Nebenabrede
§ 2 Abs 1 S 1 GmbHG, § 3 Abs 2 Alt 2 GmbHG, § 328 BGB
Übernehmen die Gesellschafter einer GmbH die Verpflichtung, zu den Kosten der Gesellschaft Deckungsbeiträge zu erbringen, so bedarf dies nur dann der Aufnahme in die Satzung, wenn diese Verpflichtung in der Weise an den Gesellschaftsanteil gebunden sein soll, daß sie ohne weiteres auch künftige Gesellschafter treffen soll; anderenfalls ist eine formfreie Vereinbarung der Gesellschafter untereinander oder der Gesellschaft gegenüber (BGB § 328) ausreichend.
Der Kläger übernahm im November 1987 von dem 50.000,– DM betragenden Stammkapital der Beklagten einen Geschäftsanteil von 22.500,– DM; im Dezember 1987 wurde er – ebenso wie die beiden anderen Gesellschafter der Beklagten – zum Geschäftsführer bestellt. In dem am 24. April 1988 mit dem Kläger geschlossenen Anstellungsvertrag ist u.a. bestimmt:
- „§ 1
Herr .. S. nimmt mit Wirkung vom 1. Januar 1988 die Position eines Geschäftsführers und Beraters ein…
- § 2
Das Arbeitsverhältnis ist in seinem Bestand unabhängig von der Position eines Geschäftsführers. Es endet jedoch grundsätzlich mit dem Ausscheiden als Gesellschafter …
- § 3
Die Vergütung von Herrn .. S. richtet sich nach den von der Gesellschafterversammlung beschlossenen ‚Vergütungsregeln'“.
Nach diesen „Vergütungsregeln“ für die „Berater/Geschäftsführer“ der Beklagten vom 8. August 1988 werden 60 % der von dem einzelnen Berater/Geschäftsführer erwirtschafteten Honorare seinem Konto gutgeschrieben, der Rest verbleibt der Gesellschaft. Bestimmte ausscheidbare Kosten werden dem jeweiligen Berater/Geschäftsführer unmittelbar angelastet, auf die Jahresvergütung werden monatliche Gehälter von 5.000,– DM sowie Bonusvorauszahlungen geleistet. Unter 3. der Vergütungsregeln ist bestimmt:
3. Jahresendabrechnung der Gesamtvergütung unter Berücksichtigung eines Mindestdeckungsbeitrages an den Gesamtkosten der Gesellschaft.
Jeder Berater hat mit einem jährlichen Deckungsbeitrag von mindestens DM 150.000,– zu den Gesamtkosten der Gesellschaft beizutragen.
- …“
Der Kläger erzielte im Jahr 1988 lediglich 55.667,– DM an Honoraren. Auf Aufforderung der Beklagten leistete er einen Deckungsbeitrag von 100.000,– DM. Nachdem er zum 30. Juni 1989 aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, hat er mit der vorliegenden Klage – soweit im Revisionsrechtszug noch von Interesse – Rückzahlung dieses Betrages, Erstattung von Reisekosten sowie zwei Monatsgehälter, insgesamt 124.599,– DM, gefordert. Er hat die Ansicht vertreten, nicht deckungsbeitragspflichtig zu sein, weil die Vergütungsregeln der Beklagten der Sache nach eine Nachschußpflicht enthielten und die vorgeschriebene notarielle Form nicht gewahrt sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Es hat ausgeführt, entgegen der Meinung des Klägers könne die nach seinem Eintritt in die Gesellschaft getroffene Regelung über die Pflicht zur Leistung eines Kostendeckungsbeitrags von 150.000,– DM pro Jahr nicht als – beurkundungsbedürftige (§ 53 Abs. 3 GmbHG) – Nachschußpflicht im Sinne von § 26 GmbHG eingeordnet werden. Diese Annahme läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Beklagten als ihr günstig auch nicht angegriffen.
Die Verurteilung der Beklagten hat das Berufungsgericht damit begründet, daß es sich bei der in den Vergütungsregeln vereinbarten Beitragspflicht um eine an die Mitgliedschaft des Klägers gebundene Nebenleistungspflicht handele, die nach § 3 Abs. 2 i.V.m. § 2 GmbHG nur bei Aufnahme in die notariell beurkundete Satzung wirksam begründet werden könne. Diese Begründung ist, wie die Beklagte mit Recht geltend macht, nicht frei von Rechtsirrtum.
Die Auffassung des Berufungsgerichts läuft darauf hinaus, daß Nebenabreden eines Gesellschafters stets „korporativen“ Charakter (vgl. Priester, DB 1979, 681) haben. Dies steht in Widerspruch zu der ganz h.M. in Rechtsprechung und Schrifttum, die es nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit den Beteiligten überläßt, ob sie Nebenpflichten korporativ ausgestalten wollen, mit der Folge, daß diese den jeweiligen und nicht nur den gegenwärtigen Anteilsinhaber treffen, oder ob lediglich der gegenwärtige Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft (§ 328 BGB) oder seinen Mitgesellschaftern gebunden sein soll (vgl. RGZ 79, 332, 336; 83, 216, 218 f.; 112, 273, 277 f.; BGH, Urt. v. 14. Juni 1965 – VIII ZR 309/62, WM 1965, 1076, 1077; Urt. v. 29. September 1969 – II ZR 167/68, BB 1969, 1410 f.; ferner: Urt. v. 20. März 1986 – II ZR 125/85, DB 1986, 1512; Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 3 Rdn. 54 und 121; Lutter/Hommelhoff aaO § 3 Rdn. 44; Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 3 Rdn. 57 f.; Scholz/Emmerich, GmbHG 8. Aufl. § 3 Rdn. 71 f.; Rowedder/Rittner, GmbHG 2. Aufl. § 3 Rdn. 56; Priester aaO; Gasteyer, BB 1983, 934, 936). Anders, als das Berufungsgericht meint, das offenbar die von ihm angeführte Belegstelle des nach der 11. Auflage zitierten Kommentars von Fischer/Lutter (GmbHG § 3 Rdn. 32, ebenso Lutter/Hommelhoff, 13. Aufl. § 3 Rdn. 32) mißverstanden hat, ist nicht jede Nebenleistungspflicht beurkundungspflichtig, die mit dem Ausscheiden des Gesellschafters aus der GmbH endet. An die Mitgliedschaft gebunden mit der Folge, daß eine Aufnahme der Verpflichtung in die Satzung erforderlich ist, ist eine Nebenleistungspflicht des Gesellschafters vielmehr nur dann, wenn sie an den Gesellschaftsanteil gebunden ist, im Falle seiner Übertragung also ohne weiteres auf den neuen Gesellschafter übergeht.
Von dieser gefestigten Rechtsprechung abzugehen, die unnötige Reglementierungen vermeidet und es der autonomen Gestaltung der Betroffenen überläßt, ob sie sich mit mitgliedschaftlicher oder nur mit schuldrechtlicher Wirkung binden wollen, besteht keine Veranlassung. Es kommt deswegen, wie der Senat (BB aaO) im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts ausgesprochen hat, nicht darauf an, ob es näherliegend oder natürlicher wäre, die Nebenverpflichtung mitgliedschaftsrechtlich auszugestalten, oder ob die vereinbarten Leistungen für die Gesellschaft von besonders großer Bedeutung sind. Die Grenze ist erst dort gezogen, wo das Gesetz die Eingehung derartiger Leistungen allein in korporativer Form zuläßt. Die gegenteilige Auffassung von Ullrich (ZGR 1985, 235 ff., 252 f.), nach der Nebenleistungen im Sinne von § 3 Abs. 2 GmbHG, wenn sie getroffen werden, nur als Satzungsregelung verabredet werden können, ist weder vom Wortlaut noch von der Systematik des Gesetzes her geboten; sie zwingt die Gesellschafter unnötig zur Vereinbarung korporativer Regelungen und trägt dem Anliegen einer personalistisch strukturierten GmbH nach flexiblen, förmliche Satzungsänderungen vermeidenden Regelungsmöglichkeiten nicht hinreichend Rechnung.
Da das GmbH-Gesetz nach alledem die Übernahme einer Beitragspflicht für den Fall, daß die eingehenden Honorare die Kosten des Unternehmens nicht decken, nicht als mitgliedschaftliche Vereinbarung zwingend fordert, vielmehr auch eine schuldrechtlich wirkende Abrede rechtlich statthaft ist (z.B. RGZ 83, 216, 218 f.; Scholz/Emmerich aaO § 3 Rdn. 72; Hachenburg/Ulmer aaO § 3 Rdn. 121; Gasteyer aaO S. 936), kommt es darauf an, wie die geschlossenen Verträge auszulegen sind.
Die von dem Berufungsgericht unter einem unrichtigen rechtlichen Ansatzpunkt vorgenommene Auslegung der getroffenen Vereinbarungen ist teilweise nicht haltbar. Unzutreffend, weil schon mit dem Wortlaut der verschiedenen Regelungen unvereinbar, ist insbesondere die Annahme, Gesellschafterstellung und Anstellungsverhältnis seien akzessorisch ausgestaltet. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Anstellungsvertrages endet das Dienstverhältnis nicht automatisch mit dem Ausscheiden des Dienstverpflichteten aus der Gesellschaft, sondern nur „grundsätzlich“ und soweit nicht nach Abs. 2 aaO abweichende Vereinbarungen getroffen worden sind. Auch die Bestimmungen in Art. XIV des Gesellschaftsvertrages über das Recht, einen Gesellschafter aus der Beklagten auszuschließen, stehen der Annahme entgegen, Gesellschafterstellung und Anstellungsverhältnis seien akzessorisch ausgestaltet. Nach Nr. 14.1.3. aaO kann ein Gesellschafter nur dann ausgeschlossen werden, wenn er entweder von sich aus den Anstellungsvertrag oder wenn die Gesellschaft das Dienstverhältnis aus wichtigem Grund kündigt; die in § 2 Abs. 3 des Anstellungsvertrages vorgesehene ordentliche Kündigung stellt keinen Ausschließungsgrund dar. Wie sich aus Nr. 14.1.5 ergibt, berechtigt auch ein Verstoß gegen die nach Art. VII Nr. 7.1 dem Gesellschafter auferlegte Pflicht, seine ganze Arbeitskraft ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, nicht zur Ausschließung. Danach scheidet die Akzessorietät von Gesellschafterstellung und Anstellungsverhältnis als Auslegungskriterium aus.
Die erforderliche Auslegung an Stelle des Berufungsgerichts vorzunehmen, ist dem Senat verwehrt. Hierzu bedarf es vielmehr – zumal die Parteien bisher ihren Vortrag überwiegend an § 26 GmbHG orientiert, die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 2 GmbHG hingegen ausdrücklich ausgeschlossen haben – ergänzender tatrichterlicher Feststellungen. Bei seiner Prüfung, ob die Gesellschafter die Beitragsdeckungspflicht mitgliedschaftlich oder schuldrechtlich haben ausgestalten wollen, wird das Berufungsgericht nicht außer acht lassen dürfen, daß die Regelung außerhalb der Satzung (vgl. zur indiziellen Bedeutung dieses Umstandes: Sen.Urt. v. 29. September 1969, BB aaO; Hachenburg/Ulmer aaO § 3 Rdn. 54; Lutter/Hommelhoff, 13. Aufl. § 3 Rdn. 44; Priester aaO S. 684 m.w.N.) als Anhang zu den Anstellungsverträgen getroffen worden ist und an der Vereinbarung zwei Juristen beteiligt waren, denen nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, sie hätten eine Regelung, die mitgliedschaftlichen Charakter haben sollte, in privatschriftlicher Form treffen wollen. Das Berufungsgericht wird auch zu prüfen haben, warum nach dem Wortlaut von Nr. 3 der Vergütungsregelung die Kostendeckungsbeitragspflicht nur die Berater, nicht jedoch die Geschäftsführer in dieser ihrer Eigenschaft trifft, ob insbesondere hieraus hergeleitet werden kann, daß die in Art. VII Nr. 7.1 niedergelegte Pflicht der Gesellschafter, grundsätzlich ihre gesamte Arbeitskraft der Beklagten zur Verfügung zu stellen, sich nicht ausschließlich auf eine Beratertätigkeit bezog. Sollte sich im übrigen der Vortrag der Beklagten als zutreffend erweisen, daß sie schon vor dem Ausscheiden des Klägers zwei Berater angestellt hat, die ebenfalls eine Kostendeckungsbeitragspflicht übernommen haben, ohne jedoch Gesellschafter der Beklagten geworden zu sein, spräche dies – ebenso wie die Bestimmung in Art. IX Nr. 9.3, letzter Spiegelstrich, nach der jemand zum Geschäftsführer bestellt werden kann, der nicht Gesellschafter ist – dagegen, daß die Vergütungsregelung korporativen Charakter hat haben sollen. Schließlich wird bei der gebotenen Auslegung nicht unbeachtet bleiben dürfen, daß die Vergütungsregelung erst zu einer Zeit beschlossen wurde, als der Kläger bereits seit langem Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten war, und daß er an ihrer Erarbeitung selbst mitgewirkt hat, so daß ihm – anders als das Berufungsgericht angenommen hat – das wirtschaftliche Risiko der Übernahme der Geschäftsanteile nicht durch die Aufnahme der Nebenleistungspflicht in die Satzung hat vor Augen geführt werden müssen.
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Nebenabrede
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