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BAG, Urteil vom 24. September 2014 – 5 AZR 593/12

objektive Klagehäufung

§ 195 BGB, § 199 Abs 1 BGB, § 204 Abs 1 Nr 1 BGB, § 206 BGB, § 293 BGB, § 297 BGB, § 615 S 1 BGB, § 615 S 2 BGB, § 106 S 1 GewO, § 115 Abs 1 SGB 9, § 153 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 260 ZPO, § 705 ZPO

Leitsatz

Fordert eine tarifvertraglich geregelte Ausschlussfrist in ihrer zweiten Stufe die gerichtliche Geltendmachung, entfällt die fristwahrende Wirkung einer Bestandsschutzklage für vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängige Ansprüche nicht mit der formellen Rechtskraft des Urteils, wenn dieses auf eine Restitutionsklage hin aufgehoben wird.

Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG

1. Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO in einer Klage verbundenen Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt. Werden im Wege einer „Teil-Gesamt-Klage“ mehrere Ansprüche nicht in voller Höhe, sondern teilweise verfolgt, muss die Klagepartei genau angeben, in welcher Höhe sie aus den einzelnen Ansprüchen Teilbeträge einklagt. Dies bedeutet, dass sie vortragen muss, wie sie die geltend gemachte Gesamtsumme ziffernmäßig auf die verschiedenen Ansprüche verteilt wissen will. Unzulässig ist eine Klage, die verschiedene Streitgegenstände nicht iSv. § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO individualisiert.(Rn.18)

2. § 615 S 1 BGB gewährt keinen eigenständigen Anspruch, sondern hält den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht. Streitgegenstand der Annahmeverzugsforderung ist weiterhin der jeweils vereinbarte Vergütungsbestandteil.(Rn.23)

3. Tarifvertragliche Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung vorsehen, sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die vom Erfolg einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche bereits mit der Klage in der Bestandsstreitigkeit gerichtlich geltend gemacht sind. Dass die Ansprüche nicht in einer den Anforderungen des § 253 Abs 2 ZPO entsprechenden Bestimmtheit geltend gemacht werden, ist – wie bei der Wahrung der ersten Stufe der Ausschlussfrist für Ansprüche, die vom Ausgang der Bestandsschutzstreitigkeit abhängen – aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen.(Rn.28)

4. Die Rechtshängigkeit der Kündigungsschutzklage endet erst mit Rechtskraft der Entscheidung über eine Restitutionsklage.(Rn.31)

5. Der Ausnahmefall einer unzumutbaren Klageerhebung ist nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer selbst von der Unwirksamkeit der Zustimmung des Integrationsamts und der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung ausging. Der ungewisse Ausgang des die Zustimmung des Integrationsamts betreffenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und hiervon abhängig, die Ungewissheit des Entstehens eines Restitutionsgrundes führt nicht zur Unzumutbarkeit der Klageerhebung. (Rn.37)

6. Die Kündigungsschutzklage umfasst nach ihrem Streitgegenstand nicht die Zahlungsansprüche wegen Annahmeverzugs des Arbeitnehmers. (Rn.39) Die Verjährung wird nicht durch die vom Arbeitnehmer erhobene Restitutionsklage gehemmt. Die Wirkungen der Restitutionsklage gehen damit im Hinblick auf eine Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
nicht über die des Ausgangsverfahrens hinaus.(Rn.40)

7. Der Arbeitnehmer ist nicht durch höhere Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung gehindert (§ 206 BGB), wenn er die Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Arbeitsgericht und die Zurückweisung der Berufung nicht als unabwendbares Ereignis hingenommen und auf dessen Richtigkeit vertraut, sondern das verwaltungsgerichtliche Verfahren fortgeführt hat. (Rn.41)

8. Eine Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, schließt eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht aus.(Rn.44)

9. Von den monatlichen dem Arbeitnehmer im Fall eines Annahmeverzugs des Arbeitgebers zustehenden Bruttovergütungen wären die vom Arbeitnehmer zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB 2 bezogenen Leistungen abzuziehen, weil insoweit die Ansprüche des Arbeitnehmers gemäß § 115 Abs 1 SGB 9 auf den Leistungsträger übergegangen sind. Die Vergütungen sind gemäß § 288 Abs 1, § 286 BGB zu verzinsen. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Verzinsung der gesamten Bruttovergütung nur bis zum Zeitpunkt des Eingangs der Leistungen bei ihm, danach kann er Zinsen lediglich auf den um die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verminderten Betrag verlangen.(Rn.47)

Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs. Der 1960 geborene, mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kl. ist bei der Bekl., einem Unternehmen der Automobilindustrie, 1984 eingetreten. Er wurde nach einer studienbedingten Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses mit einer anerkannten Betriebszugehörigkeit seit 25.12.1988 als Maschinenbediener beschäftigt. Mit Schreiben vom 30.4.2004 kündigte die Bekl. nach vorangegangener Zustimmung des Landeswohlfahrtsverbands Hessen – Integrationsamt – das Arbeitsverhältnis wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten des Kl. personenbedingt ordentlich zum 31.8.2004. Mit der dagegen gerichteten eingereichten Kündigungsschutzklage machte der Kl. zugleich Entgeltansprüche für den Fall des Annahmeverzugs geltend. Das ArbG und das LAG wiesen die Kündigungsschutzklage zurück.

Mit Urteil vom 5.12.2007 hob das VG Kassel (5 E 1382/06) den Zustimmungsbescheid und den Widerspruchsbescheid des Landeswohlfahrtsverbands Hessen auf. Der VGH Kassel lehnte den Antrag der Bekl. auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG durch Beschluss vom 23.10.2008 (10 A 120/08.Z)ab.

Auf die vom Kl. erhobene Restitutionsklage hob das LAG Hessen mit Urteil vom 30.4.2009 (9 Sa 1949/08, BeckRS 2014, 74210) das Urteil des LAG Hessen vom 16.2.2006 auf und änderte die Entscheidung des ArbG Kassel auf die Berufung des Kl. ab. Es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Bekl. vom 30.4.2004 nicht aufgelöst wurde.

Die Bekl. leistete Vergütung bis einschließlich 10.4.2004. Bis 31.8.2004 bezog der Kl. Krankengeld, anschließend Arbeitslosengeld und in der Folgezeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Kl. nahm seine Arbeit bei der Bekl. ab 18.5.2009 wieder auf. Am 3.6.2009 verlangte er mit einer in der Personalabteilung der Bekl. zu Protokoll genommenen Erklärung „rückwirkend Lohnzahlungen incl. Bonuszahlungen ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2004“. Die Bekl. sagte dem Kl. Entgeltnachzahlungen für den Zeitraum von März bis Mai 2009 zu. Weitere Zahlungen lehnte sie unter Hinweis auf die im kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit anwendbaren Manteltarifvertrag geregelte Ausschlussfrist ab.

Über weitere Zahlungsansprüche, die der Kl. in Höhe des Differenzbetrags zwischen Entgeltgruppe 9 und Entgeltgruppe 11 für die Zeit vom 1.3. bis 30.11.2009 unter Berufung auf die ihm 1996/1997 erteilte Wiedereinstellungszusage erhob, entschied das ArbG Kassel durch klageabweisendes Urteil vom 22.6.2010 (6 Ca 119/10, BeckRS 2014, 74167). Die dagegen gerichtete Berufung des Kl. wurde vom LAG Hessen mit Urteil vom 13.1.2011 (9 Sa 1238/10, BeckRS 2014, 74169) zurückgewiesen.

Mit der vorliegenden am 2.9.2009 beim ArbG eingereichten Klage begehrte der Kl. zunächst Lohnabrechnungen für den Zeitraum April 2004 bis Februar 2009 entsprechend Entgeltgruppe 11 und Zahlung des sich daraus ergebenden Bruttolohns abzüglich auf Dritte übergegangener Ansprüche, mindestens jedoch 155.876 Euro brutto (150.112 Euro brutto – aufgeschlüsselt nach Monatsbeträgen – als Grundlohn und 5764 Euro brutto – aufgeschlüsselt nach Jahresbeträgen – als mindestens zu leistende Boni für die Jahre 2005–2008). Im Gütetermin hat das ArbG den Kl. auf erhebliche Bedenken an der Zulässigkeit des Zahlungsantrags hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 4.12.2009 hat die Bekl. „fiktive Verdienstabrechnungen“ für den Zeitraum April 2004 bis Februar 2009 vorgelegt, in denen auf Basis der Entgeltgruppen 9 und 11 jahresbezogen – für das Jahr 2009 mit dem Zusatz „Dauerfrühschicht“ – das „mögl. Arbeitsentgelt“ in „brutto“ und „ca. netto“, „Einmalzahlungen“, „Zeitwerte“ und „Rentenbaustein lt. Tarifvertrag“ ausgewiesen sind.

Mit einem am 6.1.2010 beim ArbG eingegangenen Schriftsatz hat der Kl. sich die Berechnung der Bekl. zu Eigen gemacht und – unter Zugrundelegung der Entgeltgruppe 11 – Zahlung von 206.528 Euro brutto nebst Zinsen abzüglich auf Dritte übergegangener Ansprüche begehrt. Im Kammertermin vom 22.7.2010 hat der Kl. die in Abzug zu bringenden Sozialleistungen benannt und beziffert. Eine weitere Aufschlüsselung der Zahlungsforderungen hat der Kl., obwohl ihn das ArbG hierzu mit Beschluss vom 22.7.2010 aufforderte, auch später nicht vorgenommen. Die Bekl. hat dies mit Schriftsatz vom 25.8.2010 beanstandet.

Mit Schreiben vom 17.7.2012 hat die Bekl. das Arbeitsverhältnis nach vorheriger Zustimmung des Integrationsamts zum 30.11.2012 gekündigt.

Das ArbG Kassel hat die Kündigungsschutzklage des Kl. mit Urteil vom 31.1.2013 (BeckRS 2014, 74167) abgewiesen. Das LAG Hessen hat die dagegen gerichtete Berufung des Kl. mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 12.11.2013 (8 Sa 312/13, BeckRS 2014, 74168) zurückgewiesen. Gegen den Bescheid, mit dem sein Widerspruch gegen die


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BAG: Vergütung wegen Annahmeverzugs(NZA 2015, 35)

Zustimmung des Integrationsamts zurückgewiesen wurde, hat der Kl. beim VG Kassel Klage erhoben.

Der Kl. hat geltend gemacht, ihm stehe für den Zeitraum September 2004 bis Februar 2009 wegen Annahmeverzugs der Bekl. Vergütung nach Entgeltgruppe 11, mindestens nach Entgeltgruppe 9 in Höhe der sich aus der fiktiven Verdienstabrechnung der Bekl. ergebenden Beträge zu. Auf Grund der ihm erteilten Wiedereinstellungszusage könne er Vergütung nach Entgeltgruppe 11 beanspruchen. Der Kl. hat behauptet, er sei am 31.8.2004 aus dem Krankengeldbezug ausgesteuert worden. Für den allgemeinen Arbeitsmarkt sei er seit 1.9.2004 arbeitsfähig gewesen, bei der Bekl. nur unter der Voraussetzung der Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes.

Das ArbG Kassel (Urt. v. 15.10.2010 – 5 Ca 213/10, BeckRS 2014, 73971) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat das LAG Hessen (Schlussurt. v. 15.3.2012 – 9 Sa 1910/10, BeckRS 2012, 72139) das Urteil teilweise abgeändert und die Bekl. zunächst durch – inzwischen rechtskräftiges – Teilurteil vom 15.12.2011 (BeckRS 2014, 74169) verurteilt, an den Kl. als Grundlohn für die Monate Oktober 2008 bis Februar 2009 je 2888,50 Euro brutto entsprechend Entgeltgruppe 9 und 1240 Euro als Bonus für 2009, insgesamt 15.682,50 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes (ALG II) iHv 2630 Euro netto zu zahlen. Mit Schlussurteil vom 15.3.2012 hat das LAG die Bekl. zu weiteren Zahlungen für den Zeitraum Juli 2006 bis September 2008 verurteilt und die Berufung im Übrigen wegen Unbegründetheit der Klage zurückgewiesen. Mit den vom LAG für beide Parteien im Schlussurteil zugelassenen Revisionen begehrt die Bekl. die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während der Kl. nach teilweiser Rücknahme der Revision seinen ursprünglichen Zahlungsantrag weiterverfolgt, soweit nicht über diesen durch Teilurteil vom 15.12.2011 entschieden ist. Die Rechtsmittel führten zur Aufhebung und Zurückweisung.

Aus den Gründen:

16Die Revisionen des Kl. und der Bekl. sind begründet. Das LAG hat die Klage zu Unrecht für zulässig erachtet. Die vom Kl. erhobene Zahlungsklage ist nicht hinreichend bestimmt iSv § 253 II Nr. 2 ZPO, so dass die eigentliche Streitfrage zwischen den Parteien nicht mit Rechtskraftwirkung entschieden werden kann. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückzuverweisen, um dem Kl. Gelegenheit zu geben, seinen Vortrag zu ergänzen und sein Zahlungsbegehren den Anforderungen von § 253 II Nr. 2 ZPO genügend zu präzisieren, §§ 562 I, § 563 I ZPO.

17I. Die Klage ist unzulässig. Sie ist streitgegenständlich nicht hinreichend bestimmt iSv § 253 II Nr. 2 ZPO.

18Nach dieser Bestimmung muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung gem. § 260 ZPO in einer Klage verbundenen Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt. Werden im Wege einer „Teil-Gesamt-Klage“ mehrere Ansprüche nicht in voller Höhe, sondern teilweise verfolgt, muss die Klagepartei genau angeben, in welcher Höhe sie aus den einzelnen Ansprüchen Teilbeträge einklagt. Dies bedeutet, dass sie vortragen muss, wie sie die geltend gemachte Gesamtsumme ziffernmäßig auf die verschiedenen Ansprüche verteilt wissen will. Unzulässig ist eine Klage, die verschiedene Streitgegenstände nicht iSv § 253 II Nr. 2 ZPO individualisiert (vgl. BAG, NJOZ 2010, 1463 Rn. 11 = NZA 2010, 671 Os. ; NZA 2011, 1116 Rn. 21 ff.; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 253 Rn. 24; zu den Voraussetzungen einer ausnahmsweise zulässigen abschließenden Gesamtklage, vgl. BAG, NJOZ 2014, 1558 Rn. 1112 = NZA 2014, 1104 Os.).

19Diesen Anforderungen wird die Klage nicht gerecht.

20a) Der Kl. macht im Wege einer objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) mehrere in einer Gesamtklage verbundene Ansprüche geltend, indem er in Jahresbeträgen zusammengefasst neben der monatlich zu leistenden Vergütung jährlich von der Bekl. zu zahlende Boni begehrt. Welche Teilbeträge dabei auf die einzelnen Monate und Vergütungsbestandteile entfallen, kann seinem Vortrag nicht entnommen werden. Die Klageforderungen sind nicht hinreichend individualisiert.

21aa) Der Kl. hat nicht etwa – was zulässig wäre – feststehende, von der Bekl. im Monatsturnus zu leistende Vergütungszahlungen hochgerechnet und in Jahresbeträgen zusammengefasst. Vielmehr hat er die auf die einzelnen Kalendermonate entfallenden Beträge nicht genannt. Die ursprünglich vom Kl. in der Klageschrift für einzelne Monate angegebenen Forderungen stimmen – rechnete man sie auf die Kalenderjahre des Streitzeitraums hoch – mit den von ihm zuletzt begehrten Jahresbeträgen nicht überein. Auch ist nicht ersichtlich, in welcher Höhe Bonusforderungen in den geltend gemachten Gesamtbetrag eingeflossen sind. Dies lässt sich auch nicht im Wege der Auslegung des Klagebegehrens durch einen Rückgriff auf die ursprünglich in der Klageschrift angegebenen Beträge ermitteln. Der Kl. hat dort als Teilklage lediglich nach seinem Behaupten von der Bekl. zu leistende „Mindestbeträge“ angegeben. Für die Monate Oktober 2008 bis Februar 2009, auf die sich das Teilurteil vom 15.12.2011 (BeckRS 2014, 74169) bezieht, hat der Kl. – obwohl er am bisherigen, auf Entgeltgruppe 11 basierenden Klageantrag festhält und diesen noch im Revisionsverfahren unter Berücksichtigung der bereits zugesprochenen Beträge stellte – nicht angegeben, welche Einzelforderungen sich in welcher Höhe über die durch Teilurteil zugesprochenen Beträge hinaus ergeben sollen. Wie und auf welche Einzelforderungen die zugesprochenen Beträge angerechnet werden sollen, ist seinem Vortrag nicht zu entnehmen (vgl. zur Anrechnung von TeilzahlungenBAG, NZA 2011, 1116 Rn. 21).

22bb) Die jeweilige Höhe der streitgegenständlichen Einzelpositionen kann nicht anhand der in den „fiktiven Verdienstabrechnungen“ angegebenen Beträge ermittelt werden. Es ist nicht ersichtlich welche Einzelpositionen in die angegebenen Jahresbeträge eingeflossen sind, insbesondere, in welcher Höhe Boni für die einzelnen Jahre in Ansatz gebracht und ob und gegebenenfalls in welcher Weise wegen Schichtarbeit zu leistende Zahlungen berücksichtigt werden. Eine Umrechnung in Monatsbeträge scheidet zudem deshalb aus, weil die Bekl. darin lediglich ein „mögliches“ Arbeitsentgelt angegeben hat.

23b) Eine Aufschlüsselung in Einzelpositionen war auch nicht im Hinblick auf die bei der Anrechnung anderweitigen Verdienstes gem. § 615 S. 2 BGB, § 11 Nr. 1 KSchG vorzunehmende Gesamtberechnung (stRspr, vgl. BAGE 120, 308 = NZA 2007, 453 Rn. 33BAGE 141, 340 = NZA 2012, 971 Rn. 29) entbehrlich. § 615 S. 1 BGB gewährt keinen eigenständigen Anspruch, sondern hält den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht. Streitgegenstand der Annahmeverzugsforderung ist weiterhin der jeweils vereinbarte Vergütungsbestandteil (BAG, NZA 2012, 377 Rn. 37). Macht der Arbeitnehmer mehrere Vergütungsansprüche mit einer Gesamtforderung geltend, sind diese, um den Anforderungen von § 253 II Nr. 2 ZPO zu genügen, individualisiert nach Einzelpositionen aufgeschlüsselt in bezifferter Höhe zu benennen.

24II. Das Urteil des LAG ist nach § 562 I ZPO aufzuheben und die Sache nach § 563 I 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht nach § 563 III ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Revision des Kl. zurückweisen sowie der Revision der Bekl. stattgeben, mit der Maßgabe, dass die Klage insgesamt als unzulässig abgewiesen wird. Eine solche Entscheidung hätte der Senat nur treffen können, wenn der Kl. nach dem Verfahrensverlauf ausreichend Gelegenheit und Veranlassung gehabt hätte, seine Klagebegründung den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 II 2 ZPO anzupassen. Die Vorinstanzen haben jedoch, trotz der vom ArbG zunächst mit Beschluss vom 22.7.2010 erteilten sachdienlichen Hinweise, die Klage nicht als unzulässig abgewiesen, sondern Sachentscheidungen getroffen.

25III. Sollte der Kl. das Klagebegehren entsprechend § 253 II Nr. 2 ZPO präzisieren, wäre im weiteren Verfahren Folgendes zu beachten:

26Mögliche, vom Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens abhängige Annahmeverzugsansprüche des Kl. sind nicht verfallen. Die – für den Streitzeitraum Anwendung findenden – tariflichen Ausschlussfristen, die in ihrer zweiten Stufe eine gerichtliche Geltendmachung verlangen, sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die erste und die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist gewahrt werden.

27a) Der Arbeitnehmer wahrt mit einer Bestandsschutzklage, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, die erste Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Mit einer solchen Klage erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezweckt darüber hinaus, sich die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die Ansprüche müssen weder ausdrücklich bezeichnet noch beziffert werden (stRspr, vgl. BAGE 143, 119 = NZA 2013, 101 Rn. 14 mwN).

28Zugleich macht der Arbeitnehmer mit einer Bestandsschutzklage die vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche im Sinne der zweiten Stufe einer tarifvertraglich geregelten Ausschlussfrist „gerichtlich geltend“. Art. 2 I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet den Parteien im Zivilprozess effektiven Rechtsschutz. Danach darf den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfG, NZA 2011, 354 Rn. 21 ff.). Tarifvertragliche Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung vorsehen, sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die vom Erfolg einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche bereits mit der Klage in der Bestandsstreitigkeit gerichtlich geltend gemacht sind. Dass die Ansprüche nicht in einer den Anforderungen des § 253 II ZPO entsprechenden Bestimmtheit geltend gemacht werden, ist – wie bei der Wahrung der ersten Stufe der Ausschlussfrist für Ansprüche, die vom Ausgang der Bestandsschutzstreitigkeit abhängen – aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen (vgl. BAGE 143, 119 = NZA 2013, 101 Rn. 1518 ff.).

29b) Die fristwahrende Wirkung der Bestandsschutzklage ist nicht mit der formellen Rechtskraft des Urteils des LAG Hessen vom 16.2.2006 (9 Sa 896/05, BeckRS 2014, 74170) entfallen.

30aa) Die Rechtshängigkeit endet mit der in § 705 ZPO geregelten formellen Rechtskraft der Entscheidung (Zöller/Greger, § 261 Rn. 7). Mit der Wiederaufnahme des Verfahrens hat der Gesetzgeber ein Mittel geschaffen, um die Durchbrechung der Rechtskraft zu ermöglichen (Musielak/Musielak, ZPO, 11. Aufl., § 578 Rn. 1). Ziel der Wiederaufnahmeklagen nach § 578 ZPO ist die rückwirkende Beseitigung des früheren Urteils (Musielak/Musielak, § 578 Rn. 4). Wird das alte Urteil auf Grund einer zulässigen und begründeten Wiederaufnahmeklage aufgehoben, muss der Rechtsstreit wieder aufgenommen und fortgesetzt werden, um ihn durch eine Entscheidung abzuschließen. Durch die Aufhebung des Urteils tritt eine Rechtslage ein, wie sie auch bestünde, wenn das angefochtene Urteil nie erlassen worden wäre (Musielak/Musielak, § 590 Rn. 49). Das frühere Verfahren wird in die Lage vor Schluss der mündlichen Verhandlung zurückversetzt. Die Rechtslage des früheren Prozesses bleibt unverändert bestehen, sofern sie nicht von dem Anfechtungsgrund betroffen ist. Auf Grund dieser rückwirkenden Aufhebung des (alten) Urteils bleibt der (alte) Rechtsstreit unerledigt, so dass er erneut verhandelt und durch Urteil abgeschlossen werden muss. Der Streitgegenstand des (alten) Prozesses wird rückwirkend wieder rechtshängig (Musielak/Musielak, § 578 Rn. 146).

31bb) Danach ist die die Ausschlussfristen wahrende Wirkung der Klageerhebung nicht durch das Urteil des LAG Hessen vom 16.2.2006 (BeckRS 2014, 74170), mit dem die Berufung des Kl. gegen die die Kündigungsschutzklage abweisende Entscheidung des ArbG Kassel vom 1.4.2005 (6 Ca 233/04, BeckRS 2014, 74209) zurückgewiesen wurde, entfallen. Die Entscheidung hat das LAG Hessen mit Urteil vom 30.4.2009 (BeckRS 2014, 74210) auf die vom Kl. erhobene Restitutionsklage aufgehoben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Bekl. vom 30.4.2004 nicht aufgelöst worden ist. Dies hat zur Folge, dass die Rechtshängigkeit der Kündigungsschutzklage erst mit Rechtskraft der letztgenannten Entscheidung endete.

322. Etwaige in den Jahren 2004 und 2005 fällig gewordene Ansprüche des Kl. auf Vergütung wegen Annahmeverzugs sind verjährt, §§ 195199 I BGB.

33a) Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzug entsteht während des Annahmeverzugs sukzessive entsprechend den dem Vergütungsanspruch zu Grunde liegenden Regelungen. Die Fälligkeit der Annahmeverzugsvergütung bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung bei tatsächlicher Beschäftigung in den einzelnen Abrechnungsperioden fällig geworden wäre (BAGE 120, 308 = NZA 2007, 453 Rn. 33BAG, NZA-RR 2008, 399BAGE 141, 340 = NZA 2012, 971 Rn. 31).

34b) Für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist kommt es – neben dem Entstehen des Anspruchs – nach § 199 I Nr. 2 BGB darauf an, dass der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.


35aa) Die von § 199 I Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er auf Grund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Billigkeit genügt Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BGH, Urt. v. 26.9.2012 – VIII ZR 240/11, BeckRS 2012, 21993 [zu B II 3 b bb (2) (b)]; BAGE 144, 322 = NZA 2013, 785 Rn. 24 mwN).

36bb) Der Arbeitnehmer hat vom Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs ausreichende Kenntnis iSv § 199 I Nr. 2 BGB, wenn er Kenntnis von den Tatsachen hat, die den Anspruch begründen. Dagegen kommt es nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Etwas Anderes gilt nur dann, wenn und solange dem Arbeitnehmer die Erhebung einer die Verjährung hemmenden Klage (§ 204 I Nr. 1 BGB) unzumutbar ist (BAGE 144, 322 = NZA 2013, 785 Rn. 25 mwN).

37Dem Kl. waren die anspruchsbegründenden Tatsachen bekannt. Eine Klageerhebung war auch nicht unzumutbar. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage besteht, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag; denn in diesem Fall fehlt es an der Zumutbarkeit einer Klageerhebung (BGH, BeckRS 2012, 21993 Rn. 45). Der Ausnahmefall einer unzumutbaren Klageerhebung ist vorliegend nicht gegeben. Der Kl. selbst ging von der Unwirksamkeit der Zustimmung des Integrationsamts und der von der Bekl. ausgesprochenen Kündigung aus. Der ungewisse Ausgang des die Zustimmung des Integrationsamts betreffenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und hiervon abhängig, die Ungewissheit des Entstehens eines Restitutionsgrundes führt nicht zur Unzumutbarkeit der Klageerhebung.

38c) Die Verjährung wurde nicht nach § 204 I Nr. 1 BGB durch Erhebung der Kündigungsschutzklage gehemmt.

39aa) Nach § 204 I Nr. 1 BGB wird die Verjährung eines Anspruchs zwar auch durch die Erhebung einer Klage auf Feststellung des Anspruchs gehemmt. Erforderlich hierfür ist eine positive Feststellungsklage, deren Gegenstand das Bestehen des Anspruchs ist. Die Feststellung eines diesem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses reicht nicht aus (BGH, BeckRS 2012, 21993 Rn. 54). Die Kündigungsschutzklage umfasst nach ihrem Streitgegenstand nicht die Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers. Damit wurde nicht – wie in § 204 I BGB vorausgesetzt – über den „Anspruch“ iSd § 194 I BGB, sondern nur über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als eine für das Bestehen von Annahmeverzugsansprüchen bedeutsame Vorfrage gestritten. Für die analoge Anwendung der §§ 203 ff. BGB ist mangels einer Regelungslücke kein Raum (vgl. BAG, NZA-RR 2008, 399 Rn. 14; NZA 1992,1025 [zu B]).

40bb) Die Verjährung wurde auch nicht durch die vom Kl. erhobene Restitutionsklage gehemmt. Diese ist – wie bereits ausgeführt – darauf gerichtet, das frühere Verfahren in die Lage vor Schluss der mündlichen Verhandlung zurückzuversetzen. Durch die Aufhebung des Urteils tritt die Rechtslage ein, wie sie auch bestünde, wenn das angefochtene Urteil nie erlassen worden wäre (Musielak/Musielak, § 590 Rn. 49). Die Wirkungen der Restitutionsklage gehen damit im Hinblick auf eine Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Hemmung der Verjährung
Verjährung
nicht über die des Ausgangsverfahrens hinaus.

41d) Die Voraussetzungen einer Hemmung nach § 206 BGB liegen ebenfalls nicht vor. Der Kl. war nicht durch höhere Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung gehindert (§ 206 BGB).

42Fehler amtlicher Stellen können sich als höhere Gewalt gegenüber einer rechtzeitigen Rechtsverfolgung darstellen (BAGE 103, 290 = NZA 2003, 963 [zu B I 4 b dd]). Voraussetzung ist jedoch, dass der Berechtigte ohne jedes Eigenverschulden an der Klage gehindert war, etwa weil er auf die Richtigkeit der gerichtlichen Sachbehandlung vertraute (BAGE 103, 290 = NZA 2003, 963 [zu B I 4 b ee]). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kl. hat die Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das ArbG und die Zurückweisung der Berufung nicht als unabwendbares Ereignis hingenommen und auf dessen Richtigkeit vertraut, sondern das verwaltungsgerichtliche Verfahren fortgeführt. Ihm war damit auch die Erhebung einer Zahlungsklage möglich. Der Kl. hat auch ansonsten keine Umstände dargelegt, aus denen sich eine unverschuldete Versäumung der Verjährungsfrist ergäbe. Er hat keine Anstrengungen zur Wahrung der Verjährungsfrist unternommen (vgl. hierzu BAGE 103, 290 = NZA 2003, 963 [zu B I 4 b gg]), obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre.

43e) Die Verjährungsfrist für Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs begann, soweit diese im Jahr 2004 fällig wurden, am 31.12.2004 und soweit sie im Jahr 2005 fällig wurden, am 31.12.2005 zu laufen, § 199 I BGB. Bei Erhebung der Klage im Jahr 2009 war die Verjährungsfrist abgelaufen. Mit den Hauptansprüchen sind gem. § 217 BGB auch die Ansprüche auf die von ihnen abhängenden Nebenforderungen verjährt.

44Ob die Voraussetzungen des Annahmeverzugs iSd §§ 615293 ff. BGB vorlagen und in welchem Umfang dem Kl. gegebenenfalls – soweit nicht verjährt – Ansprüche auf Grund Annahmeverzugs der Bekl. zustehen, ist von der Leistungsfähigkeit des Kl. im Streitzeitraum abhängig, § 297 BGB. Aus den Erklärungen des Kl. vor dem ArbG ergibt sich, dass dieser hinsichtlich der vor Ausspruch der Kündigung zuletzt ausgeübten Tätigkeit nicht arbeitsfähig war. Entgegen der Annahme des LAG kann aus der Bescheinigung der Barmer GEK vom 9.3.2011, für den Streitzeitraum lägen keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, nicht auf eine im Hinblick auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit bestehende Arbeitsfähigkeit des Kl. geschlossen werden. Nach Ablauf der Kündigungsfrist war der Kl. nicht mehr verpflichtet, der Bekl. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen. Ein Rückschluss aus den gegenüber der Bundesagentur bestehenden Nachweispflichten auf eine Arbeitsfähigkeit des Kl. ist nicht möglich. Eine Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, schlösse eine Arbeitsunfähigkeit des Kl. bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht aus.

45Das LAG hat zur vom Kl. zuletzt ausgeübten Tätigkeit und zu der Frage, ob der Kl. – wie die Bekl. behauptet – trotz leidensgerechter Beschäftigung und unabhängig von der Art seiner Beschäftigung arbeitsunfähig war, bisher keine Feststellungen getroffen. Ob die Bekl. den Inhalt der vom Kl. zu erbringenden Arbeitsleistung gem. § 106 S. 1 GewO durch Zuweisung einer Tätigkeit an bestimmten Maschinen näher bestimmt hat, lässt sich anhand der bisher vom LAG getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht beurteilen (zu den Rechtsfolgen einer unterlassenen leidensgerechten Beschäftigung vgl. BAGE 134, 296 = NZA 2010, 1119 Rn. 16 ff.; zur Frage einer Arbeitsunfähigkeit bei Leistungseinschränkungen des Arbeitnehmers vgl. BAG, NZA 2014, 719 Rn. 22 ff.). Diese Feststellungen wären, eine streitgegenständliche Bestimmtheit der Klageforderungen vorausgesetzt, im neuen Berufungsverfahren nachzuholen.

46Soweit der Kl. unter Berufung auf eine ihm erteilte Wiedereinstellungszusage Vergütung nach Entgeltgruppe 11 begehrt, hat das rechtskräftige Urteil des LAG Hessen vom 13.1.2011 (BeckRS 2014, 74169) präjudizielle Wirkung. Der Anspruch war bereits Streitgegenstand des genannten Verfahrens und nicht bloße Vorfrage (vgl. BAG, NZA 2013, 1003 Rn. 23). Er wurde vom LAG verneint, so dass die Rechtskraft dieses Urteils einem auf der Wiedereinstellungszusage beruhenden Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 11 entgegensteht.

47Von den monatlichen dem Kl. im Fall eines Annahmeverzugs der Bekl. zustehenden Bruttovergütungen wären die vom Kl. zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II bezogenen Leistungen abzuziehen, weil insoweit die Ansprüche des Kl. gem. § 115 I SGB X auf den Leistungsträger übergegangen sind. Die Vergütungen sind gem. §§ 288 I286 BGB zu verzinsen. Der Kl. hat Anspruch auf Verzinsung der gesamten Bruttovergütung nur bis zum Zeitpunkt des Eingangs der Leistungen bei ihm, danach kann er Zinsen lediglich auf den um die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verminderten Betrag verlangen (BAG, NZA 2010, 939 Rn. 1516). Den Zeitpunkt des Zuflusses der Leistungen beim Kl. als Voraussetzung für die Bestimmung des Zinsanspruchs hat das LAG nicht festgestellt. Dies wäre bei Zulässigkeit der Klage nachzuholen.

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