GmbHG §§ 35, 70; ZPO § 171 – Vertretung der GmbHBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
Vertretung
Vertretung der GmbH
im Prozeß über Nichtigkeit der Geschäftsführerbestellung
a) Wird mit der Nichtigkeitsklage die Nichtigkeit der Bestellung eines Geschäftsführers geltend gemacht, so vertritt derjenige die GmbH im Rechtsstreit, der im Falle des Obsiegens der Gesellschaft als deren Geschäftsführer anzusehen ist (Ergänzung BGH, Urteil vom 14. Dezember 1961, II ZR 97/59, BGHZ 36, 207). Es muss gewährleistet sein, dass die Vertretung während des Rechtsstreits durch alle Instanzen einheitlich geregelt ist und nicht bei Unterschieden in der materiellrechtlichen Beurteilung der jeweils mit der Sache befassten Gerichte von Instanz zu Instanz wechselt. Auch muss vor Eintritt in die materiell-rechtliche Prüfung feststehen, ob die Klage zulässig oder unzulässig ist. Anderenfalls hätte vielfach, obwohl das Ergebnis der Sachprüfung feststeht und nunmehr rechtskräftig darüber entschieden werden könnte, ein nicht der Rechtskraft fähiges Prozesurteil zu ergehen.
b) Wird mit der Nichtigkeits- die Anfechtungsklage verbunden, wie das die Regel ist, muss die Klage den mit dem angefochtenen Beschluss bestellten Geschäftsführern zugestellt und der Prozess von diesen geführt werden, weil in dem Falle die Bestellung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage wirksam ist.
Tenor
Auf die Revision der Streithelferin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. November 1979 aufgehoben.
Das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. April 1978 wird auf die Berufung des Beklagten und der Streithelferin abgeändert.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger und die Streithelferin sind Gesellschafter der B & R GmbH, deren Stammkapital 20.000 DM beträgt. Der Kläger hält einen Anteil von 10.000 DM, die Streithelferin einen solchen von mindestens 9.000 DM. Offen ist, ob die Streithelferin wirksam einen Anteil in Höhe von 1.000 DM dem Diplom-Kaufmann M und dieser davon die Hälfte der Ca-Treuhand GmbH & Co. Wirtschaftsberatungs-KG übertragen hat. Im April 1977 wurden der Kläger und die Streithelferin als die damals einzigen Geschäftsführer abberufen. Am 30. Dezember 1977 und 19. Januar 1978 wurden Notgeschäftsführer bestellt.
Jeweils in Abwesenheit des Klägers faßten die Streithelferin, der Diplom-Kaufmann M und die Ca-Treuhand am 16. Dezember 1977 und 26. Januar 1978 Beschlüsse. Unter anderem wurde am 16. Dezember 1977 Diplom-Kaufmann M zum Geschäftsführer bestellt. Die am 26. Januar 1978 tagende Versammlung bestätigte diese Bestellung und bestimmte den Dipl.-Ing. Bö zum weiteren Geschäftsführer.
Der Kläger hat hinsichtlich aller Beschlüsse die Nichtigkeits-, hilfsweise die Anfechtungsklage erhoben, die am 24. Februar 1978 einem der Notgeschäftsführer zugestellt wurde. Nach Schluß der mündlichen Verhandlung, aber vor Verkündung des Urteils erster Instanz, trat die Streithelferin dem Rechtsstreit bei. Gleichzeitig rügte die GmbH, nunmehr vertreten durch Diplom-Kaufmann M und Dipl.-Ing. Bö, daß ihr die Klage nicht wirksam zugestellt worden und sie im Rechtsstreit bisher nicht vertreten gewesen sei. Gegen das der Nichtigkeitsklage stattgebende Urteil legten die GmbH, wiederum vertreten durch die zuletzt genannten Personen, und die Streithelferin am 24. Mai 1978 Berufung ein. Am 26. Mai 1978 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet. Am 12. März 1979 nahm der Beklagte das Verfahren auf.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung des Beklagten und wies die der Streithelferin zurück. Mit der gegen dieses Urteil zugelassenen Revision verfolgt die Streithelferin den Abweisungsantrag weiter. Der Beklagte, der zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht geladen worden ist, hat fernschriftlich dem Erlaß eines Urteils zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
Mit Recht rügt die Revision, daß die Klage der GmbH nicht wirksam zugestellt worden, diese zudem in erster Instanz nicht wirksam vertreten gewesen ist. Das Landgericht hat die Klageschrift den darin als gesetzliche Vertreter genannten Notgeschäftsführern zugestellt. Diese sind in erster Instanz auch als Vertreter der GmbH tätig geworden. Die Notgeschäftsführer waren aber in diesem Rechtsstreit nicht befugt, die beklagte GmbH zu vertreten. Die Klage ist daher unter Aufhebung der Urteile erster und zweiter Instanz als unzulässig abzuweisen (vgl. BGHZ 40, 197, 199).
1. Das Berufungsgericht hat die Vertretungsmacht der Notgeschäftsführer deshalb bejaht, weil es die Nichtigkeit der am 16. Dezember 1977 und 26. Januar 1978 beschlossenen Bestellung der Geschäftsführer M und Bö festgestellt hat. Es hat damit die Vertretungsmacht vom Ausgang des Rechtsstreits abhängig gemacht, während jene – wie der Senat schon früher (BGHZ 36, 207 mit Anm. Fischer in LM GmbHG § 70 Nr. 1) ausgeführt hat – gerade unabhängig davon sein soll, wie der Rechtsstreit am Ende entschieden wird. Es muß gewährleistet sein, daß die Vertretung während des Rechtsstreits durch alle Instanzen einheitlich geregelt ist und nicht bei Unterschieden in der materiellrechtlichen Beurteilung der jeweils mit der Sache befaßten Gerichte von Instanz zu Instanz wechselt. Auch muß vor Eintritt in die materiell-rechtliche Prüfung feststehen, ob die Klage zulässig oder unzulässig ist. Anderenfalls hätte vielfach, obwohl das Ergebnis der Sachprüfung feststeht und nunmehr rechtskräftig darüber entschieden werden könnte, ein nicht der Rechtskraft fähiges Prozeßurteil zu ergehen. Unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits konnten deshalb entweder nur die bisherigen oder die durch die beanstandeten Beschlüsse bestellten Geschäftsführer die GmbH vertreten. Der Senat hält an der in der zitierten Entscheidung schon vertretenen Ansicht fest, daß ausschließlich die zuletzt genannten Geschäftsführer die gesetzlichen Vertreter in diesem Prozeß sind. Sie hätten die GmbH vertreten müssen, wenn diese als Klägerin die Gültigkeit der Beschlüsse hätte festgestellt wissen wollen. Müssen diese gegen die Nichtigkeitsklage verteidigt werden, gilt nichts anderes. In einem solchen Verfahren ist derjenige gesetzlicher Vertreter der GmbH, der bei Abweisung der Nichtigkeitsklage materiell-rechtlich als solcher anzusehen wäre. Das sind, da die GmbH die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Beschlüsse verteidigt, die durch diese bestellten Geschäftsführer. Denn durch deren wirksame Bestellung wäre das Amt der Notgeschäftsführer erloschen.
Diese Regelung ist allein sachgemäß. Die zuletzt bestellten Geschäftsführer werden, weil sie selbst an der Gültigkeit der Beschlüsse interessiert sind, den Antrag auf Abweisung der Nichtigkeitsklage am ehesten sachgerecht vertreten. Das gilt auch, wenn es um die Ablösung von Notgeschäftsführern geht. Diese werden zwar den Streit der Gesellschafter sowie Zustandekommen und Inhalt der gefaßten Beschlüsse eher unparteiisch beurteilen als ein gegen seinen Willen abberufener Geschäftsführer. Dennoch spricht gegen eine Vertretung durch die Notgeschäftsführer, daß diese nur neben der Vertretung durch die zuletzt bestellten Geschäftsführer in Betracht käme, da auf deren Vertretungsmacht aus den oben genannten Gründen nicht verzichtet werden kann. Eine Vertretung alternativ durch die eine oder durch die andere Gruppe der Geschäftsführer müßte zu Komplikationen führen. Selbst wenn die Klageschrift nur den Notgeschäftsführern zugestellt worden wäre, könnte die andere Gruppe nicht gehindert werden, die GmbH ebenfalls im Prozeß zu vertreten. Damit wäre eine einheitliche Prozeßführung von seiten der GmbH nicht gewährleistet. Hinzu kommt, daß die Notgeschäftsführer die GmbH nur in einem Rechtsstreit vertreten könnten, in dem es um die Nichtigkeit der Beschlüsse geht. Wird mit der Nichtigkeits- die Anfechtungsklage verbunden, wie das die Regel ist, müßte die Klage ohnehin den mit dem angefochtenen Beschluß bestellten Geschäftsführern zugestellt und der Prozeß von diesen geführt werden, weil in dem Falle die Bestellung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage wirksam wäre. Sie sind deshalb auch in diesem Verfahren als die einzigen zur Vertretung der GmbHBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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berufenen Geschäftsführer anzusehen. Da die Notgeschäftsführer nicht befugt waren, für die GmbH zu handeln, war diese in erster Instanz auch nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten (§ 551 Nr. 5 ZPO).
2. Die Klageschrift ist nicht ihnen (§ 171 Abs. 1 ZPO), sondern den nicht vertretungsberechtigten Notgeschäftsführern zugestellt worden. Folglich hat der Kläger die Klage nicht wirksam erhoben.
a) Geheilt gemäß § 187 ZPO ist dieser Mangel nicht. Denn den zuletzt ernannten Geschäftsführern ist die Klageschrift auch nicht in anderer Weise zugegangen. Daß sie von dem Prozeß erfahren haben und der von ihnen beauftragte Prozeßbevollmächtigte die Gerichtsakte eingesehen hat, vermag den Zugang der Klageschrift nicht zu ersetzen (vgl. Stein/Jonas/Pohle, ZPO 19. Aufl. 1964 § 187 Anm. II 2; Zöller/Stephan, ZPO 12. Aufl. 1979 § 187 Anm. 3 b; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. 1976 § 187 Anm. A II b 2). Der Zustellungsempfänger muß das Schriftstück in seinen Herrschaftsbereich bekommen und behalten sollen (vgl. BGH LM ZPO § 198 Nr. 1).
b) Auch durch Rügeverzicht gemäß § 295 ZPO ist der Mangel nicht geheilt. Die GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer M und Bö, sowie die Streithelferin haben den Mangel der Zustellung und der Vertretung vielmehr ausdrücklich gerügt.
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