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LG Hamburg, Beschluss vom 09.06.2020 – 412 HKO 78/20

1. Die Abstimmungsfrist im erleichterten Umlaufverfahren nach § 2 COVMG hat sich an der gesetzlichen (§ 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ) oder satzungsmäßigen Frist zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung zu orientieren.

Bei Umlaufbeschlüssen nach § 2 COVMG (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID‑19-Pandemie im Zivil‑, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, BGBl. I 2020, 569), für welche nicht das Einverständnis aller GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einverständnis aller Gesellschafter
Gesellschafter
vorliegt, sind für die Wirksamkeit einer kontroversen Beschlussfassung Mindestfristen einzuhalten, die sich an der Wochenfrist für die Einberufung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
Einberufung der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung
(§ 51 GmbHG ) bzw. einer etwaigen längeren satzungsmäßigen Einberufungsfrist orientieren (vgl. Seulen/Heinrichs, DB 2020, 1225). Bei einer Absendung der Ladung am Freitag, den 29.5.2020, hätte eine Beschlussfassung in einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung erst am Dienstag, den 9.6.2020, erfolgen können. Selbst wenn die Nein-Stimme des Antragstellers also am 5.6.2020 bei der Gesellschaft eingegangen sein sollte, hätte sie berücksichtigt werden müssen. Das im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Einstimmigkeitsgebot hätte – soweit kein Ausnahmetatbestand vorliegt – zur Ablehnung des Beschlusses geführt.

2. Ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über den Ausschluss eines Gesellschafters setzt das tatsächliche Vorliegen eines wichtigen Grundes in Person des Gesellschafters voraus. Der auf Grundlage eines Stimmverbots gefasste Ausschließungsbeschluss darf regelmäßig erst nach gerichtlicher Klärung (z.B. durch Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zum Handelsregister) umgesetzt werden.

In materieller Hinsicht hängt die Wirksamkeit der Beschlussfassung davon ab, dass ein Stimmverbot gemäß den §§ 47 Abs. 4 GmbHG bzw. § 10 Abs. 1 Nr. 1d) der Satzung vorliegt. Das ist nur der Fall, wenn tatsächlich ein wichtiger Grund dafür in der Person des Gesellschafters besteht. Diese Frage ist als offen anzusehen. Es ist im Allgemeinen nicht gerechtfertigt, dass der betroffene Gesellschafter aufgrund der bloßen Behauptung der Voraussetzungen eines wichtigen Grundes Nachteile erleidet. Vor der Umsetzung derartiger Beschlüsse sind die Gesellschafter in der Regel gehalten, die gerichtliche Klärung abzuwarten. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeiten, nach Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste die streitbefangenen Anteile an einen Dritten zu veräußern.

Sachverhalt

Die Parteien streiten im Wege der einstweiligen Verfügung über die Möglichkeit, einen im erleichterten Umlaufverfahren nach § 2 COVMG gefassten Ausschließungsbeschluss, z.B. durch Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zum Handelsregister, zu vollziehen.

Am 29.5.2020 leitete die Gesellschaft die Beschlussfassung im erleichterten Umlaufverfahren ein. Der vom Ausschluss betroffene J.S. (Antragsteller) stimmte am 5.6.2020, nach Ablauf der von der Gesellschaft gesetzten Abstimmungsfrist, gegen seine Ausschließung. Eine Beschlussfassung gegen seine Stimmen war nicht möglich.

Mit E‑Mail vom 8.6.2020 stellte die Gesellschaft den Umlaufbeschluss zum Ausschluss des J.S. fest. Seine Stimmen wurden unter Verweis auf die verspätete Stimmabgabe sowie ein Stimmverbot aus § 47 Abs. 4 GmbHG nicht gewertet.

Gegen den Vollzug dieses Ausschließungsbeschlusses richtet sich der Verfügungsantrag des J.S. vom 9.6.2020.

Gründe

Die Verfügung ergeht als Regelungsverfügung nach den §§ 936 , 940 ZPO . Dementsprechend wurde der Tenor nicht als Gebotsverfügung, sondern als Verbotsverfügung formuliert. …

Die glaubhaft gemachte Darstellung des Antragstellers begründet erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Beschlussfassung in formeller und materieller Hinsicht.

Soweit die Stimme des Antragsstellers für die Beschlussfassung als verspätet abgegeben gewertet werden sollte, wäre eine darauf beruhende Beschlussfassung unwirksam.

Schlagworte: Ausschluss des Gesellschafters, Corona, Covid19, COVMG § 2, Einstweiliger Rechtsschutz auf Änderung der Gesellschafterliste, Einstweiliger Rechtsschutz bei Zwangsausschluss eines Gesellschafters, Einstweiliger Rechtsschutz gegen drohenden Vollzug der Gesellschafterbeschlüsse, Einstweiliger Rechtsschutz gegen vollzogene Beschlüsse, Einstweiliger Rechtsschutz und Gesellschafterliste, Gesellschafterliste, Gesellschafterliste bei Ausschlussvorgängen, Umlaufverfahren