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BGH, Urteil vom 12. März 1996 – VI ZR 90/95 

§ 823 Abs 1 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 246 StGB, § 266 StGB

Zur persönlichen haftung des Geschäftsführers einer GmbH, der eine nicht im Eigentum der GmbH stehende Sache veräußert hat.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Februar 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin vertreibt Replica-Fahrzeuge, die sie durch Nachunternehmer herstellen läßt. Anfang 1989 vereinbarte sie mit der Firma M., einer GmbH, daß diese aus einem ihr von der Klägerin zur Verfügung gestellten Bausatz einen Pkw Lamborghini Countach herstellen und hierfür die noch erforderlichen Teile beschaffen sowie eine Antriebseinheit einbauen sollte. Der für die vollständige Herstellung des Fahrzeugs zunächst vereinbarte Pauschalpreis von 32.000 DM wurde später auf 60.000 DM zuzüglich MWSt. abgeändert. Die Klägerin hat hierauf eine Anzahlung geleistet. Nach Unstimmigkeiten einigten sich die Vertragsparteien am 7. Dezember 1990 dahin, daß die Klägerin den mittlerweile fertiggestellten Pkw Zug um Zug gegen eine weitere Zahlung von 35.000 DM abholen sollte. Nachdem dies in der Folgezeit trotz mehrfacher Aufforderungen – letztmals mit Fristsetzung bis zum 10. Januar 1992 – nicht erfolgt war, verkaufte die Firma M. den Pkw anderweitig. Über ihr Vermögen wurde am 31. März 1992 das Konkursverfahren eröffnet. Randnummer2

Die Klägerin nimmt den Beklagten als damaligen Geschäftsführer der Firma M. auf Schadensersatz in Anspruch, weil er die Entscheidung zum unberechtigten Verkauf des Pkw getroffen und sie hierdurch geschädigt habe. Sie verlangt Ersatz der von ihr geleisteten Anzahlung – nach ihrer Darstellung 47.000 DM – und der von ihr für die Beschaffung des Bausatzes aufgewendeten Kosten, die sie mit 6.007,10 englischen Pfund = 18.982,44 DM angibt, insgesamt 65.982,44 DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt sie den geltend gemachten Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin, weil eine unerlaubte Handlung des Beklagten nicht zu erkennen sei. Zwar sei die Klägerin im Zeitpunkt des Verkaufs Eigentümerin des Fahrzeugs gewesen, wobei die Frage, ob sie im Hinblick auf die Verarbeitung Alleineigentümerin gewesen sei, offenbleiben könne. Gleichwohl stehe ihr ein Anspruch gegen den Beklagten nicht zu. Auch wenn die Firma M. nicht zur Verwertung des Fahrzeugs berechtigt gewesen sei und zugunsten der Klägerin unterstellt werde, daß der Beklagte die unternehmerische Entscheidung für dessen Verkauf getroffen habe, liege eine unerlaubte Handlung des Beklagten nicht vor. Der Geschäftsführer einer Firma begehe nämlich keine Unterschlagung, wenn er über fremde Sachen, die er für die Firma in Gewahrsam habe, in deren Interesse verfüge, es sei denn, dies geschehe in erheblichem Maß oder ausschließlich in seinem eigenen Interesse. Ein überwiegendes oder gar ausschließliches Eigeninteresse des Beklagten am Verkauf des Pkw werde von der Klägerin jedoch nicht behauptet und sei auch nicht zu erkennen. Randnummer4

Auch eine Untreue des Beklagten sei nicht gegeben, wobei allein der Mißbrauchstatbestand des § 266 StGB in Betracht komme. Der Vermögensnachteil der Klägerin sei nämlich erst durch den Konkurs der Firma M. eingetreten, weil sie infolgedessen ihren Schaden – nämlich vergebliche Aufwendungen für den Bausatz und die Anzahlung – nicht mehr realisieren könne. Randnummer5

Eine haftung des Beklagten komme deshalb nur in Betracht, wenn dieser bei Verkauf des Fahrzeuges gewußt hätte, daß der Konkurs der Firma M. unmittelbar bevorstehe und die Klägerin deshalb Ersatzansprüche wegen des Verkaufs des Pkw nicht mehr realisieren könne, und er dies zumindest billigend in Kauf genommen habe. Das lasse sich jedoch für den fraglichen Zeitpunkt – zwei Monate vor Konkurseröffnung – nicht feststellen. Deshalb scheide auch ein Anspruch der Klägerin aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB aus.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht durchweg stand. Randnummer7

1. Die Revision nimmt die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Klägerin im Zeitpunkt des Verkaufs Eigentümerin des Fahrzeugs und die Firma M. zu dessen Verwertung nicht berechtigt gewesen sei, ebenso als ihr günstig hin wie die Unterstellung, daß der Beklagte die unternehmerische Entscheidung zum Verkauf getroffen habe. Hiervon ist für das Revisionsverfahren auszugehen, zumal auch der Beklagte jedenfalls den Standpunkt des Berufungsgerichts zur Eigentumsfrage als revisionsrechtliche Unterstellung gelten lassen will und die persönliche Beteiligung des Beklagten am Verkaufsvorgang in den Tatsacheninstanzen nicht in Zweifel gezogen worden ist. Bei dieser Sachlage kann jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, eine zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung des Beklagten sei bei der Veräußerung des Pkw nicht zu erkennen, keinen Bestand haben. Randnummer8

2. Dabei hat das Berufungsgericht allerdings nicht verkannt, daß den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer der Firma M. eine persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Haftung
persönliche Haftung
aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) treffen kann.

a) Zwar handelt der Geschäftsführer einer GmbH im Rahmen seines Aufgabenkreises als organschaftlicher Vertreter der juristischen Person, so daß diese nach § 31 BGB für Schäden haftet, die er in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen einem Dritten zufügt. Dieser Grundsatz schließt indessen eine daneben bestehende eigene haftung des Geschäftsführers nicht aus, wenn er persönlich den Schaden durch eine unerlaubte Handlung herbeigeführt hat (Senatsurteile BGHZ 109, 297, 302; vom 14. Mai 1974 – VI ZR 8/73 – NJW 1974, 1371, 1372; vom 29. September 1987 – VI ZR 300/86NJW 1988, 1782 und vom 11. Juli 1995 – VI ZR 409/94VersR 1995, 1205; vgl. auch BGHZ 56, 73, 77 sowie BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 – VIII ZR 227/82NJW 1984, 2284, 2285). Deshalb kommt eine persönliche haftung des Beklagten unter dem Blickpunkt in Betracht, daß er als Geschäftsführer die Entscheidung zum Verkauf des im Eigentum der Klägerin stehenden Pkw getroffen hat, ohne daß eine Verwertungsbefugnis der Firma M. gegeben war. Randnummer10

b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen keinen Rechtsfehler erkennen, soweit es eine unerlaubte Handlung durch Verletzung strafrechtlicher Schutzgesetze i.S. des § 823 Abs. 2 BGB verneint hat. Randnummer11

aa) Eine Unterschlagung nach § 246 StGB würde voraussetzen, daß der Beklagte sich selbst den veräußerten Pkw bzw. den in diesem verkörperten Sachwert zugeeignet hätte. Das ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden, ohne daß die Revision insoweit Verfahrensrügen erhebt. Ihre Auffassung, mangels anderweitiger Feststellungen sei davon auszugehen, daß der Beklagte den Verkaufserlös selbst einbehalten habe, findet im tatsächlichen Vortrag der Parteien keine Grundlage. Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß ein eigener Vorteil des Beklagten weder behauptet worden noch zu erkennen sei. Randnummer12

Bei dieser Sachlage konnte das Berufungsgericht den Tatbestand einer Unterschlagung ohne Rechtsfehler verneinen. Zwar kann es im Einzelfall für eine Zueignung im Sinn des § 246 StGB ausreichen, daß die Verfügung über eine Sache zugunsten eines Dritten erfolgt. Auch hierfür wird jedoch von der Rechtsprechung vorausgesetzt, daß der Täter von der Zueignung einen wirtschaftlichen Nutzen oder Vorteil hat, wie dies der Große Senat für Strafsachen im Beschluß vom 25. Juli 1995 – GSSt 1/95NJW 1996, 402, 404 für den Ein-Mann-Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH erwogen hat. Voraussetzung ist indes auch hier ein Handeln mit „egoistischer Innentendenz“, also um des eigenen Vorteils willen. Einen solchen Sachverhalt hat das Berufungsgericht jedoch nicht festzustellen vermocht. Randnummer13

bb) Ohne Erfolg stellt die Revision auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur rechtlichen Nachprüfung, mit denen es einen Anspruch wegen Untreue§ 266 StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB – verneint hat. Nach dem vorliegenden Sachverhalt kommt weder der Mißbrauchstatbestand – auf welchen allein das Berufungsgericht abgehoben hat – noch der Treubruchstatbestand in Betracht. Randnummer14

Beiden Tatbeständen ist gemeinsam, daß der Täter dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Vermögensnachteil zufügt. Sie unterscheiden sich voneinander dadurch, daß beim Mißbrauchstatbestand der Täter aufgrund einer nach außen wirkenden Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis handelt und dabei eine im Innenverhältnis bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt, während für den Treubruchstatbestand die bloße Verletzung einer nur im Innenverhältnis bestehenden Vermögensfürsorgepflicht ausreicht (BGH, Urteil vom 5. Juli 1984 – 4 StR 255/84NJW 1984, 2539, 2540 m.w.N.). Randnummer15

aaa) Allerdings müßte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Verwirklichung des Mißbrauchstatbestandes nicht daran scheitern, daß der Vermögensnachteil der Klägerin – wie das Berufungsgericht meint – erst durch den Konkurs der Firma M. eingetreten sei. Insoweit dürfte nämlich bereits der infolge gutgläubigen Erwerbs des Pkw durch den Käufer (§ 932 BGB) eingetretene Eigentumsverlust der Klägerin maßgeblich sein. Jedenfalls aber fehlt es für die Verwirklichung des Mißbrauchstatbestandes an einer wirksamen Befugnis des Beklagten, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wobei diese Fähigkeit dem Täter gerade mit Rücksicht auf ein Verhältnis verliehen sein muß, das der Betreuung der Vermögensinteressen des Geschäftsherrn dient. Das war vorliegend nicht der Fall. Mit der Verpflichtung der Firma M., für die Klägerin ein Fahrzeug herzustellen, war keinerlei Befugnis verbunden, über deren Vermögen zu verfügen und etwa das Fahrzeug an Dritte zu veräußern. Die Rechtswirksamkeit der Verfügung des Beklagten über den Pkw kann lediglich auf dem Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs nach § 932 BGB beruhen, mithin einer Vorschrift, die der Sicherheit des Rechtsverkehrs dient und nicht als rechtsgeschäftliche Befugnis im Sinn des § 266 StGB angesehen werden kann (BGHSt 5, 61, 62 ff; Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 24. Aufl. § 266 Rdn. 4 m.w.N.). Randnummer16

bbb) Auch der vom Berufungsgericht nicht erörterte Treubruchstatbestand kommt als haftungsrechtlicher Anknüpfungspunkt nicht in Betracht, weil es an einer im Innenverhältnis bestehenden Vermögensfürsorgepflicht fehlt. Dieser Tatbestand setzt nämlich Rechtsbeziehungen voraus, bei denen der Täter innerhalb eines nicht unbedeutenden Pflichtenkreises zur fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet ist, wobei die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen den wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses bilden muß und nicht nur von untergeordneter Bedeutung sein darf (BGHSt 22, 190, 191). Daran fehlt es hier. Auch die Revision zeigt keine Anhaltspunkte dafür auf, daß der Vertrag zwischen der Klägerin und der Firma M. über den Charakter des Werkvertrags hinaus irgendwelche Elemente einer Vermögensbetreuung aufgewiesen hätte. Randnummer17

c) Im Ergebnis erfolglos beanstandet die Revision auch die Verneinung eines Anspruchs aus § 826 BGB. Randnummer18

Das Berufungsgericht führt hierzu aus, es könne nicht festgestellt werden, daß der Beklagte schon zwei Monate vor dem Konkurs gewußt habe, daß die Klägerin wegen des bevorstehenden Konkurses keine Ansprüche mehr gegen die Gesellschaft geltend machen könne und er dies billigend in Kauf genommen habe. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Eine Eigenhaftung des Geschäftsführers aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB (hierzu BGH, Urteile vom 20. März 1986 – II ZR 141/85WM 1986, 734 und vom 11. Juli 1988 – II ZR 355/87NJW 1988, 2882, 2883) würde unter den vom Berufungsgericht erörterten Umständen jedenfalls voraussetzen, daß der Beklagte bei Verkauf des Pkw mit dem bevorstehenden Konkurs rechnete. Dies hat das Berufungsgericht jedoch nicht festzustellen vermocht, ohne daß die Revision hierzu durchgreifende Verfahrensrügen erhebt. Wenn sie insoweit auf die allgemeine Lebenserfahrung verweist, wonach der Geschäftsführer einer so kurz vor Konkurseröffnung stehenden GmbH sich bei Zahlungsschwierigkeiten dadurch Liquidität verschaffe, daß er ihm überlassene Gegenstände rechtswidrig veräußere, ist schon zweifelhaft, ob ein solcher Erfahrungssatz besteht. Jedenfalls hat die Revision keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß bei der Firma M. im fraglichen Zeitpunkt Zahlungsschwierigkeiten bestanden hätten, die Grundlage für ein derartiges Verhalten hätten sein können. Mangels jeglichen Tatsachenvortrags zur finanziellen Lage der Firma M. ist die Auffassung des Berufungsgerichts, Kenntnis des Beklagten vom bevorstehenden Konkurs könne nicht festgestellt werden, aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Randnummer19

3. Erfolgreich rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht eine haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Blickpunkt einer Verletzung des Eigentums der Klägerin an dem Pkw nicht in Betracht gezogen hat. War nämlich die Klägerin Eigentümerin und hat der Käufer durch den vom Beklagten zu verantwortenden Verkauf gutgläubig Eigentum an dem Pkw erworben, so kann, wie die Revision mit Recht geltend macht, eine unerlaubte Handlung des Beklagten nach § 823 Abs. 1 BGB darin liegen, daß er ohne Berechtigung das Eigentumsrecht der Klägerin verletzt hat (vgl. BGHZ 56, 73, 77). Randnummer20

Deshalb kommt es für eine haftung des Beklagten in erster Linie darauf an, ob Eigentum der Klägerin an dem Pkw bestand. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage durch das Revisionsgericht kann nicht erfolgen, weil der Beklagte sich auf einen Eigentumserwerb der Firma M. durch Verarbeitung nach § 950 BGB beruft und die hierfür maßgebliche Frage, ob der Wert der Verarbeitung oder Umbildung erheblich geringer ist als der Wert des Stoffes, noch tatsächlicher Feststellungen bedarf.

III.

Deshalb war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die insoweit noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können. Der Beklagte wird hierbei auch Gelegenheit haben, die in seiner Revisionserwiderung angekündigten Einwendungen gegen die Eigentümerstellung der Klägerin zu vertiefen. Soweit er nunmehr entgegen seinem ausdrücklichen Vorbringen in der Berufungsinstanz eine persönliche Verantwortung für den Verkaufsvorgang in Abrede stellt, ist vorsorglich darauf hinzuweisen, daß eine unerlaubte Handlung auch dann in Betracht kommt, wenn er nicht selbst die unternehmerische Entscheidung zum Verkauf getroffen, sondern diese lediglich im Rahmen der ihm als Geschäftsführer obliegenden Organisationspflichten zu verantworten hat (Senatsurteil BGHZ 109, 297, 304 f).

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