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OLG Celle, Beschluss vom 26.04.2021 – 9 W 51/21

§ 69 Abs 2 GmbHG, § 4a GmbHG, § 53 GmbHG, § 69 GmbHG

Im Grundsatz ist die Sitzverlegung einer GmbH – vorbehaltlich tatsächlicher Anhaltspunkte für Rechtsmissbräuchlichkeit im Einzelfall – auch im Liquidationsstadium zulässig (entgegen KG, Beschluss vom 24. April 2018 – 22 W 63/17).

Tenor

Auf die Beschwerde der betroffenen Gesellschaft vom 16. April 2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Registergericht – Tostedt vom 26. März 2021 aufgehoben. Das Registergericht wird angewiesen, dem Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats Fortgang zu geben.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

Die betroffene Gesellschaft, deren Stammkapital 1 Mio. Euro beträgt, befindet sich seit Januar 2019 in Liquidation. Mit formgerechter Anmeldung des Liquidators vom 19. März 2021 (Bl. 15 AR-Hefter) begehrt sie die Eintragung ihrer Sitzverlegung aus dem Bezirk des Registergerichts Hannover in den Bezirk des Registergerichts Tostedt, nämlich nach Cuxhaven; dem liegt ein satzungsändernder Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 9. März 2021 zugrunde.

Mit der Anmeldung dieser Sitzverlegung hat die Gesellschaft eine – nach ihrer Darstellung am 9. Januar 2020 bereits vorgenommene – Anmeldung zur Löschung der Gesellschaft aus dem Register zurückgenommen und angekündigt, die Löschung zu einem späteren Zeitpunkt beim dann zuständigen Handelsregister erneut beantragen zu wollen.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den hinsichtlich der Gründe Bezug genommen wird, hat das Registergericht die Anmeldung der Sitzverlegung zurückgewiesen. Es hat gemeint, die Sitzverlegung widerspräche dem Wesen der Abwicklung der Gesellschaft; in der Liquidationsphase einer Gesellschaft sollten die Befriedigung der Gläubiger und die Abwicklung sämtlicher Geschäfte erfolgen. Nachdem im Streitfall sogar bereits die Beendigung der Liquidation angemeldet gewesen sei, könne davon ausgegangen werden, dass die Liquidation wahrscheinlich schon habe beendet werden können. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Kammergerichts zum Aktenzeichen 22 W 63/17, derzufolge die Sitzverlegung einer Liquidationsgesellschaft sehr engen Kriterien unterliege, sei sie im Streitfall nicht zuzulassen; gemäß dieser Entscheidung könnte es wahrscheinlich sein, dass „sich hier eventuellen Gläubigern entzogen werden“ solle.

Auch die mit der Beschwerde vorgebrachte Argumentation der betroffenen Gesellschaft, wonach sie zu einer Firmengruppe gehöre, die insgesamt ihre Geschäftsräume nach Cuxhaven verlege, was zum Teil auch bereits registerkundig sei, hat das Registergericht nicht zu einer Abänderung seiner Entscheidung bewogen (Bl. 53 AR-Hefter).

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.Randnummer6

1. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ergibt sich aus § 69 GmbHG, dass auch in der Liquidation einer Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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die Verlegung von deren Sitz möglich ist (vgl. nur Karsten Schmidt/Scheller in Scholz, Kommentar zum GmbHG, 12. Aufl., § 69 Rn. 14). Davon ist auch das Registergericht im Ansatz ausgegangen. Es meint nur, die Möglichkeit einer Sitzverlegung in der Liquidation sei extrem restriktiv zu handhaben, da die Wahrscheinlichkeit, sich Gläubigern entziehen zu wollen, naheliege.

2. Diesen Überlegungen folgt der Senat schon im Ansatz nicht, soweit sie eine restriktiv enge Handhabung als Regelfall postulieren. Typisch für die Liquidationsphase eines Unternehmens ist, dass es seine Geschäftsräume verkleinert und daher – im Normalfall – wechseln muss. Daher liegt ein Wechsel der inländischen Geschäftsanschrift vielfach auf der Hand; es sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum eine solche Veränderung der Geschäftsanschrift nicht auch durch eine parallele Sitzverlegung in der Satzung begleitet werden könnte und dürfte.

Davon, dass auch der Gesetzgeber diese Notwendigkeit erkannt hat, zeugt § 69 Abs. 2 GmbHG, der zum Ausdruck bringt, dass in solchen Fällen, die der Gesetzgeber für existent hält, der alte Gerichtsstand, also derjenige am alten Gesellschaftssitz, erhalten bleibt.

3. Auch für eine Versagung der Sitzverlegung wegen deren Rechtsmissbräuchlichkeit, die natürlich im Einzelfall vorliegen kann, hat das Registergericht tragfähige tatsächliche Umstände im angefochtenen Beschluss nicht anzuführen vermocht. Die Tatsache allein, dass die Beendigung der Liquidation bereits einmal angemeldet war, diese Anmeldung jedoch zurückgenommen worden ist, rechtfertigt den Schluss auf eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht. Dass eine Liquidation tatsächlich – entgegen der Annahme der Gesellschafter – doch nicht beendet ist, kann stets dadurch eintreten, dass sich noch ein Gläubiger meldet oder eine Steuerangelegenheit nicht abgeschlossen ist. Das Registergericht hat im Streitfall auch weder aufgearbeitet noch in seinen Entscheidungen mitgeteilt, warum die Anmeldung der Beendigung der Liquidation aus dem Januar 2020 innerhalb einer Zeitspanne von mehr als einem Jahr nicht vollzogen zu werden vermochte. Schon diese Zeitspanne lässt indes darauf schließen, dass die Liquidation der betroffenen Gesellschaft tatsächlich nicht zu Ende war.

Das Registergericht hat in seine Abwägung auch nicht einbezogen, dass – abgesehen von Fällen, in denen das Gesellschaftsvermögen bereits am Ende der Liquidation an die Gesellschafter verteilt ist – grundsätzlich eine Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft in der Hand von deren Gesellschafterversammlung liegt und mithin beschlossen werden kann (vgl. insb. BGH II ZB 3/19 passim; besonders Rn. 37ff.). Deshalb erscheint es begrüßenswert, wenn eine Gesellschaft in Liquidation ihren Sitz dort hat, wo sich auch die Geschäftsräume, aus denen heraus eine etwaige Fortsetzung der Gesellschaft zu erwarten wäre, zum jeweiligen Zeitpunkt befinden.

III.

Der angefochtene, den Eintragungsantrag zurückweisende Beschluss ist mithin aufzuheben. Das Registergericht hat das Verfahren fortzusetzen.

Schlagworte: Liquidation, Sitzverlegung