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KG Berlin, Beschluss vom 04.04.2022 – 22 W 15/22

1. Dem Registergericht obliegt neben der formellen Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen bei begründeten Bedenken auf die Prüfung der (materiellen) Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen. Dies schließt die Prüfung ein, ob nach der Satzung ein weiterer Geschäftsführer bestellt werden darf.

2. Der Gesellschaftsvertrag einer GmbH ist grundsätzlich seinem objektiven Erklärungswert nach auszulegen. Dabei finden neben Wortlaut und Inhalt und Zweck einer Regelung auch der Anlass ihrer Einfügung Berücksichtigung. Zur Auslegung können aber auch die weiteren zum Handelsregister eingereichten Dokumente herangezogen werden.

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 08.02.2022 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.02.2022 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beteiligte – nachfolgend auch „Gesellschaft“ – ist seit Februar 2012 in das Handelsregister B des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Geschäftsführer sind laut Handelsregister aktuell die Herren H… Sch… und S… S… . Die Gesellschaft wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 08.02.2022, mit dem die Anmeldung des Herrn R… K… als weiterer Geschäftsführer zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, das Sonderrecht aus § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags sei nach dem Wortlaut dahingehend auszulegen, dass jeder Gesellschafter einen Geschäftsführer bestellen dürfe. Für die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung sei kein Raum. Bei der Bestellung eines weiteren Geschäftsführers handele es sich um einen satzungsändernden Gesellschafterbeschluss, der notariell zu beurkunden sei. Dies sei nicht geschehen, was zur Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses führe.Randnummer2

Gesellschafter waren bei Gründung am 27.12.2011 (und sind aktuell) die Herren H… Sch… mit Geschäftsanteilen im Nennbetrag von 22.500,00 € und S… S… mit Geschäftsanteilen im Wert von 2.500,00 € (Geschäftsanteile insgesamt: 25.000 im Nennbetrag von je 1,00 €). § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages lautete zum damaligen Zeitpunkt:Randnummer3

§ 5
Geschäftsführung, Vertretung
(1) Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft gemeinschaftlich durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten.
Die Gesellschafterversammlung kann einzelnen Geschäftsführern durch einstimmigen Beschluss Alleinvertretungsbefugnis erteilen und sie von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien.
(2) (…)

Mit Urkunde des vorgenannten Notars vom 27.06.2012 (Nr. 289/2012) schlossen Herr J… F…, als Vertreter der Herren Sch… und S…, sowie Herr R… W… einen Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrag, bei dem Herr Sch… die Geschäftsanteile mit der laufenden Nummer 12.501 – 22.500 an Herrn W… übertrug und Herr S… seine 2.500 Geschäftsanteile vollständig, mit der Folge, dass Herr H… Sch… sowie Herr R… W… r je zur Hälfte an der Gesellschaft beteiligt waren. Zugleich wurde in derselben Urkunde durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung § 5 des Gesellschaftsvertrages geändert und dies im Handelsregister eingetragen [Satzziffern in eckigen Klammern durch das Gericht hinzugefügt]:Randnummer5

§ 5
Geschäftsführung, Vertretung
(1) [1]Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. [2]Ist ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. [3]Sind mehrere Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten.
[4]Die Gesellschafterversammlung kann einzelnen Geschäftsführern durch einstimmigen Beschluss Alleinvertretungsbefugnis erteilen und sie von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien.
[5]Jeder Gesellschafter ist berechtigt, einen Geschäftsführer zu bestellen. [6]Macht ein Gesellschafter von seinem Benennungsrecht Gebrauch, so ist eine eventuell weiteren Geschäftsführern erteilte Alleinvertretungsbefugnis hinfällig.
[7]Der gegenwärtige Geschäftsführer, Herr L… # Sch… #, gilt als aufgrund des Benennungsrechts des Gesellschafters R… W… bestellt.
(2) (…)

Mit Urteil des Landgerichts Berlin vom 27.08.2014, Az. 100 O 83/13, gegen das die Berufung zum Kammergericht (Az. 2 U 128/14) erfolglos blieb, wurde der dortige Kläger, Herr W…, zur Rückübertragung der Gesellschaftsanteile auf die dortigen Beklagten, die Herren Sch… und S… verpflichtet. Dementsprechend sind die Geschäftsanteile (auch nach der jüngsten Gesellschafterliste vom 09.12.2019) wie zum Gründungszeitpunkt verteilt, nämlich, dass der Gesellschafter Sch… 90% und der Gesellschafter S… 10% der Geschäftsanteile hält.Randnummer7

Mit einem als „Beschluss“ überschriebenen Schriftstück vom 03.07.2020 benannte Herr Sch… sich selbst als weiteren Geschäftsführer der Gesellschaft neben Herrn S… .Randnummer8

Unter dem 09.11.2020 versandte Herr Sch… an Herrn S… eine Einladung zur Gesellschafterversammlung am 19.11.2020. Tagesordnungspunkte sollten neben der ersatzlosen Streichung des § 5 Abs. 1 Sätze 5-7 „der Satzung“ die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
S… sowie dessen vorsorgliche fristlose Kündigung sein.Randnummer9

Nachdem sich der Geschäftsführer S… mit Schreiben vom 12.11.2020 gegenüber der Gesellschaft selbst als Geschäftsführer benannt hatte, wurde am 19.11.2020 in Anwesenheit des Notars D… St…, der über die Versammlung die UR-Nr. S 641/2020 fertigte, eine Gesellschafterversammlung abgehalten, auf der die Streichung von § 5 Abs. 1 Sätze 5-7 der Satzung, die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
S… mit sofortiger Wirkung sowie dessen vorsorgliche fristlose Kündigung mit 22.500 Geschäftsanteilen zu 2500 Geschäftsanteilen beschlossen wurde. Diese Beschlüsse focht Herr S… vor dem Landgericht Berlin (Az. 97 O 167/20) an. Mit Urteil vom 10.03.2021 untersagte das Landgericht den Vollzug der Anmeldung im Register einstweilen (Az. 97 O 183/20), wogegen die Berufung zum Kammergericht (Urteil vom 24.09.2021, Az. 14 U 35/21) erfolglos blieb.Randnummer10

Am 09.04.2021 fand eine weitere Gesellschafterversammlung statt. Beschlossen wurde mit der Mehrheit der Geschäftsanteile des Gesellschafters Sch… ein Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafterversammlung für beabsichtigte Verträge, die den Erwerb und die Veräußerung von Gegenständen betreffen und die ein Volumen von 5.000,00 € und mehr umfassen, des Weiteren die Anweisung an Herrn S…, die ordnungsgemäße Abführung der Beiträge zur Sozialversicherung sicherzustellen, den Dauerauftrag zugunsten von Herrn S… über 6380,00 € schnellstmöglich aufzuheben, den Anstellungsvertrag mit Frau Cassandra Wolf – der Ehefrau des Herrn S… – unverzüglich zum nächstmöglichen Termin zu kündigen und von dieser die Rückzahlung von 10.000,00 € zu fordern und gegebenenfalls hierfür anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.Randnummer11

Mit Schreiben vom 04.01.2022 lud die Gesellschaft ihre Gesellschafter zu einer Gesellschafterversammlung am 17.01.2022. Tagesordnungspunkt 2 der Versammlung sollte die Bestellung des Herrn R… K… zum weiteren Geschäftsführer sein. In der Versammlung wurde er mit den Stimmen des Herrn Sch… gegen die Stimmen des Herrn S… als weiterer Geschäftsführer berufen. Die diesbezügliche Anmeldung des Notars Dr. W… vom 17.01.2022 wies das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 08.02.2022 zurück. Der hiergegen namens der Gesellschaft eingelegten Beschwerde vom 16.02.2022 hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und sie dem Kammergericht mit Beschluss vom 16.02.2022 zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten hat Erfolg.Randnummer13

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist mit Schriftsatz vom 16.02.2022 form- und fristgerecht binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses (§§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG) eingelegt und begründet worden.Randnummer14

Die Beteiligte wird im Verfahren auf Anmeldung des neuen Geschäftsführers K… durch diesen und den Geschäftsführer Sch… nach der allgemeinen Vertretungsregelung vertreten, § 39 Abs. 1 GmbHG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags. Es mag daher hier dahinstehen, ob der Geschäftsführer S… wirksam abberufen worden ist. Ob die Berufung des vorliegend neben dem Geschäftsführer Sch… handelnden Geschäftsführers K… wirksam erfolgt ist, ist als doppelt relevante Tatsache nicht im Rahmen der Zulässigkeit, sondern im Rahmen der Begründetheit zu prüfen (Senat, Beschluss vom 07.07.2015 – 22 W 15/15Rn. 26, zitiert nach juris).Randnummer15

Die Beteiligte ist auch beschwerdebefugt, § 59 Abs. 1 und 2 FamFG. Sie ist durch die Zurückweisung beeinträchtigt, weil ihre Anmeldung vom 17.01.2022 nicht vollzogen wird. Die Anmeldung bezieht sich zudem auf die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft, so dass angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Eintragung auch der notwendige Beschwerwert nach § 61 Abs. 1 FamFG erreicht wird (Senat, Beschluss vom 01.12.2021 – 22 W 76/21 – BA S. 4 n.v.).Randnummer16

2. Die Beschwerde ist auch begründet.Randnummer17

a) Die Eintragung der Bestellung des Geschäftsführers R… K… durfte nicht mit der Begründung versagt werden, jeder Gesellschafter sei berechtigt (nur) einen Geschäftsführer zu bestellen, weshalb Herr R… K… neben den aktuellen Gesellschaftergeschäftsführern H… Sch… und S… S… nicht zum Geschäftsführer habe berufen werden können.Randnummer18

Zwar obliegt dem Registergericht neben der formellen Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen bei begründeten Bedenken auch die Prüfung der (materiellen) Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen (BGH, Beschluss vom 21.06.2011 – II ZB 15/10Rn. 19, zitiert nach juris; Krafka, Registerrecht, 11. Aufl., Rn. 1025; BeckOK GmbHG/Heilmeier, 50. Ed. 1.8.2021, GmbHG § 39 Rn. 56). Im vorliegenden Fall rechtfertigte die Auslegung des § 5 des Gesellschaftsvertrags in der Fassung von Juni 2012 jedoch solche Bedenken und mithin die Versagung der Eintragung nicht.Randnummer19

Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass der Gesellschaftsvertrag grundsätzlich seinem objektiven Erklärungswert nach auszulegen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.1991 – II ZR 58/91 –, BGHZ 116, 359-376, Rn. 18; Urteil vom 28.06.1999 – II ZR 272/98BGHZ 142, 116, 125, Rn. 25; Senat, Beschluss vom 12.02.2016 – 22 W 93/15Rn. 7, sämtlich zitiert nach juris; KG, Urteil vom 24.09.2021 – 14 U 35/21 – S. 4, Anlage K20), wenn es sich – wie vorliegend – um körperschaftliche Bestimmungen handelt. Die Qualifizierung als körperschaftliche Bestimmung ergibt sich vorliegend daraus, dass sie auch für zukünftige Gesellschafter Bedeutung haben kann bzw. hätte (vgl. Schmitz-Herscheidt/Coenen, in: Saenger u.a., Handels- und Gesellschaftsrecht, § 6 Rn. 6). Denn die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 5 des Gesellschaftsvertrags eröffnet „jedem“ Gesellschafter die Möglichkeit, einen Geschäftsführer zu bestellen.Randnummer20

Das Ergebnis der Auslegung unter Berücksichtigung von Wortlaut, Inhalt und Zweck des Gesellschaftsvertrags in der Fassung vom 27.06.2012 führt zu dem Ergebnis, dass der Bestellung des Geschäftsführers R… K… die Regelung des § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags, insbesondere dessen Satz 5, nicht im Wege stand. Nichts anderes ergibt sich bei Hinzuziehung auch zum Register eingereichter und deshalb berücksichtigungsfähiger früherer gesellschaftsvertraglicher Regelungen und Unterlagen.Randnummer21

Nach § 46 Nr. 5 GmbHG unterliegt die Bestellung von Geschäftsführern im Grundsatz der Bestimmung der Gesellschafter. Von diesem Grundsatz regelt § 5 Abs. 1 Satz 5 des Gesellschaftsvertrags keine ausdrückliche Abweichung. Mit dem Wortlaut („Jeder Gesellschafter ist berechtigt, einen Geschäftsführer zu bestellen.“) lässt sich sowohl die Lesart vereinbaren, wonach jeder Gesellschafter einen Geschäftsführer bestimmen kann und es demnach nur so viele Geschäftsführer wie Gesellschafter geben kann, mithin die Auslegung des Gesellschafters S… . Ebenso lässt sich auch eine Auslegung mit dem Wortlaut vereinbaren, wonach die Gesellschafter durch einen in Ausübung ihres Benennungsrechts berufenen Geschäftsführer auf die Geschäftsführung der Gesellschaft Einfluss nehmen können – ohne dass die Benennung weiterer Geschäftsführer durch die Gesellschafter dadurch ausgeschlossen wäre. Denn welche Betonung das Wort „einen“ in Satz 5 erhalten muss, ergibt sich aus dem Wortlaut nicht.Randnummer22

Dies gilt auch, soweit der Vertreter des Gesellschafters S… in seinem Schriftsatz vom 17.01.2022, dort Seite 2, die Entscheidung des Kammergerichts vom 24.09.2021 zitiert (Aktenzeichen 14 U 35/21):Randnummer23

„Der hiesige Gesellschaftsvertrag enthält jedoch nicht ein gleiches Recht für alle Gesellschafter, sondern ein jeweils unterschiedliches Recht zur Benennung eines jeweils eigenen Geschäftsführers.“Randnummer24

In diesem Abschnitt wird nicht zur Frage der Anzahl der Geschäftsführer Stellung genommen. Auch nicht durch die vom Vertreter des Gesellschafters S…, Rechtsanwalt K… ##, im Schriftsatz vom 17.01.2022, dort Seite 2, besonders hervorgehobenen Textpassage „(…) sondern ein jeweils unterschiedliches Recht zur Benennung eines jeweils eigenen Geschäftsführers.“. Vielmehr folgert der 14. Senat aus dem Recht zur Benennung eines Geschäftsführers durch jeden Gesellschafter, dass es sich bei dem Benennungsrecht aus § 5 Abs. 1 Satz 5 des Gesellschaftsvertrags um ein Sonderrecht im Sinne des § 35 BGB handelt, das durch einen satzungsändernden Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht entzogen werden könne. Eben diese ersatzlose Streichung des Benennungsrechts aus § 5 Abs. 1 Sätze 5-7 des Gesellschaftsvertrags hatte die Gesellschafterversammlung am 19.11.2020 jedoch unter TOP 2 beschlossen, wogegen der Gesellschafter S… mit der – im vorliegenden Verfahren nicht relevanten – Anfechtungsklage vor dem Landgericht (Az. 97 O 167/20) vorging und in diesem Zusammenhang auch die einstweilige Aussetzung der VollziehungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aussetzung
Aussetzung der Vollziehung
Vollziehung
der Anmeldung der Satzungsänderung vor dem Landgericht erwirkte (Az. 97 O 183/20). Das hiergegen eingelegte und unter dem Aktenzeichen 14 U 35/21 geführte Rechtsmittel blieb im Ergebnis ohne Erfolg.Randnummer25

Zur Auslegung körperschaftsrechtlicher Bestandteile des Gesellschaftsvertrags herangezogen werden können auch die zum Handelsregister eingereichten Dokumente (BGH, Urteil vom 16.12.1991, aaO). Dabei ist festzustellen, dass die Änderung des Gesellschaftsvertrags vom 27.06.2012 zusammen mit einer Gesellschafterliste eingereicht wurde, wonach Herr R… W… sowie Herr Sch… jeweils 12.500 Geschäftsanteile der Gesellschaft hielten. Hintergrund war der an diesem Tag geschlossene Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrag. Mit Blick auf diese Verteilung der Geschäftsanteile ist nachvollziehbar, dass eine Regelung für den Fall geschaffen wurde, dass ein Gesellschafter ohne Mitwirkung des (genau gleich berechtigten) anderen Gesellschafters auf die Geschäftsführung Einfluss nehmen wollte und eine eventuell erforderliche Alleinvertretungsbefugnis eines Geschäftsführers automatisch entfiel.Randnummer26

Dem vorgenannten Regelungsanlass der paritätischen Beteiligung der Gesellschafter lässt sich zugleich entnehmen, dass nicht auch das Recht der Gesellschafterversammlung aus § 46 Nr. 5 GmbHG zur Bestellung (weiterer) Gesellschafter aufgehoben werden musste. Denn einer solchen Regelung bedurfte es in der vorliegenden Konstellation nicht. Unter – zu diesem Zeitpunkt – gleichberechtigten Gesellschaftern konnte es bereits wegen der Patt-Situation nicht zu einer „eigenmächtigen“ Geschäftsführerbestellung abseits des gesellschaftsvertraglichen Benennungsrechts kommen. Es kommt hinzu, dass – trotz zwischenzeitlich von den Gesellschaftern geschlossener Nebenabreden, etwa zu der den Gesellschafter S… im Verhältnis zu seinen Geschäftsanteilen begünstigenden Erlösbeteiligung (Anlagenkonvolut K7) – die Bedingungen für die Bestellung von Geschäftsführern dem Modus entsprach, wie er bereits dem Gründungsvertrag vom 27.12.2011 zu Grunde gelegen hatte. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte der Gesellschafter Sch… ohne Weiteres den Gesellschafter S… bei der Geschäftsführerbestellung überstimmen können. Es mag im Übrigen dahinstehen, ob sich aus den Nebenabreden zur Erlösbeteiligung eine andere Auslegung ergeben könnte. Sie konnten bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden, da sie nicht öffentlich zugänglich waren.Randnummer27

Auch im Übrigen lässt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 5 des Gesellschaftsvertrags keine Verdrängung der Kompetenzregelung des § 46 Nr. 5 GmbHG entnehmen. Im Gegenteil: Zwar trifft zu, dass durch die Fortgeltung des § 46 Nr. 5 GmbHG die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters S… erheblich beeinträchtigt wird. Dies entspricht allerdings dem regulären Abstimmungsvorgang. Die vom Minderheitsgesellschafter S… geltend gemachte Ausnahme wäre demgegenüber begründungsbedürftig und hätte eindeutigen Ausdruck im Gesellschaftsvertrag finden müssen.Randnummer28

Dies ist vorliegend nach den obigen Ausführungen jedoch nicht der Fall. Es kommt hinzu, dass die den Gesellschafter S… – in der Konsequenz – benachteiligende Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags, wonach, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind, die Gesellschaft gemeinschaftlich durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten wird, erkennbar keine Absicherung des Minderheitsgesellschafters gegenüber einer ihm möglicherweise nicht genehmen Geschäftsführung beinhaltet. Nicht nur könnte ein Geschäftsführer im Zusammenwirken mit einem weiteren Geschäftsführer tätig werden. Dies wäre selbst nach der Lesart des Minderheitsgesellschafters dann möglich, wenn ein weiterer Gesellschafter vorhanden wäre, der sein Benennungsrecht ausübte. Ein Geschäftsführer könnte auch mit einem – ohne Weiteres zu bestellenden – Prokuristen die Gesellschaft gemeinschaftlich vertreten, § 46 Nr. 7 GmbHG. Umgesetzt werden sollte demnach durch § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags – auch in Zusammenschau mit dem Gesellschaftsvertrag in der Form vom 27.12.2011, in dem diese Vertretungsregelung ebenso existierte – ein Vier-AugenPrinzip. Die Verhinderung von durch den Minderheitsgesellschafter nicht mitgetragenen Entscheidungen war offensichtlich nicht Ziel der Regelung.Randnummer29

b) Legt man die unter a) gewonnene Auslegung der Regelungen des Gesellschaftsvertrags zu Grunde, verletzte die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers das Sonderrecht der Satzung nicht. Es handelte sich deshalb bei dem Gesellschafterbeschluss mit dem Herr R… K… zum Geschäftsführer bestellt wurde, nicht um einen „satzungsändernden“ bzw. satzungsdurchbrechenden Beschluss, der die gesellschaftsvertragliche Regelung außer Kraft setzte bzw. im Einzelfall von ihr abwich (wie in der vom Gesellschafter S… angeführten Entscheidung OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.09.2016 – I-3 Wx 130/15Rn. 22, zitiert nach juris) und deshalb gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG der notariellen Beurkundung bedurfte. Dabei mag hier im Ergebnis unentschieden bleiben, ob es sich bei § 5 Abs. 1 Satz 5 des Gesellschaftsvertrags um ein Sonderrecht handelte, welches entsprechend § 35 BGB nicht ohne Zustimmung des Minderheitsgesellschafters entzogen werden konnte. Nicht nur wurde dem Gesellschafter S… das Benennungsrecht nicht entzogen. Denn es war ihm auch weiterhin möglich, einen Geschäftsführer zu benennen. Auch ermöglichte das Sonderrecht dem Minderheitsgesellschafter seiner durch Auslegung ermittelten Reichweite nach nicht, die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers zu verhindern und letztlich dadurch ihm ungenehme Entscheidungen zu unterbinden.Randnummer30

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtskosten fallen nicht an, eine Kostenerstattung kommt nicht in Betracht.Randnummer31

4. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde scheidet aus, weil es an der erforderlichen Beschwer fehlt.

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