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LG Bonn, Urteil vom 14.07.2016 – 14 O 88/14

AktG § 93Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 93

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, 249, 421 BGB.

Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG haben die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Verletzen sie ihre Pflichten, sind sie der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Eine Pflichtverletzung liegt nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG dann nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Hierbei hat die Gesellschaft lediglich darzulegen und zu beweisen, dass ihr durch ein Verhalten des Vorstandsmitglieds in seinem Pflichtenkreis, das möglicherweise pflichtwidrig ist, ein Schaden entstanden ist. Das Vorstandsmitglied hat dagegen nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG darzulegen und zu beweisen, dass es seine Pflichten nicht verletzt oder jedenfalls schuldlos gehandelt hat oder dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, was ggf. den Nachweis der Einhaltung seines grundsätzlich weiten unternehmerischen Entscheidungsspielraums einschließt. Dabei ist zu beachten, dass potentiell haftungsausschließend nur rechtmäßige unternehmerische Entscheidungen sind, d.h. sie dürfen nicht gesetzes- oder satzungswidrig sein. Außerhalb der Grenzen, die durch das Gesetz und die Satzung gezogen werden, bedarf es keines Entscheidungsspielraums (vgl. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, U. v.15.01.2015, Az.: 6 U 48/14, m.w.N., zitiert nach juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten nicht festgestellt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist den Beklagten keine Pflichtwidrigkeit in Form der Missachtung eines Zustimmungsvorbehalts vorzuwerfen, wobei die Frage einer etwaigen Beweislastumkehr dahingestellt bleiben kann.

Der Vorstand handelt pflichtwidrig, wenn er den Zustimmungsvorbehalt oder gar die Verweigerung der Zustimmung durch den Aufsichtsrat missachtet. Gemäß § 82 Abs. 2 AktG ist der Vorstand verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, die der Aufsichtsrat für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen hat; unter den weiteren Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 AktG haftet der Vorstand auf Ersatz des durch die Missachtung eines Zustimmungsvorbehalts verursachten Schadens (vgl. hierzu Habersack, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., § 111 Rn. 129).

Nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG hat die Satzung oder der Aufsichtsrat zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen. Die Satzung der Klägerin (vgl. Anlage K 2 zur Klageschrift) enthält in § 10 Abs. 1 einen solchen Zustimmungsvorbehalt u.a. für „projektbezogene Ausgaben, die im Einzelfall eine vom Aufsichtsrat festzulegende Grenze übersteigen“ (Nr. 5) sowie für „Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundeigentum und grundstücksgleichen Rechten, soweit im Einzelfall eine vom Aufsichtsrat festzulegende Grenze überschritten wird“ (Nr. 8). Diese – für sich allein mit dem Bestimmtheitserfordernis nicht zu vereinbarende – Klausel wird ergänzt durch die Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 der gemäß § 9 der Satzung vom Aufsichtsrat beschlossenen Geschäftsordnung für den Vorstand in der Fassung ab 08.02.2006 (vgl. Anlage K 3 zur Klageschrift), wonach projektbezogene Ausgaben bzw. Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundeigentum und grundstücksgleichen Rechten jeweils „bei Beträgen über 25 Mio. EUR im Einzelfall bezogen auf das Gesamtprojekt“ der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Danach waren sowohl der Erwerb der Immobilie „X“ als auch die Ausreichung des Darlehens an T4 zustimmungspflichtig, da die damit verbundenen Ausgaben unstreitig jeweils über dem in § 7 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 der Geschäftsordnung des Vorstandes formulierten Schwellenwert lagen. Diese Zustimmung ist im vorliegenden Fall durch Beschluss des Aufsichtsrates vom 26.01.2007 auch erteilt worden (vgl. hierzu Protokoll der Telefonkonferenz am 26.01.2007, Anlage K 8 zur Klageschrift). Dabei ist zu differenzieren zwischen dem Erwerb der Immobilie einerseits – diese fällt unter § 7 Abs. 1 Nr. 7 der Geschäftsordnung – und der Ausreichung des Darlehens andererseits, deren Zustimmungsbedürftigkeit sich aus § 7 Abs. 1 Nr. 5 der Geschäftsordnung ergibt. Es handelt sich – soweit es um den im vorliegenden Fall in Satzung und Geschäftsordnung geregelten Zustimmungsvorbehalt gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG geht – um zwei getrennt voneinander zu beurteilende, jeweils für sich zustimmungspflichtige Geschäfte, auch wenn diese letztlich im Zusammenhang mit ein und demselben Projekt stehen. Dies müssen letztlich auch die Beklagten so gesehen haben, da in dem Antrag auf Beschlussfassung in der Vorlage für den Aufsichtsrat zum 26.01.2007 (Anlage K 6 zur Klageschrift) u.a. sowohl auf § 7 Abs. 1 Nr. 5 als auch auf § 7 Abs. 1 Nr. 7 der Geschäftsordnung Bezug genommen wird.

Obwohl die Umsetzung des vom Aufsichtsrat hiermit gebilligten Geschäfts nicht in allen Punkten der erteilten Zustimmung entsprach, bestand keine Pflicht zur (erneuten) Vorlage an den Aufsichtsrat zwecks Nachgenehmigung.

Auch nach Erteilung der Zustimmung des Aufsichtsrats bleibt der Vorstand in seiner Entscheidung frei, ob er das Geschäft vornimmt (Mertens, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., § 111 Rn. 114 m.w.N.). Der Vorstand hätte daher – vorausgesetzt, dies hätte nicht im Widerspruch zu den ihm obliegenden Pflichten gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG gestanden – trotz erteilter Genehmigung des Aufsichtsrats von dem Geschäft insgesamt oder in Teilen Abstand nehmen können. Hiervon haben die Beklagten im vorliegenden Fall auch Gebrauch gemacht, soweit es um die ursprünglich vorgesehene Beteiligung der Klägerin mit Eigenkapital in Höhe von 15 Mio. EUR ging. Ebenso gut hätten sie unter den genannten Voraussetzungen auch ganz auf die Ausreichung des (Gesellschafter-)Darlehens verzichten können, zumal im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat – wie die Formulierung „gibt dort ggf. ein Gesellschafterdarlehen“ zeigt – offensichtlich noch nicht hinreichend feststand, ob eine Beteiligung durch ein (Gesellschafter-)Darlehen von 30 Mio. tatsächlich erfolgen soll.

Entschließt sich der Vorstand nachträglich zu erheblichen inhaltlichen Veränderungen des vom Aufsichtsrat gebilligten Geschäfts, muss er jedoch die Zustimmung des Aufsichtsrats erneut einholen. Entsprechendes gilt auch für wesentliche Änderungen einer unter Zustimmungsvorbehalt stehenden und vom Aufsichtsrat gebilligten Planung. Abweichungen des tatsächlichen Geschäftsverlaufs von der Planung sind dagegen als solche nicht zustimmungspflichtig (Mertens, a.a.O.).

Eine solche erhebliche Veränderung des vom Aufsichtsrat gebilligten Geschäfts lag hier indes nicht vor. Zwar ist § 7 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 der Geschäftsordnung des Vorstandes entgegen der Auffassung der Beklagten nicht so zu verstehen, dass die Formulierung „im Einzelfall bezogen auf das Gesamtprojekt“ bedeutet, dass eine projektbezogene bzw. im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundeigentum stehende Ausgabe, die den Betrag von 25 Mio. EUR im Einzelfall übersteigt und demgemäß zustimmungspflichtig ist, nach erteilter Zustimmung erst bei einer nachträglichen Veränderung von mehr als 25 Mio. EUR (erneut) zustimmungspflichtig wird. Diese Lesart ist weder mit dem Wortlaut der jeweiligen Regelung zu vereinbaren noch entspricht sie deren Sinn und Zweck, bestimmte Geschäfte i.S.d. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG, die von grundlegender Bedeutung für die Gesellschaft sind, von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig zu machen, da anderenfalls regelmäßig Überschreitungen bis zu 100 % des in der Geschäftsordnung formulierten Schwellenwerts von 25 Mio. EUR zulässig wären. Vielmehr ist gerade aufgrund der Formulierung „im Einzelfall bezogen auf das Gesamtprojekt“ auf das ursprüngliche Geschäft abzustellen, so dass dann, wenn bereits dieses wegen Überschreitung des Schwellenwerts zustimmungsbedürftig war, jede weitere Veränderung – auch wenn diese für sich betrachtet unter 25 Mio. EUR liegt – grundsätzlich zustimmungspflichtig bleibt, es sei denn, es handelt sich nicht um eine erhebliche inhaltliche Veränderung gegenüber dem ursprünglich beabsichtigten und vom Aufsichtsrat bereits genehmigten Geschäft. Im Übrigen wird man die Formulierung „im Einzelfall bezogen auf das Gesamtprojekt“ dahingehend zu verstehen haben, dass die betreffende projektbezogene bzw. im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundeigentum stehende Ausgabe innerhalb des Gesamtprojekts (d.h. „X“) nur dann zustimmungspflichtig ist, wenn sie für sich genommen den Betrag von 25 Mio. EUR überschreitet, und nicht schon dann, wenn nur die Gesamtsumme der von der Gesellschaft bislang getätigten Ausgaben innerhalb dieses Gesamtprojekts den Schwellenwert von 25 Mio. EUR überschreitet.

Das ausgereichte Darlehen stellt weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht eine erhebliche und deshalb erneut zustimmungspflichtige Veränderung dar. Bei der Beurteilung, ob eine solche erhebliche Veränderung gegenüber dem vom Aufsichtsrat gebilligten Geschäft vorliegt, ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen.

Im vorliegenden Fall ist daher bei der Frage, ob eine erhebliche quantitative Veränderung vorliegt, nicht allein auf die Höhe des ursprünglich beabsichtigten Darlehens in Höhe von 30 Mio. GBP abzustellen, sondern zudem zu berücksichtigen, dass der Aufsichtsrat in seinem am 26.01.2007 gefassten Beschluss im Zusammenhang mit der Darlehensvergabe darüber hinaus einer weiteren Investition zugestimmt hat, nämlich der Beteiligung mit Eigenkapital von 15 Mio. GBP an der Darlehensnehmerin; der Aufsichtsrat hat somit im Zusammenhang mit dem Joint-Venture-Partner eine Investition in Höhe von insgesamt 45 Mio. GBP gebilligt. Bezogen auf diesen Betrag ist das ausgereichte Darlehen damit nicht um 22 Mio. GBP, sondern lediglich um 7 Mio. GBP höher als ursprünglich beabsichtigt, was einer Veränderung um ca. 15 % entspricht. Dabei handelt es sich weder für sich genommen noch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände um eine erhebliche Veränderung. Auch wenn sich eine schematische Betrachtungsweise verbietet, wird man von einer erheblichen Veränderung in der Regel erst ab einer Überschreitung von 20 % und mehr sprechen können. Jedenfalls ist im konkreten Fall eine Grenze von weniger als 20 % nicht angezeigt: Auch wenn das Darlehen – wie bereits ausgeführt – für sich genommen gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 der Geschäftsordnung zustimmungsbedürftig ist, darf im Rahmen der Frage nach der Erheblichkeit einer Änderung nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die projektbezogenen Ausgaben für das Gesamtprojekt „X“ auf ein Vielfaches des Darlehensbetrages belaufen und die Darlehensvergabe als integraler Bestandteil des gesamten Finanzierungskonzepts deshalb nur einen Bruchteil dieser Ausgaben umfasst. Dass es sich bei der Vergabe des Darlehens lediglich um einen – wenn auch für sich genommen ebenfalls genehmigungsbedürftigen – „Finanzierungsbaustein“ im Rahmen der Gesamtfinanzierung handelt, ergibt sich daraus, dass 1. die Immobilie gemeinsam mit institutionellen Partnern, namentlich T4, erworben werden sollte, 2. dieser Partner über vergleichsweise wenig Eigenkapital (35 Mio. GBP bzw. 45 Mio. GBP) verfügte, so dass der Rest finanziert werden musste und 3. die Beteiligten darüber einig waren, dass zumindest ein Teil dieser Finanzierung über den von der Klägerin zu gewährenden Junior M2 erfolgen sollte (vgl. Seite 2 der Vorlage für den Aufsichtsrat zum 26.01.2007, Anlage K 6 zur Klageschrift sowie Seiten 3 und 5 der Niederschrift zur Telefonkonferenz am 26.01.2007, Anlage K 8 zur Klageschrift). Der Junior M2 war mithin nur ein Bestandteil der gesamten Finanzierung, weshalb für die Beurteilung, ob eine erhebliche Veränderung in quantitativer Hinsicht vorliegt, nicht nur auf die Erhöhung des Darlehensbetrages selbst, sondern auch auf die vom Aufsichtsrat „abgesegneten“ Gesamtinvestitionskosten für den Erwerb der Immobilie durch die Klägerin abzustellen ist. Vor diesem Hintergrund ist die Änderung gegenüber dem vom Aufsichtsrat gebilligten Geschäfts aber nicht als erheblich einstufen und bedurfte mithin keiner erneuten Zustimmung. Auf die Regelungen in der „Kompetenzrichtlinie“ (vgl. nur Anlage B 4-20 zum Schriftsatz des Beklagten zu 4. vom 26.09.2014), deren rechtliche Qualität zwischen den Parteien streitig ist, kommt es somit nicht mehr an.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der qualitativen Veränderung, die ebenfalls nicht als erheblich anzusehen ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Aufsichtsrat – wie die Beklagten behaupten – für die Umsetzung des Projekts „X“ zwei grundlegende Auflagen gemacht hat, nämlich die Vermeidung einer Vollkonsolidierung sowie die frühzeitige Sicherstellung des späteren Vertriebs der Fondsanteile. Unabhängig davon ist die qualitative Veränderung, die das tatsächlich ausgereichte Darlehen (als einfaches Darlehen ohne Beteiligung) gegenüber der vom Aufsichtsrat erteilten Zustimmung (zu einem Gesellschafterdarlehen mit Beteiligung) erfahren hat, keine erhebliche Veränderung, die eine erneute Vorlage an den Aufsichtsrat erforderlich gemacht hätte. Zwar ist die ursprünglich vorgesehene Beteiligung, wie sich aus der Vorlage für den Aufsichtsrat zum 26.01.2007 (Anlage K 6 zur Klageschrift) ergibt, deshalb als vorteilhaft angesehen worden, weil die Klägerin auf diese Weise – weil die F-Tranche nicht ausschüttet, sondern das Ergebnis bei Verkauf des Gebäudes erzielt – an der Wertsteigerung des Objekts hätte teilhaben können; prognostiziert wurde aus der Beteiligung „im Basisszenario bei Verkauf 2017“ ein Rückfluss von 250 % bzw. ein Gewinn von rund 34 Mio. EUR (IRR 10 %) sowie eine vorrangige Ausschüttung von 7,3 % auf den Junior M2 (vgl. Seiten 2 und 3 der Vorlage für den Aufsichtsrat zum 26.01.2007). Anlässlich der Telefonkonferenz am 26.01.2007 wurde den Mitgliedern des Aufsichtsrats zudem als weiterer Vorteil erläutert, dass die Klägerin im Falle der Beteiligung eine Sperrminorität habe und so Einfluss im F-Fonds nehmen könne (vgl. Seite 3 des Protokolls der Telefonkonferenz am 26.01.2007, Anlage K 8 zur Klageschrift). Indes kann nicht festgestellt werden, dass die geschilderten Vorteile ausschlaggebend oder gar „Geschäftsgrundlage“ für die Zustimmung des Aufsichtsrats waren. Denn bei der Darlehensvergabe handelte es sich lediglich – wie bereits dargestellt – um nur einen dem gesamten Finanzierungskonzept immanenten Baustein, dessen konkrete Ausgestaltung als Gesellschafterdarlehen von den Beteiligten zwar diskutiert wurde und auch Gegenstand der vom Aufsichtsrat erteilten Zustimmung war, letztlich aber gegenüber den in diesem Zusammenhang ebenfalls getroffenen Entscheidungen (Erwerb von „X“ gemeinsam mit institutionellen Partnern, Auflage des Q-Fonds) nicht von derart wesentlicher Bedeutung war, als dass der Vorstand gehalten gewesen wäre, die Änderung in ein einfaches Darlehen ohne Beteiligung an der F-Tranche dem Aufsichtsrat zur erneuten Zustimmung vorzulegen. Vielmehr durfte der Vorstand hierüber im Rahmen der ihm obliegenden Leitungsfunktion gemäß § 76 Abs. 1 AktG selbständig entscheiden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich die tatsächlich getroffene Maßnahme (einfaches Darlehen ohne Beteiligung) – bezogen auf den damaligen Zeitpunkt und im Vergleich zu der ursprünglich beabsichtigten Ausgestaltung des Darlehens (Gesellschafterdarlehen) – als für die Klägerin grundsätzlich nachteilig oder risikobehaftet dargestellt hätte, nicht ersichtlich sind und dies im Übrigen auch von den Beklagten, die eine wesentliche qualitative Änderung letztlich lediglich mit den vermeintlich entgangenen Vorteilen zu begründen versuchen, nicht behauptet wird. Dies gilt umso mehr, als die in der Beschlussvorlage an den Aufsichtsrat prognostizierten Vorteile, die sich aus einer Beteiligung der Klägerin an T4 hätten ergeben sollen, aufgrund der Gründe, die zur Zwangsverwaltung der „X“ geführt haben, im Nachhinein wahrscheinlich ohnehin nicht hätten realisiert werden können.

Nach alledem bedurfte die Ausreichung des Darlehens keiner (erneuten) Zustimmung durch den Aufsichtsrat, weshalb die Frage, ob der Aufsichtsrat bei erneuter Vorlage zugestimmt hätte, einer Klärung nicht bedarf. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob und inwieweit eine nachträgliche Billigung der Maßnahme durch den Aufsichtsrat – die grundsätzlich einen ausdrücklich gefassten Beschluss erfordert (vgl. hierzu BGH, U. v. 17.12.2001, ZIP 2002, 216 f.; OLG RostockBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Rostock
, B. v. 30.05.2008, Az.: 1 U 36/08; jeweils zitiert nach juris) – in Betracht kommt.

Da der geltend gemachte Schadensersatzanspruch schon an der fehlenden Pflichtverletzung scheitert, kommt es auf die Verantwortlichkeit der einzelnen Beklagten nicht mehr an. Dasselbe gilt für die übrigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz gemäß § §§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, 249 BGB. Schließlich kann auch dahingestellt bleiben, ob der Schadensersatzanspruch im Falle einer Pflichtverletzung verjährt oder verwirkt wäre.

Das Vorbringen in den Schriftsätzen der Klägerin vom 14.04.2016 (Bl. … ff. d.A.), des Beklagten zu 1. vom 15.04.2016 (Bl. … f. d.A.), des Beklagten zu 2. vom 15.04.2016 (Bl. … ff. d.A.), des Beklagten zu 3. vom 14.04.2016 (Bl. … ff. d.A.) und vom 15.04.2016 (Bl. … ff. d.A.) sowie des Beklagten zu 4. vom 15.04.2016 (Bl. … f. d.A.) führt weder zu einer abweichenden Beurteilung noch rechtfertigt es die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Aus diesem Grund war auch die mit Schriftsatz der Klägerin vom 14.04.2016 erfolgte Klageerhöhung, die sich auf die nach dem Vortrag der Klägerin bis einschließlich 29.01.2016 weiter aufgelaufenen Refinanzierungskosten bezieht, nicht förmlich zuzustellen (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, B. v. 04.02.2013, SchlHA 2013, 421 f., zitiert nach juris).

Schlagworte: Haftung Geschäftsführer und Haftung Vorstand, Haftung Vorstand