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KG Berlin, Beschluss vom 20. Juli 2020 – 22 W 46/19

§ 1 EWIVAG, EWGV 2137/85 Art 16 Abs 1, § 241 AktG, §§ 241ff AktG

Sieht der Gründungsvertrag einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung mit Sitz in Deutschland die Durchführung von Mitgliederversammlungen auf Einladung des Geschäftsführers vor, führt eine Durchführung ohne eine solche Einladung zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. Eine Anwendung der §§ 241ff. AktG scheidet aus.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Beteiligte, eine Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, ist seit dem 16. Juni 2010 im Handelsregister eingetragen, seit dem 29. April 2013 im Handelsregister A des Amtsgerichts Charlottenburg.

Mit einer notariell beglaubigten elektronischen Erklärung vom 12. Februar 2019 meldeten ein Herr … und ein Herr … an, dass der bisherige Geschäftsführer … abberufen und eine Mitgliederversammlung vom 31. Januar 2019 die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und ihre Bestellung zu einzelvertretungsbefugten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Liquidatoren beschlossen habe. Der Anmeldung war ein Protokoll einer Mitgliederversammlung vom 31. Januar 2019 beigefügt. Danach waren 40 Mitglieder auf der Versammlung persönlich vertreten und 47 durch Bevollmächtigte. Nach der Feststellung einer fehlenden Beschlussfähigkeit wurde eine halbe Stunde später eine Folgeversammlung eröffnet. In dieser wurde einstimmig der bisherige Vorstand abberufen und ein Herr … zum neuen Vorstand bestellt. Weiter wurde der bisherige Geschäftsführer … einstimmig abberufen und mit absoluter Mehrheit der vertretenen Stimmen die Anmelder zu Geschäftsführern bestellt. Weiter wurde einstimmig die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und ein Weiterwirken der neu gewählten Geschäftsführer als Liquidatoren beschlossen. Der Anmeldung waren weiter eine Anwesenheitsliste, die Einladung per eMail vom 30. Dezember 2018 zu der Versammlung, die Mitteilung der Tagesordnung per eMail vom 16. Januar 2019 und die Vollmachten beigefügt.

Diese Anmeldung hat das Amtsgericht mit einem Beschluss vom 2. April 2019 zurückgewiesen. Der Beschluss vom 31. Januar 2019 sei nicht wirksam gefasst. Die EWiV-VO lasse zwar zu, dass die Satzung der Gesellschaft – wie hier – eine 2/3 Mehrheit für den Beschluss über die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vorsehen könne. Wegen des personenbezogenen Charakters der EWiV sei aber von einer 2/3 Mehrheit aller Mitglieder auszugehen. Außerdem bestünden Bedenken, ob die Versammlung ordnungsgemäß einberufen worden sei. Die bestellten Liquidatoren seien zur Einladung wohl nicht (mehr) befugt gewesen, die mitgeteilte Tagesordnung sei auch in Bezug auf die Auflösung zu unbestimmt und schließlich sei auch fraglich, ob alle Mitglieder eingeladen worden seien.

Gegen diesen Beschluss hat die Gesellschaft mit einem Schreiben vom 30. April 2019, eingegangen am gleichen Tag, Beschwerde eingelegt. Dieser hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 27. Juni 2019 zur Entscheidung vorgelegt.

1. Die im Namen der Gesellschaft eingelegte Beschwerde ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerdefrist von einem Monat nach § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt, die gegen den Beschluss vom 2. April 2020 gerichtete Rechtsmittelschrift ist am 30. April 2020 beim Amtsgericht eingegangen. Von dem Erreichen des Beschwerwertes nach § 61 Abs. 1 FamFG ist wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Anmeldegegenstände auszugehen. Die eingetragene Gesellschaft ist auch durch die Verweigerung der Eintragung neuer Vertretungsorgane und der Auflösung beschwert im Sinne des § 59 Abs. 1 und 2 FamFG. Auf der Grundlage des der Beschwerde zugrunde zu legenden Vortrags ist die Beteiligte durch die neu bestellten Organmitglieder schließlich ausreichend vertreten.

2. Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg, das Amtsgericht hat die Eintragung des Ausscheidens des bisherigen Geschäftsführers, die Auflösung und die Eintragung der beiden Anmeldenden als neue Liquidatoren zu Recht abgelehnt. Eine Eintragung ist nicht möglich, weil die in der Versammlung vom 31. Januar 2019 gefassten Beschlüsse unwirksam sind.

a) Die Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse ergibt sich daraus, dass die Tagesordnung nicht durch geschäftsführende Personen mitgeteilt worden ist.

Die Durchführung einer Mitgliederversammlung ist nach der Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWiV) – im Folgenden EWiV-VO – nicht vorgesehen. Art. 16 Abs. 1 EWiV-VO spricht lediglich von gemeinschaftlich handelnden Mitgliedern, die Beschlüsse fassen, Art. 16 Abs. 3 EWiV-VO. Insoweit besteht aber Einigkeit, dass hierzu jede Form von Beschlussfassung in Betracht kommt, die auch im Gründungsvertrag näher bestimmt werden kann (Systematischer Praxiskommentar Personengesellschaftsrecht/Heinemann, Art. 17 EWiV-VO Rdn. 11; Jung in Jung/Krebs/Stiegler, Gesellschaftsrecht in Europa, 2019, § 7 Rdn. 155; Lentner, Das Gesellschaftsrecht der EWiV, 1994, S. 97; Selbherr/Manz, EWiV-VO, 1995, Art. 17 Rdn. 11; Teichmann in Münchener Handbuch zum Gesellschaftsrecht, Bd. 6, 2013, § 48 Rdn. 32); also auch die Beschlussfassung in einer Mitgliederversammlung, wie sie hier im Gründungsvertrag ausdrücklich als Organ vorgesehen (§ 7.1 des Gründungsvertrages) und als Regelform für die Beschlussfassung festgelegt ist (§ 9.1 des Gründungsvertrages) (so auch ausdrücklich Jung, aaO, § 7 Rdn. 157; Ganske, Das Recht der EWiV, 1988, S. 48). Nach Art. 17 Abs. 4 EWiVO-VO sind die Beschlüsse auf Verlangen des Geschäftsführers zu fassen, der hierzu auch durch ein Mitglied aufgefordert werden kann. Der Gründungsvertrag der Beteiligten sieht in § 9.3 eine nähere Ausgestaltung dieses Mitgliedschaftsrechtes vor. Daraus ergibt sich aber wiederum, dass entgegen der Ansicht des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten der Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft auch für die Ladung zu der Versammlung zuständig ist.

Gegen diese Zuständigkeit ist im vorliegenden Fall verstoßen worden. Den beiden Anmeldern war zwar durch gerichtliche Entscheidung die Geschäftsführungsbefugnis für die Beteiligte erteilt worden. Dies deckt entsprechend auch die Mitteilung über den Ort und den Zeitpunkt der Mitgliederversammlung mit der Email vom 30. Dezember 2018 ab. Die Mitteilung der Tagesordnung erfolgte aber erst am 16. Januar 2019. Zu diesem Zeitpunkt war die gerichtliche Entscheidung über die vorübergehende Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis aufgehoben. Die Mitteilung der Tagesordnung ist aber, wie dies auch im Gründungsvertrag vorgesehen ist (§ 9.2 des Gründungsvertrages), Teil der Ladung zu der Mitgliederversammlung. Dieser Mitteilung kommt auch Bedeutung zu, weil jedes Mitglied erst aufgrund der Tagesordnungspunkte ernsthaft entscheiden kann, ob eine Teilnahme erforderlich ist oder nicht.

Die fehlende Befugnis zur Mitteilung der Tagesordnung führt auch zu einer zu berücksichtigenden Unwirksamkeit der Beschlussfassung. Nach § 241 Nr. 1 AktG folgt auf Fehler bei der Mitteilung einer Tagesordnung zu einer Hauptversammlung zwar lediglich eine gerichtlich vorzunehmende Anfechtbarkeit und nicht eine unmittelbar zu berücksichtigende Nichtigkeit. Für die EWiV gilt mangels Regelungen in der EWiV-VO bezüglich Beschlussmängeln nach deutschem Recht ergänzend das Recht der offenen Handelsgesellschaft, § 1 EWiV-Ausführungsgesetz. Für diese gelten die §§ 241ff. AktG aber nicht (BGH Urteil vom 07.06.1999 – II ZR 278/98, juris; BeckOK-HGB/Klimke, Stand: 15. April 2020, § 119 Rdn. 75 Staub/Schäfer, HGB, 5. Aufl., § 119 Rdn. 75 mit Hinweis auf abweichende Ansichten in der Literatur, Rdn. 76). Dies gilt selbst dann, wenn es sich um eine Publikumsgesellschaft handelt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2006 – II ZR 242/04 –, juris Staub/Schäfer, aaO, § 119 Rdn. 95). Dies muss dann aber auch für die EWiV gelten (vgl. Lentner, aaO, S. 103; Heinemann, aaO, EWiV-VO Art. 17 Rdn. 18). Daraus folgt aber, dass grundsätzlich jeder Fehler zur Nichtigkeit des gefassten Beschlusses führt (BeckOK-HGB/Klimke, aaO, § 119 Rdn. 75; Staub/Schäfer, aaO, § 119 Rdn. 75). Eine Ausnahme gilt lediglich in Bezug auf Verfahrensfehler, wenn eine Auswirkung auf die Abstimmung ausgeschlossen werden kann (vgl. Kammergericht, Urteil vom 23. März 1995 – 2 U 3723/94 –, juris Staub/Schäfer, aaO, § 119 Rdn. 82). Diese Ausnahme ist hier aber schon deshalb nicht gegeben, weil schon nicht ersichtlich ist, ob die Ladung und die Mitteilung der Tagesordnung jedes Mitglied der Beteiligten erreicht hat. Dies geht zu Lasten der Beteiligten.

b) Eine fehlende Eintragungsfähigkeit ergibt sich aber auch daraus, weil nicht sichergestellt ist, dass alle Mitglieder der Beteiligten zur der Versammlung eingeladen worden sind.

Insoweit kann offen bleiben, ob im Gründungsvertrag Regeln hätten getroffen werden können, die es ausreichen ließen, Einladungen an die letzte mitgeteilte Adresse zu versenden. Denn so liegt der Fall hier nicht. Wie sich aus der Stellungnahme der Anmelder und ihres Verfahrensbevollmächtigten ergibt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anmeldung alle eingetragenen Mitglieder erreicht hat. Dies ist aber erforderlich, weil das Registergericht nur Eintragungen auf der Grundlage wirksamer Beschlüsse vornehmen darf. Darauf, dass die beiden Anmelder durch die Übersendung der Einladung an die letzten bekannten Email-Adressen alles ihnen Mögliche unternommen haben, kommt es danach nicht an.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nicht in Betracht. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde scheidet aus, die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG sind nicht gegeben.

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