Einträge nach Montat filtern

Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 16. Juni 2021 – 1 K 89/16

Kapitalerhöhung GenossenschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Genossenschaft
Kapitalerhöhung
Kapitalerhöhung Genossenschaft

§ 17 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 17 Abs 2 S 1 EStG 2009, § 17 Abs 7 EStG 2009, § 1 Abs 1 Nr 2 KStG 2002, § 3 KapErhStG, § 1 KapErhStG, § 255 HGB, EStG VZ 2013, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016

1. Erwirbt ein Genossenschaftsmitglied im Rahmen einer Kapitalerhöhung der eingetragenen Genossenschaft neue Anteile, sind deren Anschaffungskosten nicht nach § 3 KapErhStG zu bestimmen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Verlusten aus der Veräußerung von Anteilen an einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, insbesondere um die Anschaffungskosten für die veräußerten Anteile.Randnummer2

Die Klägerin wurde in den Streitjahren (2013, 2015 und 2016) mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. In der Zeit des Bestehens der Deutschen Demokratischen Republik war sie an einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) beteiligt. Zum 21.11.1991 beschloss deren Mitgliedervollversammlung die formwechselnde Umwandlung der LPG in eine Agrargenossenschaft (eG). Gemäß Ziff. 3 des Umwandlungsbeschlusses i.V.m. § 3 Abs. 1 der Gründungssatzung erklärte die Klägerin neben weiteren 12 ehemaligen LPG-Mitgliedern ihren Beitritt zur eG.Randnummer3

Jedes Genossenschaftsmitglied musste sich nach der Gründungssatzung mit mindestens einem Geschäftsanteil als Pflichtanteil beteiligen und konnte seine Beteiligung auf insgesamt 10 Geschäftsanteile aufstocken. Sämtliche Gründungsmitglieder einschließlich der Klägerin hatten anlässlich der Gründung der eG jeweils einen (Pflicht-) Geschäftsanteil im Nennwert von 1.000 DM gezeichnet.Randnummer4

Am 12.04.2001 beschloss die Generalversammlung der eG eine Gewinnausschüttung an die Genossenschaftsmitglieder. Von dem auf die Klägerin entfallenden Gewinnanteil behielt die eG einen Teilbetrag i.H.v. 2.911,66 DM (= 1.488,70 €) ein, mit dem der Genossenschaftsanteil der Klägerin von 1.000 DM auf 2.000 € aufgestockt wurde.Randnummer5

Am 19.08.2008 beschloss die Mitgliederversammlung der eG, der Klägerin aus der – nach Ablösung der landwirtschaftlichen Altschulden – frei gewordenen betrieblichen Rücklage aus Rangrücktritt zusätzlich zu ihrem einen Pflichtanteil 9 weitere Genossenschaftsanteile á 2.000 € zuzuordnen, sodass die Klägerin insgesamt 10 Anteile á 2.000 € hielt.Randnummer6

Zum 31.12.2013 kündigte die Klägerin einen ihrer Genossenschaftsanteile und erhielt hierfür 2.000 € ausgezahlt. Überdies kündigte die Klägerin zum 31.12.2015 und zum 31.12.2016 jeweils vier weitere Genossenschaftsanteile und erzielte hieraus pro Anteil ebenfalls einen Veräußerungserlös i.H.v. 2.000 €.Randnummer7

Nachdem die Klägerin die zum 31.12.2013 wirksame Anteilsveräußerung nicht in ihrer ESt-Erklärung für 2013 erwähnt hatte, machte sie hieraus erstmals im diesbezüglichen Einspruchsverfahren einen Veräußerungsverlust i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) i.H.v. 150.989 € geltend. Dabei erklärte sie zunächst unter Berufung auf das Wahlrecht des H 17 Abs. 5 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) a.E., dass es sich bei dem gekündigten Anteil um ihren bei der Umwandlung der LPG und Gründung der eG in 1991 gezeichneten, ersten Anteil handeln soll.Randnummer8

Die Anschaffungskosten für diesen Anteil bezifferte die Klägerin zunächst auf 259.484,67 €. Zur Ermittlung der Anschaffungskosten teilte sie nach der sog. Equity-Methode das Eigenkapital der eG zum 1.7.1990 auf die Gründungsmitglieder auf. Das Eigenkapital der eG leitete sie aber nicht unmittelbar aus deren Eröffnungsbilanz auf den 1.7.1990 ab, welches dort i.H.v. 2.125.524,88 DM ausgewiesen ist. Stattdessen ging sie von dem im Jahresabschluss der eG auf den 30.09.1994, dem Letztjahr der Korrekturen nach § 36 DM-Bilanzgesetz (DMBilG), ausgewiesenen Eigenkapital i.H.v. 7.025.312,47 DM aus und ermittelte im Wege einer Rückrechnung, nämlich im Wesentlichen unter Hinzurechnung der Jahresfehlbeträge der Vorjahre ein Eigenkapital der eG zum 01.07.1990 i.H.v. 10.091.924,85 DM. Dieses sei auf die 13 Gründungsmitglieder aufzuteilen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung der Klägerin verwiesen.Randnummer9

Der Beklagte, das Finanzamt (FA), erkannte den Verlust nicht in der geltend gemachten Höhe an, sondern mit geändertem ESt-Bescheid vom 02.06.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung selben Datums nur i.H.v. 668,27 €. Übereinstimmend mit der Klägerin ging das FA davon aus, dass die Anschaffungskosten nach dem in der Eröffnungsbilanz auf den 01.07.1990 ausgewiesenen anteiligen Eigenkapital zu ermitteln sind (sog. Equity-Methode). Im Gegensatz zur Klägerin leitete das FA das Eigenkapital der eG auf den 01.07.1990 aber nicht im Wege einer Rückrechnung, ausgehend von deren Jahresabschluss auf den 30.09.1994 ab, sondern unmittelbar aus deren DM-Eröffnungsbilanz auf den 1.7.1990. Ergänzend berücksichtigte es dabei – unter Hinweis auf die Beweislast der Klägerin für den Veräußerungsverlust – nur solche Berichtigungen von Wertansätzen gem. § 36 DMBilG, die von der Klägerin, wie zuvor angefordert, nachgewiesen wurden. Danach errechnete das FA ein Eigenkapital der eG auf den 01.07.1990 i.H.v. (2.125.524,88 DM zzgl. 2.867.367,92 =) 4.992.892,80 DM. Überdies meinte das FA ursprünglich noch, die Anschaffungskosten für den ersten Anteil seien gem. § 3 Kapitalerhöhungssteuergesetz (KapErhStG) auf sämtliche 10 Anteile der Klägerin aufzuteilen. Schließlich berücksichtigte es (gem. § 3c Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG) nur 60% der eigentlichen Anschaffungskosten.Randnummer10

Mit ihrer bereits vor Ergehen der Einspruchsentscheidung erhobenen Untätigkeitsklage (betreffend 2013) und im Rahmen einer Klageerweiterung (betreffend 2015 und 2016) macht die Klägerin – mit einigen Abweichungen im Vergleich zu ihrem bisherigen Vortrag – weiterhin geltend, dass das Eigenkapital auf den 01.07.1990 (nunmehr) 10.084.924,85 DM betragen habe. Dieses aufgeteilt auf die 13 Gründungsmitglieder ergebe historische Anschaffungskosten für den einen Pflichtanteil der Klägerin i.H.v. (10.084.924,85 DM : 13 =) 775.763,45 DM (= 396.641,55 €). Diesem Betrag sei eine Nachzahlung i.H.v. 1.488,70 € zur Aufstockung des Geschäftsanteils auf 2.000 € hinzuzurechnen und Ausschüttungen i.H.v. 5.836,13 € abzuziehen, sodass sich Anschaffungskosten für den Altanteil i.H.v. 392.294,12 € ergäben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung im Schreiben der Klägerin vom 28.06.2016 verwiesen.Randnummer11

Diese auf den Pflichtanteil entfallenden Anschaffungskosten seien – anders als bisher vorgetragen – nach § 3 KapErhStG auf sämtliche 10 Anteile der Klägerin aufzuteilen, sodass die Anschaffungskosten für jeden Anteil (392.294,12 €: 10 Anteile =) 39.229,40 € betragen würden. Da der Klägerin die Veräußerung ihres ersten, aus der Umwandlung entstandenen Pflichtanteils nicht möglich sei, habe sie zum 31.12.2013 nicht diesen, sondern ihren Geschäftsanteil Nr. 2, zum 31.12.2015 ihre Geschäftsanteile Nr. 3 bis 6 und zum 31.12.2016 ihre Geschäftsanteile Nr. 7 bis 10 veräußert. Der Verlust aus der Veräußerung dieser Anteile betrage pro Anteil (39.229,40 € ./. 2.000 €=) 37.229,40 €, wovon 60%, also 22.337,64 € als steuerpflichtig zu berücksichtigen seien.Randnummer12

Im Laufe des Klageverfahrens hat das FA darauf hingewiesen, dass für sämtliche 9 veräußerten Anteile keine Verluste zu berücksichtigen seien. Zum einen habe die Klägerin hierfür keine eigenen Anschaffungskosten getätigt. Und zum zweiten sei – anders als bisher vertreten – eine Verteilung der auf den ersten (Pflicht-) Anteil entfallenden Anschaffungskosten auf die veräußerten Anteile Nr. 2 bis 10 gem. § 3 KapErhStG nicht möglich. Infolgedessen setzte es – nach Verböserungsandrohung – mit Einspruchsentscheidung vom 03.06.2021 für die in 2015 und 2016 veräußerten Anteile Veräußerungsgewinne an, nämlich für 2015 i.H.v. (4 Anteile x 2.000 € = 8.000 €, davon 60% steuerpflichtig = 4.800 € ./. 595 € Freibetrag gem. § 17 Abs. 3 EStG =) 4.205 € und für 2016 i.H.v. (4 Anteile x 2.000 € = 8.000 €, davon 60% steuerpflichtig = 4.800 € ./. 697 € Freibetrag gem. § 17 Abs. 3 EStG =) 4.103 €.Randnummer13

Die Klägerin beantragt,
1. den Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 27.08.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.06.2016 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb ein Verlust aus der Veräußerung eines Genossenschaftsanteils anstelle von 668,00 € mit 22.337,64 € berücksichtigt wird,
2. den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 17.01.2017 und den Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 08.02.2018, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.06.2021, dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb jeweils ein Verlust aus der Veräußerung von vier Genossenschaftsanteilen i.H.v. 89.351,00 € berücksichtigt wird,
3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
4. hilfsweise die Revision zuzulassen.Randnummer14

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.Randnummer15

Das FA ist der Ansicht, dass – im Rahmen der Ermittlung der Anschaffungskosten für den ersten Genossenschaftsanteil der Klägerin – für die Ermittlung des Eigenkapitals auf den 01.07.1990 nicht von der Bilanz auf den 30.09.1994 rückgerechnet werden könne. In ihrer Rückrechnung habe die Klägerin zu Unrecht Vorgänge Eigenkapital erhöhend erfasst, die sich richtigerweise nicht Eigenkapital erhöhend auswirken würden. Außerdem sei eine Verteilung der auf den ersten (Pflicht-) Anteil entfallenden Anschaffungskosten auf die im Jahr 2008 hinzuerworbenen Anteile Nrn. 2 bis 10 nicht möglich, da § 3 KapErhStG im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 1 KapErhStG, der Kapitalgesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) voraussetze, worunter die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG genannten Genossenschaften, zu denen die Klägerin zähle, nicht fielen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO-).Randnummer17

1. Aus den Veräußerungen der Genossenschaftsanteile in den Streitjahren (2013, 2015 und 2016) sind der Klägerin keine Veräußerungsverluste, sondern Veräußerungsgewinne entstanden. Der Veräußerungsgewinn beträgt pro Anteil, ausgehend von einem Veräußerungserlös i.H.v. 2.000 € nach der 40%-igen Steuerbefreiung des § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG (60 v.H. von 2.000 € =) 1.200 €. Dieser ist unter Berücksichtigung des für das jeweilige Jahr gültigen Freibetrags gem. § 17 Abs. 3 EStG zur Einkommensteuer heranzuziehen.Randnummer18

Dabei geht der Senat nach den Angaben der Klägerin davon aus, dass sie ihre Genossenschaftsanteile Nr. 2 bis 10 veräußert hat und der Genossenschaftsanteil Nr. 1 als an die Mitgliedschaft gekoppelter sog. Pflichtanteil während der fortbestehenden Mitgliedschaft der Klägerin unveräußerlich ist. Lediglich für diesen nicht veräußerten Anteil sind der Klägerin Anschaffungskosten entstanden, nicht aber für die veräußerten Anteile 2 bis 10.Randnummer19

2. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn bzw. der Verlust aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war. Als Anteile an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gelten nach Abs. 7 der Vorschrift auch Anteile an einer Genossenschaft (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG).Randnummer20

3. Die Klägerin hat ihren Geschäftsanteil Nr. 2 an der e.G. am 31.12.2013 i.S.v. § 17 EStG veräußert, ihre Geschäftsanteile Nr. 3 bis 6 am 31.12.2015 und ihre Geschäftsanteile Nr. 7 bis 10 am 31.12.2016.Randnummer21

Die Kündigung einzelner Geschäftsanteile an einer Genossenschaft (§ 67b GenG) mit der Folge, dass das Genossenschaftsmitglied seine Geschäftsanteile an die Genossenschaft zurückgibt, stellt eine Veräußerung i.S.v. § 17 EStG dar (vgl. BFH, Urteil vom 14.01.2020 XI R 5/18, BFHE 268, 551, juris, Rz. 25 ff. – Veräußerung von 3 von 20 Geschäftsanteilen).Randnummer22

Ist ein Steuerpflichtiger Inhaber mehrere Anteile an einer unter die Bestimmungen des § 17 Abs. 1, Abs. 7 EStG fallenden Genossenschaft, die er zu verschiedenen Zeiten und/oder zu unterschiedlichen Anschaffungskosten erworben hat, kann er formfrei bestimmen, welche Anteile er „veräußert“. Für die Ermittlung eines Veräußerungsgewinns (oder -verlustes) i.S. von § 17 EStG sind dann die Anschaffungskosten des jeweils veräußerten Anteils maßgebend (vgl. BFH-Urteil in BFHE 126, 206, BStBl II 1979, 77 sowie H 17 (5) EStH 2014, Stichwort „Wahlrecht bei teilweiser Veräußerung von GmbH-Anteilen“). Kann die Veräußerung formfrei erfolgen, bedarf die Bestimmung, welcher Anteil veräußert wurde, ebenfalls keiner Form (BFH, Urteil vom 14. Januar 2020 – IX R 5/18, BFHE 268, 551, juris, Rz. 29, 36).Randnummer23

Diese Voraussetzungen einer Veräußerung i.S.v. § 17 EStG hat die Klägerin erfüllt, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Sie hat nach ihren schriftlichen Erklärungen zum 31.12.2003 ihren Geschäftsanteil Nr. 2 gekündigt, zum 31.12.2015 ihre Geschäftsanteile Nr. 3 bis 6 und zum 31.12.2016 ihre Geschäftsanteile Nr. 7 bis 10.Randnummer24

4. Überdies war die Klägerin zu sämtlichen genannten Veräußerungszeitpunkten innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der eG unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt. Auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.Randnummer25

5. a) Der steuerpflichtige Gewinn der Klägerin aus der Veräußerung ihrer Genossenschaftsanteile Nr. 2 bis 10 beträgt pro Anteil 1.200 €.Randnummer26

Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 1 EStG ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.Randnummer27

b) Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest das sog. wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 13.03.2018 – IX R 35/16, BFH/NV 2018, 936, BFH, Urteil vom 14.01.2020 IX R 5/18, BFHE 268, 551 Rz. 31).Randnummer28

Dies war hier jeweils mit Wirksamwerden der Anteilskündigungen zum 31.12.2013, 31.12.2015 und 31.12.2016 der Fall.Randnummer29

c) Der Veräußerungspreis, den die Klägerin für ihre gekündigten Geschäftsanteile Nr. 2 bis 10 von der e.G. erhalten hat, beträgt pro Anteil unstreitig 2.000 €. Dieser ist nach der 40%-igen Steuerbefreiung des § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG jeweils mit (60% von 2.000 € =) 1.200 € anzusetzen.Randnummer30

d) Veräußerungskosten hat die Klägerin nicht geltend gemacht.Randnummer31

e) aa) Die Anschaffungskosten der Klägerin für die von ihr veräußerten Anteile Nr. 2 bis 10 betragen jeweils Null €.Randnummer32

bb) Die Anschaffungskosten für die aus Gesellschaftsmitteln im Jahr 2008 zusätzlich erworbenen Geschäftsanteile Nr. 2 bis 10 i.S.v. § 17 Abs. 2 EStG sind in Anlehnung an § 6 EStG und § 255 Abs. 1 HGB nach den hierfür tatsächlich geleisteten Aufwendungen zu bestimmen, nicht nach der sog. Equity-Methode des DMBilG. Voraussetzung für eine Anwendung der sog. Equity-Methode ist, dass es sich um Genossenschaftsanteile handelt, die das Genossenschaftsmitglied im Zuge der Gründung der Genossenschaft nach Umwandlung der LPG erworben hat, bei denen „tatsächliche“ Anschaffungskosten nicht ermittelt werden können und diese auch nicht in Deutscher Mark erbracht wurden (BFH, Urteil vom 14. Januar 2020 – IX R 5/18 -, BFHE 268, 551, juris, Rz. 33; OFD Magdeburg, Vfg. v. 26.09.2013 – S 2244 – 78 – St 214, juris, Tz. 4, vorletzter Absatz). Dies trifft auf die nachträglich in 2008 erworbenen Geschäftsanteile Nr. 2 bis 10 nicht zu.Randnummer33

cc) Für den Erwerb der neun weiteren Geschäftsanteile hat die Klägerin – unstreitig – keine zu Anschaffungskosten führenden „tatsächlichen“ Aufwendungen getätigt.Randnummer34

dd) Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die auf den Geschäftsanteil Nr. 1 entfallenden Anschaffungskosten nicht gem. § 3 KapErhStG auf sämtliche 10 Geschäftsanteile zu verteilen. § 3 KapErhStG ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar.Randnummer35

Gem. § 3 KapErhStG gelten als Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Nennkapitals erworbenen Anteilsrechte und der auf sie entfallenen neuen Anteilsrechte die Beträge, die sich für die einzelnen Anteilsrechte ergeben, wenn die Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Nennkapitals erworbenen Anteilsrechte auf diese und auf die auf sie entfallenen neuen Anteilsrechte nach dem Verhältnis der Anteile am Nennkapital verteilt werden. Durch die Vorschrift werden die Anschaffungskosten der Anteile vor einer Kaperhöhung gleichmäßig auf die Alt- und Neuanteile verteilt. § 3 KapErhStG knüpft an § 1 KapErhStG an. Voraussetzung für die Anwendung des § 3 KapErhStG ist daher, dass der Tatbestand des § 1 gegeben ist (Streck, KStG, 9. Aufl. 2018, § 3 KapErhStG Rz. 3). Dieser setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, dass eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes ihr Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital erhöht. Kapitalgesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sind nicht Genossenschaften; diese sind in § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG gesondert aufgeführt.Randnummer36

Die vorgenannten Voraussetzungen für eine Anwendung des § 3 KapErhStG sind hier nicht erfüllt, da der Erwerb der neuen Anteile durch die Klägerin im Rahmen einer Kapitalerhöhung der eG, einer nicht von der Vorschrift erfassten Genossenschaft stattfand.Randnummer37

Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt deren Einbeziehung als Genossenschaft in den Anwendungsbereich des § 3 KapErhStG auch nicht im Wege einer erweiternden Auslegung dieser Norm oder im Wege eines Lückenschlusses in Betracht. Eine den klaren Wortlaut einer Norm überschreitende Auslegung gibt es nicht, da die äußerste Wortsinngrenze zugleich die Grenze einer jeden Auslegung bildet. Anhaltspunkte dafür, dass die §§ 3, 1 KapErhStG eine planwidrige Lücke enthalten, die unter Beachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes gegen den eindeutigen Wortlaut geschlossen werden könnte, kann der Senat ebenfalls nicht erkennen.Randnummer38

6. Zu Recht hat das FA den Veräußerungsgewinn für 2015 und 2016 i.H.v. jeweils (4 Anteilen à 1.200 € =) 4.800 € unter zusätzlicher Berücksichtigung des Freibetrags nach § 17 Abs. 3 EStG zur Einkommensteuer herangezogen, nämlich für 2015 i.H.v. (4.800 € ./. 595 € Freibetrag gem. § 17 Abs. 3 EStG =) 4.205 € und für 2016 i.H.v. (4.800 € ./. 697 € Freibetrag gem. § 17 Abs. 3 EStG =) 4.103 €. Die Berücksichtigung des Freibetrags wird von der Klägerin auch nicht moniert.Randnummer39

II. 1. Die Kosten waren der Klägerin wegen ihres vollen Unterliegens gem. § 135 Abs. 1 FGO aufzuerlegen.Randnummer40

2. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Frage der Anwendung des § 3 KapErhStG bei weiteren Anteilsveräußerungen in vergleichbaren Fällen eine Rolle spielen wird und der höchstrichterlichen Klärung bedarf, um weiteren Streit zu vermeiden.

Hinweis

Es wurde Revision unter BFH: IX R 19/21 eingelegt.

Rechtsfrage

Begehren, die dem ersten (Pflicht-)Genossenschaftsanteil zuzuordnenden Anschaffungskosten (AK) auf die später erworbenen Genossenschaftsanteile gleichmäßig i.S. des § 3 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln (KapErhStG) zu verteilen.

1. Verstößt § 1 KapErhStG gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn hier nur Kapitalgesellschaften i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftssteuergesetzes (KStG) erfasst werden. Eine Genossenschaft aber durch ihre Verortung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG vom Anwendungsrahmen des KapErhStG ausgeklammert wird?

2. Im Weiteren zur Frage der Ermittlung der AK des (Pflicht-)Genossenschaftsanteils bei der Gesellschafterin einer formwechselnden Umwandlung einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in eine eingetragene Genossenschaft, wenn die Klägerin an der LPG bereits zu Zeiten des Bestehens der Deutschen Demokratischen Republik beteiligt war (hier: Ermittlung der AK nicht unmittelbar aus der Eröffnungsbilanz auf den 01.07.1990, sondern als Ausgangspunkt wurde das sog. EK04 zum 01.01.1991 aus dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche FeststellungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
gesonderte und einheitliche Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 KStG zum 30.09.1994, dem Letztjahr der Korrekturen nach § 36 DM-Bilanzgesetz, herangezogen und das maßgebliche Eigenkapital zur Berechnung der AK bei der Gesellschafterin im Wege einer Rückrechnung ermittelt).

Löffler I www.K1.de I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I M&A I Unternehmenskauf I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Agrarbetrieb, Agrargenossenschaft, Agrarunternehmen, fehlerhafte Genossenschaft, Genossenschaft, Genossenschaft Vermögenswert, Genossenschaftsanteil, Genossenschaftsrecht, Innenausgleich Genossen, Kapitalerhöhung Genossenschaft, Kauf von Agrargenossenschaft, Nichtigkeit Genossenschaftsbeitritt, Verkauf von Agrargenossenschaft, Verteilung Vermögen an Genossen, Wertverlust Genossenschaftsanteil, Zeichnung Geschäftsanteile