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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.03.2013 – 1 SaGa 2/13

§ 74a Abs 1 S 1 HGB

Ein Arbeitgeber, dessen Geschäftszweck auf die Beratung/Betreuung von (Berufs)Sportlern bei der Durchsetzung von Ansprüchen gegen die Träger der Sozialversicherung einschließlich der Vermittlung von (erfahrenen) Rechtsanwälten gerichtet ist, kann in der Regel mit einem bei ihm angestellten Rentenberater kein umfassendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot verbindlich vereinbaren, sondern nur eine Mandantenschutzklausel.

Das Verbot jedweder Tätigkeit als Rentenberater ist für den Beklagten jedoch nur teilweise verbindlich. Nach § 74 a Abs. 1 Satz 1 HGB ist ein Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers im Sinne des § 74 a Abs. 1 Satz 1 HGB, wenn das Wettbewerbsverbot entweder dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dient oder den Einbruch eines ausgeschiedenen Mitarbeiters in den Kunden- oder Lieferantenkreis unter Ausnutzung besonderer Kenntnisse oder persönlicher Kontakte verhindern soll. Das bloße Interesse, Konkurrenz einzuschränken, genügt nicht. Die Reichweite des Verbots muss sowohl sachlich als auch örtlich und zeitlich von einem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers gedeckt sein (zuletzt BAG vom 21.04.2010 – 10 AZR 288/09 – Juris, Rn 15).

Nach diesen Maßstäben besteht ein berechtigtes geschäftliches Interesse der Klägerin an einer Unterlassung der Tätigkeit als Rentenberater durch den Beklagten nur insoweit, als der Beklagte als Rentenberater für Klienten der Klägerin tätig wird, soweit mit diesen Klienten am 31.12.2012 ein Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen war. Ein sich aus dem Schutz von Betriebsgeheimnissen ergebendes berechtigtes geschäftliches Interesse der Klägerin ist nicht ersichtlich und von ihr auch nicht dargelegt. Die Prozessfinanzierung und Betreuung von Sportlern im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Ansprüchen gegen die Sozialleistungsträger erfordert nicht die Kenntnis besonderer Betriebsgeheimnisse, die sich der Beklagte bei der Klägerin angeeignet hat und die er nunmehr berechtigterweise nicht weiter verwenden können soll. Hierzu ist von der Klägerin auch im Berufungsverfahren, weder schriftsätzlich noch im Termin vorgetragen worden. In Betracht kommt aber ein berechtigtes geschäftliches Interesse der Klägerin daran, dass der Beklagte nicht in ihren Kundenkreis eindringt, indem er die Klienten der Klägerin berät und vertritt, mit denen die Klägerin bereits bei Ausscheiden des Beklagten aus dem Arbeitsverhältnis einen Managementvertrag geschlossen hat. Demgegenüber besteht kein berechtigtes Interesse daran, den Beklagten von jeder freiberuflichen Tätigkeit als Rentenberater mit der Beratung von Sportlern auszuschließen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin ist der Beklagte in der gesamten Branche bekannt. Sein Wissen und seine Kontakte waren Grundlage des Geschäftsmodells der Klägerin, wie diese auf Seite 7 ihres Schriftsatzes vom 12.03.2013 selbst vorgetragen hat. Der Beklagte war bereits, bevor er für die Klägerin tätig wurde, mehr als 10 Jahre als Rentenberater tätig. Daraus ergibt sich, dass der Beklagte im Grundsatz nicht in den Kundenkreis der Klägerin eindringen muss, um seine Tätigkeit als Rentenberater in der Betreuung von Sportlern fortzuführen. Vielmehr dürfte eher die Gefahr für die Klägerin bestehen, dass Sportler zukünftig nicht mehr ihre Ansprüche über die Klägerin durchzusetzen versuchen, sondern sich direkt an den Beklagten wenden. Gegen diese Konkurrenz durch den Beklagten kann sich die Klägerin aber nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen nicht durch ein Wettbewerbsverbot schützen. Schützenswert ist nur das Interesse der Klägerin, dass der Beklagte nicht an ihren bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bestehenden Kundenkreis herantritt, um ggf. einzelne Kunden abzuwerben. Die Kontakte mit den Kunden der Klägerin hat der Beklagte aufgrund des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin erlangt, selbst wenn die Kunden einen Vertrag mit der Klägerin nur wegen der Tätigkeiten des Beklagten für die Klägerin abgeschlossen haben sollte.

Die Berufungskammer folgt nicht der Auffassung des Beklagten, wonach er durch eine Tätigkeit als Rentenberater überhaupt nicht in Konkurrenz zur Klägerin tritt. Denn das Geschäftsmodell der Klägerin ist zwar die Prozessfinanzierung, unstreitig ist sie aber auch mit der Vermittlung von (erfahrenen) Rechtsanwälten an Sportler befasst. Diese Vermittlung ist damit Teil ihres Geschäftsmodells, und zwar unabhängig davon, ob das Mandatsverhältnis, wie der Beklagte vorträgt, zwischen dem Anwalt und dem Sportler direkt zustande kommt. Diese Vermittlung wird auch von dem versprochenen Honorar mit abgegolten. Damit geht das geschäftliche Interesse der Klägerin im Sinne des § 74 a Abs. 1 Satz 1 HGB auch dahin, dass es der Beklagte unterlässt, diese Vermittlungsverpflichtung der Klägerin dadurch zu unterlaufen, dass er freiberuflich am Markt auftritt und sich an die Klienten der Klägerin wendet. Die vom Beklagten hiergegen eingewandten formalen Argumente verkennen, dass es bei Bestimmung der Reichweite des § 74 a Abs. 1 HGB auf das geschäftliche Interesse der Klägerin und damit auf wirtschaftliche Gesichtspunkte ankommt. Die vom Beklagten gewählte rein formal rechtliche Betrachtungsweise übersieht, dass ein Klient die Klägerin gerade auch deswegen aufsucht, weil diese verspricht, einen bei der Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Sozialversicherungsträgern erfahrenen Vertreter zu vermitteln.

Schlagworte: Mandantenschutzklausel, Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, Prozessfinanzierer, Wettbewerbsverbot