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OLG Braunschweig, Urteil vom 18.08.1976 – 3 U 30/76

einstweilige Verfügung bei Abberufung

§ 84 Abs 3 S 4 AktG

Die vom Verfügungskläger wegen seiner Abberufung als Geschäftsführer der GmbH beantragte einstweilige Verfügung kann nicht erlassen werden. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen der Verfügungsbeklagten in der Berufungsbegründung. Nach Ansicht des Senats muß im vorliegenden Fall § 84 Abs 3 S 4 Aktiengesetz analog angewendet und der Beschluß der beiden Gesellschafter Professor … und … vom 9.1.1976 über die aus wichtigem Grunde erfolgte Abberufung des Architekten P. als Geschäftsführer der GmbH und ebenso der Beschluß vom 13.2.1976 so lange als wirksam angesehen werden, bis die Unwirksamkeit des Beschlusses rechtskräftig festgestellt ist. Daraus folgt, daß die vom Verfügungskläger wegen seiner Abberufung erstrebte vorläufige Regelung als ausgeschlossen anzusehen ist.

Auf diese Gesichtspunkte ist das Landgericht in seinem Urteil vom 29.1.1976 im ersten Teil seiner Entscheidungsgründe unter Hinweis auf die Rechtsliteratur eingegangen. Darauf wird Bezug genommen. Das Landgericht hat eine einstweilige Regelung deshalb für zulässig gehalten, weil die Verfügungsbeklagte in besonderem Maße auf Tätigkeit und wirtschaftliche Bedürfnisse der Gesellschafter, die gleichzeitig Geschäftsführer seien (bzw gewesen seien) und deren kapitalmäßige Beteiligung im Hintergrunde stehe (bzw gestanden habe) zugeschnitten sei und bei einer solchen „personalistischen“ GmbH eine analoge Anwendung von § 84 Aktiengesetz nicht in Betracht komme. Der Senat vertritt zur Heranziehung der genannten Vorschriften – in diesem Verfahren jedenfalls -eine andere Ansicht. Das scheint ihm mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck der Regelung geboten, wie sie durch § 84 Abs 3 S 4 Aktiengesetz erreicht werden soll. Die Belange – einer Aktiengesellschaft – könnten beeinträchtigt werden, wenn ein Vorstandsmitglied trotz eines Beschlusses über seine Abberufung solange im Amte bliebe, bis die Angelegenheit endgültig geklärt wäre. Der Gesetzgeber hat durch die Regelung in § 84 Abs 3 S 4 Aktiengesetz erkennen lassen, daß ihm eine mögliche berufliche Schädigung des unter Umständen zu Unrecht abberufenen Vorstandsmitgliedes weniger schwerwiegend erscheint als mögliche Gefahren für die Gesellschaft bei einer Unklarheit über die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses.

Bei der Verfügungsbeklagten ist die Interessenlage in dieser Beziehung gleich. Sie ist in gleicher Weise schutzwürdig. Eine analoge Anwendung von § 84 Abs 3 S 4 Aktiengesetz ist deshalb gerechtfertigt. Das vorliegende Verfahren, in dem das Landgericht sich unter Abwägung des gegenseitigen Vorbringens um eine nicht aus § 84 Abs 3 S 4 Aktiengesetz hergeleitete Lösung bemüht hat, zeigt im übrigen, welche Schwierigkeiten sich ergeben, wenn der von dem dazu berufenen Organ in eigener Verantwortlichkeit gefaßte Abberufungsbeschluß nicht sogleich als wirksam angesehen, sondern vom Gericht in einstweiligen Verfügungsverfahren versucht wird, eine Zwischenlösung zu finden. Dem Interesse an klaren Verhältnissen wird damit nicht gedient. Der Senat will hiermit nicht sagen, daß er seine Ansicht über das Ausgeschlossensein einer einstweiligen Verfügung in allen Fällen für richtig halten würde, in denen es um die Abberufung eines Geschäftsführers einer GmbH geht. Ausnahmen erscheinen ihm möglich, vielleicht zB dann, wenn ein Abberufungsbeschluß offensichtlich mißbräuchlich ist. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme sind hier aber nicht zu erkennen.

Tatbestand

Gesellschafter und Geschäftsführer der K.-GmbH waren bis zum 9.1.1976 jedenfalls die Architekten … . Durch mit den Stimmen der Architekten … und … gefaßten Beschluß vom 9.1.1976 berief die Gesellschafterversammlung den Architekten … als Geschäftsführer der GmbH ab, kündigte ein zwischen ihm und der GmbH etwa bestehendes schuldrechtliches Dienstverhältnis fristlos und zog seinen Geschäftsanteil aus wichtigem Grunde ein.

Der Architekt … sieht die getroffenen Maßnahmen als nicht gerechtfertigt an.

Er hat begehrt, durch eine einstweilige Verfügung festzustellen, daß seine bisherigen Rechte und Pflichten erhalten bleiben und der GmbH untersagt wird, Dritten gegenüber zu behaupten, er sei als Geschäftsführer abberufen. Das Landgericht … hat am 13.1.1976 eine einstweilige Regelung getroffen (Bl 20 dA). Die Parteien haben den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt, als es um die Einziehung des Geschäftsanteiles des Architekten P. geht.

Der Verfügungskläger hat in der mündlichen Verhandlung am 22.1.1976 beantragt,

1.festzustellen, daß ihm bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung Über die Rechtmäßigkeit des in der Gesellschafterversammlung der Verfügungsbeklagten vom 9.1.1976 gefaßten Beschlusses über seine Abberufung als Geschäftsführer die bisherigen Rechte und Pflichten als Geschäftsführer erhalten bleiben;
2.der Verfügungsbeklagten bei Androhung von Ordnungsstrafe zu untersagen, gegenüber Dritten die Behauptung aufzustellen, er sei als Geschäftsführer abberufen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 13.1.1976 aufzuheben;

den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen;

hilfsweise,

dem Verfügungskläger aufzugeben, binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist gem § 926 ZPO Klage zur Hauptsache zu erheben.

Sie hat es rechtlich für unzulässig gehalten, wenn dem Verlangen des Verfügungsbeklagten in diesem Verfahren entsprochen werde und hat vorgetragen, der Gesellschafterbeschluß vom 9.1.1976 sei von der Sache her in Ordnung.

Mit dem Urteil vom 29.1.1976 hat das Landgericht … im Wege der einstweiligen Verfügung angeordnet:

Der Verfügungskläger hat die Rechte und Pflichten eines Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten mit der Maßgabe, daß er zur Vertretung nur zusammen mit einem anderen Geschäftsführer oder Prokuristen der Verfügungsbeklagten berechtigt ist (Gesamtvertretung). Diese Regelung gilt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des in der Gesellschafterversammlung der Verfügungsbeklagten am 9.1.1976 gefaßten Beschluß über die Abberufung des Verfügungsklägers als Geschäftsführer.

Die weitergehenden Anträge des Verfügungsklägers werden abgewiesen, soweit die Parteien nicht die Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richten sich die Berufung der Verfügungsbeklagten und die AnschlußBerufung des Verfügungsklägers.

Die Verfügungsbeklagte führt aus, der Erlaß einer einstweiligen Verfügung am 13.1.1976 und ihre teilweise Bestätigung durch das Urteil vom 29.1.1976 seien unzulässig. Das begründet sie näher. Der Antrag des Verfügungsklägers sei in sachlicher Hinsicht auch unbegründet. Die vom Landgericht gefundene Lösung trage seinem Verhalten in keiner Weise Rechnung. Auch hierzu macht die Verfügungsbeklagte Ausführungen.

Sie trägt außerdem vor, sie habe den Verfügungskläger in einer weiteren Gesellschafterversammlung vom 13.2.1976 erneut abberufen.

Sie beantragt

das Urteil des Landgerichts … vom 29.1.1976 aufzuheben, den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen und das Amtsgericht … – Handelsregister – anzuweisen, im Register HRR 769 einzutragen, daß Dipl-Ing … als Geschäftsführer abberufen ist.

Der Verfügungskläger beantragt,

festzustellen, daß dem Verfügungskläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der in den Gesellschafterversammlungen der Verfügungsbeklagten vom 9.1.1976 und 13.2.1976 gefaßten Beschlüsse über seine und der Geschäftsführer … und … Abberufung als Geschäftsführer die bisherigen Rechte und Pflichten als Geschäftsführer erhalten bleiben,

hilfsweise festzustellen, daß der Verfügungskläger und die Geschäftsführer … und … die Rechte und Pflichten von Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten mit der Maßgabe haben, daß der Geschäftsführer … oder der Geschäftsführer … jeweils nur zusammen mit dem Verfügungskläger zur Vertretung der Verfügungsbeklagten berechtigt sind, bis über die Rechtmäßigkeit der in den Gesellschafterversammlungen der Verfügungsbeklagten am 9.1. und 13.2.1976 gefaßten Beschlüsse über die Abberufung des Verfügungsklägers und der Geschäftsführer … und … rechtskräftig entschieden ist;

außerdem

die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor:

Die Ansicht des Landgerichts, er habe sich gesellschaftswidrig verhalten, sei unrichtig. Mit Rücksicht auf das Verhalten der Architekten … und … , die sich sei langem miteinander verschworen hätten, ihn wirtschaftlich zu schwächen, müsse das Gericht zu dem Ergebnis kommen, daß seine ursprünglichen Geschäftsführerbefugnisse nicht eingeengt werden dürften. Das begründet der Verfügungskläger näher.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die AnschlußBerufung des Verfügungsklägers zurückzuweisen.

Wegen der weitern Ausführungen der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten und die AnschlußBerufung des Verfügungsklägers sind formgerecht und fristgerecht eingelegt und begründet. Das Urteil des Landgerichts … vom 29.1.1976 ist am 16.2.1976 zugestellt. Das Rechtsmittel der Verfügungsbeklagten ist am 27.2.1976 eingelegt und zugleich begründet. Gegen die AnschlußBerufung bestehen keine formellen Bedenken.

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten mußte das Urteil des Landgerichts abgeändert und der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen werden, die AnschlußBerufung dagegen konnte keinen Erfolg haben.

Die vom Verfügungskläger wegen seiner Abberufung als Geschäftsführer der GmbH beantragte einstweilige Verfügung kann nicht erlassen werden. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen der Verfügungsbeklagten in der Berufungsbegründung. Nach Ansicht des Senats muß im vorliegenden Fall § 84 Abs 3 S 4 Aktiengesetz analog angewendet und der Beschluß der beiden Gesellschafter Professor … und … vom 9.1.1976 über die aus wichtigem Grunde erfolgte Abberufung des Architekten P. als Geschäftsführer der GmbH und ebenso der Beschluß vom 13.2.1976 so lange als wirksam angesehen werden, bis die Unwirksamkeit des Beschlusses rechtskräftig festgestellt ist. Daraus folgt, daß die vom Verfügungskläger wegen seiner Abberufung erstrebte vorläufige Regelung als ausgeschlossen anzusehen ist.

Auf diese Gesichtspunkte ist das Landgericht in seinem Urteil vom 29.1.1976 im ersten Teil seiner Entscheidungsgründe unter Hinweis auf die Rechtsliteratur eingegangen. Darauf wird Bezug genommen. Das Landgericht hat eine einstweilige Regelung deshalb für zulässig gehalten, weil die Verfügungsbeklagte in besonderem Maße auf Tätigkeit und wirtschaftliche Bedürfnisse der Gesellschafter, die gleichzeitig Geschäftsführer seien (bzw gewesen seien) und deren kapitalmäßige Beteiligung im Hintergrunde stehe (bzw gestanden habe) zugeschnitten sei und bei einer solchen „personalistischen“ GmbH eine analoge Anwendung von § 84 Aktiengesetz nicht in Betracht komme. Der Senat vertritt zur Heranziehung der genannten Vorschriften – in diesem Verfahren jedenfalls -eine andere Ansicht. Das scheint ihm mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck der Regelung geboten, wie sie durch § 84 Abs 3 S 4 Aktiengesetz erreicht werden soll. Die Belange – einer Aktiengesellschaft – könnten beeinträchtigt werden, wenn ein Vorstandsmitglied trotz eines Beschlusses über seine Abberufung solange im Amte bliebe, bis die Angelegenheit endgültig geklärt wäre. Der Gesetzgeber hat durch die Regelung in § 84 Abs 3 S 4 Aktiengesetz erkennen lassen, daß ihm eine mögliche berufliche Schädigung des unter Umständen zu Unrecht abberufenen Vorstandsmitgliedes weniger schwerwiegend erscheint als mögliche Gefahren für die Gesellschaft bei einer Unklarheit über die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses.

Bei der Verfügungsbeklagten ist die Interessenlage in dieser Beziehung gleich. Sie ist in gleicher Weise schutzwürdig. Eine analoge Anwendung von § 84 Abs 3 S 4 Aktiengesetz ist deshalb gerechtfertigt. Das vorliegende Verfahren, in dem das Landgericht sich unter Abwägung des gegenseitigen Vorbringens um eine nicht aus § 84 Abs 3 S 4 Aktiengesetz hergeleitete Lösung bemüht hat, zeigt im übrigen, welche Schwierigkeiten sich ergeben, wenn der von dem dazu berufenen Organ in eigener Verantwortlichkeit gefaßte Abberufungsbeschluß nicht sogleich als wirksam angesehen, sondern vom Gericht in einstweiligen Verfügungsverfahren versucht wird, eine Zwischenlösung zu finden. Dem Interesse an klaren Verhältnissen wird damit nicht gedient. Der Senat will hiermit nicht sagen, daß er seine Ansicht über das Ausgeschlossensein einer einstweiligen Verfügung in allen Fällen für richtig halten würde, in denen es um die Abberufung eines Geschäftsführers einer GmbH geht. Ausnahmen erscheinen ihm möglich, vielleicht zB dann, wenn ein Abberufungsbeschluß offensichtlich mißbräuchlich ist. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme sind hier aber nicht zu erkennen.

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten mußte das Urteil des Landgerichts Braunschweig somit abgeändert werden. Hieraus folgt zugleich, daß der Verfügungsbeklagten die Behauptung nicht untersagt werden kann, der Architekt P. sei als Geschäftsführer abberufen. Aus der Entscheidung des Senats folgt zugleich, daß der mit der AnschlußBerufung verfolgte Antrag des Verfügungsklägers keinen Erfolg haben kann.

Der Senat hat keinen Anlaß gesehen, dem Antrag der Verfügungsbeklagten auf eine Anweisung an das Handelsregister zu entsprechen. Nach § 941 ZPO kann das Gericht in bestimmten Fällen das Grundbuchamt oder die Registerbehörde um eine Eintragung ersuchen. Und zwar dann, wenn aufgrund einer einstweiligen Verfügung eine solche zu erfolgen hat. Hier ergeht eine einstweilige Verfügung nicht. Für eine Maßnahme aus § 941 ZPO besteht somit kein Anlaß.

Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf §§ 91, 91a ZPO. Bei ihr ist berücksichtigt, daß der Rechtsstreit hinsichtlich des Antrages wegen der Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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von den Parteien in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist. Der Senat hat insoweit, wie auch das Landgericht, die Kosten gegeneinander aufgehoben. Die Kostenentscheidung für die Berufungsinstanz beruht darauf, daß der Verfügungskläger im wesentlichen unterlegen ist, die Verfügungsbeklagte jedoch mit ihrem Antrag, das Amtsgericht zu einer Eintragung zu veranlassen, keinen Erfolg gehabt hat (§ 92 ZPO).

Wegen der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils vgl § 708 Ziff 5, 7 ZPO, wegen der Festsetzung des Wertes der Beschwer § 546 Abs 2 ZPO.

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