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OLG Brandenburg, Urteil vom 29.07.1998 – 7 U 29/98

§ 242 BGB, § 246 AktG, § 47 Abs 3 GmbHG – Behinderung der Teilnahme an der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Behinderung der Teilnahme an der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung

1. Besondere Umstände, die die Verlängerung der Frist zur Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses einer GmbH unter Zugrundelegung des Leitbildes des AktG § 246Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 246
rechtfertigen, liegen insbesondere auch dann vor, wenn eine Verzögerung darauf beruht, daß die Anfechtungsklage vom Konkursverwalter eines nicht dem deutschen Rechtskreis zugehörigen Gesellschafters erhoben wird. Im Rahmen der Angemessenheit der Anfechtungsfrist sind Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die in der Abstimmung des Vorgehens mit den Erfordernissen des ausländischen Konkursrechtes liegen.

2. Der Beschluß der Gesellschafterversammlung einer GmbH kann wegen Verletzung des Anwesenheitsrechts unwirksam sein, wenn dem Bevollmächtigten eines italienischen Gesellschafters die teilnahme an der Gesellschafterversammlung allein deshalb verweigert wurde, weil dieser die schriftliche Vollmacht iSd GmbHG § 47 Abs 3 nur in italienischer Sprache vorgelegt hat. Das Recht zur Zurückweisung einer Vollmacht findet gemäß BGB § 242Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 242
jedenfalls dann seine Grenze, wenn sich die Zurückweisung nur als ein mit der gesellschaftlichen Treuepflicht nicht vereinbarendes Beharren auf einer formalen Rechtsstellung erweist.

Der angefochtene Beschluß der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 10.12.1996 ist unwirksam. Durch die Verweigerung der teilnahme des Rechtsanwalts N als Vertreter der Klägerin an der Gesellschafterversammlung ist die Klägerin in ihrem Anwesenheitsrecht verletzt worden. Jedem Gesellschafter einer GmbH steht – unabhängig davon, ob er ein Stimmrecht hat oder nicht – das Recht zur teilnahme an den Gesellschaftsversammlungen zu (vgl. nur BGH GmbHR 1971, 207; Baumbach/Hueck a.a.O., § 48 Rn. 3). Im Falle des Konkurses eines Gesellschafters besteht das Teilnahmerecht in der Person des Konkursverwalters (Baumbach/Hueck a.a.O., § 48 Rn. 8). Auch ein Gesellschafter, gegen den ein Ausschließungs- oder Einziehungsverfahren läuft, hat ein Teilnahmerecht (Scholz- K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 48 Rn. 12).

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam vom 17.12.1997 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000,00 DM, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer beträgt 150.000,00 DM.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 10.12.1996.

Die Klägerin ist aufgrund des Konkurseröffnungsbeschlusses des Gerichts von C Italien, vom 19.07.1996 Konkursverwalterin über das Vermögen der im Rubrum näher bezeichneten Kommanditgesellschaft.

Die Gemeinschuldnerin ist Gesellschafterin der Beklagten und hält sechs Geschäftsanteile davon drei Anteile mit Nominalbeträgen von je 50.000,00 DM sowie je einen Anteil von 5.000,00 DM, einen Anteil von 45.000,00 DM und einen Anteil von 100.000,00 DM. Der einzige weitere Gesellschafter, der Geschäftsführer der Beklagten, hält einen Geschäftsanteil im Nominalbetrag von 300.000,00 DM.

Nach § 6 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 02.05.1995 können die Gesellschafter den Geschäftsanteil eines Gesellschafters einziehen u.a., wenn über sein Vermögen das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet ist. In diesen Fällen ist der betroffene Gesellschafter gemäß § 6 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrages nicht stimmberechtigt, er scheidet aus der Gesellschaft aus und hat einen Abfindungsanspruch nach § 9. In § 10 sind hinsichtlich der Gesellschafterversammlung folgende Regelungen getroffen:

„5. In der Gesellschafterversammlung kann sich jeder Gesellschafter durch einen anderen Gesellschafter, den Geschäftsführer oder einen gesetzlich zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten vertreten lassen. Die Vollmacht zu seiner Vertretung und zur Ausübung des Stimmrechts bedarf der Schriftform und ist der Gesellschaft in Verwahrung zu geben.

6. Die Gesellschafterversammlung ist beschlußfähig, wenn mindestens 3/4 des Gesellschaftskapitals anwesend oder vertreten sind.

7. Ist eine Gesellschafterversammlung nicht beschlußfähig, so kann binnen drei Wochen mit gleicher Tagesordnung eine neue Gesellschafterversammlung einberufen werden; diese ist unabhängig von der Anzahl der dann anwesenden oder vertretenen Gesellschafter beschlußfähig.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesellschaftsvertrages wird auf die zu den Akten gereichte Kopie dieses Vertrages (Bl. 24 bis 30 d. A.) Bezug genommen.

Am 12.01.1996 verpfändete die spätere Gemeinschuldnerin ihre Geschäftsanteile an der Beklagten an den Kaufmann R S und erteilte diesem gleichzeitig die Befugnis, für die Gemeinschuldnerin das Stimmrecht auszuüben.

Nachdem am 19.07.1996 das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet worden war, lud der Geschäftsführer der Beklagten mit Schreiben vom 20.11.1996 u.a. die Klägerin zu einer Gesellschafterversammlung am 10.12.1996. Er kündigte dabei u.a. folgenden Tagesordnungspunkt an:

„1. Ausschluß der … I.

S.a.S., … als Gesellschafter wegen Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
gemäß § 6 Abs. 2 des Gesellschaftervertrages.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Einladungsschreibens wird auf die zu den Akten gereichte Kopie dieses Schreibens (Bl. 17 d. A.) Bezug genommen.

Nach Anzeige beim Konkursgericht in C beauftragte die Klägerin mit Telefax vom 06.12.1996 über die Rechtsanwälte G in Berlin mit der teilnahme an der Gesellschafterversammlung. Am 10.12.1996 legte der Sozius N dieser Anwaltssozietät den am angegebenen Ort der Gesellschafterversammlung Anwesenden zum Zwecke seiner Legitimation ein Telefaxschreiben der Rechtsanwälte G, ein Auftragsschreiben der Klägerin und eine Kopie der Anzeige bei dem Konkursgericht in C vor, wobei das erstgenannte Schreiben in englischer und die beiden weiteren Schreiben in italienischer Sprache abgefaßt waren. Wegen der Einzelheiten dieser Schreiben wird auf die zu den Akten gereichten Kopien (Bl. 13 bis 16 d. A.) Bezug genommen.

Auf die Rüge der mangelnden Bevollmächtigung durch den Mitgesellschafter der Gemeinschuldnerin O lehnten dieser sowie der ebenfalls anwesende Herr S die teilnahme von Rechtsanwalt N an der Gesellschafterversammlung der Beklagten ab mit der Begründung, sie hätten die vom Notar verlesenen Unterlagen über eine Bevollmächtigung des Rechtsanwalts N nicht verstanden, da sie weder der englischen noch der italienischen Sprache mächtig seien.

In Abwesenheit von Rechtsanwalt N beschloß die Gesellschafterversammlung der Beklagten sodann zu Protokoll des Notars … K die Einziehung sämtlicher Geschäftsanteile der Gemeinschuldnerin an der Beklagten sowie die Aufstockung des Nennbetrages des Geschäftsanteils des Gesellschafters … O um 300.000,00 DM auf 600.000,00 DM.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beschluß vom 10.12.1996 sei unwirksam, da er nicht in gesetz- und satzungsmäßiger Weise ergangen sei. Die Gesellschafterversammlung sei nicht beschlußfähig im Sinne des § 10 Ziff. 6 der Satzung gewesen. Die Klägerin sei zu Unrecht an der Ausübung ihrer Gesellschafterrechte gehindert worden, da der von ihr bevollmächtigte Rechtsanwalt N zu einer teilnahme an der Gesellschafterversammlung hinreichend legitimiert gewesen sei. Die Vollmacht habe dem Schriftformerfordernis genügt. Dies gelte insbesondere auch hinsichtlich der Abfassung in italienischer Sprache, da der Geschäftsführer der Beklagten fließend italienisch spreche. Schließlich sei in der Einladung zu der Gesellschafterversammlung auch nicht ordnungsgemäß angekündigt worden, daß sämtliche Geschäftsanteile der Gemeinschuldnerin eingezogen werden sollten.

Mit ihrer am 07.02. bei Gericht eingereichten Klage hat die Klägerin beantragt,

die Unwirksamkeit des Einziehungsbeschlusses vom 10.12.1996 betreffs die Einziehung der der I.

S.a.S. zustehenden sechs Geschäftsanteile in Höhe von nominal drei Stück a DM 50.000,00 sowie je einem von nominal DM 5.000,00, DM 45.000,00 und DM 100.000,00 festzustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei nicht binnen angemessener Frist erhoben worden. Der Beschluß der Gesellschafterversammlung sei wegen des in § 6 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrages geregelten Stimmrechtsausschlusses des betroffenen Gesellschafters wirksam. Der anwesende Kaufmann … S habe für die Klägerin das Stimmrecht wirksam ausüben können.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 17.12.1997 stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 92/93 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 08.01.1998 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 05.02.1998 eingelegten und nach Fristverlängerung bis zum 06.04.1998 am 02.04.1998 begründeten Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere auch hinsichtlich der nach ihrer Auffassung nicht fristgerechten Klageerhebung.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts Potsdam vom 17.12.1997 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens. Ergänzend trägt die Klägerin vor, die Klage sei bereits deshalb fristgerecht erhoben worden, da sie die entsprechend den Vereinbarungen des Rechtsanwalts N mit dem beurkundenden Notar K an sie übersandte Ausfertigung des Beschlusses vom 10.12.1996 erst am 10.01.1997 erhalten habe. Darüber hinaus sei hinsichtlich der Angemessenheit der Frist neben der Erforderlichkeit der Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung zum deutschen Recht zu berücksichtigen, daß sie nach dem italienischen Konkursrecht keinerlei Maßnahmen ohne vorherige Zustimmung des Konkursgerichts treffen dürfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.

Insbesondere ist nach Art. 16 Ziff. 2 des im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien geltenden Brüsseler EWG Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968 i.d.F. des 3. Beitrittsübereinkommens vom 26.05.1989 die internationale Zuständigkeit gegeben. Nach Art. 16 Nr. 2 dieses Übereinkommens sind für Klagen, welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft oder juristische Person ihren Sitz hat. Die Beklagte hat ihren Sitz in N.

Die Klage ist auch begründet.

1. Materiell ist – trotz der Zugehörigkeit der Klägerin sowie der durch sie vertretenen Gemeinschuldnerin zum italienischen Rechtskreis – deutsches Recht anwendbar. Da es sich bei der Beklagten um eine juristische Person des Privatrechts handelt, ist mangels ausdrücklicher Regelungen des Kollisionsrechts das Personalstatut der juristischen Person maßgebend. Anzuknüpfen ist damit nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. nur etwa BGH NJW 1996, 54, 55) an den tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung der juristischen Person, der bei der Beklagten unzweifelhaft in der Bundesrepublik Deutschland liegt. Das Personalstatut gilt insbesondere auch für die Fassung und Anfechtung des Beschlusses einer Mitgliederversammlung (vgl. nur Palandt-Heldrich, BGB, 57. Aufl., Anh. zu § 12 EGBGB, Rn. 13) sowie den Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft (BGH NJW 1994, 939, 940) und damit für sämtliche Grundlagen des vorliegenden Rechtsstreits über die Wirksamkeit des Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 10.12.1996.

2. Die Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits mangels Einhaltung der Anfechtungsfrist gehindert, ihre – sämtlich nur als Anfechtungs- und nicht als Nichtigkeitsgründe in Betracht kommenden – Einwendungen gegen den Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 10.12.1996 geltend zu machen.

Zwar hat nach inzwischen h.M., der sich auch der Senat angeschlossen hat (OLG-NL 1997, 21 m.w.N.), die Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung einer GmbH grundsätzlich in Anlehnung an § 246 AktG innerhalb eines Monats zu erfolgen. § 246 AktG hat für das Recht der GmbH jedoch lediglich Leitbildfunktion mit der Folge, daß nur bei Vorliegen besonderer Umstände der anfechtende Gesellschafter mit der Klageerhebung länger als einen Monat warten darf. Maßgeblich für die Bewertung des Vorliegens solcher besonderen Umstände ist der Gesichtspunkt der Angemessenheit unter Abwägung zwischen dem Schutzinteresse des von dem Beschluß betroffenen Gesellschafters und dem Interesse der Gesellschaft an der Bestandskraft dieses Beschlusses.

Für die Klägerin liegen hier derartige besondere Umstände vor, die die Rechtzeitigkeit der Einreichung der Klage am 07.02.1997 begründen.

Dabei kann sogar dahinstehen, ob die Frist für die Klägerin, die – anders als nach § 246 AktG – grundsätzlich noch nicht mit der Beschlußfassung, sondern erst mit der Kenntnis des Gesellschafters von dem Beschluß beginnt (vgl. nur Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., Anh. § 47 Rn. 59; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, GmbHR 1983, 124, 125), am 10.01.1997 begann, weil der Klägerin – wie sie behauptet – erst zu diesem Zeitpunkt eine Ausfertigung des Beschlusses übersandt wurde, oder ob der Zeitpunkt der Kenntnis vorverlagert werden muß, weil die Klägerin hier aufgrund ihrer Kenntnis vom Termin der Gesellschafterversammlung eine Erkundigungspflicht traf (so wohl Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., Anh. § 47 Rn. 79). Selbst wenn man darauf abstellen wollte, daß die Frist für die Klägerin bereits ab dem 11.12.1996 begonnen hätte, so wäre angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles eine Verlängerung der Monatsfrist bis zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage am 07.02.1997 angemessen.

Bei der Frage der Angemessenheit der Frist ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin an die Einschränkungen des italienischen Konkursrechtes gebunden war. Danach bedurfte sie – was hinsichtlich des Inhaltes des italienischen Konkursrechtes unstreitig ist – für jede von ihr zu treffende Maßnahme, also insbesondere auch für die Entscheidung über die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Beschluß vom 10.12.1996, einer Genehmigung des Konkursrichters. Es ist ohne weiteres davon auszugehen, daß Voraussetzung für die Erlangung dieser Genehmigung zumindest die Vorlage einer schriftlichen Ausfertigung des Beschlusses war. Auch wenn man insoweit nicht dem Vortrag der Klägerin folgt, wonach sie die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses erst am 10.01.1997 erhalten hat, kann jedoch bereits nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge angenommen werden, daß der Klägerin die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses jedenfalls nicht vor dem 16.12.1996 vorgelegen hat, da selbst die von der Klägerin mit der Wahrnehmung des Termins am 10.12.1996 beauftragte Berliner Anwaltskanzlei den ihr übersandten Auszug des Beschlusses erst an diesem Tag erhielt. Nimmt man hinzu, daß aufgrund der nahen Feiertage nach Italien jedenfalls mit einer längeren Postlaufzeit gerechnet werden muß, so dürfte die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses die Klägerin frühestens unmittelbar vor den Weihnachtsfeiertagen erreicht haben.

Darüber hinaus konnte die Klägerin als Buchprüferin legitimerweise den Rat eines Rechtsanwaltes einholen, bevor sie weitere Schritte unternahm. Weder der Klägerin noch der von ihr eingeschalteten Rechtsanwaltskanzlei G u.a. mußten jedoch die materiellrechtlich wie prozessual nach deutschem Recht zu beurteilenden Voraussetzungen und Risiken eines Vorgehens gegen den Beschluß von vornherein geläufig sein. Darüber hinaus warf – wie die Klägerin am Beispiel des Umfanges der ProzeßVollmacht gemäß § 81 ZPO plausibel dargelegt hat – die Vereinbarkeit der einzuleitenden Schritte mit dem italienischen Konkursrecht weitere Probleme auf.

Betrachtete man diese Erschwernisse und die Notwendigkeit, den Konkursrichter von der Richtigkeit des Vorgehens gegen den Beschluß durch eine unter Einschaltung eines deutschen Rechtsanwaltes zu erhebende Anfechtungsklage zu überzeugen, im Zusammenhang, so kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Klägerin die Vorbereitung der Anfechtungsklage mit der gebotenen Zügigkeit betrieb, auch wenn sie erst am 21.01.1997 den Antrag auf Genehmigung bei dem Konkursrichter stellte.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Klägerin auch nicht vorgehalten werden, sie habe sich auch hinsichtlich des weiteren Vorgehens an den bereits mit der Wahrnehmung des Termins der Gesellschafterversammlung vom 10.12.1996 beauftragten Rechtsanwalt N wenden können. Zum einen hatte die Klägerin – soweit ersichtlich – Rechtsanwalt N lediglich mit der Wahrnehmung des Termins am 10.12.1996, nicht aber mit einer umfassenden Vertretung beauftragt. Zum anderen bestand für die Klägerin im Hinblick auf das weitere Vorgehen gerade aufgrund der vorgenannten besonderen Schwierigkeiten der Abstimmung des Vorgehens mit den Erfordernissen des italienischen Konkursrechts ein legitimes Interesse an einer intensiven Beratung vor Ort.

Schließlich kann der Klägerin auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie von der Erteilung der GenehmigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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durch den italienischen Konkursrichter bis zur Einreichung der Klage die Zeitspanne vom 24.01.1997 bis zum 07.02.1997 benötigte. Diese Zeitspanne dürfte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge der erforderlichen Übermittlung von Vollmachten und Unterlagen sowie der Aufbereitung der Unterlagen im Büro des deutschen Prozeßbevollmächtigten einschließlich der Beauftragung eines in Potsdam zugelassenen Anwaltes geschuldet sein.

Insgesamt müssen danach die Interessen der Beklagten am Bestand des Beschlusses vom 10.12.1996 unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treuepflicht hinter den aus der Herkunft der Gemeinschuldnerin sowie der Klägerin als deren Vertreterin aus Italien und den tatsächlichen und rechtlichen Verzögerungen aufgrund dieser Herkunft zurückstehen mit der Folge, daß die angemessene Anfechtungsfrist als bis zur Einreichung der Klage am 07.02.1997 verlängert gelten muß. Der Umstand, daß die Erhebung der Klage letztlich erst am 14.06.1997 erfolgte, ist gemäß § 270 Abs. 3 ZPO unerheblich. Trotz der zwischen der Einreichung und der Zustellung liegenden Zeitspanne erfolgte die Zustellung alsbald im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO, da die Verzögerung auf einer Zwischenverfügung des Gerichts sowie darauf beruhte, daß zunächst erfolglos an die Gesellschaftsanschrift der GmbH zugestellt wurde, obwohl die Klägerin bereits in der Klageschrift darauf hingewiesen hatte, daß hier nur eine Zustellung an die Privatanschrift des Geschäftsführers erfolgversprechend sein werde.

3. Der angefochtene Beschluß der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 10.12.1996 ist unwirksam.

a) Durch die Verweigerung der teilnahme des Rechtsanwalts N als Vertreter der Klägerin an der Gesellschafterversammlung ist die Klägerin in ihrem Anwesenheitsrecht verletzt worden.

Jedem Gesellschafter einer GmbH steht – unabhängig davon, ob er ein Stimmrecht hat oder nicht – das Recht zur teilnahme an den Gesellschaftsversammlungen zu (vgl. nur BGH GmbHR 1971, 207; Baumbach/Hueck a.a.O., § 48 Rn. 3). Im Falle des Konkurses eines Gesellschafters besteht das Teilnahmerecht in der Person des Konkursverwalters (Baumbach/Hueck a.a.O., § 48 Rn. 8). Auch ein Gesellschafter, gegen den ein Ausschließungs- oder Einziehungsverfahren läuft, hat ein Teilnahmerecht (Scholz- K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 48 Rn. 12).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Teilnahmerecht der Klägerin auch nicht aufgrund der Verpfändung der Geschäftsanteile der Gemeinschuldnerin am 12.01.1996 oder durch die Übertragung des Stimmrechts auf den Pfandrechtsinhaber, Herrn S übergegangen und durch diesen wahrgenommen worden.

Bei einem Pfandrecht an einem Gesellschaftsanteil ist nur der Verpfänder teilnahmeberechtigt (Scholz-K. Schmidt, a.a.O., § 48 Rn. 13). Ebensowenig hat der zur Stimmrechtsausübung Bevollmächtigte ein eigenes Teilnahmerecht, er übt vielmehr das Teilnahmerecht des Vollmachtgebers aus (Baumbach/Hueck, a.a.O., § 48 Rn. 4 m.w.N.). Beansprucht der Vollmachtgeber – was ihm jederzeit möglich ist – die teilnahme selbst, so lebt sein Teilnahmerecht wieder auf (Hachenburg-Hüffer, GmbHG, 8. Aufl., § 48 Rn. 18).

Die Klägerin durfte sich hinsichtlich ihres Teilnahmerechtes auch des Rechtsanwaltes N als Vertreter bedienen.

Grundsätzlich muß der Gesellschafter das Teilnahmerecht nicht in eigener Person wahrnehmen; teilnahmeberechtigt ist insbesondere der gemäß § 47 Abs. 3 GmbHG bevollmächtigte Vertreter. Zwar kann der Gesellschaftsvertrag die Vertretungsberechtigung beschränken. Die hier in § 10 Ziff. 5 S. 1 vorgesehene Beschränkung der Vertretungsberechtigung durch einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten ist in der Person des Rechtsanwalts N jedoch erfüllt. Er hat auch eine § 10 Ziff. 5 – und § 47 Abs. 3 GmbHG – entsprechende Vollmacht in Schriftform vorgelegt.

An der Schriftform der Vollmacht als solcher bestehen – wie die Klägerin zu Recht vorträgt – keine Zweifel. Der Erfüllung der Schriftform steht nicht entgegen, daß die vorgelegten Schriftstücke in englischer und italienischer Sprache abgefaßt sind; es genügt vielmehr jede lebende oder tote Sprache, wenn sie einer Übersetzung zugänglich ist oder jedenfalls allgemeinverständlich gemacht werden kann (MK-Förschler, BGB, 3. Aufl., § 126 Rn. 7; Palandt-Heinrichs, BGB, 57. Aufl., § 126 Rn. 2).

Zwar mag aufgrund des schutzwürdigen Interesses einer GmbH, an einer Gesellschafterversammlung keine gesellschaftsfremden Personen teilnehmen zu lassen, allein die formale Erfüllung des Schriftformerfordernisses einer Vollmacht ein Recht der Gesellschafter einer GmbH, die Vollmacht zurückzuweisen, nicht von vornherein ausschließen. So kann grundsätzlich – unter Heranziehung der zu § 174 BGB entwickelten Maßstäbe – die Zurückweisung einer Vollmacht im Sinne des § 47 Abs. 3 GmbHG dann in Betracht kommen, wenn ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit oder dem Inhalt der Vollmacht bestehen (MK-Schramm, a.a.O., § 174 Rn. 3). Das Recht zur Zurückweisung einer Vollmacht findet jedoch gemäß § 242 BGB im Recht der GmbH jedenfalls dann eine Grenze, wenn sich die Zurückweisung nur als ein mit der gesellschaftlichen Treuepflicht nicht zu vereinbarendes Beharren auf einer formalen Rechtsstellung erweist.

Danach durfte hier der Gesellschafter/Geschäftsführer O die von Rechtsanwalt N vorgelegte Vollmacht nicht zurückweisen. Im Rahmen der gesellschaftlichen Treuepflicht sind die Gesellschafter einer GmbH gehalten, auf die besonderen Eigenarten und Eigenschaften der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen. Unabhängig davon, ob der Geschäftsführer der Beklagten – wie die Klägerin behauptet – in einem Maße der italienischen Sprache mächtig ist, daß er den Inhalt der der vorgelegten Schriftstücke ohne weiteres verstehen mußte, ist deshalb im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, daß Rechtsanwalt Nitschke hier eine Vollmacht gerade in der Sprache des Herkunftslandes der Gemeinschuldnerin und damit der Mitgesellschafterin vorlegte. Darüber hinaus waren – was sich unschwer der an sie gerichteten Einladung zu der Gesellschafterversammlung entnehmen läßt – dem Geschäftsführer der Beklagten sowohl der Name als auch die Anschrift der Klägerin bekannt; auch die Unterschrift der Klägerin dürfte dem Geschäftsführer der Beklagten aus der Vorkorrespondenz nicht unbekannt gewesen sein. Da Name, Anschrift und Unterschrift der Klägerin sich deutlich erkennbar auf den von Rechtsanwalt N vorgelegten Unterlagen (Bl. 15 d. A.) befanden, war deshalb zumindest auch eine Mehrzahl von – auch ohne einschlägige Sprachkenntnisse erkennbaren – Indizien vorhanden, die auf die Richtigkeit der Angaben des Rechtsanwalts N schließen ließen.

Zu beachten ist weiterhin, daß die bloße teilnahme des Rechtsanwalts N an der Gesellschafterversammlung vom 10.12.1996 – und die erst anschließende Prüfung der Richtigkeit seiner Angaben zur Bevollmächtigung – für die Beklagte keine wesentlichen Nachteile zur Folge haben konnte. Die Klägerin und damit ihr Vertreter waren hinsichtlich des Beschlusses über die Einziehung der Geschäftsanteile der Gemeinschuldnerin an der Beklagten ohnehin gemäß § 6 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrages von der Stimmberechtigung ausgeschlossen. Dieser Beschluß hätte auch seine Wirksamkeit behalten, wenn sich im Nachhinein herausgestellt hätte, daß die Vollmacht nicht wirksam gewesen wäre, da die unberechtigte Zulassung Nichtteilnahmeberechtigter die Wirksamkeit von Beschlüssen unberührt läßt (vgl. nur: Baumbach/Hueck, a.a.O., § 48 Rn. 7). Schließlich bestehen keinerlei Anhaltspunkte, daß ein gesellschaftsfremder Dritter ein Interesse gehabt haben könnte, unberechtigt an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen.

Betrachtet man diese Gesichtspunkte, so stellt sich die Zurückweisung der Vollmacht auch dann lediglich als ein gerade gegenüber der Mitgesellschafterin unzulässiges Beharren auf einer formalen Rechtsposition dar, wenn man berücksichtigt, daß der Aufwand für die Klägerin oder ihren Bevollmächtigten, eine deutsche Übersetzung der Vollmacht erstellen zu lassen, nur relativ gering war. Während die Beklagte – wie bereits erläutert – durch eine Zulassung der teilnahme des Rechtsanwalts N und erst nachträgliche vollständige Prüfung der Vollmacht keinerlei Nachteile befürchten mußte, bestand für die Klägerin angesichts der ihr erst am 26.11.1996 zugegangenen Einladung zu der Versammlung vom 10.12.1996 und der Erforderlichkeit der Einschaltung von Anwälten in Italien und in der Bundesrepublik Deutschland sowie der Abstimmung mit dem Konkursrichter erheblicher Zeitdruck, der durch die Fertigung von Übersetzungen vor dem 10.12.1996 noch erhöht worden wäre.

b) Der Beschluß vom 10.12.1996 ist – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – auch wegen Verstoßes gegen die in § 10 Ziff. 6 des Gesellschaftsvertrages bestimmten Erfordernisse der Beschlußfähigkeit unwirksam.

Gemäß § 10 Ziff. 6 des Gesellschaftsvertrages waren bei der Beschlußfassung am 10.12.1996 nicht „3/4 des Gesellschaftskapitals anwesend oder vertreten“.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt es – unabhängig davon, ob die Stimmrechtsübertragung auf den Pfandgläubiger S noch wirksam war oder nicht, was hier nach italienischem Konkursrecht zu beurteilen wäre – nach der eindeutigen Formulierung des § 10 Ziff. 6 des Gesellschaftsvertrages nicht auf die Anwesenheit der Stimmberechtigten, sondern auf die Anwesenheit der Inhaber der Geschäftsanteile an. Von dem Moment an, zu dem Rechtsanwalt N namens der Klägerin die teilnahme begehrte, konnten der Gesellschafter O und Herr S auch nicht mehr davon ausgehen, daß Herr S als Stimmberechtigter auch das Anwesenheitsrecht der Klägerin wahrnehmen durfte (vgl. dazu bereits unter a). Da damit lediglich der Gesellschafter O mit einem Anteil an dem Gesellschaftskapital von ½ bei der Beschlußfassung vom 10.12.1996 anwesend war, hat das Landgericht zu Recht eine Anfechtbarkeit des Beschlusses wegen fehlender Beschlußfähigkeit angenommen.

Dieser Rechtsauffassung kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß es gerade etwa im Falle der Einziehung eines Gesellschaftsanteils einem Gesellschafter möglich gemacht werde, allein durch seine Abwesenheit oder Provozierung seines Ausschlusses von der teilnahme an der Gesellschafterversammlung die Beschlußfassung zu verhindern. Zum einen ist ein Gesellschafter gerade dann, wenn der Gesellschaftsvertrag für die Beschlußfähigkeit ein Mindestquorum vorsieht, aufgrund der gesellschaftlichen Treuepflicht zur teilnahme verpflichtet (vgl. nur Baumbach/Hueck, a.a.O., § 48 Rn. 2a). Zum anderen wird in der Praxis regelmäßig – wie auch im vorliegenden Gesellschaftsvertrag unter § 10 Ziff. 7 – gerade für diesen Fall eine Regelung über die Möglichkeit der Einberufung einer Folgeversammlung ohne dieses Mindestquorumserfordernis getroffen.

c) Danach kann dahinstehen, ob der Klägerin auch hinsichtlich ihrer Einwendung gefolgt werden kann, die Ladung vom 20.11.1996 zur Gesellschafterversammlung sei nicht ordnungsgemäß gewesen, da aus der Ladung nicht erkennbar sei, daß am 10.12.1996 nicht nur ein, sondern sämtliche Geschäftsanteile der Gemeinschuldnerin eingezogen werden sollten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711; 546 Abs. 2 ZPO.

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