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Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.02.2014 – L 11 EG 327/13

BEEG § 2; EStG § 38, 38a; GG Art. 3, 6, 20

1. Zum Einkommen iS des § 2 Abs 7 BEEG (Fassung vom 9.12.2010) gehören bei einem in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer, der in Deutschland wohnt (Grenzgänger), auch Mitarbeiteraktien. Diese sind in dem Monat als Einkommen (Zufluss) zu berücksichtigen, in dem sie erworben werden.

Der Behandlung des im Februar ausgezahlten Einkommens Bonus Vorjahr als im Februar 2011 erzieltes Einkommen steht weder entgegen, dass es sich um einen Bonus für die im Vorjahr erbrachte Arbeitsleistung des Klägers handelt, noch dass dieser Bonus in Form von Mitarbeiteraktien mit einer dreijährigen Sperrfrist ausgezahlt worden ist. Der nach § 2 Abs 3 Satz 1 BEEG maßgebliche Begriff des „Erzielens von Einkommen aus Erwerbstätigkeit“ kann allein vom Wortlaut her unterschiedlich verstanden werden, und zwar entweder im Sinne eines tatsächlichen Zuflusses des Einkommens (Zuflussprinzip) oder in dem Sinne, dass in dem maßgeblichen Zeitraum auch die Erwerbstätigkeit, mit der das Einkommen erwirtschaftet oder erarbeitet worden ist, ausgeübt worden sein muss (sog modifiziertes Zuflussprinzip, vgl BSG 29.08.2012, B 10 EG 18/11 R, juris). Für das Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit im Bemessungszeitraum vor der Geburt des Kindes ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG ein Einkommen auch dann im Bemessungszeitraum erzielt, wenn es in diesem Zeitraum erarbeitet, aber erst nach dessen Ablauf in Folge nachträglicher Vertragserfüllung durch den Arbeitgeber ausgezahlt worden ist (BSG 30.09.2010, B 10 EG 19/09 R, BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6; BSG vom 18.08.2011, B 10 EG 5/11 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 11). Mit dieser modifizierten Zuflusstheorie verfolgt das BSG das Ziel der Vermeidung von Zufallsergebnissen. Denn bei abhängig Beschäftigten ist die regelmäßige und zeitnahe Zahlung der Gehälter durch die Arbeitgeber der Regelfall, deren verspätete Zahlung dagegen die Ausnahme. Bei Einkünften aus selbstständiger Arbeit ist das Gegenteil der Fall, weshalb für Einkommen aus selbstständiger Arbeit am strengen Zuflussprinzip des Steuerrechts festzuhalten ist (BSG 05.04.2012, B 10 EG 10/11 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 14).

2. Dem steht nicht entgegen, dass es sich dabei um eine vertragsgemäße Bonuszahlung für die Tätigkeit im Vorjahr handelt und dass diese Aktien aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren nicht veräußert, verschenkt oder anderweitig übertragen werden dürfen.

Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Berücksichtigung des Zuflusses im Februar 2011 nicht entgegen, dass für die zugeteilten Mitarbeiteraktien eine Sperrfrist von drei Jahren galt. Nach der Rechtsprechung des BFH fließt dem Arbeitnehmer der geldwerte Vorteil mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zu; bei einem Aktienerwerb in dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Aktien erfüllt wird (BFH 30.06.2011, VI R 37/09, BFHE 234, 187 mwN). Vorliegend hat der Kläger nicht lediglich eine Anwartschaft auf den Erwerb von Mitarbeiteraktien erhalten (zB R. S. U., Option), sondern mit der Zuteilung im Februar 2011 einen unwiderruflich erworbenen Vermögenswert und damit die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Aktien, die auf seinen Namen im Depot hinterlegt sind. Dem Zufluss steht nicht entgegen, dass es sich um gesperrte Mitarbeiteraktien handelt, für die eine dreijährige Verfügungssperre gilt. Nur wenn dem Arbeitnehmer eine Verfügung über die Aktien rechtlich unmöglich wäre, wären sie nicht zugeflossen (vgl BFH 30.06.2011, aaO). Dies ist hier indes nicht der Fall. Nach dem N. Aktienbeteiligungsplan – Reglement werden die Mitarbeiteraktien bei Ausbezahlung des variablen Gehaltsanteils in Namenaktien ausbezahlt. Nach Art 684 Schweizer Obligationenrecht (<OR> Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches Fünfter Teil – Obligationenrecht idF vom 04.10.1991, in Kraft seit 01.01.1992, AS 1992 733) sind Namenaktien, wenn nicht Gesetz oder Statuten es anders bestimmen, ohne Beschränkung übertragbar. Eine gesetzliche Beschränkung der Übertragbarkeit sieht Art 685 OR nur für nicht voll liberierte, dh nicht voll einbezahlte Namenaktien vor, die nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragen werden dürfen. Die aufgrund einer Gehaltsumwandlung ausbezahlten Aktien sind indes voll liberiert, so dass keine gesetzliche Beschränkung vorliegt. Eine nach Art 685 OR mögliche statutarische Beschränkung liegt ebenfalls nicht vor; bei den hier betroffenen börsenkotierten Namenaktien könnte ein Erwerber als Aktionär auch nur sehr eingeschränkt abgelehnt werden, etwa wenn die Statuten eine prozentmäßige Begrenzung der Namenaktien vorsehen, für die ein Erwerber als Aktionär anerkannt werden muss und diese Begrenzung überschritten wird (vgl Art 685d OR). Rechtsgrundlage der Sperrfrist ist hier lediglich eine Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin. Diese obligatorische Veräußerungssperre hindert den Kläger aber nicht daran, die Aktien zu veräußern, denn dies ist, wie oben dargelegt, rechtlich möglich. Steuerlich ist der Zufluss im Sinne der og Rechtsprechung des BFH entsprechend im Februar 2011 eingetreten. Dies entspricht im Übrigen auch der steuerlichen Behandlung in der Schweiz. Nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) vom 14.12.1990 (AS 1991 1184) in der 2011 geltenden Fassung gehörten Mitarbeiteraktien unzweifelhaft zu den steuerbaren Einkünften aus dem Arbeitsverhältnis nach Art 17; auch gesperrte Mitarbeiteraktien wurden grundsätzlich bei Zuteilung besteuert, es wurde lediglich ein Einschlag auf den Verkehrswert pro Sperrfristjahr vorgenommen (vgl hierzu auch Merkblatt des kantonalen Steueramtes über die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen zum Zwecke der Zürcher Staats- und Gemeindesteuern und der direkten Bundessteuer vom 21.10.2009 Nr 13/301; Jeitzinger/Stebler, Reform der Besteuerung von Mitarbeiteroptionen: Ausgangslage, Ziele und Reformoptionen, Eidgenössische Steuerverwaltung, Mai 2010). In Art 17b DBG in der aktuellen Fassung ist nunmehr ausdrücklich geregelt, dass geldwerte Vorteile aus echten Mitarbeiterbeteiligungen, außer aus gesperrten oder nicht börsenkotierten Optionen, im Zeitpunkt des Erwerbs als Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit steuerbar sind, dabei sind bei Mitarbeiteraktien für die Berechnung der steuerbaren Leistung Sperrfristen mit einem Diskont von 6 Prozent pro Sperrjahr auf deren Verkehrswert zu berücksichtigen. Aus der Gehaltsabrechnung des Klägers für Februar 2011 ist zu ersehen, dass die Mitarbeiteraktien auch tatsächlich mit einem Ansatz von 14.849,25 SFr der Quellensteuer unterlagen. Die firmeninterne Sperrfrist steht nach alledem der Berücksichtigung des Zuflusses im Februar 2011 nicht entgegen.

Schlagworte: Belegschaftsaktien, Manager- und Mitarbeitermodelle, Managermodell, Mitarbeitermodell