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LG Hamburg, Beschluss vom 12. August 2013 – 411 HKO 130/12

§ 98 AktG, § 99 Abs 2 AktG, § 1 Abs 1 Nr 2 MitbestG, § 3 MitbestG, § 14 AÜG

1. In Unternehmen, in denen in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigt sind, haben die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitBestG. Bei der Bestimmung der Belegschaftsstärke sind Leiharbeitnehmer nicht mit zu berücksichtigen, da als Arbeitnehmer nur Personen anzusehen sind, die in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen und in die Betriebsorganisation eingebunden sind.

Gemäß § 1 Abs.1 Nr.2 MitBestG haben die Arbeitnehmer in Unternehmen, die in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen, ein Mitbestimmungsrecht nach Maßgabe dieses Gesetzes. Gemäß § 7 Abs.1 Nr.1 MitBestG setzt sich der Aufsichtsrat eines dem MitBestG unterliegenden Unternehmens mit bis zu 10.000 Arbeitnehmern aus je sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammen.

Ungeachtet der zwischen den Parteien streitigen Frage, welche genaue Zahl von Arbeitnehmern die Antragsgegnerin regelmäßig beschäftigt, ist die Sache zur Entscheidung reif. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Behauptung der Antragsgegnerin, sie verfüge dauerhaft nur noch über 1.879 eigene Arbeitnehmer und 96 Leiharbeitnehmer, zutrifft. Selbst nach den Berechnungen der Antragsteller wird – unter Berücksichtigung des unstreitigen Abganges der Betriebsstätten Plauen und Springe – seit September 2012 eine Belegschaftsstärke von in der Regel über 2.000, nämlich 2.062 Beschäftigten, in den verbleibenden Betrieben der Antragsgegnerin nur unter Mitzählung von 139 Leiharbeitnehmern erreicht. Dabei kommt es rechnerisch auf die angeblich geplanten 28 Neueinstellungen nicht mehr an. Die für die Anwendung des MitBestG oder des DrittelBeteilG entscheidende Frage lautet danach, ob die Leiharbeitnehmer im Rahmen des § 1 Abs.1 Nr.2 MitBestG mitzuzählen sind. Gemäß § 3 Abs.1 MitBestG sind Arbeitnehmer im Sinne des MitBestG die in § 5 Abs.1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BertrVerfG) bezeichneten Personen mit Ausnahme der in § 5 Abs.3 BetrVerfG bezeichneten leitenden Angestellten. Arbeitnehmer ist danach, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen in persönlicher Abhängigkeit zur Leistung fremdbestimmter Arbeit verpflichtet ist, d.h., wer in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber steht und in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingebunden ist. Diese Voraussetzung erfüllen Leiharbeitnehmer nicht, da es an einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher fehlt.

2. Die Eingliederung des Leiharbeitnehmers in den entleihenden Betrieb und die Einräumung einzelner betriebsverfassungsrechtlicher Rechte sowie eines aktiven Wahlrechts, begründet keine vollständige betriebsverfassungs- und mitbestimmungsrechtliche Zugehörigkeit zum Entleiher-Betrieb, auch nicht bei längerfristiger Überlassung.

Der tatsächlichen Eingliederung in den entleihenden Betrieb wird dadurch Rechnung getragen, dass Leiharbeitnehmern nach § 14 Abs.2 S.2 und Abs.3 AÜG einzelne betriebsverfassungsrechtliche Rechte im Entleiher-Betrieb zustehen und ihnen (bei mehr als 3-monatiger Tätigkeit) auch ein aktives Wahlrecht verschafft wurde. Damit werden aber eine vollständige betriebsverfassungs- und mitbestimmungsrechtliche Zugehörigkeit zum Entleiher-Betrieb – auch bei längerfristigen Überlassungen – nicht begründet (ausführlich dazu OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
vom 12.5.2004, Az. 19 W 2/04 m.w.N.). So sind Leiharbeitnehmer etwa weiterhin gemäß § 14 Abs. 2 AÜG im Entleiher-Betrieb nicht als Aufsichtsrat oder als betriebsverfassungsrechtlicher Arbeitnehmervertreter wählbar.

3. Soweit die Leiharbeitnehmer hinsichtlich der Größe des Betriebsrates mitzuzählen sind, folgt hieraus nicht, dass die Leiharbeitnehmer als Arbeitnehmer des Entleiher-Betriebes im Rahmen von § 3 MitBestG mitzuzählen sind.

Auch aus der kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.3.2013 (Az. 7 ABR 69/11) folgt nicht, dass Leiharbeitnehmer als Arbeitnehmer des Entleiher-Betriebes im Rahmen von § 3 MitBestG mitzuzählen sind. Das BAG beschäftigt sich darin vielmehr mit der Frage, ob die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer bei der Anwendung von § 9 Satz 1 BetrVerfG mitzuzählen seien. § 9 BetrVerfG regelt die Größe des Betriebsrates in Abhängigkeit von der Zahl der Arbeitnehmer des Betriebes. In Abweichung von seiner bisherigen Rechtsauffassung und von dem bisher herrschenden allgemeinen Arbeitnehmerbegriff der sog. „Zwei-Komponenten-Lehre“ (Arbeitsvertrag und Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers) öffnet das BAG in dieser Entscheidung den „Arbeitnehmerbegriff in § 9 BetrVerfG“ für Leiharbeitnehmer, weil durch die Vorschrift sichergestellt werden solle, dass die Zahl der Betriebsratsmitglieder in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der betriebsangehörigen Arbeitnehmer stehe, deren Interessen und Rechte der Betriebsrat zu wahren habe. Je mehr Arbeit im Betriebsrat anfalle, desto mehr Mitglieder solle er haben. Mehrarbeit falle auch durch die beschäftigten Leiharbeiter an, weil der Betriebsrat für sie vielfältige soziale und betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben zu erbringen habe. Die Zunahme an Betriebsratsaufgaben, die mit der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern verbunden sei, sei so erheblich, dass ihr durch eine entsprechende Betriebsratsgröße Rechnung zu tragen sei. Deshalb seien die Leiharbeiter bei der Größe des Betriebsrates mit zu berücksichtigen. Die Entscheidung des BAG ist somit von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten speziell im Hinblick auf die Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates geleitet und hat darüber hinaus keine allgemeine Leitfunktion. Die dortigen Erwägungen sind auf den vorliegenden Fall und auf die Aufgaben des Aufsichtsrates nicht anwendbar und haben damit nichts zu tun. Die Kammer sieht sich danach nicht veranlasst, diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Es verbleibt vielmehr im Rahmen der Mitbestimmungsgesetze für den Aufsichtsrat bei der vom Gesetzgeber angeordneten Zuordnung der Leiharbeitnehmer zum Verleiher-Unternehmen gemäß § 14 AÜG. Soweit ersichtlich, ist hiervon auch bisher von keinem anderen für Statusverfahren gemäß § 98 Abs.1 AktG zuständigen ordentlichen Gericht abgewichen worden.

Schlagworte: Leiharbeitnehmer, Mitbestimmung, Personaldienstleister, Verleihunternehmen, Verstoß gegen Mitbestimmungsgesetze