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LG Hamburg, Urteil vom 19. Februar 2016 – 316 O 404/14

§ 64 S 1 GmbHG

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 454.728,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.02.2015 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter von dem Beklagten als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, der B. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), Erstattung von Einzahlungen auf dem debitorisch geführten Bankkonto der Schuldnerin, die nach der von dem Kläger behaupteten Insolvenzreife der Schuldnerin dort eingegangen sind.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte auf Grund eines Eigenantrags der Schuldnerin vom 23.08.2010, eingegangen bei Gericht am 30.08.2010. Der Beklagte ist Geschäftsführer der Schuldnerin.

Auf dem debitorischen Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse H. waren ab Beginn des Jahres 2010 bis zum 30.06.2010 € 928.236,98 an Zahlungseingängen zu verzeichnen. Hinsichtlich der einzelnen Zahlungseingänge wird auf Seiten 5ff. der Klageschrift (Bl. 5ff. d. A.) verwiesen.

Der Kläger behauptet, die Schuldnerin sei bereits zum 01.01.2010 zahlungsunfähig gewesen. Zu Beginn des Jahres 2010 haben für die Schuldnerin gegenüber ihren Gläubigern Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens € 98.333,87 bestanden. Diese seien bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bedient worden. In diesem Zusammenhang verweist der Kläger auf das Zahlungsverhalten der Schuldnerin hinsichtlich der Forderungen einer K. K., der JVA G., der G. Bank GmbH sowie der Firmen I. GmbH, K.-H. D. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, T. P. S. und F.B.Z. Speditionsgesellschaft mbH. Er ist der Ansicht, dass eine Haftung des Beklagten wegen Verstoßes gegen das Zahlungsverbot nach § 64 GmbHG bestehe.

Hinsichtlich der einzelnen Verbindlichkeiten wird auf die Insolvenztabelle (Anlage K 3) verwiesen.

Mit seiner Klage beschränkt sich der Kläger zunächst auf einen Teilbetrag bezogen auf die Zahlungseingänge vom 05.01.2010 bis zum 29.01.2010.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 454.728,17 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass in dem vorliegenden Geschäftsführerhaftungsprozess zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit eine Liquiditätsbilanz aufzustellen sei. Zudem bestreitet er die Fälligkeit im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO in Bezug auf die aufgeführten Verbindlichkeiten. Auch habe er nicht gegen die Pflichten eines Geschäftsführers verstoßen, sondern mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes gehandelt. Durch die eingehenden Zahlungen auf dem debitorischen Konto der Schuldnerin sei jeweils ein gleichwertiger Gegenwert in das Vermögen der Schuldnerin gelangt, da die auf dem Konto eingerichtete Kreditlinie wieder frei geworden sei und durch die Schuldnerin erneut habe in Anspruch genommen werden können. Darüber hinaus sei ein Betrag von € 98.333,87 kein wesentlicher Teil der Verbindlichkeiten der Schuldnerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Sitzung vom 15.01.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des Teilbetrages von € 454.728,17 nebst Zinsen. Der Zahlungsanspruch ergibt sich aus § 64 Satz 1 GmbHG. Danach ist der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geleistet werden.

1. Für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit bedarf es entgegen der Ansicht des Beklagten keiner Erstellung einer Liquiditätsbilanz. Vielmehr lässt sich bereits aus der Nichtzahlung fälliger und bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens unbeglichen gebliebener Verbindlichkeiten eine Indizwirkung für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit ableiten (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 229/11, zit. nach juris). Für die Feststellung der Fälligkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO genügt zwar nicht die Fälligkeit im Sinne des § 271 BGB. Indes ist lediglich ein ernsthaftes Einfordern erforderlich, wofür bereits die Übersendung einer Rechnung ausreicht, aber noch nicht einmal zwingend erforderlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 14.05.2009 – IX ZR 63/08, Rn 22, zit. nach juris).

In diesem Zusammenhang hat der Kläger durch die Vorlage von Rechnungen die Fälligkeit eines erheblichen Anteils an Forderungen Dritter gegenüber der Schuldnerin ab dem 01.01.2010 belegt, die letztlich auch bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bedient worden sind. Dies betrifft die Forderungen der K. K. über € 5.809,88 (Anlage K 5), der JVA G. über € 11.746,04 (Anlage K 6), der L. P. L. GmbH über € 9.460,00 (Anl. K 7), der Firma I. GmbH über € 36.191,49 (Anlage K 11) und der Firma K.-H. D. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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über € 18.781,14 (Anl. K 12). Bezüglich der Firmen T. P. S. und F. B. Z. Speditionsgesellschaft mbH konnte der Kläger Zahlungsverzögerungen der Schuldnerin im Bereich von vierstelligen €-Beträgen über mehrere Monate belegen.

a. Neben der Darlegung der fälligen Forderungen der K. K., der JVA G. und der L. P. L. GmbH, die allesamt ihre Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet haben, hat der Kläger hinsichtlich der Forderungen der Firma I. GmbH für den Zeitraum der Rechnungen vom 30.09.2009 bis zum 31.12.2009 jeweils mit Rechnungsdatum, Fälligkeitsdatum und Zahlungsdatum belegt, dass die Zahlungen in diesem Zusammenhang in einer Vielzahl von Fällen erst etwa drei Monate nach Fälligkeit bezahlt wurden und dass von dieser Gesellschaft Forderungen in Höhe von insgesamt 36.191,49 Euro zur Tabelle angemeldet worden sind. Dies ergibt sich bereits aus dem Insolvenzantrag der Schuldnerin vom 23.08.2010. Mithin besteht ein zeitlicher Zusammenhang auch mit den verzögerten Zahlungen der Rechnungen aus September bis Dezember 2009. Insoweit geht es dabei allein um über 30 Fälle von erheblichen Zahlungsverzögerungen mit vierstelligen Beträgen, dazu eine Vielzahl von geringeren Beträgen, und in einem Fall um einen fünfstelligen Betrag. Die längeren Zahlungsverzögerungen betrafen damit auch erhebliche Beträge.

b. Auch hinsichtlich der Forderungen der K.-H. D. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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hat der Kläger belegt, dass zahlreiche Rechnungen im gleichen Zeitraum erst etwa zwei bis vier Monate nach Fälligkeit bezahlt wurden, wobei es in diversen Fällen um vierstellige Rechnungsbeträge ging. Diese Firma hat Forderungen in Höhe von 18.781,14 Euro zur Tabelle angemeldet.

c. Bezüglich der Firmen T. P. S. und F.B.Z. Speditionsgesellschaft mbH hat der Kläger für diesen Zeitraum entsprechend unbestritten Zahlungsverzögerungen von zwei bis vier Monaten nach Fälligkeit mit zum Teil erheblichen Beträgen – in neun Fällen vierstellige Beträge, davon allein vier Fälle, in denen die Einzelforderungen mehr als 6.000,- Euro betrugen – belegt.

Diesem Vortrag des Klägers ist der Beklagte insgesamt nicht entgegengetreten.

Angesichts dieses Gesamtsachverhalts bezüglich des Zahlungsverhaltens der Schuldnerin ist von einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin jedenfalls zum 01.01.2010 auszugehen. Bei den von dem Kläger belegten Summen handelt es sich im Vergleich zu der Klagesumme um einen nicht unerheblichen Betrag, wobei die einzelnen Beträge zum Teil mit erheblichen Verzögerungen, zum Teil gar nicht beglichen worden sind.

2. Gegen das aus der Zahlungsunfähigkeit resultierende Zahlungsverbot hat der Beklagte durch die Einzahlungen auf dem debitorisch geführten Konto schuldhaft verstoßen, woraus schließlich seine Ersatzpflicht zumindest in Höhe des tenorierten Betrages entstanden ist.

Entgegen der Ansicht des Beklagten entfällt diese Ersatzpflicht für die Zahlungen nach InsolvenzreifeBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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in diesem konkreten Fall nicht durch einen Ausgleich der durch die Zahlung geschmälerten Masse. Denn der Beklagten hat in diesem Zusammenhang lediglich ausgeführt, dass jeder Zahlungseingang auf dem debitorischen Konto der Schuldnerin dazu geführt habe, dass die darauf eingerichtete Kreditlinie wieder frei geworden sei und von der Schuldnerin erneut habe in Anspruch genommen werden können. Allein die Möglichkeit, aufgrund von Einzahlungen auf dem Konto einen zuvor ausgeschöpften Kreditrahmen in Anspruch nehmen zu können, bewirkt jedoch noch keinen Zufluss von Vermögensmitteln (vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, zit. nach juris). Ein substantiierter Vortrag des Beklagten, wofür die freigewordenen Mittel in Anspruch genommen worden sind, ist, selbst nach dem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 13.10.2015 (12 W 3/15), in dem der Beklagte noch einmal explizit auf die fehlende Substanz seines Vortrags hingewiesen worden ist, nicht erfolgt. Wenn die Kreditlinie zum Beispiel dadurch in Anspruch genommen worden ist, dass an Gläubiger der Schuldnerin Zahlungen geleistet wurden, dann hat kein Massezufluss vorgelegen, sondern lediglich ein Gläubigertausch (vgl. BGH, Urt. v. 03.06.2014 – II ZR 100/13, zit. nach juris). Dass demgegenüber die freien Mittel für die Masse gesichert worden wären, etwa durch Abhebung zugunsten der Barkasse oder Überweisung auf ein kreditorisch geführtes Konto der Schuldnerin, wodurch ein Ausgleich der vorangegangenen Masseschmälerung angenommen werden könnte (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2015 – II ZR 366/13, zit. nach juris), hat der Beklagte nicht vorgetragen.

Die Ersatzpflicht besteht schließlich auch trotz des pauschalen Vortrags des Beklagten, er habe mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes gehandelt, da er nicht dargelegt hat, inwieweit ihn dadurch ein Verschulden nicht treffe.

3. Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 288 Abs. 2, 291 BGB.

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