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LG Meiningen, Urteil vom 22.11.2018 – Az.: (78) HK O 78/08

Art. 61 Abs, 1 lit. b, Art, 74,79 CISG; §§ 199, 204, 214, 249, 251 BGB

Tenor

1.
Die Klage wird abgewiesen.

2.
Die Kosten des Rechtsstreits erster lnstanz hat die Klägerin zu tragen.

3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4.
Der Streitwert wird festgesetzt auf ursprünglich 500.000,- €, ab dem 7.11.2017 auf 30 mio €.

Tatbestand
Die Beklagte und M…….., Automobilhersteller, entwickelten ab Mitte der 1990er Jahre einen Vierzylindermotor für ihre Fahrzeugproduktion. Ein zugekauftes Bauteil des Motors ist der sog. Balancer, ein Ausgleichsgetriebe. Der ursprünglich vorgesehene Balancer der Fa. …… funktionierte nicht zufriedenstellend. Die Beklagte wandte sich an die ……………, GmbH, mittlerweile verschmolzen mit der Klägerin, die Anfang 2000 (vgl. Besprechungsprotokoll vom 25.1.2000, Anlage K 105) Maßnahmen zur Behebung der Funktionsprobleme vorschlug und später mit Erfolg umsetzte, u. a. zweiteiliges, statt dreiteiliges Gehäuse des Balancer aus einem Material (Grauguss), kürzere Wellen und konstruktiv optimierte Zahnräder aus einem Materialstück.

Mit dem sog. Sourcing Confirmation Letter vom 28.3.2000, Anlage B 5, wurde die Klägerin als Zulieferer des Balancer ernannt.

Am 11.1.2001 schlossen die Parteien eine Langzeitvereinbarung für die Jahre 2001 bis 2006 („Long Term Agreement“ -LTA-, Anl. K 1, Bestätigungsschreiben, s. Anl. K 2).

Die Klägerin nahm die Serienproduktion der Balancer auf und lieferte an die Beklagte und M….., seit 2004 ca. 450.000 Balancer pro Jahr.

Sie hat M……. Konstruktionsunterlagen und technische Zeichnungen des Balancer zur Verfügung gestellt, diese wurden auch in das sog. WERS (Worldwide Engineering Release System) eingestellt, ein Computernetzwerk der Beklagten und der Fa. M……. zur Freigabe von Autoteilen, auf das auch Zulieferer Zugriff erhalten konnten.

Seit 2003 drängte die Beklagte darauf, dass die Klägerin von M,.,…, geforderte Konstruktionsänderungen („Designänderungen“) zur Kostenminimierung umsetzt, etwa die aufwändige Fertigung von Wellen und Zahnräder aus einem Stück aufgibt. Die Klägerin ist dem allerdings nicht oder nur teilweise, und allenfalls ab Januar 2006, nachgekommen.

M……. wurde auch von dem japanischen Unternehmen O..,., mit Balancern beliefert, die Klägerin stellte 2004 einen „sklavischen Nachbau“ ihres Balancer durch O…… fest und monierte gegenüber der Beklagten Urheberrechtsverletzungen, s. Bericht v. 4.3.2004 Anl. K 15 (Teilklage vom 7.8.2008, S.12); Besprechungsprotokoll vom 22.2.2005, Anl. K 20; Schreiben vom 3.3.2015, Anl. B 46.

Mitte 2005 verhandelten die Parteien über eine Beendigung der Lieferbeziehung und die Höhe einer Ausgleichszahlung an die Klägerin, s. E-Mail vom 5.8.2005, Anl. K 22.

Die Beklagte erwählte als Zulieferer der Balancer das mexikanische Unternehmen L……. (s, Schreiben vom 7.8.2005, Anl. B 23), das im März 2006 lieferbereit war (WERS-Eintrag vom 6.3.2006 Anl. K 16),

Bis Ende 2006 hat die Klägerin insgesamt rund 1,6 Millionen Balancer verkauft, die Beklagte bis März 2007 weitere rund 125.000 Balancer abgenommen, bevor sie die Lieferbeziehung beendete (Schreiben vom 16.3.2007, Anl. K 25) und Balancer von L……… bezieht.

Die Klägerin erhob den sog. cancellation claim (s. Teilklageschrift vom 6.8.2008, S. 16 ff., und Anl. K 26), die Gesamtschadensaufstellung über zunächst rund 20 mio €. Entgangenen Gewinn forderte sie nicht, sondern den Ersatz nicht amortisierter lnvestitionen in die weitere Balancerproduktion, u. a. Werkzeugbeschaffung (Fräser, Entgraträder) und Zahlungen an Zulieferer, Mit der im August 2008 erhobenen Teilklage verlangte sie einen Betrag von 500 T€, mit diesem Antrag verhandelte sie bis zur Klageerhöhung im November 2017.

Mit Schreiben vom 1.12.2009 aktualisierte sie den Gesamtschaden auf rund 21 mio € (Anl. B 18, Aktenorder I Nr, 2) und bot Vergleichsgespräche an.

Seit 2010 hat die Beklagte auf lnitiative der Klägerin wiederholt befristet auf die Einrede der Verjährung verzichtet, zuletzt im Februar 2017 , s. Anl. B 19.

Mit Zwischenurteil vom 25.3.2010 erklärte die Kammer sich für zuständig, weil die Einkaufsbedingungen der Beklagten, die einen Gerichtsstand in den USA vorsahen, nicht mit der Klägerin vereinbart worden seien. Auf die Berufung der Beklagten bestätigte das Thüringer Oberlandesgericht die landgerichtliche Entscheidung, Urteil vom 10.11.2010.

Mit Grundurteil vom 29.11.2012 erklärte die Kammer die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin laufe der Langzeitvertrag zwar nicht bis Ende des Jahres 2007, so dass ein vertraglicher Anspruch auf Abnahme weiterer Balancer ausscheide, doch komme ihr Schadensersatz zu, da die Beklagte sich widersprüchlich verhalten habe: Die Klägerin habe annehmen dürfen, die Geschäftsbeziehung werde bis Ende 2007 andauern, so dass sie Mehrbelastungen, die ihr im Vertrauen auf die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung erwachsen sind, ersetzt verlangen kann (Grundurteil, Seite 20). Einer unbefugten Weitergabe von Balancer-Daten an Dritte zu einem ungenehmigten Nachbau müsse deshalb nicht nachgegangen werden, Grundurteil, S. 30.

Das Thüringer Oberlandesgericht hat mit Urteil vom 8.12.2015 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Zutreffend habe das Landgericht angenommen, dass der Langzeitvertrag mit Ablauf des Jahres 2006 endete, ein zum Schadensersatz verpflichtendes, widersprüchliches Verhalten der Beklagten, auf das die Klägerin eine berechtigte Erwartung auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses habe stützen können, liege allerdings nicht vor: Die Parteien seien unabhängige und gleichberechtigte Vertragspartner, (auch) der Klägerin habe es oblegen, selbst zu entscheiden, welche lnvestitionen und unter welchen Bedingungen sie eingeht und ggf, durch vertragliche Absicherung für Rentabilität zu sorgen (Berufungsurteil 2015, Seite 19). Eine Schadensersatzpflicht der Beklagten bestehe aber, weil sie es zu vertreten habe, dass M….. Daten und Zeichnungen zum Bau des Balancer unerlaubt an O…../L.. weitergegeben habe, Berufungsurteil 2015, Seite 20 ff., 26, 27. Die Beweisaufnahme, Sachverständigengutachten Prof, Dr. Gänsicke, habe ergeben, dass L…………. Zeichensätze der……..-Konstruktion, auch das CAD-Modell, verwendet habe. Ohne die Weitergabe der Konstruktionsunterlagen hätte die Klägerin als Lieferantin wahrscheinlich nicht zeitnah ersetzt werden können, so dass die Lieferbeziehung über den 31.12.2006 hinaus fortgesetzt worden wäre, Berufungsurteil 2015, Seite 15.

Die Klägerin macht geltend, ohne die Weitergabe der Systemdaten hätte sie bis Ende 2016 mehr als 14 Millionen Balancer für F…,- und M……..-Motoren verkauft, ihr sei ein Gewinn von rund 118 mio € entgangen, s. Schreiben vom 7.11,2017, S. 11 ff. Hinzu käme ein weiterer Schaden von rund 19 mio € wegen vergeblicher Aufwendungen, Begleit- und Folgeschäden, s. Schreiben vom 7.11.2017, S. 20, 25 ff. Sie habe Bauteile und Werkzeuge (Fräser, Entgraträder) angeschafft, die sie nicht mehr habe verwenden können und Ausgleichszahlungen an Zulieferer geleistet, weil sie bestellte Teile für die Balancerproduktion nicht mehr abgenommen habe. Weiterhin habe sie Personal eingestellt, das sie nach Abbruch der Lieferbeziehung nicht adäquat habe einsetzen und die …………… AG (vor der Verschmelzung) mit Verwaltungsleistungen beauftragt, die sie nicht mehr habe nutzen können. Zudem seien ihr Lagerkosten für nicht abgenommene Balancer, Bauteile etc. entstanden. Aufgrund der Beendigung der Lieferbeziehung sei sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, habe schlechtere Bankkonditionen hinnehmen, Darlehen aufnehmen und kostenaufwendige Maßnahmen, etwa für Beratung und Restrukturierung, ergreifen müssen.

Die Klägerin beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an sie 137.263.355,04 € (nebst Zinsen, i. E., s. Schreiben vom 20.4.2018, S.7) zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagte zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet ist, die ihr – der Klägerin – aus der unerlaubten Weitergabe von Daten und Zeichnungen gemäß dem Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes vom Dezember 2015 entstanden sind oder noch entstehen werden.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie rügt die Zuständigkeit des Gerichts. Für die weitergehenden, im November 2017 anhängig gemachten Ansprüche, sei aufgrund ihrer wirksam einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausschließlich ein US-Gericht zuständig. ln der Sache seien die Ansprüche verjährt. Es gebe keine geschützten Betriebsgeheimnisse der Klägerin, ohnehin sei ihr – der Beklagten – ein Fehlverhalten von M…….. nicht zuzurechnen, Sie hätte die Geschäftsbeziehung zur Klägerin in jedem Fall beendet und sich einen Ersatzlieferanten gesucht. Wenn nicht die L………. mit dem Bau des Balancer befasst gewesen wäre, hätte sie im Juli 2005 die Neu- oder Nachkonstruktion eines Balancer in Auftrag gegeben, den sie anstelle der (erst) seit 26.3.2007 von L……..,… bezogenen Balancer verbaut hätte.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Zuständigkeit:
Die Feststellungen zur gerichtlichen Zuständigkeit in den bisher ergangenen Urteilen entfalten Rechtskraft nur für den Gegenstand der Teilklage, s. Zöller/ Vollkommer, ZPO,32. Auflage, 2018, Rn. 31, 34, 35, 47 vor § 322.

Die Kammer ist zur Entscheidung auch über die weiteren, zum Spruch gestellten Anträge zuständig gem. Art. 57 Abs. 1 lit. a CISG, § 29 ZPO.

Die Parteien haben einen Warenkaufvertrag abgeschlossen, ihre Rechte, (Neben-) Pflichten und die Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen beurteilen sich nach dem CISG (Art. 1 Abs. 1 lit. a, 3 Abs. 1), nicht nach dem Recht des US-Bundesstaates Michigan, wie die Beklagte meint, Schreiben vom 11.6.2018, Seite 20 ff.

Die Einkaufsbedingungen der Beklagte sind nicht vereinbart und ein Gerichtsstand in den USA gem. § 38 ZPO, Art. 6 CISG nicht begründet worden.

Die dazu angestellten Erwägungen im Zwischen- und Berufungsurteil 2010 tragen auch für die weiteren Klageansprüche.

Es fehlt bereits an einer Einbeziehungserklärung der Beklagten, ln der Zuliefererbestätigung, Sourcing Confirmation Letter vom März 2000, Anlage B 5, wird die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Einkaufsbedingungen) für einen späteren ,,Produktions-Kaufauftrag“ nur vorgesehen, die Langzeitvereinbarung (Anlage K 1) enthält keine Einbeziehungserklärung, ebenso nicht das Bestätigungsschreiben vom 2.1.2001, Anlage K 2.

Soweit die Aufforderungen zur Angebotsabgabe (RFQ), Anlage K 13, vorgeben, dass das Angebot auf den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten beruhen muss, so hat die Klägerin mit einer Angebotsabgabe nicht nachträglich den Geschäftsbedingungen, einschließlich der Gerichtsstandvereinbarung, zugestimmt. Diese Erwägungen gelten auch für die sog. PO’s (Purchase Order Amendment, Anlage B 9), welche Abnahmemengen und Preise für einen bestimmten Zeitraum festlegen, und für die sog. Releases, die konkreten Lieferabrufe. Mit dem sog. good-will-letter vom 2.5.2005 an die F…… Werke AG, Köln (Anl. B 2) hat die Klägerin die Geltung der AGB gegenüber der Beklagten nicht anerkannt, s. Zwischen- und Berufungsurteil 2012, (78) HK O 78/08 – Seite 7, S. 23 ff, bzw. 11 ff. lnsoweit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Klägerin die Einkaufsbedingungen zugänglich gemacht worden sind. Es kann dahinstehen, ob, wie die Beklagte , einwendet, die Zeugin Stogiera im Beweisaufnahmetermin am 14.1.2010 nur Schwierigkeiten gehabt habe, sich im System zu registrieren, dieser Schritt für die Klägerin während der Lieferbeziehung in Wahrheit aber unproblematisch gewesen sei, und sie sich ohne Schwierigkeiten einen Überblick über die Einkaufsbedingungen hätte verschaffen können.

Entgangener Gewinn, Schreiben vom 7.11.2017, S. 11 ff

Die Beklagte haftet nicht auf Ersatz entgangenen Gewinns gem. Art. 61 Abs, 1 lit. b, Art, 74,79 CISG. Ein solcher Anspruch ist jedenfalls verjährt, so dass sie frei geworden ist, § 214 Abs. 1 BGB.

Die Teilklage hemmt die Verjährung nur für den ersetzt verlangten Schaden (§ 204 Nr. 1 BGB, s. Palandt/Ellenberger, BGB, 77 . Aufl., 2018, Rn. 15, 16 zur § 204), nicht also für entgangenen Gewinn, auch nicht bis zur Höhe der Teilklage oder des cancellation claim über rund 21 mio €.
Entgangener Gewinn ist ein eigenständiger und abgrenzbarer Schaden gegenüber vergeblichen Aufwendungen, Begleit- und Folgeschäden aufgrund eines enttäuschten Vertrauens in den Fortbestand der Geschäftsbeziehung. Der kumulative Ersatz beider Schäden ist grundsätzlich ausgeschlossen, s. a. Münchener Kommentar zum BGB, Huber, 7. Aufl., 2016, Rn. 9, 48 a. E. zu Art.74 CISG. Die Klägerin kann nicht aufgrund der beendeten Lieferbeziehung nutzlos gewordene Aufwendungen etwa für Werkzeuge, Material, Personal, ersetzt verlangen und zugleich den Gewinn, den sie bei einem fortgesetzten Verkauf der Balancer erzielt, in diesem Fall aber auch die Produktionskosten zu tragen gehabt hätte. Schadensersatz soll erlittene Nachteile ausgleichen, nicht aber zu einer Besserstellung führen.

Die Feststellungen des Oberlandesgerichte im Urteil 2015, dass die Schadensersatzansprüche nicht verjährt sind, gilt nicht für den Gewinnausfallanspruch: Die Bindungswirkung des Berufungsurteils beschränkt sich auf den Gegenstand der Teilklage (Aufwendungen für Werkzeuge, Ausgleichszahlungen an Lieferanten), s. BGH, Urt. vom 20.5.2015, Vl ZR 187/13, Rn. 14; OLG Stuttgart, Urt. v.21.9.1995, 14 U 32/95, Rn. 40; Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Auflage,2018, Rn, 33 zu § 304.

Die Verjährung richtet sich nach deutschem Recht (Art. 27 ff ., 32 Abs. 1 S. 4 EGBGB a.F.), die -regelmäßige- Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

Der Anspruch entstand nach dem Abbruch der Lieferbeziehung im Jahr 2007 (nicht bereits mit einer pflichtwidrigen Weitergabe der Systemdaten), so dass der Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns mit Ablauf des Jahres 2010 verjährt ist.

Die Klägerin hätte schon 2007 -nicht erst nach dem Berufungsverfahren 2015- eine Feststellungsklage erheben können, wonach die Beklagte (u. a.) zum Ersatz des entgangenen Gewinns, auch für die Zukunft, verpflichtet ist, ggf. hätte sie auch den bereits entgangenen Gewinn beziffern und insoweit Zahlungsklage erheben können, vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., 2018, Rn.3, 15 zu § 199.

Der Anspruch ist im Jahr 2007 auch für einen in den Folgejahren entgangenen Gewinn entstanden, Grundsatz der Schadenseinheit, s. Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Auflage, 2018, Rn. 14 zu § 199.

Der fortlaufende Bezug der Balancer von L…… ist gegenüber der Klägerin keine andauernde oder wiederholte Pflichtverletzung der Beklagten, welche die Verjährungsfrist nicht oder mit jedem Bezug von neuem beginnen lässt, s, Palandt/Ellenberger, BGB, a.a.O., Rn.22 zu § 199.

Die Klägerin hatte kein exklusives Produktions- oder Belieferungsrecht. Die Klägerin hat zwar eine Verletzung ihrer Rechte moniert, den Nachbau der Balancer und eine Drittbelieferung aber letztlich hingenommen. Die von ihr vorgeschlagene Kompensation durch die Abnahme von jährlich 450.000 Balancer mindestens bis zum Jahr 2010 (s. Schreiben vom 3.3.2005, Anlage B 46) ist nicht umgesetzt worden, Auch nach der Weigerung der Beklagten, Balancer abzunehmen, hat die Klägerin weder Schritte gegen diese noch O…,./L…,…. unternommen, um einen Nachbau der Balancer, dessen Vertrieb und einen Bezug durch die Beklagte zu verhindern.

Die Klägerin kannte die anspruchsbegründenden Umstände gem. § 199 Abs. 1 Nr,2 BGB (s.

Palandt/Ellenberger, BGB,77. Aufl., 2018, Rn. 27 f .zu § 199) bereits bei Abbruch der Lieferbeziehung im März 2007, Es genügt die Kenntnis der Tatsachen für eine aussichtsreiche Klageerhebung, Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl,, 2018, Rn. 28 zu § 199; eine Gewissheit über die Weitergabe der Konstruktionsdaten, wie sie die Klägerin erst durch das Sachverständigengutachten im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht 2015 erlangt haben will (s. Schreiben vom 20.4.2018, Seite 79 ff.), ist für den Verjährungsbeginn nicht erforderlich.

ln der Teilklageschrift vom August 2008 (Seite 11 ff .) hat die Klägerin einen Ersatzanspruch auf die unerlaubte Weitergabe der Systemdaten für den Nachbau des Balancer gestützt und vorgetragen, die Beklagte habe seit Beginn der Lieferbeziehung Balancer nachbauen lassen und bezogen. Eine Beweisaufnahme zur eigenständigen Designentwicklung und ldentität der ……………..- und L……,-Balancer, wie vor dem Berufungsgericht durchgeführt, hätte bei Beweisbedarf schon vor dem Landgericht stattfinden können. Bis zum Hinweis- und Beweisbeschluss des Oberlandesgerichts vom 8.4.2014 hat die Klägerin zum Nachbau des Balancer durch L……. keine neuen Erkenntnisse vorgetragen; dass L……. die Systemdaten auch durch lndustriespionage erlangt haben könnte, wie sie nun einwendet (Schreiben vom 20.4.2018, S. 82), ist spekulativ und widerspricht dem eigenen Vortrag.

Die Verjährung des Gewinnausfallanspruchs ist nicht durch (andauernde)Verhandlungen gem. S 203 BGB gehemmt. Die lnitiative der Klägerin, s. Schreiben vom 1.12.2009, Anlage B 18, galt dem aktualisierten Gesamtschaden gemäß cancellation claim von mittlerweile rund 21 mio €, nicht dem sehr viel höheren Gewinnausfallanspruch. Sie hat überdies zu außergerichtlichen Verhandlungen nichts Näheres vorgetragen, insbesondere nicht, zu welchen Zeiten diese geführt worden sind. Allein die von der Beklagten wiederholt abgegebenen Erklärungen, befristet auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, belegen keine Verhandlungen.

Die Einredeverzichtserklärungen der Beklagten ab 2010 beziehen sich ausschließlich auf die Verjährung der Schäden gem. cancellation claim von rd. 21 mio €, Stand 1.12.2009. Auf den cancellation claim hat die Beklagte in jeder Verzichtserklärung, auch in der letzten vom 21.2.2017, Bezug genommen.

Maßgeblich für die Reichweite der Verzichtserklärungen ist der sog. Empfängerhorizont (s. Palandt/Ellenberger, 77. Auflage , 2018, Rn. 9 zu § 133 BGB); es kommt darauf an, wie die Klägerin die Erklärungen den Umständen nach redlichenweise verstehen musste.

Die Formulierung ,,etwaiger Schadensersatzanspruch“ in den Verzichtserklärungen bedeutet
nicht eine Erweiterung auf Gewinnausfallschäden, von denen bis dahin nicht die Rede war, sondern bringt nur zum Ausdruck, dass die Beklagte jedwede Haftung ablehnt.

Die Alternative zu einer Verjährungsverzichtserklärung war aus Sicht beider Parteien eine verjährungshemmende Klageerweiterung über den von Beginn an der Höhe nach im Wesentlichen feststehenden Gesamtschaden. Die Klägerin durfte nicht annehmen, die Beklagte verzichte auf die Verjährungseinrede auch für entgangenen Gewinn, also wegen eines Schadens, der sich nach eigener Darstellung bereits 2007, lange vor der ersten Verzichtserklärung, auf rund 27 ,5 mio € belief, seit 2008 jährlich um rund 10 mio € anstieg und zum Jahresende 2016, zeitlich vor der letzten Verzichtserklärung im Februar 2017 , rund 1 18 mio € betrug, s. tabellarische Übersicht, Klageerhöhung vom 7.11.2017, S. 18, auch Anl. K 115.

Wegen der eingetretenen Verjährung muss nicht erörtert werden, ob der Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns aufgrund einer im Geltungsbereich des CISG von Amts wegen zu berücksichtigenden Verwirkung, d. h., einer dem eigenen Verhalten widersprechenden, verspäteten Rechtsausübung ausgeschlossen ist. Die Klägerin hat entgangenen Gewinn erstmals mehr als 10 Jahre nach dem Ende der Lieferbeziehung geltend gemacht.

Erwägungen zur Höhe des entgangenen Gewinns sind nicht anzustellen. Die Klägerin verlangt für die Jahre 2007 bis 2016 einen Ersatz für im Jahresdurchschnitt mehr als 1,4 mio nicht verkaufter Balancer, das ist in etwa die 3 bis 4-fache Menge, die sie bis Ende 2006 aufgrund des LTA verkauft hat.

Vergebliche Aufwendungen, Begleit- und Folgeschäden, Schreiben vom 7.11.2017, S. 20, 25 ff.

Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz gem. Art. 61 Abs. 1 lit. b, Art. 74, 79 CISG besteht nicht.

Es fehlt jedenfalls an der Vorhersehbarkeit des Schadens gemäß § 74 Satz 2 CISG.

Die vom Oberlandesgericht im Rahmen der Teilklage festgestellte Vertragsverletzung kann für die Klageerweiterung unterstellt werden, dass also die Beklagte oder M ………. Betriebsgeheimnisse der Klägerin, vertrauliche Konstruktionszeichnungen und -daten, an O……../L ……………….. weitergegeben bzw. einen Zugriff auf das WERS erlaubt haben, die Beklagte das Verhalten von M……… zu vertreten hat.

Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche richten sich auf Ersatz des Schadens, den sie aufgrund ihres (enttäuschten) Vertrauens in einen Fortbestand der Lieferbeziehung bis jedenfalls Ende 2007 erlitten hat.

Eine Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Vertrauensschaden nach der anzulegenden Äquivalenztheorie (s. Münchener Kommentar zum BGB, Huber, 7. Aufl., 2016, Rn. 20 zu Art.74 CISG; zur conditio-sine-qua-non-Formel, vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016, Az. Vlll ZR 49/16, NJW-RR 2017, 329, Tz.17) kann unterstellt werden: Bei pflichtgemäß unterlassener Weitergabe der Systemdaten wären die geltend gemachten Vermögenseinbußen zumindest nicht in voller Höhe entstanden.

Für den Gegenstand der Teilklage legen das die insoweit bindenden Feststellungen des Oberlandesgerichtes im Berufungsurteil 2015 nahe, wonach die Klägerin wahrscheinlich auch nach März 2007 Balancer an die Beklagte verkauft hätte, weil diese darauf angewiesen gewesen wäre. ln diesem Fall hätten sich die lnvestitionen der Klägerin, etwa in Werkzeuge, zumindest teilweise amortisiert, auch die klageerweiternd geltend gemachten Schäden, weitere (nutzlose) Aufwendungen für Personal, Liquiditätsbeschaffung, Restrukturierung, Beratung etc., wären zumindest nicht in dieser Höhe angefallen.

Es fehlt aber an der die Haftung begrenzenden Vorhersehbarkeit des Schadens, s. Münchener Kommentar zum BGB, Huber,7. Aufl., 2016, Rn. 20, 25 ff .zu Art.74 CISG.

Einen Verlust der Klägerin durch vergebliche Aufwendungen, Begleit- und Folgeschäden, wie geltend gemacht und deren Bestehen unterstellt, musste die Beklagte bei Vertragsschluss als mögliche Folge der Verletzung von Betriebsgeheimnissen nicht vorhersehen.

Das Oberlandesgericht hat im Berufungsurteil, Seite 19, ausgeführt, dass beide Parteien für die Amortisierung ihrer lnvestitionen bis Ende 2006 selbst zu sorgen hatten, mit anderen Worten, es gab kein rechtlich geschütztes Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der Lieferbeziehung nach Ablauf des Jahres 2006. Wörtlich hat das Oberlandesgericht festgestellt: ,,Sofern die Klägerin von ihr zu tätigende lnvestitionen nur unter der Bedingung einer längeren Geschäftsverbindung als vorgesehen für sinnvoll hielt, hätte ihr oblegen, entsprechende vertragliche Vereinbarungen zu fordern.“

Diese Feststellungen hat das Oberlandesgericht auch eingedenk der pflichtwidrigen Weitergabe der Systemdaten getroffen. ln der Sache macht sich die Kammer die Feststellungen des Oberlandesgerichtes zur Vertragslaufzeit bis Ende 2006 und dem widerspruchsfreien Verhalten der Beklagten zu eigen, die Klägerin hat diese Feststellungen auch nicht angegriffen.

Die Stellung der Parteien als selbstständige Geschäftspartner, die während ihrer Geschäftsbeziehung auf eigenes Risiko und eigene Rechnung handeln, bestimmte bei Vertragsschluss die Erwartungen jeder Partei an die Vertragsdurchführung und die Folgen einer Vertragsverletzung.

Die Beklagte konnte davon ausgehen, dass sich die Klägerin auf ein Ende der Balancerproduktion und -belieferung zum Jahresende 2006 einstellt, nutzlose Aufwendungen und Schäden vermeidet und ggf. auf sich nimmt, auch bei einer pflichtwidrigen Weitergabe ihrer Konstruktionsunterlagen und -daten während der Vertragsbeziehung, Die Beklagte musste nicht vorhersehen, dass die Vertragsverletzung faktisch zu einer Verkürzung der Lieferbeziehung führen wird, weil sie ansonsten „gezwungen“ (Schreiben der Klägerin vom 24.9.2018, S. 26) gewesen wäre, auch nach Ablauf der Vertragslaufzeit bzw. ab März 2007 noch Balancer von der Klägerin abzunehmen.

Tatsächlich hat die Klägerin die ersetzt verlangen Aufwendungen für die weitere Balancerproduktion deshalb getroffen, weil sie von einer vertraglich vereinbarten Laufzeit des LTA bis Ende des Jahres 2007 ausging, vgl. Grundurteil 2015, Seite 5 f.

Nach ihrer Darstellung hätte sie allein im Jahr 2007 rund 27,5 mio € durch den Verkauf der Balancer verdient, so dass sich ihre lnvestitionen amortisiert hätten.

Weil es an einem vorhersehbaren, d.h. zurechenbaren (Vertrauens-) Schaden infolge der Pflichtverletzung fehlt, ist die Klage trotz des Grundurteils abzuweisen, s, Zöller/Feskorn, ZPO, a. a. O., Rn. 21 zu § 304.

Zu einer Vorhersehbarkeit des Schadens hat das Oberlandesgericht im Berufungsurteil 2015 zumindest nicht ausdrücklich ausgeführt. Soweit es einen Schaden der Klägerin wegen nicht verkaufter Balancer nach März 2007 annimmt (Urteil, S. 15), stellt es letztlich auf einen Ersatz entgangenen Gewinns (und nicht nutzloser Aufwendungen) ab, der wohl gem. § 74 S. 2 CISG vorhersehbar, aber seinerzeit nicht streitgegenständlich war, so dass Feststellungen dazu die Kammer nicht binden (s. Nachweise, S. 7 unt.)

Nicht nachzugehen ist deshalb dem Einwand der Beklagten, sie hätte wegen der gestörten Geschäftsbeziehung spätestens im Juli 2005 eine Neu- oder Nachkonstruktion des Balancer („reverse engineering“) in Auftrag gegeben („rechtmäßiges Alternativverhalten“), dieser Balancer wäre im März 2007 serienreif gewesen und die Klägerin regulär als Lieferantin ersetzt worden, so dass ihr durch eine Weitergabe der Systemdaten kein Schaden entstanden sei.

Feststellungsantrag

Mangels einer Schadenersatzverpflichtung ist der Feststellungsantrag unbegründet.

Die Entscheidung über Kosten, soweit nicht bereits gesondert erfolgt, beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 39, 40 Abs. 1, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG, §§ 3, 4 Abs. l ZPO.

 

Schlagworte: Hemmung der Verjährung, Kenntnisabhängige Verjährung, Urteil vom 08.12.2015 – 5 U 1042/12, Urteil vom 22.11.2018 - Az.: (78) HK O 78/08, Verjährung, Verjährungsbeginn