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LG Trier, Urteil vom 06.06.2017 – 4 O 198/16

BGB § 826Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 826

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich auf 138.561,78 €.

Tatbestand

Die klagende Bank macht gegen den beklagten Zahnarzt einen Anspruch aus § 826 BGB geltend mit der Behauptung, der Beklagte habe sich in England durch vorsätzlich falsche Angaben ein Insolvenzverfahren erschlichen und so eine Restschuldbefreiung erlangt, durch welche den Darlehensforderungen der Klägerin in rechtsmissbräuchlicher Weise die Durchsetzbarkeit genommen worden sei.

Der Beklagte war ab dem Jahr 1999 als Zahnarzt in einer Gemeinschaftspraxis mit seinem ebenfalls als Zahnarzt tätigen Bruder Dr. C. L. in … tätig. Der Beklagte lebte mit seiner damaligen Ehefrau in …. Die Parteien schlossen die in Anlage K 1 (Bl. 1 ff. AH) aufgeführten Kreditverträge, aus denen der Klägerin nach Kündigung vom 22.12.2011 eine Gesamtforderung in Höhe von 894.611,38 € zuzüglich 138.561,78 € für Kreditvertrag Nr. …, jeweils zuzüglich Verzugsschaden, zustand. Von dieser Gesamtforderung macht die Klägerin im vorliegenden Verfahren im Wege der Teilklage zunächst lediglich die Hauptforderung aus Kredit Nr. … geltend.

Der Beklagte meldete sich am 13.10.2011 an seiner bisherigen Anschrift … und teilte mit, er werde einen neuen Wohnsitz im Vereinigten Königreich nehmen (Bl. 164 f. AH). Er nahm ab April 2012 an einer 2%-jährigen Fortbildung in oraler Implantologie der Donau-Universität in Krems (Österreich) teil, für welche eine Kursgebühr von 20.500,00 € zu entrichten war. Der Beklagte verzichtete zum 31.12.2012 auf seine Zulassung als Vertragszahnarzt in …, woraufhin der Zulassungsausschuss für Zahnärzte für das Land … in seiner Sitzung vom 06.03.2013 das Ende der Zulassung des Beklagten mit Wirkung zum 31.12.2012 beschloss (Bl. 202 AH). Der Beklagte reichte am 12.11.2012 einen ersten Insolvenzantrag bei dem Insolvenzgericht in Manchester ein, welcher durch das Gericht Ende Januar 2013 abschlägig beschieden wurde (Bl. 205 AH). Am 09.01.2014 reichte der Beklagte einen erneuten Antrag (datierend vom 20.12.2013) beim Insolvenzgericht in Manchester ein (Bl. 30 ff. AH). Am 17.03.2014 eröffnete das Insolvenzgericht daraufhin ein Insolvenzverfahren für natürliche Personen (bankruptcy) nach Artikeln 164 ff. Insolvency Act 1986 über das Vermögen des Beklagten. Infolge dessen erlangte der Beklagte ein Jahr später, am 17.03.2015, Restschuldbefreiung (vgl. Bl. 149 AH), deren Wirkung sich u. a. auch auf Deutschland erstreckt (Art. 16 und 25 EuInsVO).

Der Beklagte ist als Zahnarzt in der Gemeinschaftspraxis Dr. S. und PartnerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, … Luxemburg tätig. Seit Oktober 2015 ist der Beklagte darüber hinaus zusammen mit Dr. B. G. Mitinhaber einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis in ….

Die Klägerin bringt vor:

Der Beklagte habe sich die Eröffnungsentscheidung (mit der Folge einer automatischen Restschuldbefreiung ein Jahr später) dadurch erschlichen, dass er das englische Gericht durch falsche Angaben über sein Centre of Main Interest (COMI) nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO und seinen Wohnort dazu verleitet habe, seine internationale Zuständigkeit sowie seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht anzunehmen, zum anderen dadurch, dass er falsche Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht habe, insbesondere erhebliches Einkommen und Vermögen verschwiegen und auf diese Weise eine Insolvenzlage vorgetäuscht habe. Insgesamt sprächen die Umstände dafür, dass in Manchester – sicherlich mit Hilfe eines „Beraters“ – ein künstlicher Geldkreislauf aufgebaut worden sei, der nur dem Zweck gedient habe, den Schein einer wirtschaftlichen Betätigung und des Wohnens in England zu erwecken. Es sei unglaubhaft, dass der Beklagte am 01.04.2012 von London nach Manchester umgezogen sei und erst gegen Ende Mai 2012 (23.05.2012) dort ein Konto eröffnet haben soll. Hätte er tatsächlich vorher in London gelebt, hätte er dort bereits ein Konto besessen. Auch die vom Konto des Beklagten in der Folgezeit fast ausschließlich getätigten Barabhebungen (vgl. die Kontoauszüge Bl. 135 ff. AH) sprächen gegen die Darstellung des Beklagten, tatsächlich in Manchester gelebt zu haben. Insbesondere reichten die Abhebungen nicht neben der Lebenshaltung noch für die angeblichen Therapiesitzungen, die der Beklagte laut schriftlicher Bestätigung der Frau Dr. B. vom 19.12.2013 (Bl. 145 ff. AH) dort am 22.09., 03.10., 10.10., 07.11., 21.11. und 05.12.2013 wahrgenommen haben soll. Dass fast ausschließlich Barabhebungen durchgeführt worden seien, habe seinen Grund darin gehabt, dass die Beträge gar nicht für die Lebenshaltung des Beklagten ausgegeben worden seien, sondern diese wieder auf das Konto des angeblichen Vermieters und angeblichen Beratungsauftraggebers M. A. zurückgeflossen seien, welcher mutmaßlich selbst die Barabhebungen unter Verwendung der Kontokarte und der PIN des Beklagten vorgenommen habe. Hierbei handele es sich um ein in der „Branche“ bekanntes Verfahren von „Insolvenzberatern“, einen Wohnsitz bzw. ein COMI vorzutäuschen. In Wahrheit habe der Beklagte weiterhin in … gewohnt und sei weiterhin bis mindestens Ende 2012 als Zahnarzt in der Gemeinschaftspraxis mit seinem Bruder in … tätig gewesen, habe dort Patienten behandelt und Einnahmen erzielt, was er der englischen Insolvenzbehörde verschwiegen habe. Auch die Teilnahme des Beklagten an der Fortbildung in Krems sei der englischen Insolvenzbehörde verschwiegen worden, ebenso, dass er offensichtlich über das Geld verfügt habe, um die entsprechende Kursgebühr und die Reise- bzw. Unterkunftskosten zu bezahlen. Der Beklagte sei zudem seit dem 01.08.2013 beim College Medical du Grand Duche de Luxembourg als Zahnarzt zugelassen und als Zahnarzt in der Gemeinschaftspraxis Dr. S. und PartnerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, … Luxemburg tätig und habe hier Einnahmen erzielt, was der englischen Insolvenzbehörde ebenfalls nicht bekannt gewesen sei. Der Beklagte habe spätestens seit dem 01.08.2013 in einer Hausmeisterwohnung in einem Wohnhaus am Ortsrand von … gewohnt. Dort sei er auch bis zum 07.12.2016 polizeilich gemeldet gewesen, bis er von Amts wegen wieder abgemeldet worden sei. Ausgezogen gewesen sei er bereits am 14.11.2016. Die gesamten Umstände widersprächen diametral den Angaben, die der Beklagte im englischen Insolvenzverfahren gemacht habe, wonach er nicht weiter als Zahnarzt tätig sei und auch nicht tätig sein könne, sich mit seinem Bruder entzweit habe, keine Einnahmen habe außer denen aus seiner angeblichen Beratertätigkeit für Herrn A. und dass er seinen Lebensmittelpunkt in England habe. Auch könne der Beklagte nicht insolvent gewesen sein, da er nur wenige Monate nach Erlangung der Restschuldbefreiung in der Lage gewesen sei, sich in eine gutgehende Zahnarztpraxis in … einzukaufen. Alles, was der Beklagte im Rahmen seines englischen Insolvenzverfahrens vorgetragen habe über seine angebliche Erkrankung (Burnout), seine Lebensplanung, seine Auswanderung nach England usw. sei die Unwahrheit. Er habe absichtlich eine Legende aufgebaut, die dazu gedient habe, Zweifel an der Verlagerung seines Lebensmittelpunktes nach England gar nicht erst aufkommen zu lassen bzw. diese zu zerstreuen. Die maßgebende falsche Aussage, die der Beklagte gemacht habe, um bewusst über seine wahre Motivation für den angeblichen Umzug nach England zu täuschen, sei gewesen, dass er angegeben habe, er könne und wolle aufgrund schwerwiegender psychologischer Probleme nicht mehr als Zahnarzt arbeiten und sei deshalb aus Deutschland ausgewandert. In Wahrheit habe der Beklagte nie vorgehabt, Deutschland dauerhaft zu verlassen und auch nie vorgehabt, nicht mehr als Zahnarzt zu arbeiten. Dem Beklagten sei es nur darum gegangen, die Restschuldbefreiung nach englischem Recht zu erlangen.

Hätte er im Verfahren in England wahrheitsgemäße Angaben gemacht, wäre das Verfahren nicht eröffnet worden und der Beklagte hätte keine Restschuldbefreiung erlangt. Das COMI des Beklagten im Sinne des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung nicht in England und Wales gewesen, sondern in … oder in … /Luxemburg. Der Beklagte habe nicht nur über die Voraussetzungen der internationalen Zuständigkeit getäuscht, sondern auch über das Vorliegen einer Insolvenzlage, indem er Einkommen verschwiegen habe. Wäre das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden, so hätten die Forderungen der Klägerin auch nicht am 17.03.2015 ihre Durchsetzbarkeit verloren. Die Umwandlung der Insolvenzforderungen in unvollkommen verpflichtende Verbindlichkeiten trete gemäß Section 269 Abs. 1 Insolvency Act 1986 als automatische Folge der Eröffnungsentscheidung allein durch Zeitablauf ein. Der Beklagte habe daher die Klägerin sittenwidrig geschädigt. Der Schaden bestehe darin, dass die Forderungen der Klägerin nicht mehr durchsetzbar seien. Der mit der vorliegenden Klage angestrebte Zahlungstitel diene dazu, die Durchsetzbarkeit der Forderungen der Klägerin wieder herzustellen (vgl. OLG SaarbrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Saarbrücken
, Beschluss vom 07. Mai 2015 – 4 W 9/15 -, Bl. 155 ff. AH). Durch die unerlaubte Handlung des Beklagten im Sinne von § 826 BGB sei eine eigenständige neue Schadensersatzforderung der Klägerin gegen den Beklagten begründet worden, welche vom Insolvenzverfahren in England nicht erfasst sei und nur im Rahmen eines streitigen Erkenntnisverfahrens verfolgt werden könne. Rechtsfolge sei nicht eine Beseitigung der Restschuldbefreiung, sondern ein auf Ersatz des individuell entstandenen, nachgewiesenen Schadens des jeweiligen Gläubigers gerichteter Anspruch. Dieser könne mittels einer Leistungsklage nach Erlangung der Restschuldbefreiung verfolgt werden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 138.561,78 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bringt vor:

Die Klage sei bereits unschlüssig. Die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin nach § 826 BGB seien nicht gegeben. Richtig sei zwar, dass in dem Erschleichen eines unrichtigen Titels ein Schadensersatz auslösendes Verhalten erblickt werden könne. Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei jedoch stets, dass der erschlichene Titel in Rechtskraft erwachsen sei, wobei die Anwendung des § 826 BGB auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt sei, da anderenfalls die Rechtskraft ausgehöhlt würde. Ein Anspruch aus § 826 BGB scheide in der vorliegenden Fallkonstellation aus. Die dem Beklagten am 17.03.2015 durch das Gericht in Manchester erteilte Restschuldbefreiung (discharge) erwachse nicht in Rechtskraft. Vielmehr könne gemäß Insolvency Act 1986, Section 282 (1) (a) der Insolvenzeröffnungsbeschluss des englischen Gerichts annulliert werden, wenn dieser aus schon bei Erlass vorgelegenen Gründen nicht hätte ergehen dürfen. Der Insolvency Act enthalte keine Regelung, durch welche der berechtigte Personenkreis beschränkt werde. Der Antrag könne auch noch nach Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2015 – IX ZR 304/13 -, Bl. 150 ff. AH). Auch sei zu beachten, dass die Klägerin durch das Insolvenzgericht bzw. den „Official Receiver“ von dem Insolvenzantrag des Beklagten nach dessen Anbringung und jedenfalls mehrere Monate vor Erteilung der Restschuldbefreiung in Kenntnis gesetzt worden sei. Die Klägerin habe sich nicht am Insolvenzverfahren beteiligt und auch keine Gründe mitgeteilt, welche gegen die Eröffnung des Verfahrens und die Erteilung der Restschuldbefreiung sprächen. Ein Anspruch aus § 826 BGB scheide jedoch aus, wenn der (angeblich) Geschädigte sich ohne weiteres mit einfacheren Rechtsbehelfen verteidigen könne oder hätte verteidigen können und dieses versäumt habe. Die für gerichtliche Urteile geltenden Grundsätze eines Anspruchs aus § 826 BGB würden für gerichtliche Entscheidungen jeglicher Art gelten, mithin auch für die Erteilung einer Restschuldbefreiung. Die Klägerin könnte – wenn ihr Vorbringen denn zuträfe – nach wie vor in England ohne weiteres ein Verfahren auf Annullierung der erteilten Restschuldbefreiung einleiten. Die Klägerin sei daher nicht schutzbedürftig. Der vom OLG SaarbrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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entschiedene Fall habe sich dagegen dadurch ausgezeichnet, dass die dem Schuldner (in Deutschland) erteilte Restschuldbefreiung nicht mehr mit Rechtsmitteln habe angefochten werden können, diese mithin in formelle Rechtskraft erwachsen sei.

Nach der vorzitierten Entscheidung des BGH hätten die Gerichte der übrigen Mitgliedsstaaten die Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anzuerkennen, ohne die vom ersten Gericht hinsichtlich seiner Zuständigkeit angestellte Beurteilung überprüfen zu können. Dies gelte auch für die Anerkennung der zur Durchführung und Beendigung des Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen. Zwar stehe die in einem Mitgliedstaat der europäischen Union erteilte Restschuldbefreiung unter dem Ordre Public-Vorbehalt des Art. 26 EuInsVO. Die Erteilung der Restschuldbefreiung stelle als solche jedoch keinen Verstoß gegen den Ordre Public-Vorbehalt dar. Auch Fehler des Gerichts bei der Annahme der internationalen Zuständigkeit begründeten, jedenfalls bis zur Grenze der Willkür, keinen Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung. Der BGH führe unmissverständlich aus, dass auch dann, wenn ein Gläubiger meine, der Schuldner habe die Eröffnungsentscheidung durch Täuschung über den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen erschlichen, der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens gebiete, dass die betroffene Person die Gerichte im Eröffnungsstaat anrufe. Wenngleich sich der BGH in seiner Entscheidung lediglich mit dem Ordre Public-Vorbehalt des Art. 26 EuInsVO habe befassen müssen, so könne aus den tragenden Erwägungen abgeleitet werden, dass auch andere Wege der Überprüfung englischer Insolvenzbeschlüsse nicht gangbar seien. Diese Auffassung vertrete im Übrigen auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in einem im Internet öffentlich verfügbaren Aufsatz vom 18.11.2015 (Bl. 158 ff. AH). Die Erteilung der Restschuldbefreiung in England könne nicht im Wege des Schadensersatzes nach § 826 BGB umgangen werden, obgleich weiterhin in England Rechtsbehelfe gegen die Restschuldbefreiung möglich seien. Die Klägerin könne Rechtsschutz ausschließlich in England suchen.

Die Klage sei auch unbegründet. Der Beklagte sei nicht nach England gezogen, um dort die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen zu beantragen. Es sei ihm bei seinem Umzug nach England nicht um Erlangung der Restschuldbefreiung gegangen. Diesen Entschluss habe der Beklagte vielmehr erst nach seinem Umzug von London nach Manchester gefasst. Die in dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in England (Bl. 30 ff. AH) enthaltenen Angaben des Beklagten seien zutreffend gewesen. Die Ehefrau des Beklagten habe sich bereits im Jahr 2010 getrennt und sei am 01.04.2011 aus der gemeinsamen Wohnung … ausgezogen und nach … gezogen. Der Beklagte sei im Verlauf des ersten Halbjahres 2011 an einer Depression erkrankt, ein Burnout-Syndrom sei diagnostiziert worden. Im Hinblick darauf habe er woanders einen Neuanfang versucht. Ab dem 01.08.2011 sei der Beklagte nicht mehr in der mit seinem Bruder bis dahin gemeinsam betriebenen Zahnarztpraxis in … tätig gewesen. Im Sommer 2011 habe er Frau T. F.-R. getroffen, eine ehemalige Patientin, die aus beruflichen Gründen nach London gezogen gewesen sei. Es habe sich eine Beziehung entwickelt, woraufhin der Beklagte im Oktober 2011 seine Wohnung in … aufgegeben habe und in deren Wohnung in London/… gezogen sei, wo er mietfrei gelebt habe. Im April 2012 sei es dann zur Trennung von Frau F.-R. gekommen und dem Auszug des Beklagten aus deren Wohnung in …. Zum 01.04.2012 habe der Beklagte daraufhin ein Zimmer in dem Haus des Herrn A. mit der Anschrift … in England angemietet. Ab diesem Zeitpunkt habe der Beklagte seinen Lebensmittelpunkt (COMI) in Manchester gehabt. Die Kursgebühr für die ab April 2012 wahrgenommene Fortbildung in Österreich sowie die Anreisekosten habe ein alter Freund des Beklagten (Herr R. G.) diesem geliehen. Im Sommer 2012 habe Herr A. dem Beklagten angeboten, für ihn als „Consultant“ für das Unternehmen des Herrn A. tätig zu sein. Hierfür sei zunächst ein monatliches Entgelt von GBP 800,00 vereinbart worden. Mit Wirkung ab dem 01.03.2013 sei dann eine Erhöhung der monatlichen Vergütung auf GBP 1.100,00 vereinbart worden. Entsprechend der Vereinbarung sei der Beklagte bis April 2015 für Herrn A. tätig gewesen. Es sei nichts „designed“ worden. Der an einem Burnout leidende Beklagte, welcher in Deutschland seine berufliche Existenz und sämtliche Ersparnisse verloren gehabt habe, dessen Ehe gescheitert gewesen sei und welcher sich erheblichen Vorwürfen seitens seiner Eltern ausgesetzt gesehen habe, habe das Glück gehabt, Freunde in England zu haben, welche ihm eine Perspektive und die Möglichkeit geboten hätten, allmählich „wieder auf die Füße“ zu kommen. Der Beklagte sei in den Jahren 2012 und 2013 aufgrund seines „Burnout“ nicht in der Lage gewesen, als Zahnarzt tätig zu sein. Bei den Zahlungseingängen des Immobilienunternehmens B. bis Oktober 2012 habe es sich um Mieteinnahmen von vier im Eigentum des Beklagten stehenden Wohnungen gehandelt. Ab November 2012 seien diese Einnahmen durch die Klägerin gepfändet worden. Die Wohnungen seien durch die Klägerin im Wege der Zwangsversteigerung verwertet worden. An den vom Beklagten nach Eröffnung seines Kontos in Manchester vorgenommenen Barabhebungen sei nichts Ungewöhnliches. Sie seien auch deshalb erfolgt, weil der Beklagte bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens befürchtet habe, Gläubiger könnten eine Kontenpfändung ausbringen. Herr A. habe keine Barabhebungen unter Verwendung dieses Kontos des Beklagten vorgenommen. Der Beklagte habe sich ab dem 22.09.2013 bis Ende Dezember 2013 in therapeutische Behandlung bei Dr. B. begeben, wobei die Therapiesitzungen bar bezahlt worden seien. Der Beklagte sei ca. alle zwei bis drei Monate nach Deutschland geflogen, um Freunde zu besuchen. Die Flugkosten habe regelmäßig Herr G. bezahlt. Der Beklagte habe von April 2012 bis August 2014 seinen Lebensmittelpunkt (COMI) unter der Anschrift …, England gehabt. Von August 2014 bis Mai 2015 habe der Beklagte in einer Wohnung unter der Anschrift …, England gelebt. Der Beklagte sei erst seit dem 26.05.2015 in der Gemeinschaftspraxis Dr. S. und PartnerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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in Luxemburg tätig. Erst seit Oktober 2015 sei der Beklagte dann gleichzeitig noch in der Praxis in … als Zahnarzt tätig gewesen. Um die Anschaffungskosten für seinen Praxisanteil in … zu finanzieren, hätten ihm Herr G. und Frau A. von U. insgesamt 165.000,00 € geliehen. Ferner habe die Kreissparkasse … dem Beklagten ein KfW-Darlehen gewährt. Insgesamt habe der Beklagte gegenüber dem englischen Insolvenzgericht keine unzutreffenden Angaben gemacht, sodass das Gericht verfahrensfehlerfrei zu einer materiell richtigen Entscheidung gelangt sei und dem Beklagten die Restschuldbefreiung erteilt worden sei.

Selbst für den Fall, dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB zustünde, sei der geltend gemachte Anspruch deutlich überhöht. Der durch eine unerlaubte Handlung Geschädigte sei nämlich – im Sinne des negativen Interesses – so zu stellen, wie er stehen würde, wenn sich die unerlaubte Handlung nicht ereignet hätte. Daher könnte ein etwaiger Schaden der Klägerin nur in der Weise bestimmt werden, dass als Schaden der Betrag bezeichnet werde, welchen die Klägerin erhalten hätte, wenn der Beklagte in Deutschland ein Insolvenzverfahren mit anschließendem Restschuldbefreiungsverfahren durchlaufen hätte. In diesem Fall wäre an die Klägerin ein Betrag von ca. 36.700,00 € ausgeschüttet worden. Allenfalls in dieser Höhe könne ein Schaden der Klägerin bestehen. Durch die Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs in der mit der Klage geltend gemachten Höhe erhielte die Klägerin nicht nur quantitativ mehr, als sie vor der Erteilung der Restschuldbefreiung hätte erwarten können, sie erhielte auch qualitativ mehr, da der begehrte Schadensersatzanspruch nicht von einer Restschuldbefreiung umfasst wäre. Es sei zu vermuten, dass die Klägerin Rechtsmittel in England deshalb nicht einlege, da eine Aufhebung der dem Beklagten erteilten Restschuldbefreiung auch die Forderungen der übrigen Gläubiger wieder aufleben lassen würde, was die Klägerin gerade nicht wolle.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber sachlich unbegründet.

Der Beklagte ist der Klägerin nicht nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.

Nach dem Grundgedanken der von den Parteien angeführten BGH-Entscheidung (Urteil vom 10. September 2015 – IX ZR 304/13 -, Bl. 150 ff. AH) ist es nicht Aufgabe deutscher Gerichte, Entscheidungen englischer Insolvenzgerichte daraufhin zu überprüfen, ob das englische Gericht in Wahrheit international nicht zuständig gewesen ist. Zwar hat der BGH seine vorgenannte Entscheidung nur auf die ordre-public-Klausel des Art. 26 EuInsVO gestützt, um zu vermeiden, dass deutsche Gerichte den Entscheidungen englischer Insolvenzgerichte die Anerkennung verweigern können. Der vorliegende Fall unterscheidet sich insofern von dem vom BGH entschiedenen Fall, als die Klägerin die Wirksamkeit der Entscheidungen des englischen Insolvenzgerichts nicht infrage stellt, sondern ihre Schadensersatzklage gerade auf diese Wirksamkeit stützt bzw. damit begründet. Nach dem Grundgedanken der BGH-Entscheidung muss es der Klägerin jedoch auch über den Umweg des § 826 BGB verwehrt sein, die Fehlerhaftigkeit des englischen Insolvenzverfahrens (wegen Fehlens der Voraussetzungen) vor einem deutschen Gericht geltend zu machen und auf diese Weise die Wirkung der erfolgten Restschuldbefreiung des Beklagten im Verhältnis zwischen den Parteien faktisch auszuhebeln. Die Klägerin ist vielmehr darauf zu verweisen, die geeigneten Rechtsbehelfe vor dem englischen Gericht zu ergreifen.

Dies ergibt sich nicht nur aus den Grundgedanken der europäischen Zuständigkeitsverteilung, sondern bereits aus den allgemeinen Grundsätzen zu § 826 BGB bzw. § 254 BGB. So ist zu § 826 BGB im Falle eines Missbrauchs von Vollstreckungstiteln anerkannt, dass ein Schadensersatzanspruch nach dieser Vorschrift ausscheidet, wenn sich der Geschädigte ohne weiteres mit anderen einfachen Rechtsbehelfen verteidigen kann (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826 Rn. 52). Zum gleichen Ergebnis führt der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB, nach dem der Geschädigte in erster Linie Primärrechtsschutz in Anspruch nehmen soll, soweit ihm das möglich und zumutbar ist, um damit den Schaden abzuwenden bzw. möglichst gering zu halten. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) soll nur demjenigen Schadensersatz zugebilligt werden, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maße für seine eigenen Belange einsetzt und damit den Schaden abzuwenden sich bemüht. Der unmittelbar nur für Amtspflichtverletzungen geltende § 839 Abs. 3 BGB stellt dabei lediglich eine besondere Ausprägung des allgemein für Schadensersatzansprüche geltenden § 254 BGB dar. Insofern stellt § 839 Abs. 3 BGB die schadensersatzrechtliche Sanktion des ihm vorausliegenden Gebots dar, den Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, wodurch die sekundäre Schadensersatzpflicht in den Nachrang verwiesen werden soll (vgl. BGH NJW 2013, 3237 ff.). Eine Untätigkeit des Geschädigten ist deshalb über § 254 BGB mit einem Haftungsausschluss zu sanktionieren (vgl. Palandt/Sprau, a. a. O. Rn. 68).

Demnach unterlag die Klage der Abweisung.

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