschaft offensichtlich nicht zugrunde gelegt worden.Randnummer153

Auch der Beigeladene zu 2) war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen. Zwar hatte die Klägerin einen undatierten Geschäftsführervertrag mit dem Beigeladenen zu 2) über einen Tätigkeitsbeginn zum 01.12.1991 vorgelegt; die für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgebliche Eintragung als Geschäftsführer ist indes erst am .03.1994 erfolgt. Zudem hatte der Beigeladene zu 2) im Fragebogen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern selbst angegeben, dass er (erst) seit dem 03.1994 Geschäftsführer der Klägerin ist und zuvor ab dem 02.02.1990 bei ihr beschäftigt gewesen ist. Dies steht im Widerspruch zu einer Geschäftsführertätigkeit bereits ab dem Jahr 1991.Randnummer154

Der Bescheid vom 06.07.1992 betrifft somit ganz offensichtlich völlig andere Vertragsverhältnisse bzw. andere Tätigkeiten, als die im Prüfzeitraum tatsächlich ausgeübten. Weder für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als mitarbeitende Gesellschafterin noch für die ab dem 15.03.1994 ausgeübte Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen zu 2) konnten damit bindende Feststellungen getroffen werden.Randnummer155

b) Die Beigeladenen zu 1) und 2) unterlagen im Prüfzeitraum entgegen der Auffassung der Klägerin insbesondere auch der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (und damit gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI zugleich in der sozialen Pflegeversicherung).Randnummer156

aa) Die Feststellung einer Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Krankenversicherung steht § 6 Abs. 3a SGB VI nicht entgegen.Randnummer157

Gemäß § 6 Abs. 3a S. 1 SGB VI sind Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, versicherungsfrei, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Personen mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 nicht versicherungspflichtig waren (§ 6 Abs. 3a S. 2 SGB V).Randnummer158

Diese Vorschrift ist indes nach Auffassung der Kammer auf die Beigeladenen zu 1) nicht anwendbar.Randnummer159

Der allgemeine Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drs. 14/1245 S. 59/60): Danach dient die Neuregelung einer klareren Abgrenzung der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung und dem Schutz der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten. Sie folgt dem Grundsatz, dass versicherungsfreie Personen, die sich frühzeitig für eine Absicherung in der privaten Krankenversicherung entschieden hätten, diesem System auch im Alter angehören sollten. Dieser Grundsatz, der bereits in den für eine Pflichtmitgliedschaft als Rentner (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V) oder für den freiwilligen Beitritt (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) gesetzlich geforderten Vorversicherungszeiten zum Ausdruck komme, werde durch die Neuregelung gestärkt. Nach geltendem Recht könnten diese Personen z.B. durch Veränderungen in der Höhe ihres Arbeitsentgelts, durch Übergang von einer Voll- in eine Teilzeitbeschäftigung oder durch Bezug von Leistungen der Arbeitslosenversicherung auch dann Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung werden, wenn sie vorher zu keinem Zeitpunkt einen eigenen Beitrag zu den Solidarlasten geleistet hätten. Da die Leistungsausgaben für ältere Versicherte ihre Beiträge im Regelfall erheblich überstiegen, würden die Beitragszahler durch diesen Wechsel zwischen den Versicherungssystemen unzumutbar belastet. Mit der Festsetzung der Altersgrenze auf 55 Jahre werde dem Rechnung getragen. Für einen Wechsel zwischen den Krankenversicherungssystemen bestehe bei dem betroffenen Personenkreis regelmäßig auch keine sozialpolitische Notwendigkeit, weil ein soziales Schutzbedürfnis wegen des seit langem bestehenden privaten Krankenversicherungsschutzes nicht gegeben sei.Randnummer160

Zwar hatte die Beigeladenen zu 1) im Prüfzeitraum bereits das 55. Lebensjahr vollendet und ist seit Jahren privat krankenversichert; § 6 Abs. 3 a S. 2 SGB V verlangt für den Ausschluss einer Versicherungspflicht indes über das Fehlen einer Vorversicherungszeit hinaus, dass die Person mindestens die Hälfte des Fünfjahreszeitraums nach § 6 Abs. 3a S. 1 SGB V versicherungsfreifrei (§§ 6, 7 SGB V), von der Versicherungspflicht befreit (§ 8 SGB V) oder nach § 5 Abs. 5 SGB V (als hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger) nicht versicherungspflichtig war. Damit soll erreicht werden, dass von denen, die eine Vorversicherungszeit nach § 6 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht aufzuweisen haben, nur diejenigen von der Versicherungspflicht ausgeschlossen werden, die nach den genannten Vorschriften (§ 5 Abs. 5, §§ 6–8 SGB V) ausdrücklich und nachhaltig (mindestens die Hälfte des Fünfjahreszeitraums) von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen und damit praktisch der privaten Krankenversicherung zugewiesen waren (Peters in: Beck-Online Großkommentar, § 6 SGB V, Rn. 60). Dagegen soll von § 6 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht betroffen sein, wer in die gesetzliche Krankenversicherung nicht einbezogen, von ihr aber auch nicht ausgeschlossen war (Peters in: Beck-Online Großkommentar, § 6 SGB V aaO).Randnummer161

Die Beigeladene zu 1) war unter Zugrundelegung ihrer eigenen Angaben seit jeher – auch schon vor Vollendung des 55. Lebensjahres – lediglich mitarbeitende Minderheitsgesellschafterin der Klägerin. Wäre vor Vollendung des 55. Lebensjahres eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung erfolgt, wäre bereits damals die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung (und damit auch in der sozialen Pflegeversicherung, § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI) festgestellt worden. Allein aus dem Umstand, dass aufgrund einer sozialversicherungsrechtlichen Fehlinterpretation keine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung vorgenommen worden ist, kann sich nunmehr keine Versicherungsfreiheit der Beigeladenen zu 1) ergeben. Die Beigeladene zu 1) war schon vor Vollendung ihres 55. Lebensjahres nicht aufgrund gesetzlicher Regelung von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen, sondern lediglich aufgrund einer falschen Annahme nicht gesetzlich krankenversichert.Randnummer162

bb) Eine etwaige von dem Bevollmächtigten der Klägerin gerügte Störung des Äquivalenzprinzips durch die Annahme von Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) und 2) in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung besteht nicht. Diesbezüglich hatte bereits das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) festgestellt, dass die rückwirkende Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung auch dann zulässig ist, wenn wegen einer gleichzeitigen privaten Krankenversicherung ein Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse nicht gegeben ist (LSG NRW Urteil vom 08.07.2008 – L 16 (18) R 43/05). Dem schließt sich die Kammer an.Randnummer163

Nach den überzeugenden Ausführungen des LSG NRW (Urteil vom 08.07.2008 aaO) hatte bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 10.10.1962 (2 BvL 27/60, BVerfGE 14, 312) zu § 113 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zu dem sozialversicherungsrechtlichen Äquivalenzprinzip von Beiträgen und Leistungen ausgeführt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Sozialversicherung Beiträge leisteten, um die Aufwendungen der Sozialversicherungsträger ganz oder teilweise zu decken. Dies sei anders bei Abgaben, bei denen der Gesichtspunkt der Gegenleistung wesentlich sei. Dabei stünden im Sozialversicherungsrecht der Risikoausgleich unter den versicherten Arbeitnehmern und die allgemeine Fürsorge der Arbeitgeber für die Arbeitnehmer im Vordergrund. Die Leistungen der Versicherungsträger stünden daher nicht immer in einem entsprechenden Verhältnis zu den Leistungen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer erbrächten. Der abgabenrechtliche Grundsatz, dass zu Beiträgen nur herangezogen werden dürfe, wer von einem bestimmten öffentlichen Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil zu erwarten habe, gelte für die Sozialversicherung gerade nicht (vgl. hierzu auch BVerfG SozR 2200 § 381 Nr. 38; BVerfG SozR 3 – 5850 § 4 Nr. 1; BSG BSGE 22, 288). Eine hinreichende Rechtfertigung für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen liegt insoweit nach den überzeugenden Ausführungen des LSG NRW (Urteil vom 08.07.2008 aaO) jedenfalls in einem Beschäftigungsverhältnis aufgrund der darin liegenden spezifischen Solidaritäts- und Verantwortungsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (BVerfG Beschluss vom 08.04.1987 – 2 BvR 909/82, SozR 5425 § 1 Nr. 1).Randnummer164

Die deutsche Sozialversicherung ist gerade nicht ausschließlich auf dem Äquivalenzprinzip aufgebaut. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist dieses Prinzip nur schwach ausgeprägt (LSG NRW Urteil vom 08.07.2008 aaO). Tragende Säule ist vielmehr das Solidarprinzip (LSG NRW Urteil vom 08.07.2008 aaO). Dieses organisiert einen für alle Versicherten noch finanzierbaren Ausgleich zwischen finanzstarken und schwachen Beitragszahlern.Randnummer165

Der Rechtsprechung des LSG NRW hat sich unter anderem das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 13.03.2012 (L 11 KR 4952/10) angeschlossen und festgestellt, dass die Pflicht zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags auch nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Dies gelte auch dann, wenn der gesetzlich Versicherte vom Eintritt der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nichts wusste oder hiervon keine Kenntnis genommen hat und deshalb keine Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat. Darin liege keine Störung des Äquivalenzprinzips. Die Kammer teilt diese Auffassung uneingeschränkt.

IV.

Hinsichtlich der irrigen Annahme, die Beigeladenen seien selbständig und unterlägen damit nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung, in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung kann sich die Klägerin auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.Randnummer167

a) Aus den vorliegenden Bescheiden der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft sowie der Tiefbau-Berufsgenossenschaft kann kein Vertrauensschutz abgeleitet werden.Randnummer168

aa) Im Bescheid der Tiefbau-Berufsgenossenschaft vom 04.01.1996 war ausgeführt worden, dass die Beigeladenen zwar keinen maßgeblichen Anteil am Stammkapital der Gesellschaft haben, jedoch aufgrund der Ausgestaltung der Tätigkeit einen erheblichen Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens haben. Sie seien daher nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wie Unternehmer anzusehen. Versicherungsschutz im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung könne daher nur bei Abschluss einer freiwilligen und Sicherung gewährt werden. Der Bescheid bezieht sich insoweit ganz eindeutig lediglich auf die Unfallversicherung. Feststellungen zu den anderen Sozialversicherungszweigen sind nicht getroffen worden.Randnummer169

bb) Gleiches gilt für die Feststellungen der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft vom 22.07.1999. Dieses Schreiben war überschrieben mit „Unfallversicherungsrechtliche Stellung des Herrn F.W.“. Darin wurde ausgeführt, dass sowohl der Beigeladene zu 2) als auch die Beigeladene zu 1) nicht zum versicherungspflichtigen Personenkreis zählen. Diese Feststellung bezog sich somit ebenfalls ausschließlich auf die Unfallversicherung.Randnummer170

cc) Zwar hatte die Tiefbau-Berufsgenossenschaft im Bescheid vom 06.07.1992 festgestellt, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht mehr zum Kreis der pflichtversicherten Personen (in der Unfallversicherung) zählen und dass nach den Feststellungen ihres Rechnungsbeamten anlässlich der Lohnbuchprüfung am 27.04. und 02.06.1992 auch in der gesetzlichen Renten- bzw. Krankenversicherung keine Versicherungspflicht besteht; einen Vertrauensschutz kann die Klägerin hieraus jedoch schon deshalb nicht ableiten, weil die Tiefbau-Berufsgenossenschaft keine Feststellungen hinsichtlich der hier zu beurteilenden Tätigkeiten getroffen hat (vgl. hierzu III a) cc)) unter und auch nur in Bezug auf die Unfallversicherung verbindliche Feststellungen treffen durfte.Randnummer171

Die Berufsgenossenschaften sind als Träger der Unfallversicherung seit jeher nur berechtigt, Feststellungen in Bezug auf die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung zutreffen. Keinesfalls sind sie berechtigt, Feststellungen zu den anderen Zweigen der Sozialversicherung zutreffen. Die Entscheidung, ob ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt oder nicht, kann gegenwärtig ausschließlich von den Rentenversicherungsträgern nach § 28p SGB IV und den Einzugsstellen nach § 28h SGB IV werden. Im Jahr 1992 verfügten die Rentenversicherungsträger nach § 28p Abs. 2 SGB V in der Fassung vom 01.01.1989 noch nicht über ein eigenes Prüfrecht, sondern es bestand die Verpflichtung, in ausreichendem Maße an den Prüfungen der Einzugsstellen mitzuwirken. Dementsprechend war zum damaligen Zeitpunkt allein die Einzugsstelle für Feststellungen über das Bestehen von Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken- und Rentenversicherung sowie über die Beitragspflicht und Beitragshöhe nach dem Arbeitsförderungsgesetz entscheidungsbefugt (§28 h Abs. 2 SGB IV in der Fassung vom 01.01.1989).Randnummer172

Im Hinblick darauf, dass die Klägerin stets durch einen Steuerberater vertreten gewesen ist, hätte zumindest diesem auffallen müssen, dass die Tiefbau-Berufsgenossenschaft überhaupt nicht zu Feststellungen bezüglich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie in der Rentenversicherung befugt war. Vor diesem Hintergrund hätte es sich förmlich aufgedrängt, diesbezüglich eine Klärung bei der zuständigen Einzugsstelle herbeizuführen.Randnummer173

Ob sich aus den fehlerhaften und unzulässigen Feststellungen der Tiefbau-Berufsgenossenschaft gegebenenfalls noch Ansprüche aus einer Amtshaftung ergeben können, war von der Kammer nicht zu beurteilen.Randnummer174

dd) Das Schreiben der D. vom 11.09.1991 kann ebenfalls keinen Vertrauensschutz begründen, da darin lediglich das Ende des Versicherungsverhältnisses bestätigt wurde. Eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist darin nicht erfolgt. Auch in der Anlage zum Bericht vom 10.06. und 21.07.1992 ist keine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung vorgenommen worden, aus der sich ein Vertrauensschutz ableiten lassen könnte.Randnummer175

b) Vertrauensschutz kann die Klägerin auch nicht daraus ableiten, dass im Rahmen früherer strichprobenweise durchgeführter Betriebsprüfungen keine sozialversicherungsrechtlichen Beurteilungen bezüglich der Beigeladenen vorgenommen worden sind.Randnummer176

Zwar waren in den früheren Prüfbescheiden Feststellungen zu der Mitarbeiterin „K.W.“ getroffen bzw. bezogen auf diese Auflagen erteilt worden; es handelt sich dabei aber nicht um die Beigeladene zu 1), sondern um die ebenfalls bei der Klägerin beschäftigte Ehefrau des Beigeladenen zu 2).Randnummer177

aa) Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin auf die Anforderung von Unterlagen mit Prüfungsankündigung der Beklagten vom 02.12.1999 Bezug nimmt und daraus offenbar schließt, es bestehe keine Versicherungspflicht, da eine solche nicht im später erteilten Prüfbescheid festgestellt worden sei, ist diese Annahme völlig verfehlt. Die Beklagte hatte in der Prüfankündigung verschiedene Unterlagen angefordert, u.a. Geschäftsführer- und Anstellungsverträge sowie alle Unterlagen über die Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht (Schul-, Immatrikulationsbescheinigungen, Erklärungen der geringfügig/kurzfristig Beschäftigten über eventuelle weitere Beschäftigungsverhältnisse, Rentenbescheide etc.). Hinsichtlich der erbetenen Unterlagen über Versicherungsfreiheit ist nach Auffassung der Kammer klar ersichtlich, dass es sich dabei nicht um erbetene Unterlagen bezüglich der Beigeladenen zu 1) und 2) handeln konnte, sondern um solche bezüglich bei der Klägerin gegebenenfalls tätiger Schüler, Studenten, geringfügig Beschäftigter oder Rentner. Feststellungsbögen zum sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) und 2) sind indes nicht angefordert worden. In dem Prüfbescheid waren auch keine Feststellungen bezüglich der Beigeladenen zu 1) und 2) getroffen worden. Aus dem Umstand, dass keine abhängige Beschäftigung und keine Versicherungspflicht positiv festgestellt worden ist, kann indes nicht auf das Bestehen von Selbständigkeit und Versicherungsfreiheit geschlossen werden, insbesondere wenn sich aus dem Prüfbescheid nicht ergibt, dass eine diesbezügliche Prüfung erfolgt ist. Ein Vertrauensschutz kann sich hieraus nicht ergeben, da eine Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status und das Bestehen bzw. Nichtbestehen von Versicherungspflicht nicht stillschweigend oder konkludent erfolgen kann.Randnummer178

Allein aus der Anforderung von Geschäftsführer- und Anstellungsverträgen und der Übersendung von die Beigeladenen zu 1) und 2) betreffenden Unterlagen kann nicht geschlossen werden, dass im Rahmen der bloß stichprobenweisen Prüfung diesbezüglich dann auch tatsächlich eine Prüfung erfolgt ist. Angesichts der damaligen Rechtsprechung zu Familiengesellschaften erscheint es vielmehr als wahrscheinlich, dass keine Prüfung erfolgt ist. Die Klägerin hätte im Zweifelsfalle Anträge auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) und 2) bei der Beklagten stellen können, um Klarheit zu haben.Randnummer179

bb) Auch soweit der Bevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen hat, dass gemäß dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.09.2019 (B 12 R 25/18 R) in der Betriebsprüfung auch zwingend Feststellungen bezüglich der im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner von Abkömmlingen des Arbeitgebers sowie geschäftsführenden GmbH-Gesellschaftern hätten erfolgen müssen, kann daraus kein Vertrauensschutz abgeleitet werden. Es ist zutreffend, dass das BSG in dieser Entscheidung für den genannten Personenkreis festgestellt hat, dass für sie im Rahmen einer Betriebsprüfung zwingend Feststellungen zu treffen sind. Das BSG hat aber auch ausgeführt, dass bei in der Vergangenheit abgeschlossenen beanstandungsfreien Betriebsprüfungen, die nicht durch einen hinsichtlich der Angabe von Gegenstand und Ergebnis der Prüfung hinreichend bestimmten Verwaltungsakt beendet wurden, nur möglicherweise noch ein Anspruch auf Bescheidung des Arbeitgebers in Frage kommen kann (BSG Urteil vom 19.09.2019 aaO). Damit kann aber kein Bestands- und Vertrauensschutz für die Vergangenheit begründet werden (BSG Urteil vom 19.09.2019 aaO). Dies gilt gleichermaßen, wenn eine Betriebsprüfung durch einen Prüfbescheid abgeschlossen wurde, in dem das streitige Versicherungsverhältnis nicht Gegenstand der Prüfung gewesen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 23.11.2022 – L 5 BA 3206/21). Bezüglich der Beigeladenen zu 1) und des Beigeladenen zu 2) hatte die Beklagte jedoch bislang keine personenbezogenen Feststellungen (insbesondere nicht zu einer etwaigen Selbständigkeit) getroffen. Die zuvor beanstandungsfrei verlaufenden Betriebsprüfungen vermitteln auch keinen Bestandsschutz gegenüber einer späteren Beitragsforderung, selbst wenn sie auf Stichproben beschränkt waren (BSG Urteil vom 04.09.2018 – B 12 R 4/17R; BSG Urteil vom 18.11.2015 – B 12 R 7/14R). Eine Selbstbindung der Beklagten aufgrund einer früheren Verwaltungspraxis kann im Übrigen schon deshalb nicht eintreten, weil den Behörden kein Spielraum bei der Beurteilung eingeräumt ist, ob eine Beschäftigung vorliegt (vgl. BSG Urteil vom 19.09.2019 aaO).Randnummer180

c) Vertrauensschutz kann auch nicht aus dem vorgelegten Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung im Jahr 2015 ergeben, da die steuerrechtliche und die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht gleichlaufend sind. Sozialversicherungsrechtliche Feststellungen sind zudem im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung überhaupt nicht getroffen worden.

V.

Die Beitragsforderung für das Jahr 2016 ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verjährt.Randnummer182

Ansprüche auf Beiträge verjähren gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.Randnummer183

Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 SGB IV die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Die Verjährung ist für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt; diese Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Verjährung
bei einer Prüfung gilt auch gegenüber den auf Grund eines Werkvertrages für den Arbeitgeber tätigen Nachunternehmern und deren weiteren Nachunternehmern (§ 25 Abs. 2 S. 2 SGB IV). Satz 2 gilt nicht, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die prüfende Stelle zu vertreten hat (§ 25 Abs. 2 S. 3 SGB IV). Die Hemmung beginnt mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und endet mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung (§ 25 Abs. 2 S. 4 SGB IV). Kommt es aus Gründen, die die prüfende Stelle nicht zu vertreten hat, zu einem späteren Beginn der Prüfung, beginnt die Hemmung mit dem in der Prüfungsankündigung ursprünglich bestimmten Tag (§ 25 Abs. 2 S. 5 SGB IV).Randnummer184

Nach den entsprechend anzuwendenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wird der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet (§ 109 BGB i.V.m. § 120 Abs. 2 S. 1 IV).Randnummer185

Entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten der Klägerin hat die Betriebsprüfung nicht erst am 05.01.2021 begonnen, sondern bereits am 23.10.2020. Sie endete mit Bekanntgabe des Beitragsbescheides an 21.07.2021. Seit dem 23.10.2020 hat die Außendienstmitarbeiterin der Beklagten im Rahmen der Betriebsprüfung mehrmals mit der Abrechnungsstelle der Klägerin Kontakt aufgenommen. Aus verschiedenen – von der Abrechnungsstelle erklärten Gründen – konnten Unterlagen zunächst nicht oder nur unvollständig vorgelegt werden, sodass die Betriebsprüfung erst im Jahr 2021 abgeschlossen werden konnte. Dies ist von der Klägerin auch nicht substantiiert bestritten worden. Die eingetretene Verzögerung ist insoweit nicht von der Beklagten zu vertreten. Die Klägerin hat auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen worden ist, die die prüfende Stelle zu vertreten hatte. Die Beitragsforderung für das Jahr 2016 ist daher nicht verjährt.Randnummer186

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.Randnummer187

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Schlagworte: Entscheidenden Kriterien für die Abgrenzung der sozialversicherungsfreien von der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, sozialversicherungspflicht gmbh gesellschafter 50