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KG Berlin, Beschluss vom 29. November 2021 – 22 W 55/21

Abberufung

Abberufung des Geschäftsführers I Gesellschafterliste

§ 16 Abs 1 S 1 GmbHG, § 39 Abs 1 GmbHG, § 60 Abs 1 Nr 4 GmbHG, § 59 Abs 1 FamFG, § 59 Abs 2 FamFG

1. Die Entscheidung des Registergerichts, eine Anmeldung auf Eintragung der Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
zurückzuweisen, kann nicht durch einen Gesellschafter der GmbHG mit der Beschwerde angegriffen werden. Der Gesellschafter wird durch die Entscheidung nicht unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt.

2. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens steht der Bestellung anderer Organvertreter durch die Gesellschafterversammlung nicht entgegen.

3. Das Registergericht hat zu prüfen, ob der angemeldete Geschäftsführerwechsel ordnungsgemäß beschlossen worden ist. Dabei ist wegen der Gesellschafterstellung der Beschließenden die zuletzt in den Registerordner aufgenommene Gesellschafterliste maßgebend. Bei zwei Listen, die am selben Tag aufgenommen worden ist, ist die jüngere maßgebend.

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen, die der Beteiligten zu 3) als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1), eine GmbH, ist seit dem 4. Dezember 2019 im Handelsregister eingetragen. Durch Beschluss vom 7. Dezember 2020 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet worden.Randnummer2

Eine am 6. Dezember 2019 in den Registerordner aufgenommene Gesellschafterliste weist neben der Beteiligten zu 3) mit 6.667 Geschäftsanteilen mit einem Nennbetrag von 1 EUR die … UG (haftungsbeschränkt) (im Folgenden CH UG) als weitere Gesellschafterin mit 18.333 Gesellschaftsanteilen aus. Eine am 11. November 2020 aufgenommene Liste vom 2. November 2020, die von dem Notar Dr. M… Sch… in Frankfurt unterschrieben ist und weitere Hinweise auf eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Anteile auf der Grundlage seiner notariellen Urkunde vom 11. November 2019 zur URNr. 1079/2019 enthält, weist die Beteiligte zu 3) als Alleingesellschafterin aus. Hintergrund ist die Ausübung von Investorenrechten aus der Vereinbarung vom 11. November 2019. Eine ebenfalls am 11. November 2020 in den Registerordner aufgenommene Liste vom 5. November 2020, die von dem eingetragenen Geschäftsführer unterschrieben ist und in der Änderungsspalte den Hinweis „Korrektur unrichtiger Eintragung“ enthält, weist wieder den Gesellschafterbestand aus 2019 aus.Randnummer3

Mit einer notariell beglaubigten elektronischen Erklärung vom 30. Dezember 2020 meldete der Beteiligte zu 2) seine Bestellung zum GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Bestellung zum Geschäftsführer
Geschäftsführer
(richtig: Liquidator) und die Abberufung des eingetragenen und einzigen Geschäftsführers H… …, der zugleich Geschäftsführer und Gesellschafter der CH UG ist, auf der Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses vom 29. Dezember 2020 an. Dieser Beschluss weist als einzige Teilnehmerin die Beteiligte zu 3) aus, die die Gesellschafterversammlung unter Verzicht auf die Einhaltung von Fristen und von Form durchführte.Randnummer4

Das Amtsgericht hat die Anmeldung mit einem Beschluss vom 22. April 2021 zurückgewiesen, weil es an einer Zustimmung durch die weitere Gesellschafterin fehle. Diese sei aber nach § 16 Abs. 1 GmbH ausweislich der Gesellschafterliste vom 5. November 2020 unbeschadet der materiellen Rechtslage als Gesellschafterin anzusehen. Hiergegen haben die Beteiligten zu 2) und 3) mit Schreiben vom 11. Mai 2021 Beschwerde erhoben. Sie sind der Auffassung, die Abberufung sei wirksam beschlossen worden. Maßgebend sei die Gesellschafterliste vom 2. November 2020. Die Liste vom 5. November 2020 entfalte ihr gegenüber keine Legitimationswirkungen, weil dieser unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör der Beteiligten zu 3) erstellt worden sei. Zudem sei sie aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin vom 3. Dezember 2020, Az.: 90 O 72/20, von der CH UG als Alleingesellschafterin zu behandeln und die Beteiligte zu 1) verpflichtet, eine entsprechende Gesellschafterliste zum Register einzureichen.Randnummer5

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 21. Mai 2021 zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die Beschwerde ist, soweit sie im Namen der Beteiligten zu 3) erhobenen worden ist, entsprechend § 68 Abs. 2 Satz 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen, weil die Beklagte zu 3) nicht beschwerdebefugt ist. Insoweit fehlt es nicht nur an den Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 FamFG, weil kein unmittelbarer Eingriff in die Rechte der Beteiligten zu 3) vorliegt. Als Gesellschafterin ist sie allenfalls mittelbar beeinträchtigt, wenn ein von ihr gefasster Beschluss nicht vom Registergericht umgesetzt wird (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 29. Januar 2019 – 22 W 95/18 –, juris Rdn. 7). Unabhängig davon ist das Anmeldeverfahren ein Antragsverfahren, so dass es auch auf die Voraussetzungen des § 59 Abs. 2 FamFG ankommt. Eine Anmeldung erfolgt aber im Namen der eingetragenen Gesellschaft und soweit die Anmeldung auf eine deklaratorisch wirkende Eintragung gerichtet ist, im Namen der Anmeldepflichtigen. Das sind bei der GmbH die Geschäftsführer bzw. Liquidatoren. Randnummer7

2. Soweit der Beteiligte zu 2) Beschwerde eingelegt hat, ist diese nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden und damit zulässig. Der Beteiligte zu 2) ist auch beschwerdebefugt. Denn nach seinem Vortrag, der insoweit zugrunde zu legen ist, ist er durch den Beschluss vom 29. Dezember 2020 unter Abberufung des bisherigen Geschäftsführers zum Vertretungsorgan der Gesellschaft bestellt worden und damit zur Anmeldung berechtigt und verpflichtet. Die Frage der Wirksamkeit der Bestellung stellt sich erst im Rahmen der Prüfung der Begründetheit.Randnummer8

3. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Eintragung zu Recht abgelehnt.Randnummer9

a) Dies beruht allerdings nicht auf der Tatsache, dass die Gesellschafter die Befugnis zur Bestellung von Vertretungsorganen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verloren hätten (vgl. dazu KG, Beschluss vom 04. August 2005 – 1 W 397/03 –, juris Rn. 7).Randnummer10

Durch den Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft wird die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
herbeigeführt (hier: § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Dies führt allerdings nicht zur Anwendung der für die GmbH eigentlich vorgesehenen Abwicklungsvorschriften (§ 66 Absatz 1 GmbHG), sondern zur Abwicklung nach den Regeln der Insolvenzordnung, wenn es nicht zu einer Reorganisation des Unternehmens kommt. Dies steht der Annahme des Fortbestehens der Organstruktur und damit zur Bestellung von Vertretungsorgangen aber nicht entgegen. Die Fortdauer der Organstruktur ist schon deshalb erforderlich, weil die Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin sonst weder handlungsfähig noch in der Lage wäre, einen Gesellschaftswillen durch Beschlussfassung zu bilden. Dass eine Handlungsfähigkeit notwendig ist und diese nicht ins Leere geht, zeigt sich daran, dass dem Insolvenzverwalter zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Gesellschaft nach § 80 Absatz 1 InsO uneingeschränkt zusteht, für gesellschaftsinterne Angelegenheiten aber keine Zuständigkeit geschaffen ist (vgl. zur Firmenänderung BGH, Beschluss vom 26. November 2019 – II ZB 21/17 –, BGHZ 224, 72-89). Es verbleibt vielmehr ein von den Insolvenzvorschriften nicht erfasster gesellschaftsrechtlicher Zuständigkeitsbereich, der sich etwa auf die Vertretung der Gesellschaft als Schuldner im Insolvenzverfahren (§ 151 Absatz 1 Satz 2, 156 Absatz 2 Satz 1, 158 Absatz 2, 163 Absatz 1 InsO) und jedenfalls in diesem Zusammenhang auch auf die Durchführung von Gesellschafterversammlungen sowie auf Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen Gesellschafterbeschlüsse bezieht, die keinen Bezug zur Insolvenzmasse haben. Von dem Fortbestehen einer solchen Organisationsstruktur geht dabei auch die Insolvenzordnung selbst aus, wie sich aus § 101 InsO ergibt, nach dem die Mitwirkungs- und AuskunftspflichtenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auskunftspflichten
Mitwirkungs- und Auskunftspflichten
des Schuldners bei juristischen Personen unter anderem auch die Vertretungsorgane trifft.Randnummer11

b) Die Zurückweisung der Anmeldung durch das Amtsgericht ist aber zu Recht erfolgt, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Abberufung des bisherigen Vertreters und die Bestellung des Beteiligten zu 2) wirksam erfolgt sind.Randnummer12

aa) Das Registergericht hat neben der Prüfung der formellen Voraussetzungen der angemeldeten Eintragung auf der Grundlage der vorzulegenden Unterlagen und bekannten Tatsachen auch zu prüfen, ob die angemeldete Tatsache tatsächlich eingetreten ist. Eine Anmeldung wegen eines Wechsels des Vertretungsorgans erfordert daher die Prüfung, ob die Abberufung und die Bestellung ordnungsgemäß beschlossen worden sind (vgl. Senat, Beschluss vom 03. Juni 2016 – 22 W 20/16 –, juris Rdn. 8).Randnummer13

Danach fällt auf, dass der Beschluss vom 29. Dezember 2020 allein von der Beteiligten zu 3) gefasst worden ist, obwohl die Gesellschafterliste vom 5. November 2020 die CH UG als weitere Gesellschafterin ausweist. Zudem hat es auch keine Einladung zu der Versammlung durch den Geschäftsführer gegeben hat. Eine Genehmigung durch die CH UG der Beschlussfassung entsprechend § 242 Abs. 2 Satz 4 AktG ist nicht erfolgt. Dann aber ist der Beschluss nach § 241 Nr. 1 AktG, der im Recht der GmbH entsprechend gilt (vgl. BGH, Urteil vom 09. Dezember 1968 – II ZR 57/67 –, BGHZ 51, 209-219 Rn. 14; Urteil vom 17. Februar 1997 – II ZR 41/96 –, juris Rn. 9; vgl. auch Urteil vom 03. Mai 1999 – II ZR 119/98 –, juris Rn. 10), nichtig.Randnummer14

bb) Die Beteiligte zu 3) ist nicht als Alleingesellschafterin anzusehen. Der Beteiligte zu 2) kann sich insoweit nicht auf die ebenfalls am 11. November 2020 in den Registerordner eingestellte Gesellschafterliste vom 2. November 2020 berufen.Randnummer15

Diese weist zwar die Beteiligte zu 3) als Alleingesellschafterin aus. Diese Gesellschafterliste ist aber für die Prüfung der Gesellschafterstellung nicht maßgebend. Entscheidend ist die Liste, die zuletzt in den Registerordner aufgenommen worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 18. März 2019 – 22 W 5/19 –, juris Rdn. 8). Dies ergibt sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Sind mehrere Listen am selben Tag aufgenommen worden, ohne dass die Reihenfolge aus sich heraus ersichtlich ist, ist die jüngere Liste – hier die vom 5. November 2020 und später eingegangene – als zuletzt aufgenommene Liste anzusehen (vgl. auch OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Beschluss vom 18. März 2019, I-3 Wx 53/18, Rn. 29). Nur dann wird dem Gesetzeszweck, dass die Listen den zeitlichen Ablauf der Veränderungen an den Anteilen abbilden sollen, Genüge getan (dazu auch OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Beschluss vom 18. März 2019, I-3 Wx 53/18, Rn. 30). Selbst wenn man annähme, es käme allein auf den Tag der Aufnahme an, könnte der Beschluss vom 19. Dezember 2020 nicht Grundlage einer Eintragung sein, weil eine Alleingesellschafterstellung der Beteiligten zu 3) nicht ersichtlich wäre. Denn beide Listen wären als gleichrangig anzusehen. cc) Die Liste vom 5. November 2020 ist auch nicht nach § 242 BGB unbeachtlich.Randnummer16

Der Senat hat allerdings angenommen, dass eine in den Registerordner aufgenommene Liste ausnahmsweise dann unbeachtlich sein kann, wenn diese trotz Vorliegens einer einstweiligen Verfügung in den Registerordner aufgenommen worden ist und sich die Gesellschaft aus diesem Grund nach § 242 BGB nicht auf die Liste berufen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 22 W 52/19 –, juris Rdn. 11). Eine Anwendung dieser Grundsätze ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Aufnahme der Gesellschafterliste vom 5. November 2020 keine einstweilige Verfügung entgegenstand. Dies beruhte schon darauf, dass der Geschäftsführer die für eine Berichtigung notwendige Anhörung des von der Berichtigung Betroffenen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 07. Februar 2017 – II ZR 28/15 –, juris Rdn. 36; Baumbach/Hueck/Servatius, GmbHG, 22. Aufl., § 40 Rdn. 39) – hier der Beteiligten zu 3) – unterlassen hat, so dass die Beteiligte zu 3) lediglich nachträglich Rechtsschutz einholen konnte. Anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall ging es hier aber nicht um die Wahrung der ansonsten nicht zu berücksichtigenden Gesellschafterrechte der Beteiligten zu 3). Denn die weitere Gesellschafterin war aufgrund der einstweiligen Verfügung vom 3. Dezember 2020 verpflichtet, die Beteiligte zu 3) als Alleingesellschafterin zu behandeln, so dass sie trotz Ladung zu einer Versammlung etwaige Beschlüsse nicht verhindern konnte. An ihrem Teilnahmerecht an der Versammlung und etwaigen Rechten auf eine Beschlussmängelklage änderte dies gleichwohl nichts.Randnummer17

d) Schließlich führt auch die Tatsache, dass die Beteiligte zu 1) aufgrund der einstweiligen Verfügung vom 3. Dezember 2020 zur Einreichung einer die Beteiligte zu 3) als Alleingesellschafterin ausweisenden Gesellschafterliste verpflichtet ist, nicht zu einem anderen Ergebnis. Eine entsprechende Liste ist nicht eingereicht und nicht in den Registerordner aufgenommen worden. Eine Anwendung des § 894 ZPO in Bezug auf diese Liste kommt nicht in Betracht. Die Liste ist eine Wissens- und keine Willenserklärung, so dass die Vollstreckung nach § 888 ZPO zu erfolgen hat (ebenso Lieder GmbHR 2016, 189, 192).Randnummer18

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz, eine Kostenerstattungsanordnung kommt nicht in Betracht. Die Beteiligten zu 2) und 3) stehen sich nicht kontradiktorisch gegenüber. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, weil es an den Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG fehlt.

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