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OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.09.2019 – 23 U 106/18

BGB § 249, § 280 Abs. 1 S. 2, § 611 Abs. 1, § 675 Abs. 1

Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (ebenso BGH BeckRS 2015, 04930). Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst.

Wünscht ein Mandant im Rahmen einer steuerlichen Gestaltungsberatung die Berücksichtigung der interessen eines Dritten und macht er diese zum Gegenstand der Beratungsleistung, dann ist die Schadensberechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen.

Ein Geschädigter soll grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil (ebenso BGH BeckRS 2014, 07863).

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 05.06.2018 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger, der alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der A GmbH war, nimmt die Beklagte, eine Steuerberatungsgesellschaft, auf Schadensersatz wegen steuerlicher Fehlberatung in Anspruch. Im Jahr 2013 trat er an diese heran, um eine Regelung im Hinblick auf Verschonungsmöglichkeiten des Betriebsvermögens zu treffen. Die Beklagte beriet den Kläger im Hinblick auf die Gründung einer gemeinnützigen und einer Familienstiftung, in die dessen Vermögenswerte, so u.a. die Anteile an der A GmbH, eingebracht werden sollten, entwarf die für die Gründung der Stiftungen erforderlichen Urkunden und Satzungen und führte die Korrespondenz mit der Stiftungsaufsicht sowie den Finanzbehörden. In der Beratung wurde unter anderem die Sonderausgabenabzugsfähigkeit der Einbringungen gemäß § 10b EStG thematisiert.

Mit notarieller Urkunde vom 14.08.2014 des Notars B, Düsseldorf, UR-Nr. …/2014 H, Anlage K 1, nahm der Kläger die Stiftungsgeschäfte zur Errichtung der C-Stiftung (nachfolgend „gemeinnützige Stiftung“) sowie der C Familienstiftung (nachfolgend „Familienstiftung“) vor. Mit weiterer notarieller Urkunde vom 28.08.2014 des vorgenannten Notars, UR-Nr. …/2014 H, Anlage K 2, brachte der damals 58jährige Kläger in das Grundstockvermögen der gemeinnützigen Stiftung die zuvor von ihm selbst und seiner Frau genutzten Immobilie …weg … in Stadt 1 sowie 50.000 € Barvermögen und in deren sonstiges Vermögen seine Geschäftsanteile zu den laufenden Nummern 17.501 und 17.502 (insgesamt 65% des Stammkapitals) an der A GmbH ein. In das Grundstockvermögen der Familienstiftung brachte der Kläger ein Barvermögen in Höhe von 50.000 € und in das sonstige Vermögen die verbleibenden Geschäftsanteile zu den laufenden Nummern 1 – 17.500 (insgesamt 35% des Stammkapitals) ein.

In § 2 der notariellen Errichtungsurkunde behielt sich der Kläger ein Rückforderungsrecht hinsichtlich der auf die Stiftungen übertragenen Geschäftsanteile binnen eines Jahres nach Bestandskraft des entsprechenden Bescheides für den Fall vor, dass die Finanzverwaltung in Bezug auf die Ausstattung der Stiftungen mit dem sog. anderen Vermögen die Betriebsvermögensvergünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG endgültig ganz oder teilweise versagen sollte. Aufgrund dessen war die Oberfinanzdirektion zunächst der Auffassung, dass ein Sonderausgabenabzug erst nach Wegfall des Rückforderungsrechts möglich sein sollte bzw. dass im Falle der Vereinbarung eines Rückforderungsrechts ein Spendenabzug nach § 10b EStG generell nicht in Betracht komme. Sie änderte jedoch ihre Rechtsauffassung im Verlauf der mit der Beklagten geführten Korrespondenz.

Der Kläger hat geltend gemacht, mit der Errichtung der beiden Stiftungen das Ziel verfolgt zu haben, möglichst steuergünstig eine Fortführung der zur D-Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften als Familienunternehmen dauerhaft sicherzustellen. Bei der Einbringung der Geschäftsanteile in die gemeinnützige Stiftung sei er jedoch aufgrund unzutreffender Beratung durch die Beklagte davon ausgegangen, einen Sonderausgabenabzug in Höhe des tatsächlichen Werts der Anteile im Zeitpunkt der Übertragung zu erhalten und jährlich einen Betrag von bis zu 20% des Gesamtbetrags seiner Einkünfte steuermindernd geltend machen zu können. Der tatsächliche Wert im Zeitpunkt der Übertragung habe mehrere Millionen betragen, der stattdessen steuerlich allein maßgebliche Anschaffungswert hingegen nur 32.500 €. Zudem könne ein Steuervorteil nur einmalig geltend gemacht werden und nicht, wie von der Beklagten missverständlich vermittelt, bis zu seinem Eintritt in das Rentenalter in Höhe von jährlich 100.000 € und danach 50.000 €. Nicht zuletzt angesichts des Umstands, dass ab der Einbringung der Anteile die Dividenden aus der früheren Beteiligung des Klägers an der A GmbH weggefallen seien, der Erwerb der Anteile durch ihn kreditfinanziert sei und die Kredite eine Laufzeit bis zum Jahr 2025 hätten, habe er diese Steuervorteile fest in seine wirtschaftlichen Planungen und Überlegungen einbezogen bzw. seien diese „zentral“ bei der Entwicklung der „Doppelstiftungslösung“ gewesen. Wäre er zutreffend beraten worden, hätte er seine Geschäftsanteile an der A GmbH erst im Oktober 2025 unter Lebenden oder von Todes wegen übertragen. Am 10.10.2025 werde er 70 Jahre alt; erst zu diesem Zeitpunkt wolle er aus dem Erwerbsleben ausscheiden und solle seine 1994 geborene Tochter C.C. die Geschäftsführung übernehmen.

Erstinstanzlich hat der Kläger gegen die Beklagte zunächst einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Bruttodividenden in Höhe von 193.050 € und 252.720 € geltend gemacht, die die A GmbH für die Geschäftsjahre 2014 und 2015 an die gemeinnützige Stiftung ausgekehrt hat, abzüglich des von ihm in 2014 durch die Einbringung der Anteile in die gemeinnützige Stiftung erzielten einmaligen Steuervorteils in Höhe von 16.094 €, mithin insgesamt 429.976 €. Des Weiteren hat er einen Feststellungsantrag im Hinblick auf alle ihm künftig aus der Falschberatung entstehenden Schäden im Hinblick auf die in den nach 2015 seitens der A GmbH gezahlten Bruttodividenden gestellt. Mit Schriftsatz vom 08.06.2017 hat der Kläger die Klage um die Bruttodividende für 2016 in Höhe von 247.650 € auf einen Betrag von insgesamt 677.326 € erhöht.

Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass mit dem Kläger schon kein Beratungsvertrag bestanden habe. Vielmehr sei sie aufgrund eines Beratungsvertrags mit der D GmbH, deren Gesellschafterin die C GmbH und deren Gesellschafterin wiederum die A GmbH sei, tätig geworden. Gegenstand der Beratung sei nicht die private Steuererklärung des Klägers, sondern lediglich die Erhaltung der D GmbH als Familienunternehmen und eine damit einhergehende schenkungssteuerschonende Übertragung gewesen. Der Kläger, dem verschiedene Modelle vorgestellt worden seien, habe sich sehr früh für das Modell aus einer Familienstiftung und einer gemeinnützigen Stiftung entschieden, da er dadurch auch seine außersteuerlichen Zielsetzungen, so insbesondere den Erhalt des Familienunternehmens, habe sicherstellen können. Die Frage des Sonderausgabenabzugs habe lediglich den Themenkomplex betroffen, ob zusätzlich zu der ohnehin schon steueroptimierten Lösung noch weitere positive Steuereffekte ausgelöst werden könnten. Sie sei erst mehrere Monate nach Beginn der Beratung zu einem Zeitpunkt Thema gewesen, als sich die „Doppelstiftungslösung“ bereits in der Umsetzung befunden habe. Diese „Zugabe“ sei ohne jeden Einfluss auf die Entscheidung des Klägers gewesen. Konkrete Berechnungen des Sonderausgabenabzugs seien nicht Gegenstand der Gespräche gewesen.

Zudem seien die beiden Stiftungen aufeinander abgestimmt gewesen, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger bei zutreffender Aufklärung lediglich von der Errichtung der Familienstiftung abgesehen habe.

Zur geltend gemachten Schadenshöhe hat die Beklagte vorgetragen, dass der aus der Einbringung der Immobilie generierte Spendenabzug von dem Kläger bei seiner Berechnung nicht berücksichtigt worden sei. Auch die Bareinlage in die gemeinnützige Stiftung und etwaige weitere private Spenden, die der Kläger offenlegen müsse, seien nicht in die Berechnung einbezogen worden. Die Vermögensinteressen der Ehefrau und Tochter des Klägers sowie der Stiftungen seien ihm Rahmen einer konsolidierten Schadensbetrachtung mit einzubeziehen. Gleiches gelte für Ausschüttungen der Stiftungen an den Kläger.

Abschließend sei eine Haftung der Beklagten durch das Interesse des Klägers an der Richtigkeit der Auskunft begrenzt. Der Kläger könne folglich nur den Nachteil geltend machen, der ihm in Form des geringeren Sonderausgabenabzugs entstanden wäre.

Das Landgericht hat die Beklagte nach Vernehmung des Zeugen E mit am 05.06.2018 verkündetem Urteil, auf das hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen wird, i.V.m. dem Beschluss vom 06.07.2018 antragsgemäß verurteilt. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in geltend gemachter Höhe aus §§ 675 Abs. 1, 611 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB zu. Der Beklagten sei eine Pflichtverletzung zur Last zu legen, da auch die Höhe des sich aus der Einbringung der Unternehmensanteile in das Grundstockvermögen der Stiftung ergebenden Sonderausgabenabzugs nach § 10b EStG Gegenstand der Beratung gewesen sei. Diese sei für den Kläger von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, wie die glaubhafte Aussage des Zeugen E ergeben habe. Soweit die Beklagte behauptet habe, der Kläger habe sich bereits für das Modell der „Doppelstiftungslösung“ entschieden, bevor Angaben zu dem Sonderausgabenabzug getätigt worden seien, stehe dem entgegen, dass mit E-Mail der Beklagten vom 24.07.2017, Anlage K 7, der OFD mitgeteilt worden sei, man werde dem Kläger empfehlen, eine Zuwendung seiner Beteiligung an die gemeinnützige Stiftung zu unterlassen bzw. erst mehrere Jahre später vorzunehmen, wenn der Sonderausgabenabzug nicht anerkannt werde. Es sei fernliegend, dass der Kläger nicht beabsichtigt habe, seine fehlenden Dividenden zumindest teilweise durch den ihm zufließenden Steuervorteil auszugleichen. Vielmehr sei eine Reduzierung der Steuerlast, d.h. nicht nur der Erbschafts- bzw. Schenkungssteuerlast, für den Kläger insgesamt von ausschlaggebender Wichtigkeit gewesen und es sei ihm nicht lediglich darauf angekommen, sein Vermögen in Stiftungen zu übertragen. Nach dem Gebot der umfassenden und schadensvermeidenden Beratung sei die Beklagte verpflichtet gewesen, darauf hinzuweisen, dass maßgebend für die Höhe des Sonderausgabenabzugs der Anschaffungswert der einzubringenden Geschäftsanteile sei und dass dieser Abzug lediglich einmalig erfolge. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe indes ergeben, dass ein solcher Hinweis nicht erteilt worden sei. Die Pflichtverletzung habe die Beklagte auch zu vertreten. Die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB habe sie nicht widerlegt. Dem Kläger sei ein Schaden in Höhe der Dividenden entstanden, die in den Jahren 2014 – 2016 auf die in die gemeinnützige Stiftung eingebrachten Geschäftsanteile entfielen. Da die Höhe des anzusetzenden Sonderausgabenabzugs für den Kläger von entscheidender Bedeutung gewesen sei, sei davon auszugehen, dass er bei zutreffender Beratung seine Geschäftsanteile nicht – jedenfalls nicht bereits 2014 – in die gemeinnützige Stiftung eingebracht hätte. Der Schaden sei in Höhe der Bruttodividende anzusetzen. Steuervorteile mit Ausnahme des 2014 einmalig erlangten Steuervorteils müsse der Kläger sich nicht anrechnen lassen, da der geforderte Schadensersatzbetrag der Besteuerung unterliege. Der Feststellungsantrag sei vor dem Hintergrund begründet, dass dem Kläger auch die auf die in die gemeinnützige Stiftung eingebrachten Anteile ab dem Jahr 2017 entfallenden Dividenden entgehen würden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer zulässigen Berufung, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage anstrebt. Mit dieser wendet sie sich zunächst gegen die Annahme des Landgerichts, die Pflichtverletzung der Beklagten sei kausal für den von dem Kläger geltend gemachten Schaden, d.h. die ihm entgangenen und in Zukunft entgehenden Dividenden, gewesen. Denn dem Kläger sei es schon nach seinem eigenen Vortrag allenfalls darauf angekommen, durch den Sonderausgabenabzug genügend liquide Mittel zur Tilgung seiner Darlehensverbindlichkeiten zur Verfügung zu haben. Dies habe auch der Zeuge E bekundet. Auch habe das Landgericht außer Acht gelassen, dass der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens bei Verletzung von Beratungs- und Auskunftspflichten durch das Interesse an der Richtigkeit der Auskunft begrenzt sei. Den Verlust der Dividende hätte der Kläger hingegen so oder so in Kauf genommen, um eine Vermögensübertragung auf die nächste Generation sicherstellen zu können. Die Beklagte vertritt die Ansicht, der Kläger könne als Schaden mithin allenfalls eine durch den geringeren Sonderausgabenabzug entstandene höhere Steuerbelastung geltend machen. Auch hätte der Kläger im Rahmen der von ihm vorzunehmenden konsolidierten Schadensberechnung nicht nur die eigenen Vermögensinteressen, sondern auch diejenigen seiner Frau und Tochter sowie der beiden Stiftungen einbeziehen müssen. Abschließend vertritt die Beklagte die Ansicht, dass das Landgericht seiner Schadensberechnung in der Annahme, dass die ausgeurteilte Schadensersatzleistung zu versteuern sei, rechtsfehlerhaft die Bruttodividende zugrunde gelegt habe. Der Kläger erhielte aber Ersatz für Einnahmen, die seinem privaten Bereich zuzuordnen seien, so dass eine Schadensersatzleistung zunächst zu versteuern sei. Der Feststellungsantrag sei nicht hinreichend bestimmt, jedenfalls aber auf den Zeitraum bis 2025 zu begrenzen.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf, Az.: 1 O 165/16 vom 5. Juni 2018 (berichtigt durch Beschluss des LG Düsseldorf vom 06.07.2018) die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt er,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn über den vom Landgericht Düsseldorf zuerkannten Betrag hinaus weitere 468.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 26.10.2018 auf einen Betrag in Höhe von 234.000 € sowie seit Zustellung des Schriftsatzes vom 23.05.2019 auf einen Betrag in Höhe von 234.000 € zu zahlen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Darüber hinaus macht er mit seiner Anschlussberufung die für 2017 und 2018seitens der A GmbH an die gemeinnützige Stiftung ausgeschüttete Bruttodividende in Höhe von 468.000 € geltend.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus keinem Rechtsgrund, insbesondere nicht aus §§ 611 Abs. 1,675 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB, ein Schadensersatzanspruch in geltend gemachter und vom Landgericht tenorierter Höhe zu Zwar spricht, wie auch das Landgericht in der mit der Berufung angegriffenen Entscheidung ausgeführt hat, viel dafür, dass der Beklagten die Verletzung einer Pflicht aus einem ihr durch den Kläger erteilten Gestaltungsmandat zur Last zu legen ist, weil sie diesen nicht darauf hingewiesen hat, dass maßgebend für die Höhe des Sonderausgabenabzugs der Anschaffungswert der einzubringenden Geschäftsanteile ist und dieser Abzug lediglich einmalig erfolgen kann.

Indes bestehen schon Zweifel an der haftungsausfüllenden Kausalität. Zwar hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2019 behauptet, sich bei richtiger Beratung über die sich aus der Einbringung der Anteile in die gemeinnützige Stiftung ergebenden Sonderausgabenabzug ebenfalls für die von der Beklagten erarbeitete „Doppelstiftungslösung“ entschieden zu haben; allerdings hätte er der gemeinnützigen Stiftung die Gesellschaftsanteile im Wert von immerhin 65% des Stammkapitals erst später, nämlich testamentarisch, zugewandt. Zwar hätte sich durch diese von ihm vorgetragene abweichende Gestaltung kein Unterschied im Hinblick auf die erbschafts- bzw. schenkungssteuerrechtliche Situation ergeben. Durch die Einbringung der Anteile in die gemeinnützige Stiftung konnte der Kläger, dem es auch um die Weiterführung des Unternehmens im Sinne der Familie ging, aber – anders als bei einer testamentarischen Zuwendung – unter anderem auch erreichen, dass keine Pflichtteilsansprüche die übertragenen Anteile betreffend geltend gemacht werden können. Für die Familienstiftung sieht § 4 (1) der Satzung dementsprechend vor, dass Abkömmlinge des Stifters von der Begünstigung als Destinatäre ausgeschlossen werden können, wenn sie einen Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen.

Jedenfalls steht dem Kläger der geltend gemachte Schadensersatzanspruch deshalb nicht zu, weil er trotz Hinweises des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2019 nicht ausreichend dargelegt hat, dass ihm durch die Pflichtverletzung der Beklagten ein kausaler Schaden entstanden ist, dessen Ersatz er von dieser fordern kann.

Die dem Kläger ab dem Jahr 2014 entgangenen und weiterhin entgehenden Dividenden aus den an die gemeinnützige Stiftung übertragenen Anteilen der D Beteiligungs-GmbH stellen keinen solchen ersatzfähigen Schaden dar, da die gemeinnützige Stiftung diese vereinnahmt hat bzw. auch in Zukunft erhalten wird und deren Vermögensinteressen nach dem Inhalt des der Beklagten seitens des Klägers erteilten Gestaltungsmandats in dieses mit einbezogen waren.

Ausgangspunkt der Schadensberechnung ist die Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 05.02.2015 – IX ZR 167/13 – WM 2015, 790). Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.1997 – IX ZR 286/96 – NJW 1998, 982, beck-online; BGH, Urteil vom 20.01.2005 – IX ZR 416/00 – DStRE 2005, 548, beck-online; BGH, Urteil vom 07.02.2008 – IX ZR 149/04 – NJW 2008, 2041, beck-online; BGH, Urteil vom 05.02.2015 – IX ZR 167/13 – NJW 2015, 1373, beck-online). Dieser erfordert nicht lediglich eine Berücksichtigung von Einzelpositionen, sondern eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage. Grundsätzlich ist Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs das Vermögen des Geschädigten, nicht aber dasjenige Dritter. Daher kann auf Grund eines Vertrags nur derjenige Schadensersatz verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt. Abweichend von diesen Grundsätzen kann aber bei der Bestimmung des jeweils eigenen Schadens die Einbeziehung der Vermögensinteressen eines Dritten nach dem Inhalt des Beratungsvertrags geschuldet sein mit der Folge, dass eine konsolidierte Schadensbetrachtung geboten ist. Entscheidend ist hierbei der konkrete Auftrag, den der Mandant dem Berater ausdrücklich oder den Umständen nach erteilt hat. Wenn der Mandant im Rahmen einer Gestaltungsberatung die Berücksichtigung der interessen eines Dritten zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadensberechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall bezog das vom Kläger der Beklagten erteilte Mandat auch die interessen der gemeinnützigen Stiftung mit ein. Die Gründung der gemeinnützigen Stiftung und die Frage, wann der Kläger sie mit welchen finanziellen Mitteln ausstatten sollte, waren wesentliche Bestandteile des von der Beklagten zu erarbeitenden Steuerkonzeptes. Das Ergebnis der Beratung hatte damit unmittelbaren Einfluss auf den Vermögensstand der gemeinnützigen Stiftung (ähnlich wie in dem der Entscheidung BGH DStRE 2016, 523 = GI aktuell 2016, 109 zugrundeliegenden Fall). Daran ändert nichts, dass es dem Kläger, wie im Schriftsatz vom 29.07.2019 ausgeführt, in erster Linie auf eine möglichst optimale Gestaltung seiner eigenen Vermögenslage angekommen sein und er die Übertragung von Vermögenswerten auf eine gemeinnützige Stiftung im Rahmen der „Doppelstiftungslösung“ auch aus Gründen der Steuerersparnis gewünscht haben mag, zumal daneben noch weitere, nicht steuerlich motivierte Ziele eine Rolle gespielt haben dürften wie der bereits erwähnte Ausschluss von Pflichtteilsansprüchen. Jedenfalls lag auch eine ausreichende finanzielle Ausstattung der gemeinnützigen Stiftung im Interesse des Klägers und war Gegenstand des von der Beklagten für diesen entwickelten Gesamtkonzepts. Dass es sich bei der C-Stiftung um eine gemeinnützige und nicht um eine eigennützige Stiftung wie in dem durch den Bundesgerichtshof (a.a.O.) entschiedenen Fall handelt, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung, weil dieser Umstand ohne Einfluss auf den Inhalt des Mandats ist. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, in der Vergangenheit regelmäßig einen bestimmten Teil seines Einkommens gespendet zu haben; unter anderem habe er sich für die „Doppelstiftungslösung“ entschieden, weil er sich auch im Rahmen der Neuordnung seiner Vermögensverhältnisse weiter gemeinnützig habe betätigen wollen. Mit dieser Zielsetzung korrespondierend hat der Kläger nicht nur einen Teil seiner Anteile an der A GmbH in das sonstige Vermögen und das von ihm und seiner Ehefrau bewohnte Haus in das Grundstockvermögen der gemeinnützigen Stiftung, sondern in letzteres auch Barvermögen im Wert von 50.000 € eingebracht.

Ebenso wenig kann der Kläger, wie von der Beklagten in den Raum gestellt, den ihm nach Einbringung der Anteile in die gemeinnützige Stiftung gegenüber der Beratung der Beklagten nur möglichen geringeren Sonderausgabenabzug und die hieraus resultierende höhere steuerliche Belastung als Schaden geltend machen. Dies ergibt sich daraus, dass ein Geschädigter grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten soll als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil (BGH, Urteil vom 25.10.2012 – IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 ff.; BGH, Urteil vom 13.03.2014 – IX ZR 23/10, WM 2014, 858 ff.).

Einen anderen Schaden, so beispielsweise finanzielle Aufwendungen, die dem Kläger dadurch entstanden sind, dass er aufgrund des geringeren Sonderausgabenabzugs zur Rückzahlung der zum Zwecke des Erwerbs der Anteile an der A GmbH aufgenommenen Kredite ein weiteres Darlehen aufnehmen musste, hat der Kläger trotz Hinweises des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2019 nicht dargelegt.

Da dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, war die Anschlussberufung zurückzuweisen. Ebenso ist der Feststellungsantrag unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Soweit der nachgelassene Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 29.07.2019 rechtlich neues Vorbringen enthielt, war eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO nicht geboten, da die Frage der konsolidierten Schadensbetrachtung mit den Parteien bereits in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2019 umfassend erörtert worden ist.

Der Senat hat die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO beschränkt auf die Frage zugelassen, ob die Grundsätze der konsolidierten Schadensbetrachtung auch in Fällen anzuwenden sind, in denen ein Mandant aufgrund einer steuerlichen Gestaltungsberatung Vermögenswerte nicht in eine eigennützige, sondern in eine gemeinnützige Stiftung einbringt.

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Schlagworte: Haftung Steuerberater