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LG Ravensburg, Beschluss vom 22. Februar 2017 – 2 Qs 9/17

§ 325 HGB, § 266 StGB

a) Ein Verstoß gegen § 325 HGB stellt keine untreuerelevante Pflichtverletzung dar. Dieser Vorschrift kommt – jedenfalls für das zu betreuende Gesellschaftsvermögen – kein vermögensschützender Charakter zu.

Ein Verstoß gegen § 325 HGB stellt keine untreuerelevante Pflichtverletzung dar. Denn nicht jeder Verstoß gegen die Rechtsordnung begründet zugleich eine im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB relevante Pflichtverletzung. Vielmehr liegt der erforderliche untreuespezifische Zusammenhang nur dann vor, wenn der unmittelbar verletzten Rechtsnorm selbst vermögensschützender Charakter für das zu betreuende Vermögen zukommt (BGH NStZ 2011, 37 (38); NJW 2016, 2585 (2595)).

Dies ist bei § 325 HGB nicht der Fall. Dieser Vorschrift kommt – jedenfalls für das zu betreuende Gesellschaftsvermögen – kein vermögensschützender Charakter zu. Ein solcher ergibt sich weder aus der Norm selbst noch aus deren Stellung im HGB. Die Offenlegungspflicht dient primär der Kontrolle eines Unternehmens, dem Funktionsschutz des Marktes und dem Individualschutz der Marktteilnehmer. Ziel dieser externen Publizität ist es, aktuellen und potenziellen Gläubigem, Arbeitnehmern und deren Repräsentanten sowie der Allgemeinheit eine allgemein zugängliche Informationsquelle zu verschaffen (MüKo/HGB-Fehrenbacher, 2.Aufl., § 325, Rn. 7; Großkomm. HGB-Kersting, 4.Aufl., § 325, Rn.8),

b) Soweit die Staatsanwaltschaft unter der Berufung auf das Urteil des EuGH vom 04.12.1997, C-97/96 aus der Offenlegungspflicht einen vermögensschützenden Charakter für das Gesellschaftsvermögen selbst ableiten will, vermag die Kammer dem nicht zu folgen.

Der EuGH entschied lediglich, dass Jedermann die Verhängung einer Maßregel beantragen können muss, wenn eine Gesellschaft der Offenlegungspflicht nicht nachkommt. Aus der Feststellung, dass gesellschaftsrechtliche Publizitätsvorschriften nicht nur dem Schutz der Gesellschafter und Gläubiger, sondern der Unterrichtung aller dienen, die Interesse an der finanziellen Situation der Gesellschaft haben, und der Hervorhebung, dass die Offenlegungspflicht hauptsächlich der Unterrichtung Dritter diene, lässt sich jedoch keine Schutzfunktion für das Gesellschaftsvermögen ableiten. Die Schutzfunktion der Publizität kann nicht mit einem Vermögensschutz der Gesellschaft gleichgesetzt werden. Hiervon ging auch der Gesetzgeber aus; er erwähnt bei der Auflistung der Schutzfunktionen der Publizitätsvorschriften das Gesellschaftsvermögen nicht (BT-Drs. 14/2353, S.28).

c) Dieses Verständnis des § 325 HGB deckt sich mit der Funktion dieser Vorschrift im Schadensrecht. Selbst wenn diese als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs.2 BGB eingeordnet wird, begründet die Verletzung der Offenlegungspflichten nur Schadensersatzansprüche der Gesellschaftsgläubiger (Fehrenbacher aaO, § 325, Rn. 124).

d) Der vermögensschützende Charakter des § 325 HGB lässt sich auch nicht damit begründen, dass sich an dessen Verletzung eine vermögensmindernd auswirkende Sanktion – hier die Verpflichtung zur Zahlung der Ordnungsgelder – knüpfe. Generell ist mit der Rechtsprechung des 1. Strafsenats festzustellen, dass alleine die Begehung von Straftaten keine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit darstellen kann, wenn die Straftat nicht ihrerseits eine Norm vermögensschützenden Charakters verletzt und insoweit ein inklusiver Zusammenhang zur Vermögensbetreuungspflicht – etwa von Gesellschaftsorganen – besteht (Matt/Renzikowski-Matt, StGB § 266, Rn. 73).

Vorliegend fehlt ein solcher Zusammenhang, weil das Ordnungsgeldverfahren lediglich der Einhaltung der Publizitätsvorschriften dient. Da diese bereits ihrerseits nicht vermögensschützend sind, muss dies erst recht für die Sanktion des Ordnungsgeldes gelten. Wollte man dies anders sehen, würde letztlich jeder Gesetzesverstoß gleichzeitig eine pflichtwidrige Handlung im Sinne von § 266 StGB darstellen, was auch mit der ultima-ratio-Funktion des Strafrechts nicht mehr zu vereinbaren wäre (BGH NStZ 2011, 37 (38)).

e) Schließlich ergibt sich aus § 1 des Dienstvertrages zwischen der GmbH und dem Angeschuldigten in Verbindung mit § 16 des Gesellschaftsvertrages der GmbH nichts anderes. § 1 des Dienstvertrages statuiert die allgemeine Aufforderung zum gesetzestreuen Verhalten; § 16 des Gesellschaftsvertrages verweist – abgesehen von einer hier nicht relevanten Fristverkürzung – für die Pflichten, Jahresabschlüsse und Lageberichte aufzustellen, auf die Bestimmungen im HGB, sofern diese nicht ohnehin bereits unmittelbar gelten. Da ein darüber hinaus gehender Hinweis auf die aus etwaigen Verstößen resultierenden finanziellen Nachteile fehlt, ist die hier zu beurteilende Konstellation nicht mit dem der Entscheidung des BGH (BGH, Beschluss vom 13.04.2011 – 1 StR 94/10 = NStZ 2011, 403) zugrunde liegenden Fall vergleichbar. Die Beachtung der HGB-Vorschriften wurde nicht zu einer Hauptpflicht im Sinne von § 266 Abs.1 StGB, da aus den vorbezeichneten Verträgen nicht ersichtlich wird, dass gerade durch die dort statuierte Verpflichtung zur Einhaltung der Vorschriften des HGB Vermögenseinbußen vermieden werden sollten.

Schlagworte: Haftung wegen Untreue gem. § 266 StGB