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LG Wiesbaden, Urteil vom 03.05.2013 – 1 O 229/12

§ 19 Abs 5 GmbHG, § 43 Abs 2 GmbHG, Art 229 § 6 Abs 4 S 1 BGBEG, § 195 BGB, § 199 BGB, § 269 Abs 3 S 2 ZPO

Der Geschäftsführer ist nach § 43 Abs. 2 GmbHG verpflichtet, dem Kläger für die offenen Stammeinlagen nebst auf diese zu leistende Zinsen Schadenersatz zu leisten.

1. Die Ansprüche auf Leistung der Stammeinlage nebst Zinsen sind wegen Verjährung gegenüber den Gesellschaftern nicht mehr durchsetzbar. Die am 25.10.1995 fälligen Einlageforderungen verjährten mit Ablauf des 31.12.2011. Die Ansprüche unterlagen gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB bis zum 1.1.2002 der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. und sodann der Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB, welche wiederum durch das Verjährungsanpassungsgesetz mit Wirkung vom 15.12.2004 durch die längere Verjährungsfrist von 10 Jahren des § 19 Abs. 6 GmbHG ersetzt wurde. Einzurechnen in diese 10-jährige Frist ist der seit dem 1.1.2002 bereits abgelaufene Zeitraum. Vor dem 1.1.2002 fällig gewordene Einlageforderungen verjährten deshalb mit Ablauf des 31.12.2011 (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, NZG 2008, 311, 312 f., Tz. 17-23; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, Urt. v. 27.2.2009 – I-16 U 73/08, zitiert nach juris, Tz. 27).

Das Verjährenlassen der Einlageforderungen vermag die Geschäftsführerhaftung zu begründen (statt aller: Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 19 Rn. 86). Nach der gesetzgeberischen Konzeption ist diese Haftung ein Schutzelement zugunsten der Gesellschaftsgläubiger (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucksache 15/3653 v. 24.8.2004, S. 25, rechte Spalte).

Der Haftung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Haftung des Geschäftsführers
nach § 43 Abs. 2 GmbHG steht nicht entgegen, dass er sowohl Geschäftsführer als auch Gesellschafter der GmbH war. Als anerkannt kann gelten, dass ein alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer im Grundsatz nicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet. Denn bei Personenidentität zwischen Geschäftsführer und Alleingesellschafter besteht für eine haftungsauslösende Obliegenheitsverletzung grundsätzlich kein Raum (BGH, Urt. v. 31.1.2000 – II ZR 189/99, NJW 2000, 1571; KG, Urt. v. 20.2.2009 – 17 U 41/08, zitiert nach juris, Tz. 14 m.w.N.). Ob dieser Grundsatz auch auf eine Gesellschaft mit zwei Gesellschafter-Geschäftsführern (sog. „Zwei-Mann-GmbH“) übertragbar ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn im für die vorliegende Haftungsfrage relevanten Moment des Verjährungseintritts war nur noch er Geschäftsführer, nicht mehr jedoch der andere Gesellschafter. Der genannte Grundsatz lässt sich jedenfalls nicht auf Konstellationen übertragen, in denen neben einem Gesellschafter-Geschäftsführer noch ein weiterer Gesellschafter existiert. Denn in einem solchen Fall liegt gerade keine Personenidentität zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern vor.

Zudem hat der BGH in seinem grundlegenden Urteil (a.a.O.) erörtert, ein mit dem Willen der Gesellschafter konformes Verhalten des Geschäftsführers könne keine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung gegenüber der GmbH darstellen, soweit nicht „spezielle, im Interesse des Gläubigerschutzes unverzichtbare Regeln der Kapitalerhaltung“ verletzt seien. Deshalb sind vom genannten Grundsatz Fälle der §§ 30, 33, 43 Abs. 3 und 64 Abs. 2 GmbHG ausgenommen (BGH, a.a.O.). Das wertungsparallele Gegenstück des kapitalerhaltungsrechtlichen § 30 GmbH ist im Kapitalaufbringungsrecht § 19 GmbHG (vgl. K. Schmidt, ZIP 2008, 481, 488). Bei der Pflicht der Gesellschafter, ihre Einlage zu leisten, handelt es sich um eine auch im Interesse des Gläubigerschutzes bestehende, unverzichtbare Regel der Kapitalaufbringung. Ihre Bedeutung unterstreicht § 19 Abs. 2 GmbHG. Es besteht kein Anlass, aus Perspektive der Geschäftsführerhaftung Kapitalaufbringung und KapitalerhaltungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung
Kapitalerhaltung
unterschiedlich zu behandeln.

2. Der Geschäftsführer handelte pflicht- und sorgfaltswidrig. Ein Geschäftsführer, der eine fällige Einlageforderung verjähren lässt, verletzt die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, a.a.O., S. 21 linke Spalte, zum Vorstandsmitglied der AG, in Bezug genommen S. 25, rechte Spalte, für den Geschäftsführer der GmbH). Soweit der Geschäftsführer geltend macht, die Rechtslage sei aufgrund der mehrfachen Gesetzesänderung komplex und für ihn deshalb nicht überschaubar gewesen, entlastet ihn dies nicht. Die Frage der Berechnung der Verjährungsfrist unter Berücksichtigung der verschiedenen intertemporalen Probleme wurde durch die genannte Entscheidung des BGH im Jahr 2008 höchstrichterlich geklärt. Ein Rechtsirrtum des Geschäftsführers über die Verjährungsfrist lässt seine Haftung nicht entfallen. Ein solcher Irrtum schlösse ein Verschulden nur aus, wenn er seinerseits unverschuldet wäre (Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, a.a.O., § 46 Rn. 13). Im Fall mangelnder eigener Rechtsunkenntnis ist jedenfalls bei nicht drängenden Entscheidungen in aller Regel Rechtsrat einzuholen. Dies hat der Geschäftsführer nicht getan. Im Rahmen der Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG ist es an ihm, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten als Geschäftsführer nachgekommen ist und ihn kein Verschulden trifft (statt aller: OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urt. v. 21.3.2013 – 23 U 3344/12, zitiert nach juris, Tz. 47 m.w.N.).

3. Durch den Pflicht- und Sorgfaltsverstoß ist ein Schaden in Höhe der nicht erbrachten oder als Darlehen an die B GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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weitergereichten Stammeinlagen, d.h. von insgesamt 17.895,21 €, entstanden. Hinzu treten nicht geleistete Zinszahlungen seit dem 26.10.1995 in Höhe von vier vom Hundert für das Jahr.

Nicht schadensmindernd wirkt die am 2.1.2012 erbrachte Zahlung von 12.782,30 €, welche im Darlehensweg an die Kommanditgesellschaft weitergegeben wurden.

Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG sind in verschiedener Hinsicht nicht erfüllt. Der gegen die Kommanditgesellschaft gerichtete Rückzahlungsanspruch war nicht vollwertig, da über das Vermögen der Gesellschaft bereits am 6.6.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Zudem war das gewährte Darlehen nicht jederzeit fällig oder fristlos kündbar. Vielmehr betrug die Kündigungsfrist drei Monate zum Quartalsende. Außerdem mangelt es an der nach § 19 Abs. 5 S. 2 GmbHG erforderlichen Anmeldung beim Registergericht; diese ist Erfüllungsvoraussetzung (Scholz/Veil, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 19 Rn. 187 m.w.N.).

Es ließe sich jedoch erwägen, in Konstellationen wie der vorliegenden – in denen auf eine verjährte Einlageforderung geleistet und die geleistete Einlage als Darlehen an einen Dritten weitergegeben wird – über § 19 Abs. 5 GmbHG hinaus Erfüllung der Einlageforderung anzunehmen. Die Rechtsprechung zum sog. „Hin- und Herzahlen“ in der GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(siehe BGH, Urt. v. 10.12.2007 – II ZR 180/06, NJW-RR 2008, 480; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urt. v. 25.5.2012 – 16 U 39/11, zitiert nach juris, Tz. 32; Gehrlein/Ekkenga/Simon/Sirchich von Kis-Sira, GmbHG, 2012, § 19 Rn. 64 jeweils m.w.N.), auf welche der Gesetzgeber durch Schaffung der Regelung in § 19 Abs. 5 GmbHG reagierte, fußt auf der Prämisse, dass der Einlageanspruch fällig und durchsetzbar, insbesondere also nicht verjährt, ist. Die fehlende Tilgungswirkung der Einlagenleistung beim „Hin- und Herzahlen“ wird mit der Überlegung begründet, die Einlage bliebe der Geschäftsführung der Gesellschaft nicht zur freien Verfügung. Der Inferent leiste unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung nichts. Zudem werde die prinzipiell unverzichtbare Einlageforderung entgegen dem Schutzzweck des § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG durch eine in dieser Hinsicht schwächere Darlehensforderung ersetzt (BGH, a.a.O., NJW-RR 2008, 480 f., Tz. 6 f.). Während das erstgenannte Argument – die fehlende Verfügbarkeit der Einlage für die Geschäftsführung – auch bei Leistung auf eine verjährte Einlageforderung greift, ist hinsichtlich der zweiten Überlegung, der Inferent leiste zur Kapitalaufbringung nichts, in Rechnung zu stellen, dass er aufgrund der eingetretenen Verjährung auch nichts mehr zu leisten braucht. Das dritte Argument, die prinzipiell unverzichtbare Einlageforderung werde durch eine schwächere Darlehensforderung ersetzt, kommt nicht zum Tragen. Eine verjährte Einlageforderung erweist sich im Vergleich mit einer unverjährten Darlehensforderung nicht als „schwächer“. Der in § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG vorgesehene Schutz kann sich nur entfalten, wenn die Einlageforderung einredefrei ist.

Als Schadensersatz sind zudem von den Gesellschaftern zu entrichtende Zinsen nach § 20 GmbHG i.V.m. § 246 BGB geschuldet. Der Verweis in § 20 GmbHG bezieht sich auf den gesetzlichen Zinssatz des § 246 BGB, nicht auf den Verzugszinssatz nach § 288 BGB (Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O., § 20 Rn. 6).

Schlagworte: Alleingesellschafter und -geschäftsführer, Darlegungs- und Beweislast, Darlehen, fachkundiger Rat, Haftung nach § 43 GmbHG, Hin- und Herzahlen, offene Stammeinlagen, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, Verjährung, Verschulden, Vollwertigkeit, Zwei-Personen-Gesellschaft