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BGH, Urteil vom 12. Juni 1963 – VII ZR 272/61

Nachschieben wichtiger Grund

§ 89b Abs 3 S 1 HGB

Ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon bestand, dem kündigenden Handelsvertreter aber damals noch nicht bekannt war, kann „begründeter Anlaß“ zur Kündigung sein. Der Ausgleichsanspruch ist dann durch die Kündigung nicht ausgeschlossen (HGB § 89b Abs 3 S 1).

Tenor

Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Oldenburg vom 7. November 1961 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über den Feststellungsantrag und über den Ausgleichsanspruch der Beklagten entschieden worden ist.

In diesem Umfange wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Im übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Beklagte war von September 1953 bis Ende Januar 1959 als Bezirksvertreter für die Klägerin tätig, die Herren- und Damenoberbekleidung herstellt.Randnummer2

Ab Oktober 1958 stritten die Parteien über die Höhe der dem Beklagten zustehenden Provision. Am 31. Januar 1959 kündigte der Beklagte fristlos, weil die Klägerin sich weigerte, mit ihm über ihre Geschäfte mit den Firmen B., H. (H.), N. und dem Wehrmachtsbeschaffungsamt K. abzurechnen und ihm daraus Provision zu zahlen. Er forderte einen Ausgleich nach § 89 b HGB. Darauf kündigte die Klägerin am 6. Februar 1959 ihrerseits fristlos.Randnummer3

Sie hat eine Feststellungsklage erhoben, die inzwischen in der Hauptsache erledigt ist.Randnummer4

Der Beklagte hat Widerklage erhoben, zuletzt mit folgenden Anträgen:Randnummer5

1) die Klägerin zu verurteilen,Randnummer6

ihm Auskunft, insbesondere Rechnungskopien über alle Geschäfte zu erteilen, die auf Grund von Aufträgen der in seinem Vertreterbezirk ansässigen Niederlassungen der Firmen B., H. (H.) und N. oder auf Grund von Aufträgen anderer Stellen dieser Firmen über Lieferungen an diese Niederlassungen zustande gekommen und ausgeführt sind, und zwar bis Ende des Vertretervertrages am 31 Januar 1959,Randnummer7

und über die aus diesen Geschäften fällig gewordenen Provisionen abzurechnen;Randnummer8

2) festzustellen, daß der Klägerin gegen ihn keine Forderung von 11.032,99 DM wegen zuviel gezahlter Provision aus dem Arbeitsjahr 1957/1958 zustehe;Randnummer9

3) die Klägerin zu verurteilen, an ihn einen angemessenen Ausgleich zu zahlen, dessen Höhe er in das Ermessen des Gerichts stelle.Randnummer10

Die Klägerin ist diesen Anträgen entgegengetreten.Randnummer11

Unter Abweisung der Widerklage im übrigen hat das Gericht nur dem Feststellungsantrag, das Oberlandesgericht nur dem Anspruch auf Ausgleich in Höhe von 16800 DM stattgegeben.Randnummer12

Mit der Revision verfolgt der Beklagte seine Widerklageanträge weiter und erstrebt die Klägerin die volle Abweisung der Widerklage. Jede Partei beantragt, die Revision des Gegners zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Auskunftsanspruch:

1) B.:

Das Berufungsgericht führt aus: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Klägerin auf die von ihr direkt hereingeholten Aufträge der Firma B. dieser mehr als 8 % Preisnachlaß gewähren müssen. Nach Ziff. 4 Abs. 2 und 3 des Vertrages der Parteien vom 18. September 1953 sei für jedes Prozent Preisnachlaß die Provision des Beklagten um 1/2 % zu kürzen, wenn es sich wie hier um große Abschlüsse mit unumgänglichem Preisnachlaß handele. Da der vereinbarte Provisionssatz des Beklagten für die in Betracht kommenden Geschäfte 4 % betrage, sei die Provision bei einem Preisnachlaß von 8 % und mehr gänzlich entfallen.Randnummer16

a) Der Beklagte greift die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts an. Er meint, nach Ziff. 4 Abs. 7 des Vertrages stehe ihm bei Konzernabschlüssen, welche die Klägerin „von Haus aus“ ohne seine Mitwirkung „getätigt“ habe für die in seinen Bezirk gelieferte Ware die Hälfte der Provision zu, wie sie sich aus dem in Ziff. 4 Abs. 1 niedergelegten Schema ergebe. Die in Ziff. 4 Abs. 2 und 3 getroffenen Bestimmungen seien dagegen auf die in Abs. 7 geregelten Fälle nicht anwendbar.Randnummer17

Die Rüge ist nicht begründet. Richtig ist allerdings, daß die in Abs. 1 bis 3 getroffenen Regelungen zunächst „für alle direkten Verkäufe (des Handelsvertreters) und normalen Nachbestellungen“ vorgesehen sind, wie Abs. 4 ausdrücklich bestimmt. In den Absätzen 6 und 7 wird aber auf das „vorstehende Schema“ Bezug genommen. Ohne Rechtsverstoß durfte das Berufungsgericht diese Bezugnahme auf den gesamten Inhalt der Absätze 1 bis 3 beziehen. Es war nicht zu der Annahme genötigt, die Regelung der Absätze 2 und 3 beziehe sich lediglich auf vom Handelsvertreter gewährte Preisnachlässe. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist rechtsfehlerfrei und daher für das Revisionsgericht bindend.Randnummer18

b) Der Beklagte hatte in seiner Berufungsbegründung auf zwei seiner erstinstanzlichen Schriftsätze verwiesen und die dortigen Beweisantritte aufrecht erhalten. Er hatte sich dort für seine Behauptung, die Klägerin habe der Firma keinen Preisnachlaß von 8 % gewahrt, auf eine „Auskunft der Firma B.“ bzw. „Vernehmung des zuständigen Herrn dieser Firma“ bezogen.Randnummer19

Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, die Auskunft einer Privatfirma sei kein zulässiges Beweismittel; zum anderen habe der Beklagte auch nicht die Anschrift der Firma und ihrer für die Beantwortung der Beweisfrage zuständigen Stellen angegeben.Randnummer20

Der Beklagte rügt, das Berufungsgericht hätte den Beweisantritt dahin auffassen müssen, daß „der zuständige Herr“ der Firma B. als Zeuge vernommen werden sollte. Es hätte gemäß § 139 ZPO nach Namen und Anschrift dieses Zeugen fragen müssen.Randnummer21

Es ist dem Beklagten zuzugeben, daß das Berufungsgericht im Rahmen der richterlichen Fragepflicht darauf hätte hinwirken müssen, daß er Namen und ladungsfähige Anschrift des Zeugen nannte (vgl. BGH VI ZR 116/58 vom 30. Juni 1959). Die Rüge ist aber hier deswegen unbegründet, weil der Beklagte auch in der Revisionsbegründung noch nicht den Angestellten der Firma B. bezeichnet hat, der in der Lage sein soll, seine Behauptung zu bestätigen. Vielmehr heißt es dort lediglich, auf Frage des Gerichts würde der Beklagte nach Erkundigung Namen und Anschrift des Zeugen angezeigt haben.Randnummer22

Hieraus ergibt sich, daß der Beklagte sich mindestens bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist noch nicht vergewissert hatte, ob ein Angestellter der Firma B. über den hier in Betracht kommenden Punkt überhaupt etwas bekunden kann. Dessen hätte es aber bedurft. Denn die Klägerin hatte behauptet, niemand bei der Firma B. könne darüber aussagen, um wieviel Prozent die zwischen dieser Firma und der Klägerin ausgehandelten Preise unter deren Listenpreisen gelegen hätten; bei den Vertragsverhandlungen seien nämlich diese Listenpreise nicht genannt worden. Jedenfalls bei dieser Sachlage gehörte die genaue Bezeichnung des Zeugen zu der nach § 554 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO gebotenen, fristgebundenen Ausführung der Verfahrensrüge. Es geht nicht an, daß der Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils damit erreicht, daß die Verfahrensrüge ohne konkreten Anhaltspunkt auf die Vermutung aufbaut, es werde sich bei der Firma B. schon jemand ermitteln lassen, der über seine Behauptung aussagen könne.Randnummer23

2) H. (H.) und N.:

Das Berufungsgericht führt aus: Es sei dem Beklagten nicht gelungen, mit diesen Firmen ins Geschäft zu kommen. Die Klägerin habe daher in zulässiger Weise von dem ihr nach Ziff. 3 des Vertrags zustehenden Recht Gebrauch gemacht, diese Kunden aus dem Tätigkeitsbereich des Beklagten herauszunehmen, zu „sperren“. Das habe sie dem Beklagten mitgeteilt. Infolgedessen habe dieser keine Provisionsansprüche aus den Geschäften, welche die Klägerin später mit jenen Firmen geschlossen habe.Randnummer25

Der Beklagte beruft sich demgegenüber darauf, daß ihm als Bezirksvertreter nach § 87 Abs. 2 HGB Provision auch für Geschäfte zustehe, die der Unternehmer ohne seine Mitwirkung abgeschlossen habe. Das werde für Konzernabschlüsse auch durch Ziff. 4 Abs. 7 des Vertrages bestätigt.Randnummer26

Der Beklagte übersieht dabei, daß Ziff. 3 des Vertrages der Klägerin unter gewissen Voraussetzungen das vertragliche Recht gab, durch einseitige Erklärung an den Beklagten einzelne Kunden aus seinem Arbeitsgebiet herauszunehmen mit der Folge, daß Geschäfte mit diesen Kunden nicht mehr provisionspflichtig waren. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Beklagte mit seinen Verkaufsbemühungen bei diesen Firmen keinen Erfolg gehabt. Damit waren die Voraussetzungen für eine „Sperrung“ gegeben.Randnummer27

Nach der vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Auslegung geht die vertragliche Sonderregelung der Ziff. 3 des Vertrages den Bestimmungen vor, auf welche der Beklagte sich beruft.Randnummer28

Die Begründung, welche das Berufungsgericht in den Fällen H. und N. gibt, ist somit eine grundsätzlich andere als im Falle B. Das verkennt der Beklagte, wenn er bei H. und N. Darlegungen des Berufungsgerichts darüber vermißt, ob wegen gewährter Preisnachlässe ein Provisionssatz des Beklagten als aufgezehrt zu betrachten sei. Bei der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung bedurfte darüber keiner Ausführungen.

II.

Feststellungsantrag:

In dem Zusatzabkommen der Parteien vom 9. September 1955 garantierte die Klägerin dem Beklagten für mehrere Reisejahre, so auch für das Jahr vom 1. September 1957 bis 31. August 1958 „eine Provision in Höhe von 36.000 DM, jedoch unter der Voraussetzung, daß in diesen Jahren mindestens ein Umsatz in Höhe von 750.000 DM pro Jahr erzielt wird.“Randnummer31

Nach der Abrechnung der Klägerin vom 15. Oktober 1958 erreichte der Beklagte in diesem Jahr nur einen Umsatz von 736.445,88 DM. Nach diesem Umsatz errechnet sich die Provision des Beklagten mit nur 24.967,01 DM und liegt damit um 11.032,99 DM unter den 36.000 DM, welche die Klägerin dem Beklagten für dieses Jahr bereits vorschußweise gezahlt hatte.Randnummer32

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte müsse ihr die zuviel gezahlten 11.032,99 DM zurückzahlen. Der Beklagte begehrt die Feststellung, daß er dazu nicht verpflichtet sei.Randnummer33

Das Berufungsgericht hat den Feststellungsantrag, abgewiesen.Randnummer34

1) Der Beklagte rügt, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß er den Mindestumsatz von 750.000 DM doch erreicht habe, wenn man nämlich die Aufträge einbeziehe, welche die Klägerin nicht ausgeführt habe. Zum Beweise dafür hatte er sieh bereits im ersten Rechtszug auf das Zeugnis des früheren Prokuristen W. der Klägerin und auf Parteivernehmung des Geschäftsführers und Alleingesellschafters der Klägerin berufen (Schriftsatz vom 3. Juni 1960).Randnummer35

Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Beklagten als unsubstantiiert und als verspätet zurückgewiesen.Randnummer36

Beides ist nicht haltbar, wie der Beklagte mit Recht rügt.Randnummer37

a) Das Vorbringen war nicht verspätet.Randnummer38

Der Beklagte hatte sich im Berufungsverfahren auf den genannten erstinstanzlichen Beweisantritt nicht erst mit Schriftsatz vom 23. Oktober 1961 bezogen, sondern bereits mit Schriftsatz vom 24. April 1961, worauf er in seiner Revisionsbegründung mit Recht hinweist. Am Schluß dieses Schriftsatzes hatte er nämlich ausgeführt, die Garantiesumme sei überschritten worden, das Landgericht habe den dazu angebotenen Beweis nicht mehr erhoben, habe das von seinem Standpunkt aber auch nicht nötig gehabt. Das letztere war richtig; denn das Landgericht hatte dem Feststellungsantrag aus anderen Gründen stattgegeben.Randnummer39

Aus der genannten Schriftsatzstelle mußte das Berufungsgericht entnehmen, daß der Beklagte auch im zweiten Rechtszuge die Erhebung der von ihm früher zu dem genannten Punkt angetretenen Beweise wünschte, falls es darauf ankam, was nach den Gründen des Berufungsurteils der Fall ist.Randnummer40

Angesichts des verhältnismäßig geringen Umfangs der Gerichtsakten brauchte der Beklagte den Schriftsatz, in welchem sich sein erstinstanzlicher Beweisantritt befand, nicht ausdrücklich zu bezeichnen. Das Berufungsgericht konnte auch so unschwer ermitteln, welcher Beweisantritt am Schluß des Schriftsatzes vom 24. April 1961 gemeint war.Randnummer41

b) Das Vorbringen durfte nicht als unsubstantiiert zurückgewiesen werden.Randnummer42

Der Handelsvertreter ist in der Regel nicht in der Lage, von sich aus Einzelheiten über nicht ausgeführte Geschäfte mitzuteilen, aus welchen ihm nach § 87 a Abs. 3 Satz 1 HGB Provision zusteht. Dagegen kann der Unternehmer darüber ohne Schwierigkeiten die erforderlichen Angaben machen. Deswegen gibt das Gesetz dem Handelsvertreter auch über diese Geschäfte, die Ansprüche auf Abrechnung, Buchauszug und Einsicht in die Geschäftsbücher gemäß § 87 c HGB.Randnummer43

Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht dem Beklagten nicht zum Vorwurf machen, daß er keine näheren Angaben über nicht ausgeführte Geschäfte gemacht hat. Denn das war nicht seine Sache, sondern die der Klägerin. Diese war ihm gegenüber verpflichtet, ihm die erforderlichen Auskünfte zu diesem Punkte zu geben.Randnummer44

Daraus, daß der Beklagte angegeben hatte, die nicht ausgeführten Geschäfte hätten einen Betrag von „mindestens 24.125 DM“ ausgemacht, kann ihm kein Nachteil erwachsen. Er kann nicht wegen dieser Zahlenangabe prozessual schlechter stehen, als wenn er sie unterlassen hätte.Randnummer45

Er war auch nicht genötigt, gegen die Klägerin seinen Anspruch auf Rechnungslegung klageweise zu verfolgen, wie das Berufungsgericht meint. Vielmehr konnte er sich darauf beschränken, im Rechtsstreit über seinen Feststellungsantrag die Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin und ihres früheren Prokuristen W. hierüber zu beantragen. Es kann keine Rede davon sein, daß es sich dabei um einen reinen Ausforschungsbeweis handeln würdeRandnummer46

Die Abrechnung der Klägerin über das Arbeitsjahr 1957/58 läßt nicht erkennen, daß in ihr nicht ausgeführte Geschäfte berücksichtigt wären. Daß aber solche vorgekommen sind, liegt bei der Höhe des Gesamtumsatzes nahe.Randnummer47

Wegen des vorgenannten Verfahrensverstoßes kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit es sich um den Feststellungsantrag handelt.Randnummer48

2) Die weiteren Revisionsrügen des Beklagten zum Feststellungsantrag sind dagegen nicht begründet:Randnummer49

a) Der Beklagte hatte im Arbeitsjahr 1957/58 2 Wochen dazu verwandt, um den neuen Vertreter S. der Klägerin im Bezirk Bayern einzuführen. Er hatte behauptet, ohne diese zusätzliche Tätigkeit würde er den Mindestumsatz von 750.000 DM erreicht haben. Er meint, die Klägerin dürfe sich deswegen nach Treu und Glauben auf die Unterschreitung des Mindestumsatzes nicht berufen.Randnummer50

Das Berufungsgericht ist anderer Auffassung. Es hebt hervor, daß der Beklagte sich zu dieser zusätzlichen Tätigkeit selbst erbeten, dafür auch eine besondere Vergütung von 1.200 DM erhalten und daß die Klägerin ihn ausdrücklich darauf hingewiesen hat, er dürfe darüber die Arbeit in seinen eigenen Bezirk nicht vernachlässigen.Randnummer51

aa) Der Beklagte macht geltend, nach der Lebenserfahrung habe sein Einsatz in Bayern seine Verkaufserfolge im eigenen Bezirk beeinträchtigen müssen.Randnummer52

Einen solchen Erfahrungssatz gibt es jedoch nicht. Die Abwesenheit des Beklagten war mit zweimal einer Woche so kurz, daß es möglich, ja sogar naheliegend erscheint, er habe diesen zeitlichen Ausfall in seinem Bezirk durch intensivere Arbeit während der übrigen Zeit ausgleichen können.Randnummer53

Es wäre auch seine Sache gewesen, bevor er die zusätzliche Aufgabe in Bayern übernahm, auf eine Vertragsabrede zu dringen, die ihn vor etwaigen nachteiligen Auswirkungen eines Umsatzausfalls im eigenen Bezirk geschützt hätte. Wenn er in dieser Hinsicht nichts unternommen hat, so läßt das den Schluß zu, daß er selbst glaubte, seine zusätzliche Tätigkeit in Bayern werde seine Verkaufserfolge im eigenen Bezirk nicht schmälern.Randnummer54

bb) Der Beklagte meint, wenn man die 1.200 DM, die ihm die Klägerin für seine Reisen in Bayern bezahlt hat, „in Umsatz umrechne“, so sei der Mindestumsatz von 750.000 DM erreicht.Randnummer55

Das geht fehl. Für eine solche Berechnungsweise fehlt jede gesetzliche oder vertragliche Grundlage.Randnummer56

b) Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Umstand, daß der Mindestumsatz nur um rund 13.500 DM unterschritten sei, hindere die Klägerin nach Treu und Glauben nicht daran, sich auf das Nichterreichen des Mindestumsatzes zu berufen. Die Parteien hätten die Grenze ausdrücklich auf den bestimmten Betrag von 750.000 DM festgelegt, und der Beklagte behalte die Provision, die ihm nach dem von ihm erzielten Umsatz zustehe.Randnummer57

Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn die Klägerin den Beklagten an der in beiderseitigem Einverständnis getroffenen Provisionsregelung festhält. Danach tritt allerdings beim Unterschreiten der Mindestumsatzgrenze plötzlich ein erheblicher Provisionsabfall ein. Das ist von den Parteien aber so gewollt. Es liegt keine Unbilligkeit vor, wenn sich eine Partei auf diese vertragliche Regelung beruft. Ebensowenig wie die Klägerin die dem Beklagten vertraglich zustehende Provision bei einem Umsatz knapp über 750.000 DM als unbillig hoch ansehen dürfte, kann der Beklagte die ihm bei einem Umsatz knapp unter 750.000 DM geschuldete Provision als unbillig niedrig bezeichnen.Randnummer58

aa) Der Beklagte meint, die Klägerin hätte es in der Hand gehabt, durch zu geringe oder zu späte Lieferung sowie durch anderweitigen Einsatz des Beklagten eine geringfügige Unterschreitung der Mindestumsatzgrenze zu verursachen.Randnummer59

Ob das zutrifft, kann auf sich beruhen. Denn der Beklagte hat nicht vorgetragen, daß die Klägerin sich tatsächlich so verhalten hat.Randnummer60

bb) Der Beklagte macht geltend, die Klägerin habe ihn mit der Abrechnung vom 15. Oktober 1958 überrascht. Sie hätte ihn rechtzeitig auf die drohende Unterschreitung der Mindestgrenze hinweisen müssen.Randnummer61

Dazu war die Klägerin jedoch nicht verpflichtet. Nach Ziff. 5 des Vertrages der Parteien hatte der Beklagte von der Klägerin bis zum 10. eines jeden Monats Abrechnung über den verflossenen Monat zu erhalten. Der Beklagte hat nicht behauptet, daß er solche Abrechnungen nicht erhalten hätte. Er wußte auch aus seiner Tätigkeit, welche Aufträge er hereingeholt hatte. Er konnte daher selbst mindestens überschläglich beurteilen, ob er Gefahr lief, unter dem Mindestumsatz zu bleiben. Die Klägerin brauchte nicht damit zu rechnen, daß er in dieser Hinsicht die Übersicht verloren hatte.Randnummer62

cc) Der Beklagte hatte in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet, eine von der Klägerin zu vertretende Unzufriedenheit der belieferten Kunden habe zu dem Absinken des Umsatzes geführt oder beigetragen. Auch der in der Revisionsbegründung des Beklagten angeführte Schriftsatz vom 18. Mai 1961 enthält eine solche Behauptung nicht. In der Revisionsinstanz kann der Beklagte daher mit diesem neuen Vorbringen nicht mehr gehört werden. Der Gebrauch falscher Webereinamen durch die Klägerin, worauf unten in anderem Zusammenhang noch näher einzugehen ist, soll nach der eigenen Behauptung des Beklagten nicht zu einem Umsatzschwund, sondern zu einer Umsatzsteigerung geführt haben. Der Beklagte kann daher mit dem Hinweis hierauf das Nichterreichen des Mindestumsatzes nicht entschuldigen und der Klägerin anlasten.

III.

Ausgleichsanspruch:

Das Berufungsgericht hat dem Beklagten einen Ausgleich von 16.800 DM zugesprochen. Es sieht als erwiesen an, daß die Klägerin ihre Stoffmuster zum Teil fälschlich mit den Namen besonders angesehener Webereien versehen hat, uni dadurch bei ihren Kunden den Eindruck zu erwecken, die Stoffe seien Erzeugnisse dieser Webereien. Deshalb sei der Beklagte zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß er von dem Verhalten der Klägerin erst im Frühjahr 1961 erfahren und erst dann (im Berufungsschriftsatz vom 24. April 1961) diesen allein durchschlagenden Kündigungsgrund nachgeschoben habe.Randnummer65

1) Die Klägerin verkennt nicht, daß nach der vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, an welcher festzuhalten ist, bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung auch „nachgeschobene“ Kündigungsgründe zu berücksichtigen sind (BGHZ 27, 220; BGH LM Nr. 10 zu § 626 BGB; BGH BB 1961, 498).Randnummer66

Die Klägerin meint aber, beim Ausgleichsanspruch müsse etwas anderes gelten. Er sei immer dann ausgeschlossen, wenn der vom Handelsvertreter bei der Kündigung angegebene Grund ihm keinen berechtigten Anlaß zur Kündigung habe geben können. Mindestens dürften Kündigungsgründe nur innerhalb von drei Monaten nach der Kündigung nachgeschoben werden.Randnummer67

Diese Ansicht der Klägerin kann nicht gebilligt worden.Randnummer68

a) Die Entstehungsgeschichte des § 89 b HGB ergibt nichts für die hier zu entscheidende Frage. Die in Betracht kommende Formulierung des § 89 b Abs. 3 Satz 1 HGB ist unverändert und ohne Diskussion aus dem Regierungsentwurf in das Gesetz übernommen worden.Randnummer69

b) Der Wortlaut des § 89 b Abs. 3 Satz 1 HGB ist nicht eindeutig.Randnummer70

Er spricht allerdings mehr für die Auffassung der Klägerin, daß das Verhalten des Unternehmers für die Kündigung des Handelsvertreters ursächlich gewesen sein muß. Das wäre nicht der Fall, wenn – wie hier – der Vertreter bei der Kündigung das betreffende Verhalten des Unternehmers noch gar nicht kannte.Randnummer71

Diese Auslegung ist aber nicht zwingend. Die Bestimmung kann auch dahin verstanden werden, daß es lediglich darauf kommt, ob im Zeitpunkt der Kündigung des Handelsvertreters objektiv ein Vorhalten des Unternehmers vorlag, aus dem der Vertreter einen begründeten Anlaß für seine Kündigung herleiten konnte. Dann wäre es nicht entscheidend, ob das Verhalten des Unternehmers schon im Zeitpunkt der Kündigung ein Motiv für die Kündigung des Handelsvertreters war. Vorausgesetzt wäre dabei allerdings, daß der Handelsvertreter sich wenigstens nachträglich auf diesen Grund zur Rechtfertigung seiner Kündigung beruft.Randnummer72

Dieser letzten Auslegung ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift der Vorzug zu geben.Randnummer73

c) § 89 b HGB will grundsätzlich den Handelsvertreter begünstigen und schützen. Nur dort wo er nicht schutzbedürftig oder -würdig ist, soll nach dem Willen des Gesetzes der Ausgleichsanspruch entfallen.Randnummer74

Insbesondere der Absatz 3 der genannten Bestimmung behandelt den Handelsvertreter – offenbar aus sozialen Gründen – günstiger als den Unternehmer. Kündigt der Vertreter, so behält er seinen Ausgleichsanspruch schon immer dann, wenn zu seiner Kündigung „ein Verhalten des Unternehmers begründeten Anlaß gegeben hat“ (Satz 1). Kündigt aber der Unternehmer, entfällt der Ausgleichsanspruch des Vertreters nur unter dar wesentlich schärferen Voraussetzung, daß „für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag“ (Satz 2). Danach gibt es Fälle einer Kündigung des Handelsvertreters, in denen kein Verschulden das Unternehmers, ja nicht einmal ein „wichtiger Grund“ zur Kündigung vorliegt, in denen aber trotzdem dem Vertreter der Ausgleichsanspruch erhalten bleibt, wenn nämlich das Verhalten des Unternehmers immerhin einen „begründeten Anlaß“ für die Kündigung des Vertreters darstellt (vgl. die Entscheidung des Senats VII ZR 192/61 vom 29. Oktober 1962 mit weiteren Nachweisen; Schröder, Recht des Handelsvertreters, 3. Aufl. § 89 b Rz. 26-27 a; derselbe, Betrieb 1962, 895, 896; Gesseler, Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters S. 83).Randnummer75

§ 89 b Abs. 3 Satz 2 HGB ist bei den Beratungen im Rechtsausschuß in seiner jetzigen Fassung neu formuliert worden (vgl. S. 9 des Protokolls über die Sitzung des Rechtsausschusses vom 25. Juni 1953). Dadurch ist für diese, die Kündigung des Unternehmers betreffende Bestimmung klargestellt, daß der wichtige Grund bei der Kündigung nicht angegeben zu werden braucht (BGHZ 24, 30, 35; a.A. Schröder aaO § 89 b Rz 32). Das ist damals im Rechtsausschuß auch ausdrücklich betont worden. Darüber hinaus ist nach der jetzigen Fassung des Satz 2 aber auch nicht erforderlich, daß der wichtige Grund für die Kündigung des Unternehmers ursächlich gewesen sein müßte.Randnummer76

Für die Kündigung des Unternehmers genügt es also, daß der Kündigungsgrund im Zeitpunkt der Kündigung objektiv vorlag, und es ist nicht erforderlich, daß der Unternehmer sich schon bei der Kündigung auf ihn berufen hat oder daß er ihm überhaupt bekannt war. Dann aber ist nicht einzusehen, warum für die Kündigung des Handelsvertreters insoweit eine diesem ungünstigere Regelung gelten sollte. Das gilt umso mehr, als die Gesamttendenz des § 89 b Abs. 3 HGB dahin geht, den Handelsvertreter günstiger zu stellen als den Unternehmer. Nichts spricht dafür, daß der Gesetzgeber etwa bewußt und gewollt die hier interessierende Frage in den beiden Sätzen der Vorschrift verschieden hätte regeln wollen.Randnummer77

b) Wie bereits ausgeführt, genügt es für die sofortige Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, daß Kündigungsgründe nachgeschoben werden, die im Zeitpunkt der Kündigung bereits vorlagen, auch wenn sie dem Kündigenden damals noch nicht bekannt waren.Randnummer78

Der innere Grund hierfür liegt darin, daß es unbillig wäre, einer fristlosen Kündigung die alsbaldige Wirksamkeit zu versagen, obwohl im Zeitpunkt der Kündigung objektiv ein Grund für sie gegeben war und obwohl der Kündigende nachträglich erklärt, sich auf diesen Grund auch berufen zu wollen. Wollte man solche Kündigungsgründe unberücksichtigt lassen, so würde das darauf hinauslaufen, den Vertragsteil besser zu stellen, der einen wesentlichen Kündigungsgrund vor seinem Vertragspartner zu verheimlichen verstanden hat.Randnummer79

c) Grundsätzlich braucht eine Kündigung einen Kündigungsgrund nicht anzugeben. Würde man der von der Klägerin vertretenen Auffassung folgen, so wäre der Handelsvertreter aber doch genötigt, bei Gefahr des Verlusts seines Ausgleichsanspruchs in seiner Kündigung möglichst alle Kündigungsgründe vollständig aufzuzählen, um sicherzugehen, daß er nicht gerade den vom Gericht später vielleicht allein für durchschlagend erachteten ausläßt.Randnummer80

f) Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum für die Frage der Wirksamkeit einer Kündigung aus „wichtigem Grunde“ das Nachschieben von Kündigungsgründen genügen, bei einer Kündigung aus „begründetem Anlaß“, die an wesentlich leichtere Voraussetzungen geknüpft ist, für die Erhaltung des Ausgleichsanspruchs ein Nachschieben aber nicht zugelassen sein sollte.Randnummer81

g) Das, was die Klägerin vorträgt, um ihre Auffassung zu stützen, überzeugt nicht.Randnummer82

aa) Sie meint, nach der hier vertretenen Auffassung sei der Ausgleichsanspruch erst lange nach der Beendigung des Vertreterverhältnisses entstanden, als der Beklagte den rechtfertigenden Grund erfuhr. Mit dem Gesetz sei dies nicht vereinbar.Randnummer83

Das trifft nicht zu. Nach den Rechtsgrundsätzen über das Nachschieben von Kündigungsgründen ist eine Kündigung als von Anfang an wirksam anzusehen, wenn der nachgeschobene wichtige Grund bereits im Zeitpunkt der Kündigung bestand. Entsprechend ist im Falle der Kündigung des Handelsvertreters nach § 89 b Abs. 3 Satz 1 HGB diese Kündigung von Anfang an als eine solche zu behandeln, die seinen Ausgleichsanspruch nicht ausschließt. Wie die Rechtslage bei einem erst noch der Kündigung entstandenen Grunde sein würde, braucht hier nicht erörtert zu werden.Randnummer84

bb) Wie die Rechtslage ist, wenn der Kündigungsgrund den Beteiligten „erst nach Jahr und Tag und sogar nach Beendigung des Rechtsstreits über die Kündigung bekannt wird“, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung; denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zwischen der Kündigung Ende Januar 1959 und dem Nachschieben des Kündigungsgrundes mit Schriftsatz vom 24. April 1961 liegen etwas mehr als zwei Jahre. Diese Zeit ist nicht so lang, daß dem Beklagten deswegen die Berufung auf diesen – nach den Feststellungen des Berufungsgerichts objektiv recht schwerwiegenden – Grund nach Treu und Glauben verwehrt wäre, gleichviel, ob er davon erst im Frühjahr 1961 erfahren hat oder schon früher. Um ein nachträgliches Entstehen eines bis dahin nicht gegebenen Ausgleichsanspruchs handelt es sich hier jedenfalls nicht.Randnummer85

cc) Es ist dem Beklagten grundsätzlich nicht zu verwehren, daß er sich im Prozeß um die Ermittlung von Tatbeständen bemüht hat, die seine Kündigung nachträglich rechtfertigen können. Da er Kündigungsgründe nachschieben kann, steht ihm das frei. Die Klägerin hat nicht dargetan, daß er sich in diesem Zusammenhang irgendwie treuwidrig verhalten hat.Randnummer86

dd) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf die Dreimonatsfrist des § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB. Damit kann sie den Ausgleichsanspruch des Beklagten hier schon deswegen nicht zu Fall bringen, weil der Beklagte ihn bereits in seinem Kündigungsschreiben vom 31. Januar 1959 geltend gemacht hat. Das genügt, um ihm den Ausgleichsanspruch über die gesetzliche Ausschlußfrist von 3 Monaten hinaus zu erhalten.Randnummer87

Der Vorschrift des § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB ist nichts darüber zu entnehmen, daß nachträglich geltend gemachte Kündigungsgründe nur berücksichtigt werden könnten, wenn sie binnen 3 Monaten nach der Kündigung nachgeschoben würden. Die zeitliche Grenze für die Zulässigkeit eines solchen Nachschiebens bestimmt sich vielmehr nach § 242 BGB. Im vorliegenden Fall besteht aber, wie bereits dargelegt, kein Anlaß, die Berufung des Beklagten auf den nachgeschobenen Kündigungsgrund wegen Zeitablaufs nicht zuzulassen.Randnummer88

2) Die Klägerin hatte im Schriftsatz vom 20. Oktober 1961 behauptet und unter Beweis gestellt, der Beklagte habe zu einer Zeit, als er das Verhalten der Klägerin bereits kannte, sich darum bemüht, wieder Handelsvertreter der Klägerin zu werden. Dabei habe er für den Fall einer Ablehnung damit droht, daß dann „schmutzige Wäsche gewaschen“ werde. Damit habe er andeuten wollen, er werde das von ihm später als Kündigungsgrund nachgeschobene Verhalten der Klägerin im Prozeß offenbaren.Randnummer89

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe damit nicht auf die Rechte aus seiner fristlosen Kündigung verzichtet. Er habe auch nicht zu erkennen gegeben, daß er bereit sei, ein unlauteres Verhalten der Klägerin künftig mitzumachen; denn dieses sei damals im Frühjahr 1961, nach ihrer eigenen Darstellung längst abgestellt gewesen. Hiervon abgesehen, sei der Beweisantritt des Klägers auch verspätet.Randnummer90

a) Diese Ausführungen tragen die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht.Randnummer91

Das Verhalten der Klägerin gegenüber der Kundschaft konnte, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, für den Beklagten nur dann einen „begründeten Anlaß“ seiner Kündigung darstellen, wenn er seinerseits nicht bereit war, es mitzumachen. Vielmehr müßte er es als eine untragbare Zumutung empfunden haben, daß die Klägerin ihn mit Musterkarten zur Kundschaft schickte, welche zu deren Täuschung falsche Angaben enthielten. Wäre der Beklagte dagegen bereit gewesen, gemeinsam mit der Klägerin die Kundschaft auf diese Weise zu täuschen, so kann er seine Kündigung nicht mit diesem Verhalten der Klägerin rechtfertigen.Randnummer92

Das Berufungsgericht meint nun, aus etwaigen Vertragsverhandlungen des Beklagten mit der Klägerin im Frühjahr 1961 könnten keine für ihn ungünstigen Schlüsse gezogen werden, weil die Klägerin damals schon seit langem nicht mehr mit falschen Webereinamen gearbeitet habe. Das Berufungsgericht stellt aber nicht fest, ob das dem Beklagten bei diesen Vortragsverhandlungen bekannt war. Wenn es ihm damals nicht bekannt war, wenn er also willens war, wieder für die Klägerin zu arbeiten, obwohl er davon ausging, daß diese ihr irreführendes Verhalten gegenüber ihrer Kundschaft fortsetze, so kann er sich auf dieses Verhalten der Klägerin nicht als Grund für seine frühere Kündigung berufen. Denn er war dann ja bereit, dieses Verhalten künftig mitzumachen, was den Schluß rechtfertigt, daß er es auch im Jahre 1959 nicht als vertragsverletzend empfunden haben würde, wenn er es damals gekannt hätte.Randnummer93

b) Der oben genannte Beweisantritt der Klägerin war auch nicht verspätet. Die Klägerin hatte im Schriftsatz vom 20. Oktober 1961 in erster Linie die Parteivernehmung des Beklagten beantragt. Diesem Antrag hätte das Berufungsgericht ohne Verzögerung des Rechtsstreits stattgeben können; denn der Beklagte war in der Schlußverhandlung vom 24. Oktober 1961 anwesend, wie das Protokoll ausweist.Randnummer94

c) Aus den vorgenannten Gründen ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß ein Ausgleichsanspruch des Beklagten nach § 89 b Abs. 3 Satz 1 HGB nicht besteht. Das Berufungsurteil maß daher schon aus diesen Gründen aufgehoben werden, soweit es dem Beklagten einen Ausgleich zuerkannt hat.Randnummer95

3) Die Klägerin meint, das Berufungsurteil könne auch deswegen keinen Bestand haben, weil sie ihrerseits das Vertragsverhältnis in berechtigter Weise fristlos gekündigt habe (§ 89 Abs. 3 Satz 2 HGB).Randnummer96

Das trifft dann nicht zu, worin die Kündigung des Beklagten berechtigt war. Es braucht hier nicht geprüft zu werden, wie die Rechtslage bei einer Kündigung durch beide Teile ist, wenn sowohl der Handelsvertreter durch das Verhalten des Unternehmers begründeten Anlaß zur Kündigung hatte, als auch für den Unternehmer ein wichtiger Grund zur Kündigung wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag. Denn so liegt der Fall hier nicht. Die Klägerin leitet ihr Recht zu fristloser Kündigung nämlich ausschließlich daraus her, daß der Beklagte seine Tätigkeit für sie unberechtigt abgebrochen habe. Andere wichtige Gründe für die Kündigung der Klägerin sind nicht ersichtlich. Wenn der Beklagte aber zu seiner Kündigung berechtigt war, worüber das Berufungsgericht noch Feststellungen treffen muß, kann sein Verhalten für die Klägerin keinen wichtigen Grund für ihre eigene fristlose Kündigung abgegeben haben. War die Kündigung des Beklagten dagegen nicht berechtigt, so entfällt sein Ausgleichsanspruch schon nach § 89 b Abs. 3 Satz 1 HGB, ohne daß es noch auf die Kündigung der Klägerin ankommt.Randnummer97

4) Das Berufungsgericht hat die drei Voraussetzungen des § 89 b Abs. 1 HGB bejaht und den Ausgleichsanspruch des Beklagten mit 16.800 DM auf etwa die Hälfte des gesetzlichen Höchstbetrages bemessen (§ 89 b Abs. 2 HGB).Randnummer98

Das wird von beiden Parteien angegriffen. Diesen Angriffen ist im Ergebnis der Erfolg nicht zu versagen.Randnummer99

a) Die Beschwer des Beklagten ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß er in den Tatsacheninstanzen zum Ausgleichsanspruch keinen bezifferten Antrag gestellt, sondern die Höhe dem Ermessen des Gerichts überlassen hat. Er ist trotzdem beschwert, weil die ihm vom Berufungsgericht zugesprochene Summe seine Erwartungen enttäuscht hat (RGZ 140, 211; Rosenberg ZPO 9. Aufl. § 134 II 2 a S. 661; Stein-Jonas, ZPO, 18. Aufl. § 511 II A 1). Das gilt umso mehr, als der Beklagte die durchschnittliche Jahresprovision mit 36.000 DM beziffert und zu erkennen gegeben hatte, daß er diesen Betrag für angemessen halte.Randnummer100

b) Nach § 89 b Abs. 1 HGB kann ein Handelsvertreter einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweitRandnummer101

1) der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat,Randnummer102

2) der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vortragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte,Randnummer103

3) die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht.Randnummer104

Zu den Voraussetzungen 1 und 2 stellt das Berufungsgericht lediglich fest, die Klägerin habe nicht bestritten, daß der Beklagte für sie neue Kunden geworben und daß sie daraus auch nach der Kündigung des Beklagten noch erhebliche Vorteile habe.Randnummer105

Das genügt nicht, um eine richtige Bemessung des Ausgleichsanspruchs zu ermöglichen. Dazu hätte das Berufungsgericht auch feststellen müssen, in welchem Umfange der Klägerin Vorteile aus dem vom Handelsvertreter geworbenen Kundenstamm zugeflossen sind, und noch zufließen, sowie in welchem Umfange der Beklagte durch seine Kündigung Provision verloren hat. Denn nicht nur die Entstehung des Ausgleichsanspruchs, sondern auch seine Höhe hängt von den vorgenannten Umständen ab (vgl. auch LM Nr. 13 a zu § 89 b HGB). In dieser Hinsicht fehlen aber bisher jegliche Feststellungen.Randnummer106

Weiter hat das Berufungsgericht, wie die Klägerin mit Recht rügt, bisher nicht festgestellt, welche Unkosten der Beklagte erspart hat. Wenn auch der Ausgleichsanspruch sich grundsätzlich nach der Bruttoprovision bemißt, so können doch die ersparten Unkosten im Rahmen der Billigkeitsabwägung von Erheblichkeit sein (BGHZ 29, 83, 93; sowie die Entscheidungen des Senats VII ZR 235/59 vom 21. November 1960 und VII ZR 247/59 vom 22 Dezember 1960).Randnummer107

c) Nicht begründet sind dagegen die Rügen der Parteien, die daran anknüpfen, daß die Klägerin dem Beklagten mehrere Jahre eine Garantieprovision gezahlt hat, die höher war als die nach Provisionsprozenten zu berechnende Umsatzprovision gewesen wäre. Für die Berechnung des Fünfjahresdurchschnitts kommt es auf die Provision an, die der Beklagte tatsächlich erhalten hat; insoweit ist also von der Garantieprovision auszugehen. Andererseits durfte das Berufungsgericht aber bei der Billigkeitsabwägung diesen Umstand auch zu Lasten des Beklagten berücksichtigen.Randnummer108

d) Ob die von den Parteien vereinbarte Provision verhältnismäßig niedrig war, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Deswegen brauchte das Berufungsgericht darüber kein Gutachten einzuholen. Der Ausgleichsanspruch berechnet sich nach dem Jahresdurchschnitt der vereinbarten Provision, nicht nach dem, was in der Branche üblich ist. Der Beklagte hatte übrigens auch in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet, daß die vereinbarte und gezahlte Provision erheblich unter dem Üblichen und Angemessenen gelegen hätte.

IV.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit über den Feststellungsantrag und über den Ausgleichsanspruch entschieden worden ist, ferner auch im Kostenpunkt. Da die Sache insoweit weiterer Aufklärung bedarf, ist sie in diesem Umfange an das Berufungsgericht zurückzuweisen. Im übrigen sind beide Revisionen zurückzuweisen.

Schlagworte: Außerordentliche Kündigung, Außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages, Beginn der Zweiwochenfrist nach § 626 BGB, bei ordentlicher Abberufung keine Anwendung des § 626 Abs. 2 BGB, BGB § 626, BGB § 626 Abs. 2 Satz 2, Handelsvertreter, Handelsvertretervertrag, Nachschieben von Gründen