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BGH, Urteil vom 20. Februar 1995 – II ZR 9/94

Kompetenzüberschreitungen

GmbHG §§ 43, 49; BGB § 626Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 626

a) Nach § 49 Abs. 3 GmbHG muss der Geschäftsführer unverzüglich die Gesellschafterversammlung einberufen, wenn sich aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Zwischenbilanz ergibt, daß das Stammkapital nur noch zur Hälfte gedeckt ist. Diese Vorschrift ist nicht so zu verstehen, daß die dort normierte Verpflichtung des Geschäftsführers erst dann einsetzt, wenn eine entsprechende Bilanz vorliegt.

b) Der Geschäftsführer hat vielmehr in Erfüllung seiner Pflicht, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (§ 43 Abs. 1 GmbHG), die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten und sich bei Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung durch Aufstellung einer Zwischenbilanz oder eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Nur auf dieser Grundlage kann er sowohl dem Gebot des § 49 Abs. 3 GmbHG als notfalls auch seiner Konkursantragspflicht nach § 64 Abs. 1 GmbHG nachkommen (Sen.Urt. v. 6. Juni 1994 – II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103, 1109 f., zum Abdruck in BGHZ 126, 181 vorgesehen; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 49 Rdn. 23; Roth, GmbHG 2. Aufl. § 49 Anm. 3.3).

c) Deshalb muss der Geschäftsführer für eine Organisation sorgen, die ihm die dafür erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht.

d) Aus der Überwachungspflicht ist der Geschäftsführer nicht entlassen, wenn ein wesentlicher Teil der Buchhaltungsarbeiten am Sitz der die GmbH beherrschenden Gesellschafterin erledigt wird.

e) Es kann aber an einem wichtigen Grund für die auf die Verletzung der Überwachungspflicht gestützte Kündigung des Anstellungsverhältnisses fehlen, wenn der die GmbH beherrschende Gesellschafter den Geschäftsführer im Innenverhältnis von seiner Überwachungsaufgabe freigestellt hatte.

f) Der Kläger hat die ihm zur Last gelegte Ausstellung ungedeckter Schecks damit gerechtfertigt, daß im damaligen Zeitpunkt die Scheckbeträge abdeckende Überweisungen der Mitgesellschafterin angekündigt gewesen seien, die dann aber ausgeblieben seien. Das Berufungsgericht hat dies aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme als nicht widerlegt angesehen. Die dagegen erhobenen Einwendungen der Revision stellen lediglich unzulässigerweise die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts in Frage, ohne insoweit einen Verfahrensfehler aufzuzeigen. Das gilt auch, soweit die Revision meint, aus der Aussage der Zeugin He. ergebe sich, daß der Kläger jedenfalls nicht sicher mit dem Eingang jenes Geldes habe rechnen können und deshalb fahrlässig gehandelt habe. Der Ansicht der Revision, nicht die Beklagte, sondern der Kläger sei beweispflichtig, soweit es darum gehe, ob sein Verhalten – das Ausstellen der zunächst ungedeckten Schecks – durch den angeblich zu erwartenden alsbaldigen Geldeingang gerechtfertigt war, kann nicht gefolgt werden. Wer einen wichtigen Kündigungsgrund geltend macht, muß dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen. Schwierigkeiten, die sich dabei für ihn ergeben könnten, soweit es um Umstände geht, die das gerügte Verhalten rechtfertigen sollen, sind dadurch zu beheben, daß solche Rechtfertigungsgründe zunächst der Dienstverpflichtete, der sich auf sie beruft, darzulegen hat; es bleibt sodann Sache des Kündigenden, sie zu widerlegen (BAG NJW 1988, 438, 439; Schwerdtner, MüKo z. BGB 2. Aufl. § 626 Rdn. 146). Hier ist der Kläger seiner Substantiierungspflicht ausreichend nachgekommen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Dezember 1993 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Der Kläger war seit dem 1. November 1988 als Geschäftsführer mit einem Bruttogehalt von monatlich 12.000,– DM bei der Beklagten angestellt. Nach einem am 2. März 1990 geschlossenen Anstellungsvertrag war das Dienstverhältnis erstmals zum 31. Dezember 1999 kündbar. Am 23. November 1990 kündigte die Beklagte den Anstellungsvertrag fristlos. Sie zahlte dem Kläger für November 1990 nur noch 1.560,– DM und ab Dezember 1990 nichts mehr. Der Kläger hat Feststellung beantragt, daß das Anstellungsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden sei, sondern – mit dieser Einschränkung hat er seinen Antrag in der Berufungsinstanz versehen – bis zum 15. Januar 1992 fortbestanden habe, und Zahlung seiner vollen Bezüge für November und Dezember 1990 nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte hat ihrerseits gegen den Gehaltsanspruch mit einer Schadensersatzforderung aufgerechnet und im Wege der Widerklage den Kläger auf Zahlung von 61.710,– DM nebst Zinsen als Schadensersatz wegen eines von ihm abgeschlossenen Vertrages mit einer Firma K. in Anspruch genommen sowie Feststellung verlangt, daß der Kläger ihr allen weiteren Schaden zu ersetzen habe, der ihr aus dem Abschluß jenes Vertrages sowie wegen eines vom Kläger zugunsten der Firma K. erklärten Schuldbeitritts entstehe.

Die Vorinstanzen haben der Klage im wesentlichen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag und die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche weiter.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten am 23. November 1990 ausgesprochene Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Klägers für unbegründet gehalten, weil ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht vorgelegen habe. Diese Beurteilung greift die Revision mit Erfolg an. Ob ein bestimmtes Verhalten oder sonstige Vorgänge als ein die Außerordentliche KündigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Außerordentliche Kündigung
Kündigung
rechtfertigender wichtiger Grund zu werten sind, ist zwar weitgehend eine Tatsachenfrage. Es ist jedoch revisionsrechtlich insbesondere nachprüfbar, ob der Tatrichter den Tatsachenstoff vollständig gewürdigt hat und von zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist. Unter diesen Gesichtspunkten kann die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht bestehenbleiben.

1. Die Beklagte hat dem Kläger vorgeworfen, daß er die Gesellschafter – gemeint ist damit die einzige, die Mehrheit der Gesellschaftsanteile haltende Mitgesellschafterin des Klägers – nicht rechtzeitig über den Verlust des gesamten Stammkapitals der Gesellschaft, den er spätestens im Sommer 1990 hätte erkennen müssen, unterrichtet habe. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, es lasse sich nicht feststellen, daß der Kläger seine Mitgesellschafterin über die wirtschaftliche Situation der GmbH bewußt irregeführt habe. Die Buchhaltungsarbeiten seien nicht am Sitz der Beklagten, sondern in H. durch Personal der die Gesellschaft beherrschenden Mehrheitsgesellschafterin ausgeführt worden; dorthin seien die gesammelten, vorsortierten und „aufpositionierten“ Belege geschickt worden und von dort aus sei im übrigen auch ein Teil des Zahlungsverkehrs abgewickelt worden. Dem Kläger sei deshalb und infolge der nicht einfach zu überblickenden Geschäftspraktiken der Mehrheitsgesellschafterin ein eindeutiger Überblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens nicht möglich gewesen; der von jener Gesellschafterin entsandte Mitgeschäftsführer des Klägers, W., sei eher als der Kläger in der Lage gewesen, sich ein Bild über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft zu machen.

Diese Beurteilung ist, wie die Revision zu Recht beanstandet, unvollständig. Sie läßt nicht erkennen, daß sich das Berufungsgericht des Umfangs der dem Kläger als Geschäftsführer obliegenden Pflichten bewußt war. Nach § 49 Abs. 3 GmbHG muß der Geschäftsführer unverzüglich die Gesellschafterversammlung einberufen, wenn sich aus der Jahresbilanz oder einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Zwischenbilanz ergibt, daß das Stammkapital nur noch zur Hälfte gedeckt ist. Diese Vorschrift ist nicht so zu verstehen, daß die dort normierte Verpflichtung des Geschäftsführers erst dann einsetzt, wenn eine entsprechende Bilanz vorliegt. Der Geschäftsführer hat vielmehr in Erfüllung seiner Pflicht, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (§ 43 Abs. 1 GmbHG), die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten und sich bei Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung durch Aufstellung einer Zwischenbilanz oder eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Nur auf dieser Grundlage kann er sowohl dem Gebot des § 49 Abs. 3 GmbHG als notfalls auch seiner Konkursantragspflicht nach § 64 Abs. 1 GmbHG nachkommen (Sen.Urt. v. 6. Juni 1994 – II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103, 1109 f., zum Abdruck in BGHZ 126, 181 vorgesehen; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 49 Rdn. 23; Roth, GmbHG 2. Aufl. § 49 Anm. 3.3).

Um diese Aufgaben erfüllen zu können, muß der Geschäftsführer für eine Organisation sorgen, die ihm die dafür erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht. Eine solche Organisation gab es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und nach dem eigenen Vorbringen des Klägers bei der Beklagten nicht. Der Kläger hat vorgetragen, er habe über einen Teil der zu verbuchenden Geschäftsvorfälle keine Übersicht gehabt. Dem entspricht die Feststellung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei ein eindeutiger Überblick über die wirtschaftliche Situation der Beklagten nicht möglich gewesen. Dafür, daß dies so war, trägt der Kläger grundsätzlich die Verantwortung. § 1.2 des Anstellungsvertrages vom 2. März 1990 hob ausdrücklich die Verantwortung des Klägers für die Einhaltung der handels- und steuerrechtlichen Buchführungs- und Rechnungslegungsvorschriften hervor. Der Kläger will freilich möglicherweise geltend machen, daß für die Erfüllung dieser Aufgaben aufgrund einer internen Geschäftsverteilung der Mitgeschäftsführer und gesetzliche Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin, W., zuständig gewesen sei. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang lediglich festgestellt, daß es keine schriftlich niedergelegte strikte Aufgabenteilung zwischen den Geschäftsführern gegeben habe. Der Kläger hätte jedenfalls, wenn er merkte, daß es keine ausreichenden Grundlagen für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft gab, einschreiten und darauf drängen müssen, daß die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen geschaffen wurden (vgl. dazu Sen.Urt. v. 8. Juli 1985 – II ZR 198/84, WM 1985, 1293, 1294; Scholz/U. H. Schneider, GmbHG 8. Aufl. § 43 Rdn. 37).

Das Berufungsgericht hat besonders hervorgehoben, daß ein wesentlicher Teil der Buchhaltungsarbeiten am Sitz der die GmbH beherrschenden Gesellschafterin erledigt worden sei und daß gewisse Geschäftspraktiken dieser Gesellschafterin den Überblick über die wirtschaftliche Situation erschwert hätten; damit sind auf der Grundlage des Vortrags des Klägers und der Aussage der vom Berufungsgericht vernommenen Zeugen offenbar Geld -abflüsse und -zuflüsse zu und von anderen Konzernunternehmen gemeint. Dies entließ den Kläger jedoch ebenfalls nicht ohne weiteres aus seiner auch im Gläubiger- und öffentlichen Interesse begründeten Pflicht zur Überwachung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. Allerdings kann es an einem wichtigen Grund für die auf die Verletzung jener Verpflichtung gestützte Kündigung des Anstellungsverhältnisses fehlen, wenn der die GmbH beherrschende Gesellschafter den Geschäftsführer – möglicherweise im Konzerninteresse – im Innenverhältnis von seiner Überwachungsaufgabe freigestellt hat. Daß es hier so gewesen wäre, hat das Berufungsgericht aber bisher nicht festgestellt. Gegen eine solche Fallgestaltung könnte sprechen, daß der Kläger in der Gesellschafterversammlung vom 29. August 1990 eine bestimmte – nach Darstellung der Beklagten grob unzutreffende – Prognose über das zu erwartende Jahresergebnis abgegeben hat. War ihm, wie er es in seinem Prozeßvortrag dargestellt hat, ein zuverlässiger Überblick über die Geschäftslage nicht möglich und wurde ein solcher von ihm auch nicht erwartet, so hätte es nahegelegen, sich einer derartigen Prognose zu enthalten. Die Sache bedarf unter diesem Gesichtspunkt ergänzender tatrichterlicher Würdigung.

2. Die Beklagte hat dem Kläger ferner zur Last gelegt, daß er eigenmächtig, nämlich unter Überschreitung seiner Kompetenzen, einen langfristigen Vertrag mit der Firma K. über die Anmietung eines Lkw mit Fahrer abgeschlossen sowie im Zusammenhang damit einen Schuldbeitritt zugunsten der Firma K. erklärt habe. Das Berufungsgericht hat hierin keinen Pflichtverstoß des Klägers erblickt. Auch diese Beurteilung ist, wie die Revision zu Recht beanstandet, von Rechtsfehlern beeinflußt. Der Vertrag mit der Firma K. fiel, wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, unter die Geschäfte, die nach der auf der Grundlage der Satzung erlassenen Geschäftsordnung vom 2. März 1990 der vorherigen Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
Zustimmung
Zustimmung der Gesellschafterversammlung
bedurften (Nr. I 1 g). Das Berufungsgericht hat dazu unter anderem ausgeführt, es erscheine im Hinblick auf die dem Geschäftsführer einer Gesellschaft wie der Beklagten „eingeräumten und auch zustehenden Befugnisse noch vertretbar“, wenn der Kläger einen solchen mit Rücksicht auf den Umfang der sonstigen Geschäfte eher untergeordneten Vertrag ohne Zustimmung des Vertreters der Mehrheitsgesellschafterin geschlossen haben sollte.

Diese Sicht kann im Hinblick auf die ausdrückliche Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis durch die Geschäftsordnung nicht gebilligt werden. Es kommt deshalb darauf an, ob, wie der Kläger behauptet hat, W. dem Vertrag zugestimmt hat. Dies würde genügen, weil W. Geschäftsführer der einzigen Mitgesellschafterin des Klägers war. Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, daß der Kläger den Vertragspartner K. darauf hingewiesen habe, daß er den Vertrag nicht ohne Zustimmung W.’s abschließen wolle. Unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt das Berufungsgericht dies für bedeutsam gehalten hat, wird nicht recht klar. Tatsächlich hat der Kläger den Vertrag geschlossen. Daß dieser wegen jener Äußerung unwirksam gewesen wäre, kann auf der Grundlage der sonstigen vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden. Die durch das Berufungsgericht vernommene Zeugin K. hat dazu ausgesagt, der Kläger habe bei den mündlichen Vertragsverhandlungen erklärt, er müsse sich noch „in H. rückversichern“, bevor er den Vertrag schicke; später sei der Vertrag gekommen. Das Berufungsgericht hat sich mit diesem Teil der Aussage nicht befaßt. Es hat den ganzen Vorgang letztlich deswegen nicht als geeigneten Kündigungsgrund angesehen, weil W. spätestens im August 1990 bekannt gewesen sei, „daß ein Vertrag mit K. bestand“. Die hierin liegende tatsächliche Feststellung greift die Revision jedoch zu Recht als verfahrensfehlerhaft an. Das Berufungsgericht stützt sich insoweit auf das – bereits in anderem Zusammenhang erwähnte – Protokoll über die Gesellschafterversammlung vom 29. August 1990. Danach ist damals zwar in der Tat über den bereits für das Unternehmen eingesetzten Lkw gesprochen worden. Die Revision weist aber zutreffend darauf hin, daß sich dem Protokoll nicht entnehmen läßt, daß den Vertretern der Mitgesellschafterin des Klägers – W. und dem Prokuristen Kr. – die Einzelheiten des Vertrags, insbesondere der bereits vorliegende feste Abschluß auf die Dauer von 30 Monaten, bekannt waren. Der Inhalt des Protokolls deutet eher auf das Gegenteil hin; denn Kr. hat danach u.a. den Tagessatz von 527,– DM als viel zu hoch beanstandet, und die Diskussion endete damit, daß nach Ende der ersten Oktoberwoche entschieden werden solle, wie mit dem Lkw weiter verfahren werden solle. Dem entspricht es, daß W. etwa drei Wochen später in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 20. September 1989 erklärte, er müsse leider sagen, daß „wir den Vertrag so nicht eingehen können“ und daß er dem Vertrag nur bei Vereinbarung bestimmter Konditionen zustimmen könne.

Das Berufungsgericht hat sich mit alledem nicht auseinandergesetzt. Erst wenn dies geschehen ist, wird sich auch beurteilen lassen, ob, wie das Berufungsgericht gemeint hat, der Vertragsschluß mit der Firma K. wegen Ablaufs der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht mehr geltend gemacht werden konnte. Sollte diese Frist nicht verstrichen gewesen und in diesem Zusammenhang eine Pflichtverletzung des Klägers gegeben sein, so wäre zu berücksichtigen, daß in § 6.4 b des Anstellungsvertrages vom 2. März 1990 eine Kompetenzüberschreitung nur „nach schriftlicher Abmahnung“ als Kündigungsgrund aufgeführt ist. Eine solche Abmahnung hatte vor dem Vertragsschluß mit der Firma K. offenbar nicht stattgefunden. Ob dies die wenigstens unterstützende Heranziehung des Vorgangs ausschließt, wird sich nur im Zusammenhang mit dem oben unter 1 erörterten Vorwurf der Verletzung der Informations- und Organisationspflichten des Klägers beurteilen lassen. Für einen in diesem Zusammenhang etwa gegebenen Schadensersatzanspruch der Beklagten (s. unten II) dürfte die Frage der Abmahnung dagegen ohne Bedeutung sein.

3. Die weiteren gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe hat das Berufungsgericht zu Recht für unbegründet gehalten.

a) Der Kläger hat die ihm zur Last gelegte Ausstellung ungedeckter Schecks damit gerechtfertigt, daß im damaligen Zeitpunkt die Scheckbeträge abdeckende Überweisungen der Mitgesellschafterin angekündigt gewesen seien, die dann aber ausgeblieben seien. Das Berufungsgericht hat dies aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme als nicht widerlegt angesehen. Die dagegen erhobenen Einwendungen der Revision stellen lediglich unzulässigerweise die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts in Frage, ohne insoweit einen Verfahrensfehler aufzuzeigen. Das gilt auch, soweit die Revision meint, aus der Aussage der Zeugin He. ergebe sich, daß der Kläger jedenfalls nicht sicher mit dem Eingang jenes Geldes habe rechnen können und deshalb fahrlässig gehandelt habe.

Der Ansicht der Revision, nicht die Beklagte, sondern der Kläger sei beweispflichtig, soweit es darum gehe, ob sein Verhalten – das Ausstellen der zunächst ungedeckten Schecks – durch den angeblich zu erwartenden alsbaldigen Geldeingang gerechtfertigt war, kann nicht gefolgt werden. Wer einen wichtigen Kündigungsgrund geltend macht, muß dessen tatsächliche Voraussetzungen beweisen. Schwierigkeiten, die sich dabei für ihn ergeben könnten, soweit es um Umstände geht, die das gerügte Verhalten rechtfertigen sollen, sind dadurch zu beheben, daß solche Rechtfertigungsgründe zunächst der Dienstverpflichtete, der sich auf sie beruft, darzulegen hat; es bleibt sodann Sache des Kündigenden, sie zu widerlegen (BAG NJW 1988, 438, 439; Schwerdtner, MüKo z. BGB 2. Aufl. § 626 Rdn. 146). Hier ist der Kläger seiner Substantiierungspflicht ausreichend nachgekommen.

b) Die Sonderkonditionen, die der Kläger einem Bekannten namens S. unstreitig bei einem Umzugstransport nach Australien namens der Beklagten eingeräumt hat, lassen sich – darin hat die Revision recht – nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, damit rechtfertigen, daß die Leistungen zum Selbstkostenpreis erbracht worden sind. Ein Geschäftsführer darf nicht, um einem anderen aus privaten Gründen einen Gefallen zu tun, auf einen für die Gesellschaft erzielbaren Gewinn verzichten. Der Kläger hat seine Handlungsweise aber damit begründet, daß dadurch der Grundstein für künftige Geschäftsbeziehungen zu einem australischen Speditionsunternehmen habe gelegt werden sollen, an dem S. sich habe beteiligen wollen. Die Beklagte hat dies zwar bestritten, aber für ihr Vorbringen insoweit keinen Beweis angetreten. Damit ist sie beweisfällig geblieben.

c) Soweit es um angebliche Sonderkonditionen für eine Firma B. geht, hat das Berufungsgericht sich mit dem Vortrag der Beklagten zu Recht mangels nicht ausreichender Bestimmtheit nicht weiter befaßt. Der Kläger hat jenes Vorbringen der Beklagten bereits in der Berufungserwiderung als unsubstantiiert beanstandet. Die Beklagte ist darauf auch dann nicht zurückgekommen, als sich aus dem vom Berufungsgericht erlassenen Beweisbeschluß ergab, daß es den von ihr benannten Zeugen zu diesem Punkt nicht vernehmen werde.

d) Auf die angebliche Anschwärzung eines Mitarbeiters einer Geschäftspartnerin, Br., durch den Kläger kommt die Revision nicht zurück.

II. Ob dem Kläger die mit der Zahlungsklage geltend gemachten Gehaltsansprüche für die Monate November und Dezember 1990 zustehen, hängt davon ab, ob die Kündigung vom 23. November 1990 wirksam war oder nicht. Auf der anderen Seite läßt sich die Frage, ob der mit der Widerklage erhobene Schadensersatzanspruch wegen des Vertrages mit der Firma K. begründet ist, erst beurteilen, wenn einwandfrei geklärt ist, ob der Kläger in diesem Zusammenhang pflichtwidrig gehandelt hat (s. oben I 2). Das Berufungsurteil muß deshalb auch in diesen beiden Punkten aufgehoben werden.

III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses hinsichtlich der unter I 1 und 2 erörterten Kündigungsgründe sowie des mit der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruchs eine abschließende tatrichterliche Würdigung vornehmen kann.

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Schlagworte: Abmahnung, Außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages, Beendigung des Anstellungsvertrages, Beendigung des Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund, Beobachtungspflicht, Einberufungspflicht, Freistellung, Geschäftsleiterpflichten, GmbHG § 43, GmbHG § 43 Abs. 2, GmbHG § 49, Haftung nach § 43 GmbHG, Haftung wegen Verletzung der Buchführungspflicht nach § 41 GmbHG, Innenhaftung, Keine Abmahnung, Keine Beobachtung der wirtschaftlichen Lage und bei Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung keinen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen, Klage der Geschäftsführer gegen Kündigung des Anstellungsvertrages, Kompetenzüberschreitung, Kompetenzüberschreitungen, Kündigung, Mehrere Geschäftsführer, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Planungs- und Überwachungsfehler, Prozessuales, Risikoanalyse, Risikomanagement, Risikomanagement- und Überwachungssystem, Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, Überwachung Mitgeschäftsführer, Überwachungspflicht, Überwachungsverschulden, Verletzung der allgemeinen Überwachungspflicht, Verletzung zwingenden Rechts über tragende Strukturprinzipien, Verstoß gegen § 49 Abs. 3 GmbHG, Verstoß gegen gesetzlich zwingende Kompetenzordnung