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BAG, Urteil vom 06. Juli 1972 – 2 AZR 386/71

Hemmung bei Ermittlungen über den Kündigungssachverhalt

BGB § 626Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 626

1. Der Senat bestätigt folgende Grundsätze seiner bisherigen Rechtsprechung zur AusschlußFrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB:

a) Die Fristenregelung ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

b) Die Frist ist eine materiell-rechtliche AusschlußFrist. Ihre Versäumung führt zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wegen Fehlens des wichtigen Grundes. Die Unwirksamkeit muß unter der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes gemäß § 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 KSchG durch fristgerechte Feststellungsklage geltend gemacht werden.

c) Die Frist beginnt, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen, des sog. Kündigungssachverhalts hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Zu den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden UmständeBitte wählen Sie ein Schlagwort:
für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände
Kündigung
.

d) Im Falle der Arbeitgeberkündigung beginnt die Frist In der Regel erst, nachdem der Arbeitnehmer über den Vorfall angehört ist, der zur Kündigung führen soll. Das gilt insbesondere bei der sog. Verdachtskündigung. Welches Ergebnis die Anhörung hat, ist für den Lauf der Frist ohne Bedeutung.

e) Für die Einhaltung der Frist ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der die Kündigung erklärt.

2. Die Grundsätze zu 1c-d werden dahin ergänzt, daß die AusschlußFrist jedenfalls so lange gehemmt ist, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen über den Kündigungssachverhalt anstellt und der Kündigungsgegner dies erkennen kann.

3. Das gilt gerade auch für den Fall, daß der Arbeitgeber vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung den Arbeitnehmer anhört. Diese Anhörung wirkt allerdings nur dann fristhemmend, wenn sie innerhalb kurzer Zeit, die im allgemeinen nicht über eine Woche hinausgehen darf, stattfindet, nachdem der Arbeitgeber den Vorgang kennt, der zur außerordentlichen Kündigung führen könnte.

Sachverhalt

Der Kl. war seit 1966 als Kraftfahrer einer Bundeswehreinheit im Dienst der bekl. BR beschäftigt. Am 9. 6. 1970 war er mit einem anderen Kraftfahrer zur Wagenpflege eingeteilt. Im Laufe des frühen Nachmittags wurden beide von Offizieren und Beamten ihrer Einheit in der Nähe ihres Arbeitsplatzes im Freien schlafend angetroffen. Sie behaupteten, nicht geschlafen, sondern nur eine Pause eingelegt zu haben, weil der zuvor ausgeführte Farbanstrich erst habe trocknen müssen, bis ein zweiter Anstrich mögl. gewesen sei.

Die Meldung der Beschäftigungsdienststelle über diesen Vorfall ging am 11. 6. 1970 bei der Standortverwaltung ein, die nach innerdienstl. Vorschriften als „personalbearbeitende Dienststelle“ allein befugt war, dem Kl. zu kündigen. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts wurde der Kl. für Dienstag, den 16. 6. 1970, zur Standortverwaltung gebeten und angehört. Dabei brachte er vor, daß er zur Zeit, als er ohne zu arbeiten angetroffen worden war, weitere Arbeiten nicht habe verrichten können. Das veranlaßte die Standortverwaltung zur Überprüfung dieser Angaben. Dabei stellte sich heraus, daß dem Kl. damals doch Arbeiten aufgetragen waren, die während des Trocknens des Farbanstrichs hätten ausgeführt werden können.

Am 30. 6. 1970 ging dem Kl. das Schreiben der Bekl. von diesem Tage zu, mit der sie ihm wegen des Vorfalls vom 9. 6. 1970 fristlos kündigte, nachdem – worauf sie zusätzl. hinwies – bereits in den vergangenen 2 Jahren sein dienstl. Verhalten zu wiederholten Abmahnungen, Mißbilligungen und Androhung der außerordentl. Künd. Anlaß gegeben habe; überdies habe sein Vorbringen bei der Anhörung vom 16. 6. 1970 in den entscheidenden Punkten nicht gestimmt.

Der Kl. hält die außerordentl. Künd. für rechtsunwirksam, weil die Bekl. die Zweiwochenfrist des § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 BGB versäumt habe. Die hiernach erforderl. „Kenntnis der für die Künd. maßgebenden Tatsachen“ habe die Bekl. bereits am Tage des Vorfalls, dem 9. 6. 1970, in der Person des Einheitsführers des Kl. gehabt, der selbst den Vorfall beobachtet habe. Auf die Organisation der Bundeswehr in der Frage der Kündigungsbefugnis komme es für den Fristbeginn nicht an. Der Kl. begehrt die Feststellung, daß das ArbVerh. durch die Künd. vom 30. 6. 1970 nicht aufgelöst worden ist.

Seiner Klage blieb in beiden Vorinstanzen der Erfolg versagt. Die Rev., die allein die Verletzung des § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 BGB rügt, blieb erfolglos.

Aus den Gründen:

Entgegen der Ansicht der Rev. hat das LAG zutreffend angenommenen, daß die Bekl. die in § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 BGB bestimmte Frist zur Erklärung der außerordentl. Künd. nicht versäumt hat. Die Ausführungen des LAG zum wichtigen Grund (§ BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 1 BGB) sind nicht angegriffen. Auch sind insoweit Rechtsfehler des angef. Urt. nicht ersichtl.

I. Der Senat hat zur Auslegung der mit Wirkung vom 1. 9. 1969 eingeführten Fristenregelung des § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 Satz 1 und 2 BGB inzwischen in mehreren Entscheidungen Stellung genommen. Da die Rev. diese Rechtspr. im grundsätzl. angegriffen hat, erscheint es angezeigt, die bisher entwickelten Leitsätze noch einmal anzuführen und, soweit es die Entsch. dieses Rechtsstreits erfordert, zu der inzwischen bekannt gewordenen Kritik Stellung zu nehmen:

1. Die Fristenregelung ist mit dem Grundgesetz vereinbar (Urt. vom 28. 10. 1971 – 2 AZR 32/71 – AP Nr. AP BGB § 626 1 zu § 626 BGB AusschlußFrist (zu II), auch zur Veröffentl. in der Amtl.Samml. des BAG vorgesehen). Dem hat Herschel (Anm. ArbRBlattei „Künd. VIII“ Entsch. 31) uneingeschränkt zugestimmt, während Küchenhoff (Anm. AP a.a.O.), der zunächst die gegenteilige These aufgestellt hatte, seine Bedenken angesichts der Auslegung, die der Senat der Vorschrift im übrigen gegeben hat, nicht mehr aufrechterhält. Damit kann angenommen werden, daß die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung nicht mehr in Frage gestellt wird.

2. Die Zweiwochenfrist ist eine materiellrechtl. AusschlußFrist. Das Ges. schreibt vor, daß der wichtige Grund zur außerordentl. Künd. wegen des reinen Zeitablaufs verwirkt sei. Es gilt die unwiderlegl. Vermutung, daß bei Versäumung der Frist – mag der Kündigungsgrund auch noch so schwerwiegend gewesen sein – die Fortsetzung des ArbVerh. nicht unzumutbar, die außerordentl. Künd. unwirksam ist, weil es so angesehen wird, als ob der wichtige Grund fehle. Demgemäß muß nach § KSCHG § 13 Abs. KSCHG § 13 Absatz 1 i. Verb. m. § KSCHG § 4 KSchG auch bei Versäumung der Zweiwochenfrist durch den ArbGeb. die Unwirksamkeit der außerordentl. Künd. durch fristgerechte Feststellungsklage geltend gemacht werden. § KSCHG § 13 Abs. KSCHG § 13 Absatz 3 KSchG gilt hier nicht (Urt. vom 8. 6. 1972 – 2 AZR 336/71 – AP Nr. AP KSCHG1969 § 1 zu § 13 KSchG 1969 [zu 1 der Gründe] zur Veröffentl. in der Amtl. Samml. vorgesehen.) Die Frage spielt in diesem Rechtsstreit keine Rolle. Der Kl. hat überdies rechtzeitig Feststellungsklage erhoben.

3. Der Begriff des „Kündigungsberechtigten “ (§ BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 Satz 2 BGB) kennzeichnet – entgegen der Auffassung der Rev. – nicht nur die Parteirolle im ArbVerh., d.h. diejenige Arbeitsvertragspartei, die die Künd. ausspricht, im Falle der ArbGebKünd. beispielsweise die juristische Person, als welche der ArbGeb. im Rechtsverkehr auftritt. Vielmehr ist KündBerechtigter auf der insoweit allein interessierenden ArbGebSeite grundsätzl. diejenige (natürl.) Person, der selbst im gegebenen Fall das Recht zur außerordentl. Künd. eingeräumt ist. Ausnahmsweise kann hinsichtl. der „Kenntnis von den für die Künd. maßgebenden Tatsachen“ auch eine andere Person in Betracht kommen, etwa dann, wenn diese eine ähnl. selbständige Stellung wie ein gesetzl. oder rechtsgeschäftl. Vertreter des ArbGeb. hat und nicht nur zur Meldung, sondern vorab auch zur Feststellung der für eine außerordentl. Künd. maßgebenden Tatsachen verpflichtet ist. Groben Unbilligkeiten kann mit der Mißbrauchsregel begegnet werden. (Urt. vom 28. 10. 1971 – 2 AZR 32/71 – AP Nr. AP BGB § 626 1 zu § 626 BGB AusschlußFrist [zu III]).

Diese Auslegung ist von Küchenhof (Anm. AP a.a.O.) bejaht und weiter ausgebaut, von Herschel (Anm. ArbR-Blattei a.a.O.) wohl als zu eng gekennzeichnet und von der Rev. völlig abgelehnt worden. Der Streitfall bietet keinen Anlaß, die Problematik erneut zu erörtern. Darauf wird noch näher einzugehen sein.

4. Die den Fristbeginn auslösende „Kenntnis “ des KündBerechtigten muß eine sichere, positive Kenntnis der für die Künd. maßgebenden Tatsachen sein; selbst grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Die innerhalb der Zweiwochenfrist anzustellenden Überlegung, ob eine außerordentl. Künd. ausgesprochen werden soll, soll auf der Grundlage einer zuverlässigen und möglichst vollständigen Kenntnis des Kündigungssachverhalts angestellt werden. Die Überlegungsfrist soll dem Kündigungsberechtigten von da an voll zur Verfügung stehen, wo er sich anhand seiner Kenntnis der für und gegen die Künd. sprechenden Umstände entscheiden kann, ob die Fortsetzung des ArbVerh. zumutbar ist oder nicht (Urteil vom 28. 10. 1971 – 2 AZR 32/71 – AP Nr. AP BGB § 626 1 zu § 626 BGB AusschlußFrist [zu III]).

5. Unter den Tatsachen, die für die Kündigung maßgebend sind, sind i.S. der Zumutbarkeitserwägungen sowohl die für, als auch die gegen die Künd. sprechenden Umstände zu verstehen (so schon zu einer vergleichbaren Tarifregelung BAG AP Nr. AP BGB § 52 zu § 626 BGB [zu 2a]). Die (im Falle der Arbeitgeberkündigung nötige) Kenntnis auch der für den ArbN und gegen die Künd. anzuführenden Tatsachen wird der ArbGeb. in aller Regel erst dann haben, wenn er dem ArbN Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (Urt. vom 9. 12. 1971 – 2 AZR 118/71 – AP Nr. AP ZA-NATO-TRUPPENSTATUT Artikel 3 zu Art. 56 ZA – Nato-Truppenstatut [zu 3b], auch zur Veröffentl. in der Amtl. Samml. des Gerichts vorgesehen). Das gilt gerade auch für die sog. Verdachtskündigung (Urt. vom 27. 1. 1972 – 2 AZR 157/71 AP Nr. AP BGB § 626 2 zu § 626 BGB AusschlußFrist [zu 3], auch zur Veröffentl. in der Amtl. Samml. des Gerichts vorgesehen).

Solange der KündBerechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtmäßigem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, insbes. dem Künd.-Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, kann die Zweiwochenfrist nicht beginnen. Das gilt auch dann, wenn die Maßnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nicht beigetragen hat oder überflüssig gewesen sein sollte (Urt. vom 27. 1. 1972 – 2 AZR 157/71 – AP Nr. AP BGB § 626 2 zu § 626 BGB AusschlußFrist [zu 3]). In diesem Zusammenhang bemerkt Beitzke (Anm. AP Nr. AP ZA-NATO-TRUPPENSTATUT Artikel 3 zu Art. 56 ZA – Nato-Truppenstatut [zu 3]), die Zweiwochenfrist könne erst dann von einer Anhörung des ArbN an zu laufen beginnen, wenn die Anhörung auch innerhalb angemessener Frist erfolgt sei; der ArbGeb. dürfe durch eine ungebührl. Hinauszögerung der Anhörung die AusschlußFrist nicht beliebig hinausschieben.

6. Wer die außerordentl. Künd. ausgesprochen hat, muß – wie der Senat inzwischen entschieden hat – im Rechts-Streit über die Wirksamkeit der Künd. darlegen und ggf. beweisen, daß er von den für die Künd. maßgebenden Tatsachen erst innerhalb der letzten zwei Wochen vor der KündErklärung Kenntnis erlangt hat (Urt. vom 17. 8. 1972 – 2 AZR 359/71 – AP Nr. AP BGB § 626 4 zu § 626 BGB AusschlußFrist [zu III 3a der Gründe] zur Veröffentl. in der Amtl. Samml. des Gerichts vorgesehen).

II. Der vorl. Streitfall, bei dem über eine ArbGebKünd. zu befinden ist, gibt dem Senat keinen Anlaß, von den vorgenannten Richtlinien seiner Rechtspr. zu § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 BGB grundsätzl. abzuweichen. Ledigl. die Frage, ob an dem oben zu I 3 gekennzeichneten Begriff des „Kündigungsberechtigten“ festzuhalten ist, soll jetzt offenbleiben, weil es für die Entsch. dieses Rechtsstreits darauf nicht ankommt.

1. Die Künd. ist dem Kl. am 30. 6. 1970 zugegangen. Die AusschlußFrist des § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 BGB ist demnach nur dann eingehalten, wenn die Bekl. erst innerhalb der davor liegenden zwei Wochen, also nicht vor dem 16. 6. 1970, von den für die Künd. maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Am 16. 6. 1970 war der Kl. zu dem Vorfall vom 9. 6. 1970 bei der Standortverwaltung gehört worden. Bis dahin war – entgegen der Auffassung der Rev. – der Beginn der AusschlußFrist hinausgeschoben.

2. Nach der Ansicht der Rev., wie sie sich in der mündl. Verhandlung dargestellt hat, liegt der Sinn der Fristenregelung darin, ein unzumutbar gewordenes ArbVerh. schnell, nämlich innerhalb von 2 Wochen nach Eintritt des KündGrundes und Kenntniserlangung des KündBerechtigten hiervon, zu beenden. Das ist jedoch in dieser Allgemeinheit nicht richtig.

Der eigentl. Grund für die Neuregelung ist viel äußerl.: Die nach allgemeinen Grundsätzen (schon früher) mögl. Verwirkung des KündRechts wird zeitl. fixiert (vgl. das Urt. vom 8. 6. 1972, AP Nr. AP KSCHG1969 § 1 zu § 13 KSchG 1969). Diese zeitl. Begrenzung aber wird gebunden an die Kenntnis nicht etwa des KündGrundes, worunter man möglicherweise den bestimmten Anlaß verstehen könnte, der die Künd. auslöst, sondern an die Kenntnis „von den für die Künd. maßgebenden Tatsachen.

„Maßgebende Tatsachen“ wiederum sind nicht nur die Tatumstände, die für, sondern auch diejenigen, die gegen die Künd. sprechen. Wollte man den Begriff anders verstehen, nämlich nur den konkreten KündAnlaß, den „Vorfall“ darunter bringen, der einen wichtigen Grund darstellen könnte, dann wäre der KündBerechtigte oft genug gezwungen, nur zur Wahrung der AusschlußFrist die außerordentl. Künd. auszusprechen, deren Stichhaltigkeit er nicht hat prüfen können. Überflüssige Rechtsstreite – von der Störung im ArbVerh. ganz abgesehen – wären die Folge.

Es ist deshalb daran festzuhalten (vgl. die Urt. vom 28. 10. und 9. 12. 1971, AP Nr. AP BGB § 626 1 zu § 626 BGB AusschlußFrist und AP Nr. AP ZA-NATO-TRUPPENSTATUT Artikel 3 zu Art. 56 ZA-Nato-Truppenstatut), daß die Frist erst dann läuft, wenn der KündBerechtigte den Sachverhalt so weit kennt, daß er eine Gesamtwürdigung nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten vornehmen kann. Sonst muß er gewärtig sein, den Rechtsstreit um die Wirksamkeit der außerordentl. Künd. zu verlieren, nachdem der KündGegner sich zu dem nicht gerade angenehmen Klageweg entschlossen hat. Ob sich die Kenntnis des KündBerechtigten auf alle Einzelheiten erstrecken muß, die vielleicht erst nach umfangreichen Ermittlungen geklärt werden können, bedarf im vorl. Fall keiner Entscheidung. Sicher nicht zu beanstanden ist es, wenn wie hier der ArbGeb. vor Ausspruch der außerordentl. Künd. die „für die Künd. maßgebenden Tatsachen“ im oben umschriebenen Sinne wenigstens dadurch zu klären versucht, daß er dem ArbN Gelegenheit gibt, zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen.

3. Nach erneuter Prüfung ist der Senat der Auffassung, daß die aus Rechtsgründen nicht immer erforderl., im Einzelfall tatsächl. aber durchgeführte Anhörung des KündGegners (vgl. zur Notwendigkeit der Anhörung das Urt. des Senats vom 23. 3. 1972 – 2 AZR 226/71 – AP Nr. AP BGB § 63 zu § 626 BGB) in der Regel geeignet ist, den Lauf der AusschlußFrist zu hemmen. Wenigstens muß hier der Satz gelten, daß die Frist so lange noch nicht zu laufen beginnt, wie der KündBerechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen über den KündSachverhalt anstellt und der KündGegner dies erkennen kann. Gibt der KündBerechtigte dem anderen Vertragspartner Gelegenheit zur Stellungnahme, so verwirklicht er den rechtsstaatl. Grundsatz des rechtl. Gehörs (vgl. Art. GG Artikel 101 Abs. GG Artikel 101 Absatz 1 GG); sein insoweit rechtmäßiges Verhalten darf nicht zum Rechtsverlust allein wegen des Fristablaufs führen. Überdies kann die Anhörung durch die Fürsorgepflicht geboten sein (vgl. BAG AP Nr. AP BGB § 13 zu § 123 BGB [zu IV 6b]).

Dabei muß allerdings – darin ist den unter I 5 angeführten Überlegungen von Beitzke zu folgen – der KündGegner innerhalb einer kurz bemessenen Frist – im allgemeinen wird diese nicht länger als eine Woche sein dürfen – angehört werden, nachdem der KündBerechtigte das Ereignis kennt, das er möglicherweise zum Anlaß der außerordentl. Künd. nehmen will. Das folgt aus der zeitl. Begrenzung des KündRechts durch die Vorschrift des § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 BGB.

a) Im vorl. Fall war die Anhörung des Kl. geeignet, den Sachverhalt zu klären. Er hatte nämlich am 9. 6. 1970, als er während der Arbeitszeit schlafend angetroffen wurde, denspäter festgestellten Sachverhalt (Untätigkeit trotz ArbAuftrags) nicht zugegeben, sondern sich herauszureden versucht. Selbst bei der Anhörung durch die Standortverwaltung am 16. 6. 1970 bestritt er noch eine Verletzung seiner ArbPflicht, so daß die Bekl. weitere Ermittlungen anstellte.

In diesem Zusammenhang kann sich der Kl. nicht darauf berufen, schon der Dienstvorgesetzte seiner Einheit habe sogleich am 9. 6. 1970 alle erforderl. Klarstellungen herbeiführen können; deshalb sei schon an diesem Tag die AusschlußFrist angelaufen. Nachdem sich durch das Verhalten des Kl. die Notwendigkeit ergeben hatte, die Tatumstände näher aufzuklären und festzustellen – es mußten darüber hinaus auch die bereits früher entstandenen Personalvorgänge, die den Kl. betreffen, herangezogen werden -, kann es für den Fristablauf nicht entscheidend sein, welchen ihrer Mitarbeiter die Bekl. mit der Aufklärung beauftragt hat. Es muß ihr überlassen bleiben, die geeignet erscheinende Person auszuwählen. Wenn sie sich dabei eines Mitarbeiters der für solche Angelegenheiten eingerichteten Standortverwaltung jedenfalls – wie der Sachverhalt zeigt – mit der gebotenen Beschleunigung bedient hat, dann fehlt jeder Anhalt dafür, die Bekl. habe den Beginn der AusschlußFrist rechtswidrig hinausgezögert.

Im übrigen ist im Anschluß an das Urt. vom 27. 1. 1972 gegen die Angriffe der Rev. noch einmal darauf hinzuweisen, daß das Ergebnis der Anhörung ohne Einfluß auf den Beginn der AusschlußFrist ist. Auch wenn durch die Anhörung der KündSachverhalt sich nicht ändert, kann ein solches negatives Ergebnis die Entscheidung über die Künd. beeinflussen, ganz abgesehen davon, daß ein solches Ergebnis nicht vorhergesehen werden kann. Nicht das Ergebnis der Anhörung wirkt sich auf den Fristbeginn aus, sondern der Grund für die Anhörung kann im Einzelfall Bedeutung erlangen. Die Anhörung muß aus verständigen Gründen veranlaßt worden sein. Fehlt es daran, wird die gleichwohl durchgeführte Anhörung willkürl. sein, was aber wohl nur in seltenen Ausnahmefällen zutreffen wird; nur dann ist der Lauf der Frist durch die Anhörung nicht hinausgeschoben worden.

b) Ferner war dem Kl. innerhalb weniger Tage nach dem Vorfall vom 9. 6. 1970 bekannt, daß der ArbGeb. sein Verhalten an diesem Tag nicht hinnehmen wolle; er forderte ihn für den 16. 6. 1970, also innerhalb einer nicht zu lang bemessenen Frist von noch nicht einer Woche, zur Rücksprache bei der Standortverwaltung auf. Der Kl. hat deshalb nie im Zweifel sein können, daß der Vorfall nachgeprüft werde, und hat auch nicht nach zwei Wochen, vom 9. 6. 1970 an gerechnet, davon ausgehen können, jetzt sei sein Fehlverhalten vergeben und vergessen. Von einem – wie die Rev. es ausgedrückt hat – Schwelzustand, der den Kl. psychisch habe belasten können, kann daher nicht die Rede sein.

c) Da die Bekl. am 30. 6. 1970 und damit innerhalb von 2 Wochen nach der Anhörung des Kl. die außerordentl. Künd. ausgesprochen hat, ist die Frist des § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 BGB eingehalten. Die Wirksamkeit der Künd. scheitert nicht an der Fristenregelung.

Schlagworte: Anhörung vor Abberufung, Beginn der Zweiwochenfrist nach § 626 BGB, bei ordentlicher Abberufung keine Anwendung des § 626 Abs. 2 BGB, BGB § 626, BGB § 626 Abs. 2 Satz 2, Duldung Pflichtwidrigkeiten Duldung des pflichtwidrigen Handelns, Erlangung der Kenntnis durch das Gremium, für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände, Hemmung bei Ermittlungen über den Kündigungssachverhalt, Kenntnis vom pflichtwidrigen Handeln, Kenntnis vom pflichtwidrigen Handeln Kenntnis vom wichtigen Grund, Kenntnis vom wichtigen Grund, Maßgeblicher Kenntnisträger, Mitgesellschafter, Mitgesellschafter haben am Verhalten des Betroffenen längere Zeit keinen Anstoß genommen, positive Kenntnis von Pflichtwidrigkeit, Verwirkung der Abberufung aus wichtigem Grund, Verwirkung des Widerrufs, Wegfall wichtiger Grund durch Zeitablauf, Wissenszurechnung Organ, Zeitablauf wichtiger Grund, Zeitfaktor wichtiger Grund