Kooperationsverweigerung mit Mitgeschäftsführern
§ 41 GmbHG, § 64 GmbHG, § 626 BGB
Der Geschäftsführer einer GmbH ist kraft zwingender Gesetzesnorm (GmbHG § 41) verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Buchführung der Gesellschaft zu sorgen. Zwar ist es bei mehrköpfiger Geschäftsführung praktikabel und zulässig, die Buchführung im Wege der Geschäftsverteilung zu delegieren. Die übrigen Geschäftsführer haben dann aber für eine sachgerechte Auswahl des zuständigen Geschäftsführers zu sorgen und ihn vor allem kontinuierlich und angemessen zu überwachen. Sie müssen sich deshalb, aber auch im Hinblick auf GmbHG § 64, über die Buchführung informieren. Wird dem Mitgeschäftsführer diese Information systematisch vorenthalten, ist ein gedeihliches, gesetzestreues Arbeiten für ihn unmöglich. Dies stellt einen wichtigen Grund für eine Kündigung dar.
Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß der Kläger sein Amt als Geschäftsführer der Beklagten zum 31. Dezember 1992 wirksam niedergelegt hat. Ob der Kläger sich hierbei auf einen wichtigen Grund stützen konnte, ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist die Amtsniederlegung eines Geschäftsführers grundsätzlich auch dann sofort wirksam, wenn sie nicht auf einen angeblich wichtigen Grund gestützt wird (BGHZ 121, 257, 261 f.). Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die Niederlegung des Amtes als Geschäftsführer nicht automatisch den Anstellungsvertrag beendet hat. Beide können zwar in verschiedener Weise miteinander verbunden sein. Dies ändert aber nichts daran, daß es sich um zwei verschiedene Rechtsverhältnisse handelt, die im Normalfall deutlich unterschieden werden müssen und die durchaus ein verschiedenes Schicksal haben können (vgl. Sen.Beschl. v. 28. Mai 1990 – II ZR 245/89, GmbHR 1990, 345, 346). Allerdings ist es zulässig, die Dauer des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers an die Dauer seiner Organstellung zu knüpfen (vgl. BGHZ 89, 48, 52 f.). Eine derartige Kopplung der beiden getrennt zu betrachtenden Rechtsverhältnisse hat das Berufungsgericht jedoch ohne Rechtsfehler verneint.
Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag rechtsirrig für unbeachtlich angesehen, da es dem Kläger von vornherein habe klar gewesen sein müssen, daß der Hauptgesellschafter und Mitgeschäftsführer E. nach der festgelegten Geschäftsordnung für die Geschäftsführung die Verantwortung für das Unternehmen habe tragen und allein habe entscheiden sollen. Hiermit hat das Berufungsgericht die rechtliche Bedeutung der dem Kläger übertragenen Geschäftsführerstellung und die daraus folgenden notwendigen Kenntnisse des Klägers von den grundlegenden finanziellen Verhältnissen der Gesellschaft verkannt. Der Kläger war als Geschäftsführer kraft zwingender Gesetzesnorm (§ 41 GmbHG) verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Buchführung der Gesellschaft zu sorgen. Zwar ist es bei mehrköpfiger Geschäftsführung praktikabel und zulässig, die Buchführung im Wege der Geschäftsverteilung zu delegieren. Die übrigen Geschäftsführer haben dann aber für eine sachgerechte Auswahl des zuständigen Geschäftsführers zu sorgen und ihn vor allem kontinuierlich und angemessen zu überwachen (Sen.Urt. v. 8. Juli 1985 – II ZR 198/84, WM 1985, 1293, 1294 = NJW 1986, 54, 55; v. 20. März 1986 – II ZR 114/85, WM 1986, 789). Sie müssen sich deshalb, aber auch im Hinblick auf § 64 GmbHG, über die Buchführung informieren (vgl. Scholz/Crezelius, GmbHG 8. Aufl. § 41 Rdn. 5; Sen.Urt. v. 1. März 1993 – II ZR 61/92, WM 1994, 1030 = NJW 1994, 2149, 2150). Wird dem Mitgeschäftsführer diese Information systematisch vorenthalten, ist ein gedeihliches, gesetzestreues Arbeiten für ihn unmöglich. Dies stellt einen wichtigen Kündigungsgrund dar.
Bei dem systematischen und umfassenden Ausschluß des Klägers von der Buchführung handelt es sich um ein sogenanntes Dauerverhalten. Hier beginnt die Frist nicht vor Beendigung des Zustandes (vgl. Palandt/Putzo, BGB 54. Aufl. § 626 Rdn. 27 m.w.N.). Der Hauptgesellschafter E. hat seine Haltung über den Ausschluß des Klägers von all diesen Informationen bei den gescheiterten Gesprächen im Oktober/ November 1992 noch einmal bekräftigt und der Kläger hat seine Kündigung vom 25. November 1992 in Verbindung mit seinem Schreiben vom 25. September 1992 ausdrücklich hierauf gestützt.
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. März 1994 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien haben am 18. Februar 1991 einen Geschäftsführervertrag mit einer festen Laufzeit von fünf Jahren geschlossen, der zum 1. Juni 1991 in Kraft getreten ist. Mit Schreiben vom 25. September 1992 hat der Kläger dem Hauptgesellschafter der Beklagten, J. E., angekündigt, er strebe eine vorzeitige Vertragsauflösung zum 31. Dezember 1992 an. Nachdem mehrere Gespräche ergebnislos verlaufen waren, hat der Kläger mit Schreiben vom 25. November 1992 den Anstellungsvertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt und sein Amt als Geschäftsführer zum 31. Dezember 1992 niedergelegt. Gleichzeitig hat er angekündigt, er werde seine Geschäftsführerpflichten bis zum 31. Dezember 1992 wahrnehmen.
Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß er sein Amt als Geschäftsführer rechtswirksam niedergelegt habe und sein Anstellungsverhältnis durch seine Kündigung mit Wirkung zum 31. Dezember 1992 beendet worden sei. Weiterhin hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, sein Ausscheiden aus der Geschäftsführung zum Handelsregister anzumelden. Das Landgericht hat festgestellt, daß der Kläger sein Geschäftsführeramt wirksam niedergelegt habe, und die Beklagte verurteilt, das Ausscheiden des Klägers aus der Geschäftsführung zum Handelsregister anzumelden. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die beiden Berufungen der Parteien hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, soweit die Instanzgerichte zu seinem Nachteil entschieden haben.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß der Kläger sein Amt als Geschäftsführer der Beklagten zum 31. Dezember 1992 wirksam niedergelegt hat. Ob der Kläger sich hierbei auf einen wichtigen Grund stützen konnte, ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist die Amtsniederlegung eines Geschäftsführers grundsätzlich auch dann sofort wirksam, wenn sie nicht auf einen angeblich wichtigen Grund gestützt wird (BGHZ 121, 257, 261 f.). Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die Niederlegung des Amtes als Geschäftsführer nicht automatisch den Anstellungsvertrag beendet hat. Beide können zwar in verschiedener Weise miteinander verbunden sein. Dies ändert aber nichts daran, daß es sich um zwei verschiedene Rechtsverhältnisse handelt, die im Normalfall deutlich unterschieden werden müssen und die durchaus ein verschiedenes Schicksal haben können (vgl. Sen.Beschl. v. 28. Mai 1990 – II ZR 245/89, GmbHR 1990, 345, 346). Allerdings ist es zulässig, die Dauer des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers an die Dauer seiner Organstellung zu knüpfen (vgl. BGHZ 89, 48, 52 f.). Eine derartige Kopplung der beiden getrennt zu betrachtenden Rechtsverhältnisse hat das Berufungsgericht jedoch ohne Rechtsfehler verneint.
2. Die Revision greift vergeblich das Berufungsurteil an, soweit es im Rahmen der Beurteilung des wichtigen Kündigungsgrundes um die Bewertung der angeblich ehrverletzenden Äußerungen von J. E. gegenüber dem Kläger geht.
a) Die Äußerung des Hauptgesellschafters gegenüber dem Zeugen Z. („Unternehmensführung ist ganz einfach. Der G. bucht, was und wie ich will, den K. halte ich, der kontrolliert den S., daß der S. mich nicht bescheißt“), welche dem Kläger am 9. Februar 1992 zugetragen worden ist, wertet das Berufungsgericht zutreffend als nicht ernst gemeint, sondern als ironisch. Die gesamte Form der Äußerung legt einen – zugegebenermaßen geschmacklosen – Scherz nahe, der nicht geeignet war, in dem Gesprächspartner einen Betrugsverdacht aufkommen zu lassen.
b) Die in der Geschäftsleiterversammlung am 11. September 1992 gefallene Äußerung („S., Sie führen mich vorsätzlich in den Konkurs“) haben die Instanzgerichte ohne Rechtsfehler vor dem Hintergrund der für das Unternehmen schmerzlichen Zugeständnisse im Rahmen eines Vergleichs gesehen. Sie konnte deshalb nicht so verstanden werden, der Kläger führe das Unternehmen bewußt in die Insolvenz.
c) Der Revision kann auch darin nicht gefolgt werden, die Äußerungen seien selbst dann als schwere Ehrverletzungen zu werten, wenn sie scherzhaft gemeint gewesen seien. Handelte es sich um Scherze, so war dies für die Beteiligten erkennbar und angesichts der offenbar etwas hemdsärmeligen Art von J. E. auch nicht mit einem Ansehensverlust verbunden.
3. Dagegen hat die Revision Erfolg, soweit sie rügt, der systematische und umfassende Ausschluß des Klägers von der Buchführung stelle entgegen der Meinung des Berufungsgerichts einen wichtigen Kündigungsgrund dar.
a) Der Kläger hat vorgetragen, er habe auf Betreiben des Hauptgesellschafters und Mitgeschäftsführers E. keine Bilanzen gesehen und – bis auf eine Ausnahme – auch keine Informationen über den Liquiditätsstatus der Gesellschaft erhalten, ihm sei jede Einsichtnahme in die Buchführung verweigert worden. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht nur teilweise berücksichtigt. Es hat lediglich gewürdigt, daß der Kläger nicht an der Bilanzerstellung beteiligt gewesen und der Liquiditätsstatus nicht mitgeteilt worden sei. Der Kläger hatte jedoch darüber hinaus unter Beweisantritt vorgetragen, ihm seien noch nicht einmal die Bilanzen mitgeteilt und jede Einsichtnahme in die Buchführung verweigert worden. Der Ausschluß des Klägers von den buchhalterischen Aufarbeitungen der Zahlungsvorgänge und von jeglicher Kenntnis der Finanzsituation der Gesellschaft war deshalb nach seinem Vortrag wesentlich umfassender als der von dem Berufungsgericht gewürdigte Vortrag.
b) Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag rechtsirrig für unbeachtlich angesehen, da es dem Kläger von vornherein habe klar gewesen sein müssen, daß der Hauptgesellschafter und Mitgeschäftsführer E. nach der festgelegten Geschäftsordnung für die Geschäftsführung die Verantwortung für das Unternehmen habe tragen und allein habe entscheiden sollen. Hiermit hat das Berufungsgericht die rechtliche Bedeutung der dem Kläger übertragenen Geschäftsführerstellung und die daraus folgenden notwendigen Kenntnisse des Klägers von den grundlegenden finanziellen Verhältnissen der Gesellschaft verkannt. Der Kläger war als Geschäftsführer kraft zwingender Gesetzesnorm (§ 41 GmbHG) verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Buchführung der Gesellschaft zu sorgen. Zwar ist es bei mehrköpfiger Geschäftsführung praktikabel und zulässig, die Buchführung im Wege der Geschäftsverteilung zu delegieren. Die übrigen Geschäftsführer haben dann aber für eine sachgerechte Auswahl des zuständigen Geschäftsführers zu sorgen und ihn vor allem kontinuierlich und angemessen zu überwachen (Sen.Urt. v. 8. Juli 1985 – II ZR 198/84, WM 1985, 1293, 1294 = NJW 1986, 54, 55; v. 20. März 1986 – II ZR 114/85, WM 1986, 789). Sie müssen sich deshalb, aber auch im Hinblick auf § 64 GmbHG, über die Buchführung informieren (vgl. Scholz/Crezelius, GmbHG 8. Aufl. § 41 Rdn. 5; Sen.Urt. v. 1. März 1993 – II ZR 61/92, WM 1994, 1030 = NJW 1994, 2149, 2150). Wird dem Mitgeschäftsführer diese Information systematisch vorenthalten, ist ein gedeihliches, gesetzestreues Arbeiten für ihn unmöglich. Dies stellt einen wichtigen Kündigungsgrund dar.
Entgegen den Darlegungen der Revisionserwiderung bedurfte es einer Abmahnung der Beklagten durch den Kläger schon deshalb nicht, weil die Parteien über die Beendigung oder Fortsetzung ihrer Rechtsbeziehungen vor der Kündigungserklärung des Klägers bereits längere Zeit erfolglos verhandelt hatten.
4. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB wäre gewahrt.
Bei dem systematischen und umfassenden Ausschluß des Klägers von der Buchführung handelt es sich um ein sogenanntes Dauerverhalten. Hier beginnt die Frist nicht vor Beendigung des Zustandes (vgl. Palandt/Putzo, BGB 54. Aufl. § 626 Rdn. 27 m.w.N.). Der Hauptgesellschafter E. hat seine Haltung über den Ausschluß des Klägers von all diesen Informationen bei den gescheiterten Gesprächen im Oktober/ November 1992 noch einmal bekräftigt und der Kläger hat seine Kündigung vom 25. November 1992 in Verbindung mit seinem Schreiben vom 25. September 1992 ausdrücklich hierauf gestützt.
5. Damit das Berufungsgericht die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann und die Parteien gegebenenfalls ergänzend Stellung nehmen können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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