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LG Stuttgart, Beschluss vom 09.09.2020 – 40 O 46/20

§ 48 Abs. 2 GmbHG

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird verpflichtet, die für den 14. 09. 2020 einberufene außerordentliche Gesellschafterversammlung abzusagen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

4. Mit dem Beschluss ist zuzustellen:

Antragsschrift vom 07.09.2020 und sämtliche Anlagen

Gründe

Wegen des Sachverhaltes wird auf die Antragsschrift vom 07.09.2020 sowie die damit vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Die Schutzschrift der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 02. 09. 2020 liegt dem Gericht vor.

1. Verfügungsanspruch:

Die Antragsteller sind ohne ihr Verschulden und aus triftigem Grund nicht in der Lage, an der auf den 14. 09. 2020 angesetzten außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin teilzunehmen.

Für die Antragsteller Ziff. 1 bis Ziff 3 folgt das daraus, dass ihnen die Einreise aus ihrem Heimatland Israel nach Stuttgart, wo die Versammlung stattfinden soll, verwehrt ist. Dies folgt aus der Empfehlung des Rates der Europäischen Union (EU) 2020/1052 vom 16. 07. 2020 (Anlage ASt 21). Israel gehört nicht zu den dort im Anhang genannten Drittstaaten, deren Gebietsansässige von der vorübergehenden Beschränkung nicht notwendiger Reisen in die EU nicht betroffen sein sollen. Dementsprechend sind auch die Bemühungen des Antragstellers Ziff. 1, für den Zeitraum 13. – 15. 09. 2020 ein Flugticket nach Deutschland/Stuttgart zu bekommen, erfolglos geblieben (vgl. Anlage ASt 20).

Für den Antragsteller Ziff. 4 mit Wohnsitz in Barcelona/Spanien gilt zwar kein Einreiseverbot. Wohl aber müsste er als Folge der Einstufung von Spanien als Risikogebiet (vgl. Anlage ASt. 22: Information zur Ausweisung internationaler Risikogebiete durch das Auswärtige Amt, BMG und BMI – Stand 02. 09. 2020) nach seiner Einreise in Deutschland erst einmal 14 Tage in Quarantäne verbringen, was seine Teilnahme an der Gesellschafterversammlung unmöglich machen würde.

Die Durchführung der auf den 14. 09. 2020 angesetzten außerordentlichen Gesellschafterversammlung würde das Recht der Antragsteller, daran teilzunehmen und Einfluss auf die Beschlussfassung zu nehmen, schwerwiegend beeinträchtigen. Das Gesetz sieht in § 48 Abs. 1 GmbHG vor, dass die Beschlüsse der Gesellschafter in Versammlungen gefasst werden, also von den leibhaftig anwesenden Gesellschaftern. Über diese physische Präsenz ist gesichert, dass jeder Gesellschafter seinen Standpunkt in die Diskussion einbringen und Einfluss auf die daran anschließende Beschlussfassung nehmen kann. Mangels physischer Präsenz werden die Antragsteller von diesem Recht auf Teilnahme und aktive Teilhabe an der Gesellschafterversammlung keinen Gebrauch machen können.

Auf die Möglichkeit, per Videotelefonie (“zoom call“) der Gesellschafterversammlung zu folgen, hat der Geschäftsführer den Antragsteller Ziff. 1 zwar hingewiesen (E-Mail vom 03. 09. 2020 – Anlage ASt. 19). Doch kann diese Möglichkeit schon deshalb nicht als gleichwertig mit der persönlichen Teilnahme an der Gesellschafterversammlung angesehen werden, weil der GF in seiner erwähnten E-Mail ausdrücklich (und zutreffend) darauf hinweist, dass über den Call nicht online abgestimmt werden kann. Die fehlende Gleichwertigkeit zeigt auch die in § 48 Abs. 1 GmbHG zum Ausdruck gebrachte gesetzliche Präferenz für die Gesellschafterversammlung, zu der als einzig mögliche Alternative die Beschlussfassung im „schriftlichen Verfahren“ nach § 48 Abs. 2 GmbHG kommt. Die im Aktienrecht (§ 118 Abs. 1 S. 2 AktG) unter bestimmten Voraussetzungen eröffnete Möglichkeit einer Online-Teilnahme an der Hauptversammlung hat im Recht der GmbH ebensowenig eine Entsprechung gefunden wie nach dem Corona-Folgenabmilderungsgesetz mögliche und im Hinblick auf § 175 Abs. 1 Satz 2 AktG gebotene rein virtuelle Hauptversammlung – vgl. Art. 2 § 1 CoFAG.

Soweit die Schutzschrift ausführt, dass im Rahmen der Abwägung nicht nur die Interessen des verhinderten Gesellschafters, sondern auch diejenigen der Gesellschaft an einer Durchführung der Versammlung und Beschlussfassung zu berücksichtigen sind, ist das zwar richtig. Hieb- und stichfeste Gründe dafür, dass die Beschlussfassung über die in der Tagesordnung (Anlage ASt. 25) aufgeführten Punkte schon am 14. 09. 2020 erfolgen muss, nennt die Schutzschrift jedoch nicht. Der Aspekt, dass ein Ende der pandemiebedingten Reisebeschränkungen derzeit nicht absehbar ist, ist ohne Belang. Denn es geht den Antragstellern einzig und allein um die Absage der auf den 14. 09. 2020 Gesellschafterversammlung. Nur über dieses Begehren war zu entscheiden. Hinzukommt, dass sich die Antragsgegnerin erst am 03. 09. 2020, nach zunächst vergeblicher Aufforderung (vgl. Anlage ASt. 7/8 – Anwaltsschreiben vom 26. 08. 2020) und offenbar unter dem Druck der von Antragstellerseite im weiteren Anwaltsschreiben vom 31. 08. 2020 (Anlagen ASt. 13/14) angedrohten rechtlichen Schritte bemüßigt gesehen hat, die Tagesordnung zu übermitteln. Selbst wenn man davon ausgeht, dass dieses dilatorische Verhalten von der Satzung der Antragsgegnerin (Anlage ASt. 1- dort Zif. 9. 1 a.E.) gedeckt ist, kann der Antragsgegnerin, konkret deren Geschäftsführer nicht entgangen sein, dass sie es damit den Antragstellern unnötig schwer gemacht hat, sich angemessen auf die angekündigte außerordentliche Gesellschafterversammlung vorzubereiten. Vor diesem Hintergrund kommt auch der Tatsache, dass die zunächst für den 25. 08. 2020 angesetzte Versammlung auf den 14. 09. 2020 verlegt worden ist, keine Bedeutung zu. Denn weder dem Einladungsschreiben vom 25. 07. 2020 (zur Versammlung am 25. 08. 2020 – Anlage ASt. 5) noch dem Umladungsschreiben vom 10. 08. 2020 (Anlage ASt. 6) war eine Tagesordnung beigefügt; vielmehr beschränken sich beide Schreiben auf den lapidaren Hinweis, die Tagesordnung werde rechtzeitig vor der Gesellschafterversammlung bekanntgegeben.

2. Verfügungsgrund:

Der Verfügungsgrund folgt aus § 940 ZPO.

Die der Antragsgegnerin aufgegebene Pflicht zur Absage der auf den 14. 09. 2020 anberaumten außerordentlichen Gesellschafterversammlung ist notwendig, um das Recht der Antragsteller auf Teilhabe am gesellschaftsinternen Entscheidungsprozess zu sichern. Dieses Ziel kann durch mildere, also für die Antragsgegnerin weniger einschneidende Mittel nicht erreicht werden. Dass dieser Anordnung keine Gründe entgegenstehen, die höher zu gewichten wären als das Interesse der Antragsteller an der begehrten Absage der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Absage der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung
, wurde bereits oben ausgeführt.

Nicht teilen kann das Gericht den in der Schutzschrift gegen die Anordnung der Verlegung (oder Absage) der Gesellschafterversammlung vorgebrachten Einwand, eine entsprechende einstweiligen Verfügung nehme unzulässigerweise die Hauptsache vorweg. Denn eine solche Leistungsverfügung wie das hier gegenüber der Antragsgegnerin ausgesprochene Gebot, die auf den 14. 09. 2020 terminierte Gesellschafterversammlung abzusagen, ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn der Antragsteller auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen ist, dass er das Ende eines Hauptsacheverfahrens (mit gleichem Ziel) nicht abwarten kann, ohne irreparablen Schaden zu erleiden (Seiler in Thomas/Putzo, 40. A., § 940 ZPO, Rn 6 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Gesellschafterversammlung soll bereits in wenigen Tagen stattfinden und könnte deshalb im Wege eines ordentlichen Verfahrens nicht verhindert werden. Würde man dem Verfügungsantrag nicht stattgeben, wäre den Antragstellern die Möglichkeit genommen, sich an den Diskussionen in der Gesellschafterversammlung sachgerecht zu beteiligen und Einfluss auf die Beschlussfassung zu nehmen. In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist deshalb anerkannt, dass betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte grundsätzlich auch durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden können (LAG B.-W. NZA 1997, 141, 142). Für gesellschaftsrechtliche Teilnahme- und Teilhaberechte, wie sie hier in Rede stehen, gilt nichts anderes (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Beschluss vom 25. 07. 2001- Az.: 17 W 42/01 = BeckRS 2001 30469912 unter I. 1 a. E.). Auf die Möglichkeit, gegen gefasste Beschlüsse im Wege der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsfeststellungsklage vorzugehen, brauchen sich die Antragsteller nicht verweisen zu lassen. Auch steht dieser Verfügung nicht entgegen, dass über eine einstweilige Verfügung die Beschlussfassung nicht verhindert werden kann (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. A., Anh. § 47, Rn 202). Denn es geht den Antragstellern nicht um die Verhinderung bestimmter Beschlüsse, sondern um die Sicherung ihrer Rechte auf Teilnahme und Teilhabe.

Besondere Dringlichkeit im Sinne von § 937 Abs. 2 ZPO ist ebenfalls gegeben.

3. Keine Androhung von Ordnungsmitteln:

Der Antragsgegnerin wurde ein konkretes Handeln aufgegeben, nämlich die auf den 14. 09. 2020 einberufene Gesellschafterversammlung abzusagen. Das ist eine nicht vertretbare Handlung, die notfalls nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist. § 890 ZPO gilt nur für Unterlassungstitel. Deshalb wurde die beantragte Androhung von Ordnungsmitteln nicht in den Entscheidungstenor aufgenommen.

Nebenentscheidungen:

Kostenentscheidung : § 91 ZPO.

Bei der Bemessung des Streitwerts hat sich das Gericht an der Streitwertangabe in der Antragsschrift orientiert (§ 3 ZPO).

Schlagworte: Art 2 § 2 Z/Ins/StVfRCOVFoAbG, GmbHG § 45, GmbHG § 48