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BGH, Urteil vom 5. Mai 1958 – II ZR 245/56

Nachschieben von Gründen

§ 626 BGB, § 242 BGB

Grundsätzlich können zur Begründung einer außerordentlichen Kündigung, die aus dem bei der Kündigung angegebenen Grund unwirksam wäre, zZt des Anspruchs der Kündigung bereits vorhandene, mit der Kündigungserklärung nicht bekanntgegebene Gründe nachträglich mit der Wirkung geltend gemacht werden, daß sie die Kündigung bereits für den Zeitpunkt ihres Ausspruchs rechtfertigen. Im Einzelfall kann sich nach Treu und Glauben eine Beschränkung auf den zunächst angegebenen Kündigungsgrund ergeben.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 23. Juni 1956 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Kläger war seit Juli 1953 als Handelsvertreter der Beklagten gegen eine 10 %ige Provision tätig. Mit Schreiben vom 4. Juni 1954 kündigte ihm die Beklagte fristlos mit der Begründung, er habe mit einer anderen Firma Verbindung aufgenommen, damit diese denselben Kunststoff wie sie, die Beklagte, herstelle. Der Kläger, der die Kündigung nur als ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Zeitpunkt, dem 30. September 1954, anerkennt, beantragt mit der am 17. Juli 1954 eingereichten Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung rückständiger Provision und die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm von ihrem Umsatz in der Zeit vom 4. Juni bis 30. September 1954 eine Provision von 10 % zu bezahlen und ihm weiter eine Ausgleichsvergütung zu gewähren. Randnummer2

Die Beklagte beantragt die Klagabweisung. Zur Begründung der fristlosen Kündigung hat sie mit Schriftsatz vom 8. Oktober 1954 noch vorgetragen, der Kläger habe mit ihren Abnehmern niedrigere Preise, als sie von ihr vorgeschrieben seien, vereinbart und sich die Differenz als Provision von den Abnehmern entrichten lassen. In einem weiteren Schriftsatz vom 28. Oktober 1954 hat sie die außerordentliche Kündigung weiterhin darauf gestützt, daß der Kläger bei den Kunden das Gerücht verbreitet habe, sie stehe vor dem Konkurs und betreibe Wechselreiterei. Zur Höhe des Anspruchs macht sie geltend, die hohe Provision von 10 % sei ihm nur mit Rücksicht auf die mündlich übernommene Delkrederehaftung zugesagt worden. Randnummer3

Das Landgericht hat durch Teilurteil dem Feststellungsantrag, soweit er sich auf die Bezahlung von Provision für die Zeit vom 4. Juni bis 30. September 1954 bezog, entsprochen, dagegen den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Ausgleichsvergütung als unbegründet zurückgewiesen. Beide Parteien haben unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlichen Anträge Berufung eingelegt. Der Kläger hat außerdem hilfsweise beantragt, die Beklagte zur Erteilung eines Buchauszuges für die Zeit vom 4. Juni bis 30. September 1954 und zur Zahlung der daraus zu berechnenden 10 %igen Provision sowie ferner zur Zahlung von 30.000 DM als Ausgleichsvergütung zu verurteilen. Das Oberlandesgericht hat — unter Zurückweisung der Berufung des Klägers — sämtliche Anträge des Klägers abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter, während die Beklagte Zurückweisung der Revision begehrt.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat das rechtliche Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung sowohl der Pflicht der Beklagten zur Zahlung einer 10 %igen Provision für die Zeit vom 4. Juni 1954 bis 30. September 1954 als auch zur Leistung einer Ausgleichsvergütung bejaht. Gegen diese in der Revision noch von Amts wegen zu prüfende Annahme bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Was die Pflicht zur Provisionszahlung anlangt, so konnte der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung am 17. Juli 1954 noch keinen bezifferten Leistungsantrag stellen, da noch nicht feststand, welche Umsätze in der Zeit bis zum 30. September 1954 zustande kommen würden. Wenn eine Bezifferung des Gesamtanspruchs nicht möglich ist, besteht grundsätzlich kein Zwang, die Klage in eine Verurteilungs- und Feststellungsklage zu spalten (RGZ 108, 201; Wieczorek ZPO § 256 C II b 2). Allerdings hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, im Wege der Stufenklage Erfüllung zu verlangen, als er auf Erteilung eines Buchauszuges über die Umsätze und auf Verurteilung der sich daraus ergebenden Provision hätte klagen können. Mit der vom Berufungsgericht allein angestellten Erwägung, daß die Stufenklage in Wirklichkeit zwei Verfahren darstelle, läßt sich das Feststellungsinteresse nicht rechtfertigen. Wenn eine Stufenklage möglich ist, müssen vielmehr weitere besondere Umstände für die Annahme eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung gegeben sein (BGH LM BGB § 123 Nr. 12). Im vorliegenden Fall bestand aber zwischen den Parteien Streit über die Höhe der Provision. Der Kläger hatte daher an der alsbaldigen Feststellung, daß ihm eine 10 %ige Provision zustehe, ein rechtliches Interesse. Zwar hat der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges das Bestehen einer Provisionspflicht zur Voraussetzung. Über die Höhe der Provision wird jedoch bei der Klage auf Erteilung eines Buchauszuges grundsätzlich nicht entschieden. Daher lag hier in dem Verlangen auf Feststellung der Höhe der Provision ein besonderer die Feststellungsklage rechtfertigender Umstand. Randnummer5

Das Berufungsgericht hat auch das rechtliche Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung des Ausgleichsanspruchs im Ergebnis mit Recht bejaht. Es meint, dem Kläger könne die Feststellung schon deshalb nicht verwehrt werden, weil es zur Zeit der Klageerhebung noch unentschieden gewesen sei, ob es erforderlich sei, den Ausgleichsanspruch innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gerichtlich geltend zu machen (§ 89 b Abs. 4 HGB). Allerdings kann die Gefahr eines Rechtsverlustes — wie z.B. durch Verjährung — eine Feststellungsklage rechtfertigen (BGH LM § 256 Nr. 7). Jedoch hat das Berufungsgericht nicht beachtet, daß mit der Erhebung einer Stufenklage auf Erteilung eines Buchauszuges und auf Leistung des sich danach berechnenden Ausgleichsbetrages auch der der Höhe nach noch nicht bezifferte Ausgleichsanspruch rechtshängig geworden und mithin „gerichtlich“ geltend gemacht worden wäre (Baumbach-Lauterbach ZPO § 254 Anm. 1; Rosenberg 7. Aufl. § 91 Abs. 2 Satz 3). Das Verlangen auf Ausgleichszahlung ging indessen im Zeitpunkt der Klageerhebung auf eine künftige Leistung, die noch nicht beziffert werden konnte, weil die Höhe des Anspruchs von vornherein noch von der erst nach Klageerhebung anfallenden Provision abhing. Eine Stufenklage, bei der zunächst über den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges entschieden worden wäre, hätte lediglich über die Provisionspflicht und über die Höhe der späteren Umsätze Klarheit schaffen können. Damit wäre noch nicht darüber entschieden worden, ob ein Ausgleichsanspruch besteht, da dieser Anspruch von weiteren, in der Auskunftsklage nicht zu behandelnden Voraussetzungen wie z. B. der Vorteilserlangung auf der Seite des Unternehmers, dem Verlust bei dem Dienstverpflichteten und von Billigkeitserwägungen abhängt. Aus diesem Grunde stand die Möglichkeit der Erhebung einer Stufenklage dem Feststellungsbegehren nicht entgegen.

II.

In der Sache selbst hat das Berufungsgericht festgestellt, die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 4. Juni 1954 als Begründung für die darin ausgesprochene fristlose Kündigung des Klägers lediglich darauf verwiesen, daß er Beziehungen zu einer anderen Firma aufgenommen habe. Nach der Behauptung der Beklagten habe er diese Firma D veranlassen wollen, denselben Kunststoff herzustellen, den er für die Beklagte als Handelsvertreter absetzen sollte. Das Berufungsgericht sieht darin keinen wichtigen Grund zu einer Kündigung, da diese Verhandlungen durch die Beklagte, auf jeden Fall durch die Teilnahme eines maßgeblichen Mitarbeiters der Beklagten, gebilligt worden seien. Randnummer7

Dagegen reichen nach Ansicht des Berufungsgerichts die weiteren Vorwürfe, die die Beklagte erst im Laufe des Rechtsstreits gegen den Kläger erhoben hat, zur Rechtfertigung der fristlosen Kündigung aus. Danach hat der Kläger, wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Oktober 1954 vorgetragen hat, einem Kunden der Beklagten zu deren Lasten Preisnachlässe gewährt und sich den Preisunterschied in Form einer zusätzlichen Provision von insgesamt 3.000 DM von dem Kunden bezahlen lassen. Des weiteren hat der Kläger, worauf sich die Beklagte in einem weiteren Schriftsatz vom 28. Oktober 1954 berufen hat, das Gerücht verbreitet, die Beklagte betreibe Wechselreiterei und stehe vor dem Konkurs. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts konnten diese zur Zeit der Kündigungserklärung bereits vorliegenden Verfehlungen des Klägers noch nachträglich mit der Wirkung vorgebracht werden, daß sie die aus dem zunächst angegebenen Grunde unwirksame Kündigung für den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung rechtfertigten. Das Berufungsgericht meint deshalb, der Kläger könne für die Zeit vom 4. Juni 1954 bis zum 30. September 1954, dem Zeitpunkt, zu dem die fristlose Kündigung jedenfalls als ordentliche Kündigung wirksam geworden sei, keine Provision verlangen. Randnummer8

Dem gegenüber vertritt die Revision den Standpunkt, bei nachträglicher Geltendmachung von Gründen werde eine fristlose Kündigung, die aus dem zunächst angegebenen Grund nicht gerechtfertigt sei, erst mit dem Zeitpunkt wirksam, zu dem sich der Dienstberechtigte dem Dienstverpflichteten gegenüber auf die weiteren Gründe berufe. Die Entscheidungen, auf die sich die Revision stützt (RAG JW 1928, 2921 Nr. 3; RGZ 122, 38), betreffen jedoch einen anderen Sachverhalt. Dort war eine — zum Teil sogar nur ordentliche — Kündigung nachträglich darauf gestützt worden, daß nach der Erklärung der Kündigung der Dienstverpflichtete sich weitere Verfehlungen habe zuschulden kommen lassen. Bei einer solchen Sachlage war es bisher nicht zweifelhaft, daß die später eingetretenen Gründe nicht zurückwirken, sondern höchstens vom Augenblick ihres Eintritts an ein Dienstverhältnis auflösen können, das bereits fristlos gekündigt war, es sei denn, sie rechtfertigten eine Gesamtbeurteilung, aus der sich ergibt, daß im Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar war (vgl. Gessler-Schröder, Handelsvertreter § 89 a Anm. 14 d). Für diesen Fall des nachträglichen Eintritts von Kündigungsgründen ist dann allerdings in neueren Entscheidungen gegenüber der insoweit nicht einhelligen älteren Rechtsprechung (vgl. RGZ 142, 268; RG JW 1928, 2909) ausgesprochen worden, daß die nachträglich eingetretenen Gründe das Dienstverhältnis erst mit dem Augenblick ihrer Geltendmachung aufheben (BAG 2, 245, 251; BAG AP BGB § 626 Nr. 9), es sei denn, sie ständen mit dem ursprünglich angeführten Kündigungsgrund in innerem Zusammenhang. Dabei wird aber auch in diesem letzten Fall — allerdings ohne besondere Geltendmachung — die Kündigung nur für den Zeitpunkt des Eintritts des nachträglichen Kündigungsgrundes wirksam (BGH MDR 1954, 606). Randnummer9

Im vorliegenden Fall ist demgegenüber zu entscheiden, ob eine fristlose Kündigung, für die zunächst ein Grund angegeben worden war, der sich später als unzureichend herausgestellt hat, nachträglich auf andere Gründe gestützt werden kann, die — mögen sie dem Kündigenden bekannt oder auch nicht bekannt gewesen sein — bei Ausspruch der Kündigung schon vorlagen, und zwar mit der Wirkung, daß die Kündigung mit dem Zeitpunkt des Ausspruchs wirksam wird. Diese Möglichkeit ist bisher von der Rechtsprechung allgemein und im Schrifttum überwiegend bejaht worden (RGZ 142, 268; RG JW 1938, 13929; RAG ArbRSlg 31, 37 m. Anm. Dersch; Hueck AP 50 Nr. 27; Staub-Pinner HGB § 70 Anm. 3; Nikisch 2. Aufl. S. 569; Molitor SJZ 1950 Sp. 397), darunter auch von den Autoren, die fordern, daß bei der Erklärung der fristlosen Kündigung der Kündigungsgrund angegeben werden muß (vgl. Palandt § 626 Anm. 2 e). Danach soll es für die Wirksamkeit einer Gestaltungserklärung lediglich entscheidend sein, ob für die Erklärung zur Zeit ihrer Abgabe ein Grund vorhanden war, der sie nach dem Gesetz rechtfertigte. Es ist nicht zu verkennen, daß die Stellungnahme hierzu von der Beurteilung der Frage beeinflußt wird, ob bei der fristlosen Kündigung überhaupt ein Grund angegeben werden muß (vgl. dazu Lent AcP 152, 410). Bildet die Begründung einen Bestandteil der Erklärung, so kann sich die Wirksamkeit der Erklärung nur nach der gegebenen Begründung beurteilen. Die Heranziehung eines neuen Grundes würde alsdann die Ausübung eines neuen Gestaltungsrechts bedeuten, woraus sich die Folgerung ergäbe, daß der später angeführte Grund erst mit seiner Geltendmachung wirkt (Lent aaO 412). Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Reichsarbeitsgerichts hat mit vereinzelten Ausnahmen die Angabe eines Kündigungsgrundes nicht gefordert (RGZ 56, 372; 88, 127; 122, 38; 142, 268, 274; RG Gruch 60, 664; RAG ArbRSlg 20 S. 280). In vereinzelten Fällen, in denen die Bekanntgabe des Kündigungsgrundes bei der Kündigung verlangt wurde, handelte es sich in der Regel darum, daß zunächst eine ordentliche Kündigung ausgesprochen worden war und der Dienstberechtigte später eine fristlose Kündigung geltend machte (RAG ArbRSlg 17, 249; 28, 111, 115; vgl. aber auch RAG ArbRSlg 38, 81). Auf demselben Standpunkt steht zum Teil die Rechtslehre (Dersch ArbRSlg 31, 37 Anm.; Würdinger RGRK HGB § 70 Anm. 30; Hueck-Nipperdey, Arbeitsrecht 6. Aufl. Randnummer10

§ 56 VI; § 59 IV 2; Molitor, Kündigung 2. Aufl. S. 103, 204, 259). In neuerer Zeit neigt die Rechtslehre allerdings insbesondere auf dem Gebiet des Arbeitsrechts mit wenn auch unterschiedlicher Begründung dazu, die Angabe des Kündigungsgrundes für wesentlich zu halten (Palandt § 626 Anm. 2 d; Nikisch, Arbeitsrecht 2. Aufl. S. 607, 567; Geßler-Schröder, Handelsvertreter § 89 a Anm. 14 Ziff. 4). Da der Erklärungsempfänger sich schlüssig werden müsse, ob er eine Gestaltungserklärung anerkennen solle, müsse er, so wird für die Notwendigkeit der Angabe des Kündigungsgrundes angeführt, in den Stand gesetzt werden, sich ein Urteil über die Berechtigung und Wirksamkeit der Kündigung zu bilden. Deshalb müsse ihm der Kündigungsgrund mitgeteilt werden. Aus derselben Erwägung heraus müsse er auch über alle weiteren Kündigungsgründe unterrichtet werden, auch wenn der Kündigende hätte überzeugt sein dürfen, daß der in erster Linie von ihm herangezogene Grund durchgreifen werde. Der Gekündigte könne sonst von seinem Standpunkt aus den ihm bekanntgegebenen Grund für unzureichend halten, sich dementsprechend verhalten, z.B. sich auf einen Prozeß einlassen, während er bei Mitteilung der anderen Gründe sich vielleicht gefügt hätte (Lent aaO S. 409). Anderseits ist es oft unzweifelhaft, daß die Sachlage die Angabe eines Grundes bei Ausspruch der Kündigung oder die Angabe der weiteren, zunächst zurückgehaltenen Gründe nicht erfordert, so etwa, wenn der Erklärungsgegner über die Kündigungsgründe, insbesondere bei Vorgängen in seinem Bereich, unterrichtet ist und deshalb für sein weiteres Verhalten keiner Aufklärung mehr bedarf. Es ist außerdem nicht zu verkennen, daß es unter Umständen im Interesse des Gekündigten liegen kann, wenn der Dienstberechtigte nicht alle, insbesondere nicht solche Gründe heranzieht, die den Gekündigten besonders schwer belasten. Daraus folgt, daß die Frage, ob eine fristlose Kündigung begründet werden muß, und ob alle vorhandenen Gründe angegeben werden müssen, sich nicht allgemein beantworten läßt. Das Wesen der fristlosen Kündigung als einer Gestaltungserklärung erfordert lediglich die unzweideutige Ausübung des Rechts. Beim Fehlen einer dahingehenden Vorschrift gehört die Begründung nicht zum notwendigen Inhalt der Kündigungserklärung (Nikisch aaO S. 567), sie bildet nur einen Hinweis, so daß grundsätzlich auch andere zur Zeit der Kündigung gegebene Gründe zur Beurteilung ihrer Wirksamkeit nachträglich herangezogen werden können. Dem Kündigenden ist es daher grundsätzlich gestattet, zur Zeit des Ausspruchs der Kündigung bereits vorhandene, noch nicht vorgebrachte Gründe nachträglich mit der Wirkung geltend zu machen, daß sie die Kündigung bereits für den Zeitpunkt ihres Ausspruchs rechtfertigen (Hueck-Nipperdey aaO § 56 VI 3; BAG Betrieb 1958, 491). Randnummer11

Die Gesichtspunkte, die eine Unterrichtung des gekündigten Vertragspartners über die Gründe seiner Kündigung angezeigt erscheinen lassen, können hiernach nur dazu führen, daß im Einzelfall bei entsprechender Sachgestaltung nach Treu und Glauben die Angabe eines Kündigungsgrundes oder sämtlicher Kündigungsgründe für erforderlich erachtet werden kann (Würdinger aaO §§ 70 Anm. 3, 89 a Anm. 2; Hueck-Nipperdey aaO § 56 VI 2; Nikisch aaO S. 568; Palandt § 626 Anm. 2 a; Molitor, Kündigung 2. Aufl. S. 104; vgl. auch RGZ 142, 268, 274). Ist bei Ausspruch der Kündigung ein bestimmter Kündigungsgrund angegeben worden, so stellt sich die Frage, ob der Gekündigte nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Kündigende werde sich auf diesen Grund beschränken. Bei der Beurteilung dieser Frage kann es von Bedeutung sein, ob es sich bei den nicht angegebenen Kündigungsgründen um solche handelt, die von dem Dienstverpflichteten selbst veranlaßt worden sind, oder ob sie in der Sphäre des Dienstberechtigten liegen. Wenn, wie im vorliegenden Fall, Kündigungsgründe in Frage stehen, die der Dienstverpflichtete vorsätzlich herbeigeführt hat, wie z. B. grob eigennützige Mißachtung der Interessen des Dienstberechtigten und vorsätzliche Verbreitung kreditschädigender Behauptungen, darf der Gekündigte nicht darauf vertrauen, daß der Dienstberechtigte, wenn er schon einmal die außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, sich auf diese Gründe nicht berufen will (vgl. Lent aaO 409). In diesem Fall können nur besondere Umstände den Dienstverpflichteten berechtigen, die Kündigungserklärung dahin aufzufassen, daß der Dienstberechtigte nur wegen des ausdrücklich angegebenen Grundes kündigen, die anderen ihm bekannten Gründe jedoch nicht zum Anlaß der Kündigung nehmen wolle (Hueck-Nipperdey aaO § 59 IV 3). Soweit es sich um bereits im Zeitpunkt der Kündigungserklärung vorhandene, dem Kündigenden jedoch erst später bekannt gewordene Gründe aus der Sphäre des Dienstverpflichteten handelt, wird in aller Regel in der nachträglichen Geltendmachung kein Verstoß gegen Treu und Glauben liegen. Randnummer12

Dem Berufungsurteil sind keine Umstände zu entnehmen, die den Kläger zu der Annahme hätten berechtigen können, daß die Beklagte seine kreditschädigenden Behauptungen und die ihren Interessen zuwiderlaufende Preisvereinbarung mit einem Kunden nicht als Kündigungsgrund betrachten wollte. Bei der unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben anzustellenden Würdigung des Vorgehens des Dienstberechtigten, der zunächst nur einen — von ihm als ausreichend betrachteten — Grund geltend macht, kommt überdies dem Umstand besondere Bedeutung zu, ob der ausgesprochene Kündigungsgrund mit einem zunächst nicht vorgebrachten in innerem Zusammenhang steht, wie es z. B. bei Geschäftsschädigung durch mehrere gleichartige Verfehlungen des Gekündigten der Fall ist. In diesem Fall muß der Gekündigte schon aus der Anführung einer derartigen Verfehlung in der Kündigungserklärung entnehmen, daß der Dienstberechtigte sich ein derartiges Verhalten allgemein nicht gefallen zu lassen geneigt ist. Er kann deshalb nicht damit rechnen, daß die übrigen in derselben Richtung liegenden Verfehlungen nicht als Kündigungsgrund betrachtet werden sollten, selbst wenn sie nicht von vornherein vorgetragen worden sind. Ein solcher innerer Zusammenhang bestand zwischen den die Einkünfte der Beklagten schmälernden Vereinbarungen des Klägers mit einem Kunden und dem im Kündigungsschreiben angeführten Grund der Aufnahme von Beziehungen zu einer anderen Firma, da es sich in beiden Fällen um eine von der Beklagten als unzulässig angesehene Zusammenarbeit mit einer anderen Firma handelte. War hiernach die Beklagte nicht gehindert, sich auf die zunächst nicht geltend gemachten Kündigungsgründe zu berufen, so braucht auf die weitere Frage nicht eingegangen zu werden, ob das Verschweigen der Gründe, wenn deren Angabe erforderlich gewesen wäre, zur Unwirksamkeit der Kündigung geführt oder den Kündigenden lediglich zum Schadenersatz verpflichtet hätte (Nikisch aaO S. 568, 607; Molitor, Kündigung 2. Aufl. S. 104; RGRK BGB § 626 Anm. 4). Randnummer13

Somit kommt es für die Entscheidung darauf an, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, daß die von ihm festgestellten Vorgänge — die Provisionsvereinbarung mit einem Kunden und die Verbreitung von kreditschädigenden Gerüchten — die fristlose Kündigung rechtfertigen. Dies gilt sowohl für den Anspruch auf Provision für die Zeit vom 4. Juni bis 30. September 1954 als auch für die Gewährung einer Ausgleichszahlung, wobei der letztere Anspruch nur dann ausscheidet, wenn der wichtige Grund in einem schuldhaften Verhalten des Klägers läge (§ 89 b Abs. 3 Satz 2 HGB). Randnummer14

Der Kläger hat sich nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts von einem Kunden der Beklagten (P.), demgegenüber er die Preise der Beklagten ermäßigt hatte, eine Sonderprovision gewähren lassen. Damit hat er im Ergebnis einen Teil des Kaufpreises, der sonst der Beklagten zugeflossen wäre, hinter deren Rücken für sich vereinnahmt. Er hat aus Eigennutz das Interesse der Beklagten, das er bei allen seinen Geschäften wahrzunehmen hatte (§ 86 Abs. 1 Halbs. 2 HGB), mißachtet. Das Berufungsgericht hat dabei zugunsten des Klägers unterstellt, daß er diesem Kunden bei der Rationalisierung seines Betriebes geholfen habe und daß diese Tätigkeit der Beklagten insofern zugute gekommen sei, als der Kunde mit der Beklagten umfangreiche Aufträge abgeschlossen habe. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts war jedoch die ausschlaggebende Triebfeder für den Kläger die Erwägung, daß s eine Provisionsansprüche bei höheren Abschlüssen steigen würden. Daher sei es nicht gerechtfertigt gewesen, daß der Kläger mit dem Kunden auf Kosten der Beklagten einen geringeren Preis als üblich vereinbarte. Ohne Rechtsfehler konnte das Berufungsgericht in einem solchen Verhalten einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung erblicken. Wenn die Revision dagegen vorbringt, der Kläger habe mit seiner Tätigkeit die Interessen der Beklagten gefördert, so will sie damit in unzulässiger Weise eine andere tatsächliche Beurteilung an die Stelle der rechtlich einwandfreien tatsächlichen Würdigung des Berufungsgerichts setzen. Soweit sie weiter darauf hinweist, die Beklagte habe die Geschäfte zu den vom Kläger gedrückten Preisen abgeschlossen und damit dem Preisnachlaß zugestimmt, übersieht sie, daß dies in Unkenntnis der wahren Sachlage geschehen ist. Randnummer15

In diesem Zusammenhang trägt die Revision vor, das Berufungsgericht habe die Beweislast verkannt. Der Kläger habe behauptet, Dr. Basler, der an der Geschäftsführung der beklagten Firma tatsächlich maßgebend beteiligt gewesen sei, habe von Anfang an die Provisionsabrede mit dem Kunden gekannt. Es sei rechtsirrig, wenn das Berufungsgericht meine, der Kläger sei für diese Behauptung beweispflichtig gewesen. Diese Rüge ist nicht begründet. Die vom Berufungsgericht festgestellten Vereinbarungen des Klägers mit P. standen in offensichtlichem Widerspruch zu den vertraglichen Abreden der Parteien. Wenn der Kläger behauptete, der Beklagten seien diese Vereinbarungen bekannt und sie sei sogar damit einverstanden gewesen, so machte er damit einen Umstand geltend, der die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens ausschließen sollte. Die Auffassung des Berufungsgerichts, er sei für diese Behauptung beweispflichtig, läßt bei dieser Sachlage keinen Rechtsirrtum erkennen. Randnummer16

Des weiteren hat das Berufungsgericht festgestellt, der Kläger habe über die Beklagte das Gerücht verbreitet, sie treibe Wechselreiterei und stehe vor dem Konkurs. Darin sieht das Berufungsgericht einen besonders groben Verstoß gegen die Pflicht des Klägers, die Interessen der Beklagten wahrzunehmen. Wenn es sich auch nur um Unmutsäußerungen gehandelt habe, so vertrage es sich doch nicht mit den Pflichten eines Handelsvertreters, die Kreditwürdigkeit und das geschäftliche Ansehen seines Unternehmens durch derartige Behauptungen, die im Handelsverkehr weittragende schädigende Folgen nach sich ziehen könnten, zu gefährden. Es unterliegt in der Tat keinem Zweifel, daß ein derartiges ungewöhnliches Verhalten eines Handelsvertreters einen Grund zur fristlosen Entlassung wegen schuldhaften Verhaltens darstellt. Die Revision rügt als Verfahrensverstoß, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß die Äußerung des Klägers über Wechselreiterei sich nach seinem Vortrag nicht auf die Beklagte, sondern auf deren Prokuristen bezogen habe. Darauf kommt es jedoch nicht an, da Handlungen eines Prokuristen dessen Vollmachtgeber angerechnet werden und daher, wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt, die Beklagte durch jene Äußerung des Klägers selbst in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Randnummer17

Die Revision macht ferner geltend, das Berufungsgericht habe in widersprüchlicher Weise ein Verschulden des Klägers festgestellt. Dieser Revisionsangriff berücksichtigt nicht den Aufbau des angefochtenen Urteils. Das Berufungsgericht hat zunächst wegen des Provisionsanspruchs für die Zeit vom 4. Juni bis 30. September 1954 geprüft, ob ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vorliegt. Da es hierfür nicht darauf ankam, ob der wichtige Grund in einem schuldhaften Verhalten des Klägers lag, konnte die Entscheidung darüber dahingestellt bleiben (UA 25). In diesem Sinn hat das Berufungsgericht ausgeführt, es könne sich aus dem Vorbringen des Klägers, er habe die kreditschädigende Äußerung aus einer mehr oder weniger berechtigten Verärgerung gemacht, allenfalls ergeben, daß sein Verhalten entschuldbar sei. Es hat jedoch in diesem Zusammenhang zu der Frage des Verschuldens keine Stellung genommen, da es, wie es weiter ausführt, darauf hier nicht ankam. Deshalb steht es damit nicht im Widerspruch, wenn es bei der Prüfung des Ausgleichsanspruchs, für den es auf die Schuldfrage ankommt, feststellt, der Kläger habe die Kündigung durch schuldhaftes Verhalten herbeigeführt. Randnummer18

Endlich meint die Revision, es fehle in dem angegriffenen Urteil an einer Gesamtwürdigung, wie sie allerdings bei der Prüfung, ob die Fortsetzung eines Dienstverhältnisses auch nur für die Dauer der infrage kommenden ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, vorgenommen werden muß (Nikisch, Arbeitsrecht 2. Aufl., 591). Entgegen dem Vorbringen der Revision hat das Berufungsgericht mit Ausführungen, die keinen Rechtsfehler erkennen lassen, gewürdigt, daß die Beklagte zunächst den Vertrag im Vergleichswege um 3 Monate verlängern wollte (UA 26). Es hat ferner der Tatsache Rechnung getragen, daß die Beklagte zunächst nicht alle Kündigungsgründe in ihrem Entlassungsschreiben aufgeführt hat (UA 25). Endlich hat es das Vorbringen des Klägers berücksichtigt, er habe sich große Verdienste um das Unternehmen der Beklagten erworben (UA 32). Damit hat es bei der gegebenen Sachlage dem Erfordernis der Gesamtwürdigung hinreichend Rechnung getragen. Randnummer19

Mit Recht ist hiernach das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, daß die durch das schuldhafte Verhalten des Klägers gerechtfertigte außerordentliche Kündigung am 4. Juni 1954 wirksam geworden sei und daß der Kläger weder eine Ausgleichszahlung noch Provision für die Zeit nach dem 4. Juni 1954 beanspruchen könne. Die Revision macht noch geltend, der Anspruch lasse sich für den dem 4. Juni 1954 folgenden Zeitraum in einem allerdings verringerten Umfang auf § 87 Abs. 3 HGB stützen. Zutreffend hat das Berufungsgericht hierzu aber ausgeführt, der Kläger habe einen derartigen Anspruch nicht geltend gemacht. Es handelt sich hierbei nicht, wie die Revision meint, um eine andere rechtliche Qualifikation der vom Kläger vorgetragenen Tatsachen. Dem Handelsvertreter steht nach § 87 Abs.1 Provision für alle während des Vertragsverhältnisses geschlossenen Geschäfte zu. Diesen Anspruch erweitert § 87 Abs. 3 dahin, daß er für Geschäfte, die nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geschlossen worden sind, Anspruch auf Provision hat, wenn sie überwiegend durch ihn während des Bestehens des Vertragsverhältnisses vermittelt worden sind. Daß solche Geschäfte noch nach der außerordentlichen Kündigung zum Abschluß gelangt sind, hat der Kläger jedoch nicht behauptet, so daß es an den tatsächlichen Voraussetzungen der von der Revision herangezogenen Rechtsnorm fehlt. Randnummer20

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Schlagworte: Beginn der Zweiwochenfrist nach § 626 BGB, BGB § 626, BGB § 626 Abs. 2 Satz 2, Handelsvertreter, Handelsvertretervertrag, Interessenabwägung Gesamtabwägung, Nachschieben von Ausschlussgründen, Nachschieben von Beschlussgründen, Nachschieben von Gründen, Verbreitung von diskreditierenden Informationen über Gesellschaft