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OLG Hamburg, Urteil vom 28.06.1991 – 11 U 65/91

Stimmbindung

§ 47 GmbHG

Eine einstweilige Verfügung, durch die der Gesellschafter einer GmbH angehalten wird, sein Stimmrecht bei einer bevorstehenden Beschlußfassung in bestimmter Weise auszuüben, kommt nicht nur im Falle einer Stimmbindung, sondern auch dann in Betracht, wenn die Verpflichtung des Antragsgegners sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder der gesellschafterlichen Treuebindung ergibt (entgegen OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Koblenz
, 1990-10-25, 6 U 238/90, DStR 1991, 521).

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin, die im übrigen zurückgewiesen wird, wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 14 für Handelssachen, vom 30. April 1991 geändert.

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von DM 500.000,– und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt,

1)     in anzuberaumenden Gesellschafterversammlungen … der Firma … Kultur Management GmbH und … Theater-Produktionsgesellschaft GmbH,

in denen jeweils beschlossen wird,

… zum alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer für die Geltungsdauer dieser einstweiligen Verfügung anstelle von …, der gleichzeitig als Geschäftsführer abberufen wird, zu bestellen,

2)     in einer anzuberaumenden Gesellschafterversammlung der Firma … Kultur Management GmbH betreffend die Beschlußfassung über die Erteilung der Anweisung an die Geschäftsführer der … Kultur Management GmbH,

a)     unverzüglich Gesellschafterversammlungen folgender Firmen abzuhalten:

… Opernveranstaltungs GmbH,

… Musical-Veranstaltungsgesellschaft mbH,

Vertrieb von Veranstaltungskarten GmbH,

… Lighting Vertrieb von Beleuchtungen GmbH,

… Publishing Verlagsgesellschaft mbH,

in denen jeweils beschlossen wird,

… zum alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer für die Geltungsdauer dieser einstweiligen Verfügung anstelle von …, der gleichzeitig als Geschäftsführer abberufen wird, zu bestellen,

b)     die Geschäftsführer der … Vertrieb von Veranstaltungskarten GmbH anzuweisen, unverzüglich eine Gesellschafterversammlung der … Rhein-Ruhr Vertrieb von Veranstaltungskarten GmbH abzuhalten,

in der beschlossen wird,

… zum alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer für die Geltungsdauer dieser einstweiligen Verfügung anstelle von … der gleichzeitig als Geschäftsführer abberufen wird, zu bestellen,

das Stimmrecht gegen die vorgesehenen Beschlußfassungen auszuüben.

Die Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.

Gründe

Der mit der Berufung weiterverfolgte Antrag der Klägerin auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist in dem durch Urteil des Senats ausgesprochenem Umfang begründet.

Dem Antrag stehen Zulässigkeitsbedenken nicht entgegen. In Abkehr von der früher vorherrschenden Ansicht, daß mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in den Bereich der Willensbildung in einer Gesellschaft, insbesondere in das Abstimmungsverhalten eines Gesellschafters eingegriffen werden dürfe, hat sich in den letzten Jahren ein Umdenken vollzogen. Zunehmend hat die Auffassung an Boden gewonnen, daß der Erlaß einer einstweiligen Verfügung hier nicht generell unzulässig ist, sondern von einer Bewertung der auf dem Spiele stehenden Interessen abhängig sein muß, im Ergebnis freilich nur bei einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Belange des Antragstellers in Betracht kommt (vgl. v. Gerkan, ZGR 1985, 167 ff.; Fleck, EWiR § 47 GmbHG 1/90, 267; Damm, ZHR 154 (1990), S. 423 ff.; Michalski, GmbHR 1991, 12, 13 f.; Hachenburg/Hüffer, GmbHG, 8. Aufl., 3. Lfg., 1991, Anh § 47 Rdn. 257; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 13. Aufl., 1991, § 47 Rdn. 6; OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ZIP 1986, 503; OLG Stuttgart NJW 1987, 2449; LG Mainz ZIP 1990, 1271; ablehnend hingegen: Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 15. Aufl., 1988, Anh § 47 Rdn. 93 k; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 2. Aufl., 1990, § 47 Rdn. 32). Soweit neuerdings das OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(GmbHR 1991, 21 = DStR 1991, 521) zum Teil wieder auf Zulässigkeitsschranken anstatt auf eine Bewertung der konkreten Sachgesichtspunkte abstellen will, wenn es sich nicht um einen Anspruch aus einer Stimmbindung, sondern um gesellschaftsvertragliche oder aus Treuegesichtspunkten folgende Verhaltenspflichten bei einer Abstimmung handelt, so kann das nicht überzeugen. Es geht nicht an, die Zulässigkeit eines Begehrens auf einstweiligen Rechtsschutz hier von der jeweiligen materiellrechtlichen Einordnung des Verfügungsanspruchs abhängig machen zu wollen. Eine solche Differenzierung ist weder dogmatisch zu begründen, noch wird sie den gegebenenfalls berührten und gefährdeten Interessen gerecht. Auch in Fällen, in denen ein Antragsteller sich auf gesellschaftsvertraglich begründete oder aus der Treuepflicht folgende Bindungen eines Mitgesellschafters beruft, ist es geboten, die beiderseitigen Belange umfassend und gründlich abzuwägen und hiervon die Entscheidung über den Erlaß einer einstweiligen Verfügung abhängen zu lassen.

2)     In der Sache folgt hier der Verfügungsanspruch aus § 5 Absatz 4 des Gesellschaftsvertrages der … Kultur Management GmbH für diese Gesellschaft und ihre 5 Tochtergesellschaften. Danach hat die Klägerin ein Präsentationsrecht für einen Geschäftsführer für jede dieser Gesellschaften bei gegebener Zustimmungspflicht der Beklagten. Im Gesellschaftsvertrag der … Theater-Produktionsgesellschaft mbH fehlt zwar eine entsprechende Bestimmung. Die hier gegebenen Umstände, insbesondere die Einbeziehung dieser Gesellschaft in die Kooperationsabsprachen zwischen … und …, die Einordnung der Gesellschaft als Schwestergesellschaft der … Kultur in das Konzerngefüge, die gleichanteilige Beteiligung beider Parteien und die bisherige Praxis bei der Bestellung je eines Geschäftsführers aus beiden Lagern machen aber einen entsprechenden rechtlichen Bindungswillen beider Parteien bezogen auch auf diese Gesellschaft deutlich.

Allerdings könnte eine Zustimmungspflicht der Beklagten ausnahmsweise dann entfallen, wenn in der Person des von der Klägerin präsentierten Geschäftsführers … ein wichtiger Grund gegeben wäre, der seine Abberufung als Geschäftsführer rechtfertigen würde (Lutter/Hommelhoff, § 46 Rdn. 12), gegebenenfalls auch, wenn sonstige triftige Einwände gegen seine Person vorliegen würden. Für einen Tatbestand dieser Art ist jedoch nichts hinreichend ersichtlich. Die von der Beklagten in den Gesellschafterversammlungen der … Kultur (Anl. ASt 10) und der … Theater (Anl. ASt 11) vom 18. März 1991 gegen … vorgebrachten Einwände könnten das nicht begründen. Aber auch soweit die Beklagte weiter geltend macht, unter … würde … als dessen Manager bzw. rechte Hand maßgeblicher Einfluß eingeräumt werden, führt dies im Ergebnis zu keiner abweichenden Bewertung. Dabei mag die Frage, ob die Beklagte es hinnehmen müßte, wenn … unter einem neuen von der Klägerin eingesetzten Geschäftsführer leitende Funktionen, wenn auch nicht formal als Geschäftsführer, übertragen würden, dahinstehen. Auch wenn sie verneinend zu beantworten wäre, so würden der Beklagten dann jeweils Maßnahmen und Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, dem entgegenzuwirken. Doch wäre das nicht gleichbedeutend mit einem bereits jetzt gegebenen Recht, … als Geschäftsführer abzulehnen. In diesem Zusammenhang kann die Beklagte weiter auch nicht verlangen, daß … sich vor einer Entscheidung über seine Bestellung ihr erst noch zwecks näherer Meinungsbildung persönlich vorstellen müsse. Denn die erforderlichen Angaben zur Person und zum Werdegang von … sind der Beklagten in hinreichender Ausführlichkeit bekannt gegeben worden.

3)     Der Senat bejaht auch den erforderlichen Verfügungsgrund. Hierbei ist darauf hinzuweisen, daß Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, die sich auf das Abstimmungsverhalten in einer Gesellschaft beziehen, nur unter besonderen Umständen und strenger Prüfung ihrer Erforderlichkeit in Betracht kommen können (vgl. v. Gerkan, ZGR 1985, 167, 187 ff.); dementsprechend hat der Senat auch in den vergangenen Jahren noch in keinem Falle die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung dieser Art bejaht. Im gegebenen Falle drängen jedoch die Umstände zu einer solchen Entscheidung: Angesichts dessen, daß die Klägerin nach Meinung des Senats an der Stellung von … als Geschäftsführer in den verschiedenen Gesellschaften wegen eines insoweit durchgreifenden wichtigen Grundes für eine Abberufung nicht wird festhalten können, hat die Klägerin ein dringendes Interesse, entsprechend den insoweit getroffenen Absprachen gleichberechtigt neben dem jeweils von der Beklagten präsentierten Geschäftsführer mit einem Geschäftsführer ihres Vertrauens in den Gesellschaften vertreten zu sein. Das bedarf angesichts der Art und des Umfangs der jeweils ausgeübten Geschäftstätigkeit und der dabei auf dem Spiel stehenden weitreichenden wirtschaftlichen Belange der Parteien keiner besonderen Begründung und wird letzten Endes auch von der Beklagten nicht verneint. Umgekehrt werden durch eine alsbaldige Verwirklichung dieses Begehrens nennenswerte schutzwürdige Interessen der Beklagten nicht gefährdet; sie muß sich vielmehr — solange beide Parteien auf der Grundlage der bisherigen Abmachungen an den Gesellschaften beteiligt sind — an den vorgesehenen Paritäten bei der Geschäftsführung festhalten lassen. Der von der Klägerin begehrten einstweiligen Verfügung steht auch nicht entgegen, daß sie es unterlassen hat, die einer Bestellung von … entgegenstehenden Gesellschafterbeschlüsse vom 18. März 1991 anzufechten bzw. — unter Geltendmachung einer etwaigen Unwirksamkeit der von der Beklagten abgegebenen Gegenstimmen — durch eine Beschlußfeststellungsklage die Einsetzung von … feststellen zu lassen. Denn auf diesem Wege würde die Klägerin ihr Rechtsschutzziel erst mit rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens erreichen können; angesichts der Vielzahl der Streitigkeiten, in die alle Beteiligten der …-Gruppe verwickelt sind und die sie mit deutlicher Erbitterung austragen, wäre nämlich mit der Ausschöpfung aller verfügbaren Rechtsmittel zu rechnen gewesen. Eine Klärung hätte daher nicht mehr in noch angemessener Frist erwartet werden können, so daß in der Zwischenzeit die Angelegenheiten der Gesellschaften allein von den der Beklagten zuzurechnenden Geschäftsführern wahrgenommen worden wären und die Klägerin so — bei Stimmparität unter den Gesellschaftern — von einer Einflußnahme weithin abgeschnitten wäre. Es unterliegt daher keinen Einwänden, wenn die Klägerin die Beschlußfassungen vom 18. März 1991 als solche auf sich beruhen lassen will und statt dessen im gegenwärtigen Verfahren ihre Ansprüche allein im Hinblick auf eine erneut angestrebte Beschlußfassung in künftigen Gesellschafterversammlungen verfolgt. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang weiter, daß — wie oben ausgeführt — die materielle Rechtslage mit erheblichem Übergewicht zugunsten der Klägerin spricht, so erweist sich die angeordnete Regelung als geboten und dringlich.

4)     Die in der Urteilsformel vorgesehene Regelung entspricht dem nach § 938 Absatz 1 ZPO ausgeübtem Ermessen des Senats. Dabei hat der Senat den Zeitraum der vorgesehenen Bestellung von … zum Geschäftsführer auf die Dauer begrenzt, für die die erlassene einstweilige Verfügung Geltung hat.

5)     Wegen der Kostenentscheidung gelten die §§ 91, 92 Absatz 2 ZPO. Da die Entscheidung des Senats mit der Verkündung rechtskräftig ist, entfällt eine Anordnung über eine vorläufige Vollstreckbarkeit sowie die Festsetzung einer Beschwer.

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Schlagworte: Anwesenheitsrecht in Gesellschafterversammlung, Behinderung bei Recht der Teilhabe an der Willensbildung, Behinderung der Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, Drohender Verstoß gegen Stimmbindungsvertrag, Drohender Verstoß gegen Stimmpflicht, Drohender Verstoß gegen Stimmverbot, Einstweiliger Rechtsschutz scheitert nicht am Gebot des geringstmöglichen Eingriffs, Frage- und Rederecht, Gesellschafterstreit, Gesellschafterstreit GmbH, Gesellschafterstreit vor Gericht, Gesellschafterstreitigkeiten, Rechtsfolgen bei Verletzungen des Teilnahmerechts, Teilhabe an der Willensbildung, Teilnahmerecht des betroffenen Gesellschafters, Untersagung bestimmter Stimmrechtsausübung