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OLG Celle, Urteil vom 26.01.2017 – 11 U 96/16 

§ 280 Abs 1 BGB, § 172 Abs 4 HGB, § 138 Abs 1 ZPO, § 138 Abs 4 ZPO

1. Der Behauptung des Kapitalanlegers, er sei vor seiner Anlageentscheidung über bestimmte Risiken und Eigenschaften der Anlage nicht mündlich aufgeklärt worden, darf die auf Schadensersatz in Anspruch genommene Anlageberatungsgesellschaft nicht nur bloße Vermutungen entgegensetzen. Auch mit Nichtwissen darf sie diese Behauptung nicht Bestreiten.

2. Gleiches gilt für die Behauptung des Kapitalanlegers, ihm sei der Emissionsprospekt für die streitgegenständliche Kapitalbeteiligung nicht früher als am Tag seines Beitritts übergeben worden.

3. Derartige Formen des Bestreitens solcher negativen Tatsachen sind auch dann nicht zulässig, wenn die Anlageberatungsgesellschaft alle für sie verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft und dennoch keine eigenen Kenntnisse über den von einem für sie tätigen Handelsvertreter durchgeführten Beratungsvorgang gewonnen hat.

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund angeblich fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung an einem geschlossenen Tankschiffsfonds. Auf die Darstellung des Tatbestands im Einzelnen wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet.

 

II. Die Berufung ist im Wesentlichen unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1, § 278 BGB Anspruch auf Schadensersatz, weil die von der Beklagten durch ihre Handelsvertreter A. und R. erbrachte Anlageberatung, in deren Folge sich der Kläger an der K. & C. M. K. D.2 T. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(nunmehr: M. „K. D.1“ T. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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– K. & C.R. 50 – M. K. D.1) beteiligte, unzureichend war. Die Berufung ist lediglich begründet, soweit das Landgericht die Beklagte auch zum Ersatz des vom Kläger behaupteten Zinsausfallschadens verurteilt hat.

1. a) Im Rahmen der objektgerechten Beratung ist ein Anlageberater verpflichtet, den Anleger darüber aufzuklären, wenn die Eigenkapitalbeschaffungskosten der empfohlenen Beteiligung eine Größenordnung von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2011 – III ZR 170/10, juris, Rn. 16, 22). Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass Vertriebsprovisionen solchen Umfangs Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit und Rentabilität der Kapitalanlage eröffnen und dies wiederum einen für die Anlageentscheidung derart bedeutsamen Umstand darstellt, dass der Anlageinteressent hierüber informiert werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2011, a. a. O., Rn. 16 m. w. N.).

Die Eigenkapitalbeschaffungskosten der Fondsgesellschaft sollten hier mehr als 15 % des Kommanditkapitals ausmachen. Das ergibt sich aus der auf Seite 8 der Klageschrift vorgetragenen Mittelverwendungsprognose, die – unstreitig – aus dem Emissionsprospekt stammt. Danach sollten die Kosten des „Vertriebs“ 3.226.000 € und das einzuwerbende Kommanditkapital 19.960.000 € betragen. Der Anteil der für die Einwerbung des Kommanditkapitals aufgewendeten Kosten sollte mithin bei 16,2 % liegen. Wird – entsprechend der ständigen Senatsrechtsprechung – auch das Agio in Höhe von 998.000 € berücksichtigt, liegt der Anteil der Eigenkapitalbeschaffungskosten sogar bei 20,2 % (vgl. auch das Senatsurteil vom 15. September 2016 – 11 U 209/15, juris, Rn. 32, das sich unter anderem auf denselben Fonds bezog).

b) Die Beklagte musste den Kläger außerdem über das aus § 172 Abs. 4 HGB folgende Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung aufklären. Eine dahingehende Aufklärungspflicht trifft grundsätzlich jeden Anlageberater, und zwar auch dann, wenn nur ein Bruchteil der Zeichnungssumme als Haftkapital in das Handelsregister eingetragen wird (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 – III ZR 82/04, Rn. 10 f. m. w. N.).

2. Zu Recht hat das Landgericht seiner Entscheidung die Annahme zugrunde gelegt, dass der Kläger über die beiden vorgenannten Umstände vor der Unterzeichnung der Beitrittserklärung am 17. Januar 2007 mündlich nicht aufgeklärt wurde.

a) Die Beklagte hat den „Hergang und Inhalt des angeblich nur einen Vermittlungsgesprächs“ zunächst mit Nichtwissen bestritten (vgl. Seite 8 der Klageerwiderung, Bl. 41 d. A.) und (wohl hilfsweise) behauptet, die Handelsvertreter A. und R. hätten jedenfalls über die in dem „persönlichen Beraterbogen“ (Anlage B 3, Anlagenband Beklagte) aufgeführten einzelnen Risiken aufgeklärt.

aa) Letztere Behauptung ist ersichtlich unerheblich, soweit die Beklagte über die überhöhten Eigenkapitalbeschaffungskosten und das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung aufzuklären hatte. Beide Aspekte haben in dem Beraterbogen keine Erwähnung gefunden.

bb) Mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) hat die Beklagte die Behauptung des Klägers nicht Bestreiten dürfen. Die Behauptung des Klägers, über die Höhe der Eigenkapitalbeschaffungskosten sowie das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung nicht mündlich aufgeklärt worden zu sein, betrifft eine negative Tatsache. Der Kläger behauptet, dass sich ein bestimmtes Geschehen nicht zugetragen habe. Negative Tatsachen darf der Anspruchsgegner nicht mit Nichtwissen Bestreiten (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011 – IX ZR 45/08, juris, Rn. 2).

Den Anspruchsgegner, der die Behauptung einer negativen Tatsache nicht hinnehmen möchte, trifft nämlich eine eigene Darlegungslast, nicht nur eine Bestreitenslast. Dabei handelt es sich nicht um eine sekundäre Darlegungslast im üblichen Sinne, sondern um einen Sonderfall der sekundären Darlegungslast. Eine sekundäre Darlegungslast im üblichen Sinne trifft eine Partei, wenn die (eigentlich) darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. April 1999 – II ZR 331/97, juris, Rn. 7 m. w. N.). Eine solche Situation liegt in Anlageberatungsfällen regelmäßig nicht vor, weil der Anspruch stellende Anleger nicht außerhalb des von ihm vorzutragenden Geschehensablaufs steht, sondern im gleichen Umfang wie das Beratungsunternehmen Einblick in den Aufklärungsablauf hat(te) und es sich somit gerade nicht um Informationen handelt, auf die der Aufklärungsverpflichtete leichter zugreifen könnte als der Anleger selbst (vgl. Ahrens in: Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kapitel 10, Rn. 128, dort Fußnote 9 m. w. N.). Es handelt sich vielmehr um eine eigenständige prozessuale Rechtsfigur, die zwar besonders häufig einschlägig ist,  wenn die Parteien um Aufklärungs- oder Beratungspflichten streiten, auf solche Fälle aber nicht beschränkt ist. Immer dann, wenn ein Anspruchsteller eine negative Tatsache behauptet, muss der Anspruchsgegner, der das Vorliegen der negativen Tatsache bestreitet, aktiv darlegen, wann und wie sich die Tatsache verwirklicht haben soll.

cc) Die Frage, ob der Beklagten eine Darlegung des Positivums möglich und zumutbar ist, beeinflusst die Zulässigkeit eines Bestreitens mit Nichtwissen in Fällen wie dem vorliegenden entgegen dem Berufungsvorbringen nicht. Deshalb kommt unter anderem dem mit Schriftsatz vom 12. Januar 2017 vorgelegten E-Mail-Verkehr zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten und dem früheren Handelsvertreter R. keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Aus ihm ergibt sich nur, dass der Beklagten nach wie vor eine Grundlage für die von ihr vorgetragenen Vermutungen fehlt.

(1) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darf sich zwar auch derjenige Anspruchsgegner, den eine sekundäre Darlegungslast trifft, auf ein Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen, wenn ihm ein substantiiertes Bestreiten nicht zumutbar ist. Auch wenn es einer Partei grundsätzlich gemäß § 138 Abs. 4 ZPO verwehrt ist, eigene Handlungen und Wahrnehmungen mit Nichtwissen zu Bestreiten, kommt ein Bestreiten eigener Handlungen und Wahrnehmungen ausnahmsweise in Betracht, wenn die Partei nach der Lebenserfahrung glaubhaft macht, sich an gewisse Vorgänge nicht mehr erinnern zu können (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1994 – II ZR 95/93, juris, Rn. 20 m. w. N.). Eine Partei, die mit Nichtwissen Bestreiten möchte, trifft dann zunächst eine Informationspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1998 – VIII ZR 100/97, juris, Rn. 14 m. w. N.). Sie ist verpflichtet, die ihr zugänglichen Informationen in ihrem Unternehmen und von denjenigen Personen einzuholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2001 – I ZR 238/98, zitiert nach juris, Rn. 30). Diese Erkundigungspflicht bezieht sich auch keineswegs von vornherein nur auf solche Mitarbeiter oder Drittunternehmen, die für die Partei nach wie vor noch tätig sind, sondern auch auf frühere Mitarbeiter (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2001, a. a. O.: Pflicht zur Erkundigung bei ausgeschiedenem Geschäftsführer). Bleiben diese Bemühungen erfolglos, ist das Bestreiten mit Nichtwissen zulässig.

(2) Diese Rechtsprechung ist indes gerade nicht einschlägig, wenn den Anspruchsgegner – wie hier – nicht eine sekundäre Darlegungslast im üblichen Sinne trifft, sondern der Anspruchsteller eine negative Tatsache behauptet hat und der Anspruchsgegner, der diese Behauptung nicht hinnehmen möchte, deshalb das Positivum darlegen muss. Das Nichtvorliegen einer Tatsache zu Bestreiten, ist dem Anspruchsgegner nur erlaubt, wenn er aus eigener Kenntnis oder aufgrund von Nachforschungen positiv behaupten kann, dass die Tatsache eingetreten ist (vgl. nochmals BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011, a. a. O.). Ist er dazu – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage, trifft ihn die gleiche prozessuale Folge, die sonst einen Anspruchsteller trifft, der nicht alle Tatbestandsmerkmale des einschlägigen Anspruchstatbestandes darlegen kann: Sein Vortrag wird als unschlüssig bzw. unerheblich behandelt. Zu seinem Nachteil ist dann davon auszugehen, dass die darzulegende – positive – Tatsache nicht vorliegt (mittlerweile ständige Senatsrechtsprechung, vgl. unter anderem Urteil vom 15. September 2016 – 11 U 13/16, juris, Rn. 29 ff.).

(3) Es trifft zu, dass der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2011 (a. a. O.) keine Begründung für den Rechtssatz enthält, dass das Bestreiten negativer Tatsachen mit Nichtwissen unzulässig ist. Dieser von der Beklagten wiederholt erhobene Einwand ändert aber zum einen nichts daran, dass es sich um einen höchstrichterlich verfassten Rechtssatz handelt, den der Senat nicht ohne weiteres übergehen darf. Zum anderen ergab sich der Rechtssatz bereits aus der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, so dass der IX. Zivilsenat eine weitere Begründung offenbar für entbehrlich hielt.

Der Beschluss vom 10. Februar 2011 ist in einem Fall der Steuerberaterhaftung ergangen. Gerade aus der gefestigten Rechtsprechung zur Anwalts- und Steuerberaterhaftung leiten die beiden für Kapitalanlagesachen zuständigen Senate des Bundesgerichtshofs ihre Rechtsprechung zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ab. Ebenso wie der für die Anwalts- und Steuerberaterhaftung zuständige IX. Zivilsenat haben der für Kapitalanlagesachen zuständige III. und XI. Zivilsenat (auch) für diese Rechtsgebiete entschieden, dass die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten dadurch ausgeglichen werden, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert Bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 – III ZR 84/10, juris, Rn. 17; vom 24. Januar 2006 – XI ZR 320/04, juris, Rn. 15 m. w. N.; Unterstreichungen durch den Senat).  Der Beweis von Negativem läuft also auf eine Widerlegung der Umstände hinaus, die für das Positive sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 1966 – II ZR 62/64, juris, Rn. 9). Daraus ergibt sich, dass sich ein Berater keinesfalls darauf beschränken darf, eine Pflichtverletzung durch Unterlassen notwendiger Hinweise zu Bestreiten oder ganz allgemein zu behaupten, er habe die andere Partei ausreichend unterrichtet. Wer einen Sachverhalt nicht nur einfach Bestreiten darf, sondern seinerseits die Einzelheiten substantiiert darlegen muss, darf erst recht nicht mit bloßem Nichtwissen Bestreiten, gleich ob er sich zuvor ausreichend um Informationen bemüht hat oder nicht. Vielmehr muss er jedenfalls konkrete Angaben darüber machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt hat (vgl. zur Rechtsanwaltshaftung BGH, Urteil vom 5. Februar 1987 – IX ZR 65/86, juris, Rn. 17 m. w. N.). Nur dann nämlich legt er Umstände dar, die für das Positive sprechen. Der Anleger soll erst dann zur Erbringung des ihm regelmäßig schwer fallenden Beweises gezwungen sein, wenn der hohe Grad an Substanz des vom Berater gehaltenen Vortrags es ihm ermöglicht, sich mit den vom Berater behaupteten einzelnen Umständen auseinanderzusetzen und einzelne Beweisangebote darauf zu beziehen. Durch diesen Ausgleich prozessualer Lasten wird dem Gebot Genüge getan, auch in dem der Parteidisposition unterliegenden Zivilprozess möglichst zu einer der materiellen Gerechtigkeit entsprechenden Entscheidung des Einzelfalles zu gelangen (vgl. zu diesem Ziel die Stellungnahme des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum ZPO-Reformgesetz, BT-Drucks. 14/6036, S. 124). Kann der Anleger die vom Berater vorgetragenen einzelnen Umstände der Beratung nicht zur Überzeugung des Gerichts widerlegen, beruht das Urteil immerhin auf der Annahme eines ernstlich in Betracht kommenden Geschehensablaufs.

Das Ziel, im Interesse der materiellen Gerechtigkeit zugunsten des Anlegers einen Ausgleich für die ihm nachteilige Beweislastverteilung zu schaffen, würde dagegen verfehlt, wenn sich der Berater auf bloße Vermutungen oder gar auf ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen beschränken dürfte. Bei Unergiebigkeit der Beweisaufnahme beruhte das Urteil dann letztlich auf der bloßen Vermutung eines Geschehensablaufs, an den sich tatsächlich keine Partei erinnert. Hat also eine Partei keine eigene oder durch Mitteilungen oder Aufzeichnungen Dritter vermittelte Kenntnis davon, dass sich ein bestimmter Geschehensablauf tatsächlich zutrug, darf sie der Behauptung der Gegenpartei, der Geschehensablauf habe sich nicht zugetragen, deshalb nicht mit bloßen Vermutungen entgegentreten, sondern muss einräumen, die Behauptung mangels eigener Kenntnis nicht in zulässiger Weise Bestreiten zu können.

(4) Die im Vorstehenden unter (2) ausgeführte Rechtslage entspricht entgegen der Auffassung der Beklagten den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen. Ein Anspruchsgegner, der eine sekundäre Darlegungslast fürchten muss, befindet sich in keiner wesentlich anderen Lage als ein Anspruchsteller, den eine primäre Darlegungslast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trifft, oder ein Anspruchsgegner, den die primäre Darlegungslast für rechtshindernde oder rechtsvernichtende Tatsachen trifft. Er bedarf deshalb keines besonderen Schutzes. Die Beklagte übergeht mit ihrer gegenteiligen Argumentation etwa den Umstand, dass ein Rechtsstreit – mit Ausnahme der von § 93 ZPO erfassten Fälle – nicht ohne vorherige außergerichtliche Geltendmachung des Klageanspruchs eingeleitet wird. So war es auch im Streitfall, wie das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 15. Oktober 2013 (Anlage K 4) zeigt. Ebenso wie ein Anspruchsteller vor Erhebung der Klage die Erfolgsaussichten der gerichtlichen Anspruchsverfolgung überprüfen kann, ist es einem Anspruchsgegner möglich, die Erfolgsaussichten der Anspruchsabwehr rechtzeitig zu überprüfen. Im Falle eines negativen Ergebnisses kann ein Anspruchsteller von der gerichtlichen Verfolgung absehen, ein Anspruchsgegner kann den Rechtsstreit durch Erfüllung oder wenigstens ein verbindliches Anerkenntnis vermeiden.

(5) Vor diesem Hintergrund besteht auch kein praktischer Bedarf, Prozesse wie den vorliegenden auszusetzen, bis die Beklagte einen auskunftsunwilligen früheren Handelsvertreter in einem anderen Rechtsstreit auf Auskunft über seine Beratungstätigkeit in Anspruch genommen und die erstrebte Auskunft sodann auch tatsächlich erhalten hat. Im Hinblick auf die dahingehenden Erörterungen in der mündlichen Verhandlung sieht der Senat aber noch Anlass zu folgenden weiteren Anmerkungen:

Im vorliegenden Rechtsstreit kommt eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte ihre früheren Handelsvertreter A. und R. zur Zeit nicht in einem anderen Rechtsstreit auf Auskunft in Anspruch nimmt. Eine Aussetzung erfordert gemäß § 148 ZPO die Anhängigkeit des anderen Rechtsstreits. Selbst wenn diese Voraussetzung gegeben wäre, dürfte eine Aussetzung aber daran scheitern, dass in dem gegen die früheren Handelsvertreter gerichteten Rechtsstreit nicht das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses geklärt würde, von dem die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits abhinge. „Rechtsverhältnis“ im Sinne des § 148 ZPO ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 148 Rn. 5, § 256 Rn. 3). Das einzige Rechtsverhältnis, das in einem gegen die früheren Handelsvertreter gerichteten Rechtsstreit geklärt würde, beträfe die Frage, ob und in welchem Umfang diese der Beklagten Auskunft über ihre Beratungstätigkeit zu erteilen haben. Von der Klärung dieser Frage hinge die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht ab.

b) Soweit die Beklagte trotz zunächst eingestandener Unkenntnis über den Geschehensablauf in einem späteren Verfahrensstadium, nämlich in ihren Schriftsätzen vom 19. Februar 2016 (dort Seite 3, Bl. 73 d. A.) und vom 17. Mai 2016 (Bl. 86 d. A.), behauptet hat, der Kläger sei sowohl über die Haftsumme (anscheinend gemeint: das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung) als auch die Kosten der Eigenkapitalvermittlung „auf der Grundlage des Prospekts“ mündlich aufgeklärt worden, handelt es sich um eine prozessual unbeachtliche Spekulation. Der Senat hat bereits im Vorstehenden (unter a) cc)) ausgeführt, dass es dem Anspruchsgegner nicht nur nicht erlaubt ist, die vom Anspruchsteller vorgetragene Behauptung einer negativen Tatsache mit Nichtwissen zu Bestreiten, sondern er sein Bestreiten auch nicht auf bloße Vermutungen stützen darf.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei ihrer Darlegungslast zwar im Allgemeinen, wenn sie diejenigen Umstände vorträgt, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben. Hierbei ist es grundsätzlich unerheblich, wie wahrscheinlich das Vorbringen ist. Erfüllt das Parteivorbringen diese Anforderungen, können grundsätzlich weitere Einzelheiten oder Erläuterungen nicht gefordert werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen. Ein Beweisantrag zur Vernehmung eines Zeugen setzt somit nicht voraus, dass sich der Darlegungsbelastete darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit seiner Behauptungen hat. Eine Partei ist mithin grundsätzlich auch nicht gehindert, Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse hat, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält; ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt erst dann vor, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist jedoch Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen (vgl. unter anderem BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, juris, Rn. 40, 43 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Mai 2003 – III ZR 7/02, juris, Rn. 15, jeweils m. w. N.).

bb) Diese Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall indes nicht unmittelbar einschlägig. Die Beklagte darf eine mündliche Aufklärung des Klägers über die genannten Risiken und Eigenschaften nur aufgrund eigenen Wissens oder zumindest aufgrund konkreter Anhaltspunkte behaupten, weil ihr die detaillierte Darlegung des Positivums zum Ausgleich für die dem Kläger auferlegte Beweislast obliegt und sich eine bloße Vermutung ins Blaue hinein mit der Ausgleichsfunktion der Darlegungslast nicht verträgt.

cc) Die Beklagte hat eingeräumt, keine eigene Kenntnis von dem Beratungsvorgang zu haben. Sie hat auch keine sonstigen Anhaltspunkte vorgetragen, die aus der Sicht eines objektiven Dritten den Rückschluss auf die von ihr darzulegende Tatsache einer ausreichenden Beratung zulassen.

(1) Es kann dahinstehen, ob die Handelsvertreter A. und R. diejenigen Kenntnisse erworben hatten, welche die Beklagte bei denjenigen ihrer Handelsvertreter mit Hilfe des als Anlage B 11 (Anlagenband Beklagte) vorgelegten Multiple-Choice-Tests abgefragt haben will, die sie mit dem Vertrieb geschlossener Fonds beauftragte. Selbst wenn die Beklagte diesen Handelsvertretern die allgemeine Weisung erteilt hatte, die Anleger „entsprechend diesem Test […] aufzuklären, ergibt sich daraus kein Rückschluss auf die regelhafte Einhaltung dieser Weisung (vgl. das Senatsurteil vom 22. September 2016 – 11 U 73/16, unter II. 4. d) dd) (4) der Gründe). Dieser allgemeine Schluss ermöglicht ihr zum einen, wie auch der vorliegende Fall zeigt, ohnehin nicht den erforderlichen detaillierten Vortrag zu den Umständen der Beratung. Zum anderen widerspricht der von der Beklagten gezogene Schluss allgemeiner Erfahrung. Genügten Vorschriften und Verbote, um Rechtssubjekte in allen Fällen zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen, bedürfte es keiner Gerichte.

(2) Der im Beraterbogen (Anlage B 3, Anlagenband Beklagte, unter der Überschrift „Anlegererfahrung“) enthaltene vorformulierte Vermerk, der Kläger sei „über Chancen und Risiken von Geschlossenen Fonds im Allgemeinen und der konkreten Beteiligung anhand des Angebotsprospekts“ ausführlich aufgeklärt worden, lässt weder den Schluss zu noch legt er ihn auch nur nahe, dass der Kläger von den Handelsvertretern A. und R. auch über die erhöhten Eigenkapitalbeschaffungskosten aufgeklärt wurde. Kein dem Senat bekannter Emissionsprospekt enthält nämlich einen ausdrücklichen Hinweis auf eine besondere Höhe von Eigenkapitalbeschaffungskosten. Bestenfalls werden diese Kosten in der Mittelherkunfts- und Mittelverwendungsprognose der Höhe nach zutreffend ausgewiesen. Der Vermerk nimmt indes ersichtlich Bezug auf das in Emissionsprospekten regelmäßig vorhandene (so oder ähnlich bezeichnete) Kapitel „Chancen und Risiken“. Dort finden sich indes keine Hinweise auf die Überhöhung der Eigenkapitalbeschaffungskosten und die daraus abzuleitende Gefährdung des Anlageerfolgs (vgl. Prospektauszug „Risiken dieser Vermögensanlage“, Anlage B 6).

(3) Der genannte Vermerk lässt auch nicht den Schluss zu,  dass der Anleger über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung aufgeklärt wurde. Eine solche pauschale Eintragung mag eine ausreichende Erkenntnisquelle für ein einfaches Bestreiten sein, soweit ein Anleger seinerseits lediglich pauschal behauptet, über kein Risiko der Anlage aufgeklärt worden zu sein. Der Kläger hat allerdings keineswegs pauschal behauptet, über kein Risiko der Anlage aufgeklärt worden zu sein. Er hat in seiner Klageschrift vielmehr die Risiken und Eigenschaften der im Streit stehenden Beteiligung im Einzelnen dargelegt, darunter das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB (vgl. Seite 5 f. der Klageschrift), und behauptet, über jedes einzelne für ihn zeichnungsrelevante Risiko und jede einzelne Eigenschaft nicht aufgeklärt worden zu sein. Die genannte Eintragung bietet der Beklagten keine ausreichende Grundlage, um diesem ins Einzelne gehenden Vorbringen mit der gebotenen Substanz entgegenzutreten. Der Handelsvertreter, der in den Bögen den Bereich unter der Überschrift „Anlegererfahrung“ auszufüllen hatte, konnte nur danach unterscheiden, ob der jeweilige Anleger Erfahrungen mit geschlossenen Fonds hatte oder nicht. Eine auf den Einzelfall bezogene Eintragung, ob (und erst recht wie) er den Kunden über die Eigenschaften geschlossener Fonds im Allgemeinen und des empfohlenen Fonds im Besonderen aufklärte, war demgegenüber nicht vorgesehen. Hierzu enthalten die Bögen nur vorformulierte Festlegungen ohne Rücksichtnahme auf den Beratungsablauf im jeweiligen Einzelfall. Der Beraterbogen enthält auch keinen sonstigen konkreten Hinweis, dass über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung aufgeklärt wurde, weil die einzelnen Risiken und Eigenschaften, die Gegenstand der Erörterung waren, nicht – und zwar nicht einmal stichwortartig – bezeichnet sind. Es  besteht auch keine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass eine – angeblich – ausführliche Beratung über geschlossene Fonds im Jahr 2007 einen Hinweis auf dieses Risiko im Allgemeinen regelmäßig einschloss. Die Beklagte sah im Jahr 2007 selbst keinen Anlass, das Risiko in der Risikozusammenfassung zu erwähnen, die sie in ihren Beraterbögen abdruckte.

(4) Der Senat hält es aufgrund der in Anlageberaterhaftungsfällen bestehenden Besonderheiten durchaus für möglich, zur Erlangung der gerichtlichen Überzeugung von einem bestimmten Geschehensablauf (§ 286 ZPO) aus dem allgemeinen Beratungsverhalten eines bestimmten Anlageberaters in stärkerem Maße Rückschlüsse auf die Beratung des einzelnen Anlegers zu ziehen (vgl. das Senatsurteil vom 23. Juni 2016 – 11 U 9/16, juris, Rn. 55; vgl. außerdem das am 17. November 2016 verkündete Senatsurteil in der Sache 11 U 83/16, dort unter II. 4. c) bb) der Gründe).

Aus den drei von der Beklagten als Anlagen Bk 1 und Bk 2 (Bl. 158 ff. d. A.) vorgelegten Stellungnahmen aus dem Jahr 2011, welche die Handelsvertreter A. und R. zu der von ihnen erbrachten Beratung anderer Kunden der Beklagten abgaben, ergeben sich solche Rückschlüsse indes nicht. Deshalb nehmen sie dem von der Beklagten im Streitfall gehaltenen Vorbringen nicht den Charakter einer bloßen Spekulation. Das ist auch bereits in dem Schriftsatz der Beklagten vom 17. Mai 2016 erkennbar geworden, in dem sich die Beklagte erstmals – wenn auch noch ohne deren Vorlage – auf zwei der drei Stellungnahmen bezogen hat. Die Beklagte hat dort mangels konkreter Anhaltspunkte wiederum nur wie folgt spekuliert: „Dies dürfte der üblichen Vorgehensweise entsprochen haben.“

Alle drei Stellungnahmen sind auf den jeweiligen Einzelfall bezogen. Mit keinem Satz lassen die Handelsvertreter erkennen, dass das von ihnen geschilderte Beratungsgeschehen ihrem üblichen Vorgehen entspricht. Insbesondere ergeben sich aus keiner der drei Stellungnahmen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Berater A. und R. regelmäßig über überhöhte Eigenkapitalbeschaffungskosten und über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung aufklärten. In zwei der drei Stellungnahmen wird jedenfalls eine Erörterung von Innenprovisionen sogar ausdrücklich verneint. Das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung wird in keiner der drei Stellungnahmen erwähnt.

Nichts anderes gilt für die Aussage des Handelsvertreters A. gegenüber dem Landgericht Hannover in dem prozess 11 O 248/14, deren Protokollierung die Beklagte als Anlage zum Schriftsatz vom 12. Januar 2017 vorgelegt hat (Bl. 235 ff. d. A.). Ihr lässt sich allenfalls entnehmen, dass der Handelsvertreter A. die Emissionsprospekte seinen Kunden „immer ausgehändigt“ haben will, nicht einmal aber, dass er sie immer rechtzeitig aushändigte (dazu sogleich unter 2.). Rückschlüsse auf einen verallgemeinerungsfähigen Beratungsablauf ergeben sich aus der Aussage schon deshalb nicht, weil A. bekundet hat, sich im dortigen Fall nicht an die Einzelheiten des Beratungsablaufs zu erinnern.

c) Als Folge seiner ungenügenden Grundlage fehlt es dem Vortrag der Beklagten auch an der gebotenen besonderen Substanz, derer es nach der im Vorstehenden referierten höchstrichterlichen Rechtsprechung unabhängig von der Rechtsfrage, ob bloße Spekulationen prozessual beachtlich sind, in jedem Fall bedarf. Weder erläutert die Beklagte den äußeren Rahmen der Beratung, das heißt Anzahl, Datum und Ort der Beratungsgespräche, noch deren inhaltlichen Ablauf. Sie legt nicht dar, über welche Risiken die Handelsvertreter A. und R. im Einzelnen aufklärten, welche Schwerpunkte sie dabei womöglich bildeten oder – prozessual nicht zwingend, zur Erhöhung der Substanz aber hilfreich – wie der Kläger auf diese Ausführungen reagierte (vgl. nochmals BGH, Urteil vom 5. Februar 1987, a. a. O.).

3. Eine ordnungsgemäße objektgerechte Anlageberatung kann auch durch die Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2014 – III ZR 389/12, juris, Rn. 9 m. w. N.). Da in dem Emissionsprospekt (Anlage B 6, Anlagenband Beklagte, dort Seite 22; außerdem Anlage K 2, Anlagenband Kläger) sowohl das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung als auch die Verwendung des eingeworbenen Anlagekapitals ausreichend nachvollziehbar erläutert werden, müsste sich der Kläger als – insoweit – aufgeklärt behandeln lassen, wenn ihm dieser Prospekt rechtzeitig vor seiner Anlageentscheidung übergeben worden wäre. Der Kläger hat indes behauptet, den Emissionsprospekt niemals erhalten zu haben. Auch diese Behauptung hat die Beklagte nicht in prozessual erheblicher Weise bestritten.

a) Die Beklagte hat die Behauptung ursprünglich wiederum nur mit Nichtwissen bestritten. Da es sich bei der Nichtübergabe des Emissionsprospekts gleichfalls um eine negative Tatsache handelt, ist auch dieses Bestreiten unzulässig gewesen, und zwar unabhängig von der Frage, ob die Beklagte die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen in zumutbarer Weise ausgeschöpft hat (vgl. die vorstehenden Ausführungen unter 2. a) bb) und cc)).

b)  Aus den als Anlagen Bk1 und Bk 2 vorgelegten Stellungnahmen ergeben sich auch bezüglich der Prospektübergabe keine Rückschlüsse für den Beratungsablauf im vorliegenden Fall, die der Beklagten die positive Behauptung erlaubten, der Emissionsprospekt sei rechtzeitig übergeben worden. Aus der ersten Stellungnahme (Blatt 1 der Anlage Bk1) ergibt sich nicht einmal, dass die Berater A. und R. den Prospekt derjenigen Anlegerin, auf die sich die Stellungnahme bezieht, übergaben. Aus der auf den 6. Februar 2011 datierenden zweiten Stellungnahme ergibt sich, dass die dort betroffene Anlegerin den Prospekt erhielt, nicht aber dass sie ihn rechtzeitig, das heißt im Regelfall zwei Wochen vor dem Zeichnungstermin (vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen unter c)), erhielt. Aus der als Anlage Bk 2 vorgelegten dritten, auf den 26. Oktober 2011 datierenden Stellungnahme ergibt sich, dass der darin genannte Anleger sich die Prospekte aushändigen ließ und sich dann (zumeist in der nächsten Woche) von sich aus meldete und seine Anlageentscheidung traf. Die drei Stellungnahmen enthalten zur Frage der Prospektübergabe mithin drei unterschiedliche Schilderungen. Aus keiner ergibt sich, dass die Handelsvertreter A. und R. eine bestimmte Übung hinsichtlich der Übergabe der Emissionsprospekte entwickelt hatten, die auf eine rechtzeitige Übergabe im vorliegenden Fall schließen ließe.

c) Auch die Zeugenaussage des Handelsvertreters A. gegenüber dem Landgericht Hannover am 7. November 2016 (Bl. 235 ff. d. A.) erlaubt, wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, keine ausreichenden Rückschlüsse, weil der Handelsvertreter A. dort nur bekundet hat, die Emissionsprospekte seinen Kunden „immer ausgehändigt“ zu haben, schon hinsichtlich des dortigen Klägers aber nicht sicher hat bekunden können, dass er den Prospekt nicht erst im Zeichnungstermin aushändigte.

Die erforderliche Zeitspanne zwischen der Übergabe des Prospekts und der Anlageentscheidung ist zwar nicht starr. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 12. Juli 2007 (III ZR 145/06, juris, Rn. 9) lediglich ausgeführt, dass eine Übergabe jedenfalls innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen ausreichend ist. Es kann aber auch eine kürzere Zeitspanne ausreichen, damit der Anleger den Inhalt eines ihm übergebenen Emissionsprospekts zur Kenntnis nehmen und erwägen kann. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, ist eine in jedem Einzelfall zu klärende Tatfrage. Der Senat hat eine kürzere Frist unter anderem ausreichen lassen, wenn ein Anleger aufgrund seiner Ausbildung oder beruflichen Tätigkeit über besondere Kenntnisse in einschlägigen Fachgebieten verfügt (vgl. Hinweisbeschluss vom 13. Juni 2016 – 11 U 138/15, n. v.: langjährig in der Führung von Unternehmen erfahrener und erfolgreicher ausgebildeter Kaufmann). Gleiches mag für einen Anleger gelten, der bereits über mehrjährige – aktiv wahrgenommene – Vorerfahrungen mit vergleichbaren geschlossenen Fondsbeteiligungen verfügt. Der Senat lässt kürzere Fristen außerdem in ständiger Rechtsprechung ausreichen, wenn ein Anleger nach dem Erhalt des Emissionsprospekts gegenüber dem Berater zu erkennen gibt, nicht mehr Zeit zum Studium zu benötigen und sich zur Zeichnung der empfohlenen Anlage entschlossen zu haben (vgl. zuletzt den Hinweisbeschluss vom 7. November 2016 – 11 U 84/16, außerdem den Senatsbeschluss vom 18. Januar 2016 – 11 U 126/15, n. v.).  Eine Übergabe erst im Zeichnungstermin wäre aber unter keinen Umständen rechtzeitig gewesen, weil sie dem Anleger keine Zeit zur Lektüre und zum Überdenken der Informationen lässt.

d) Es kann dahinstehen, ob der Geschäftsbericht der Fondsgesellschaft für das Jahr 2007 (Anlage B 9, Anlagenband Beklagte) als Mittel der Aufklärung über die überhöhten Eigenkapitalbeschaffungskosten überhaupt in Betracht kommt. Die Beklagte legt jedenfalls nicht mit der nötigen Substanz dar, dass der Kläger diesen Geschäftsbericht vor dem Zeichnungstermin am 17. Januar 2007 erhielt. Den Erhalt (erst) in diesem Termin räumt der Kläger (auf Seite 2 seiner Replik vom 15. Januar 2016, Bl. 57 d. A.) ein, eine frühere Entgegennahme hingegen nicht.

4. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht eine tatsächliche Vermutung, dass ein Anleger sich gegen die ihm empfohlene Kapitalanlage entschieden hätte, wenn er umfassend über alle wesentlichen Risiken aufgeklärt worden wäre (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, juris, Rn. 28, 33 m. w. N.). Der Senat hat deshalb davon auszugehen, dass der Kläger die streitgegenständliche Anlage nicht gezeichnet hätte, wenn die Handelsvertreter R. und A. ihn zuvor in ausreichender Weise auf die Höhe der Eigenkapitalbeschaffungskosten und auf das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung hingewiesen hätten. Die Beklagte hat keinen Vortrag gehalten, der die Vermutung erschüttern könnte.

5. Die Beklagte hat den Kläger nach alledem so zu stellen, als wenn dieser die streitgegenständliche Beteiligung nicht gezeichnet hätte. Da sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung nicht gegen die vom Landgericht unter III. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen zum Schadensumfang wendet, sieht der Senat nur Anlass zu folgenden weiteren Ausführungen:

Die Beklagte hat dem Kläger einen Zinsausfallschaden nicht zu ersetzen. Allein insoweit ist die Berufung begründet.

a) Zwar umfasst der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung eines Beratungsvertrages gemäß § 252 Satz 1 BGB auch den entgangenen Gewinn. Dazu gehören grundsätzlich auch entgangene Anlagezinsen. Der Anleger kann sich hierbei gemäß § 252 Satz 2 BGB auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen, dass Eigenkapital ab einer gewissen Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt liegen bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt wird (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, juris, Rn. 64; vom 24. April 2012 – XI ZR 360/11, juris, Rn. 11, jeweils m. w. N.). Indes trägt der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast dafür, ob und in welcher Höhe ihm durch das schädigende Ereignis ein Gewinn entgangen ist. § 252 Satz 2 BGB enthält für den Geschädigten lediglich eine die Regelung des § 287 ZPO ergänzende Darlegungs- und Beweiserleichterung. Der Geschädigte kann sich deshalb zwar auf die Behauptung und den Nachweis der Anknüpfungstatsachen beschränken, bei deren Vorliegen die in § 252 Satz 2 BGB geregelte Vermutung eingreift. Die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung im Sinne von § 252 BGB aufgrund einer zeitnahen alternativen Investitionsentscheidung des Geschädigten und deren Umfang kann jedoch nur anhand seines Tatsachenvortrages dazu beurteilt werden, für welche konkrete Form der Kapitalanlage er sich ohne das schädigende Ereignis entschieden hätte (vgl. BGH, Urteile vom 28. Mai 2013 – XI ZR 184/11, juris, Rn. 43; vom 24. April 2012, a. a. O. Rn. 13).

b) Der Kläger hat zu dieser Frage nichts Konkretes vorgetragen, sondern auf Seite 22 seiner Klageschrift nur pauschal behauptet, „der Kläger hätte bei fehlerfreier Beratung durch die Beklagte ihr Geld zinsträchtig anlegen können. […] Der Kläger macht geltend, dass er als anlagewillige Kapitalinhaberin alternativ wenigstens die durch Festgeld erreichbare Durchschnittsrendite mit Wahrscheinlichkeit erzielt hätte […]“. Der in den Anträgen angegebene Zinsbetrag entspreche dem durchschnittlichen Festgeldzinssatz zum Zeichnungszeitpunkt. Dieser Vortrag ist nicht nur zu pauschal. Der Kläger legt sich auch nicht einmal fest, wie er das eingesetzte Kapital anderweitig verwendet hätte. Das genügt nicht den vorstehend genannten Anforderungen. Dem Vortrag fehlt überdies ersichtlich der Bezug zum vorliegenden Einzelfall. Die Prozessbevollmächtigten haben in verschiedenen anderen Prozessen textbausteinartig genau die gleiche Behauptung vorgetragen.

c) Der Senat hat diesen Schlüssigkeitsmangel gemäß § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu berücksichtigen, obwohl die Beklagte darauf in ihrer Berufungsbegründung nicht (mehr) eingeht (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 13. Aufl., § 520 Rn. 28). Sie hat einen entsprechenden Einwand schon auf Seite 14 ihrer Klageerwiderung erhoben (Bl. 47 d. A.) und das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang in jedenfalls zulässiger Weise angefochten.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Dabei ist ausnahmsweise zu berücksichtigen, dass die Klage hinsichtlich zweier Nebenforderungen abgewiesen wird, weil diese jedenfalls im ersten Rechtszug einen Anteil von mehr als 10 % an einem fiktiven, sie einbeziehenden Streitwert erreichen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 92 Rn. 10). Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Schutzanordnungen gemäß § 711 ZPO haben zu unterbleiben, weil die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen. Das einzig in Betracht kommende Rechtsmittel, die Nichtzulassungsbeschwerde, ist gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO nicht zulässig, weil die Beschwer der Beklagten die Grenze von 20.000 € nicht übersteigt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegt. Der Senat leitet die Anforderungen an das Vorbringen der Beklagten unmittelbar aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. Das gilt insbesondere für den Beschluss des IX. Zivilsenats vom 10. Februar 2011 (IX ZR 456/08), der entgegen den Ausführungen der Berufung auch unter Berücksichtigung des ihm zugrundeliegende Berufungsurteils des Thüringische Oberlandesgerichts eindeutig ist. Folglich begründen etwaige andere obergerichtliche Entscheidungen, die diese Rechtsprechung womöglich außer Acht lassen, mangels Divergenz keinen Zulassungsbedarf zum Zwecke der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Eine Divergenz bestünde nur, wenn es an einer höchstrichterlichen Klärung entscheidungserheblicher Rechtsfragen fehlte und der Senat von der Rechtsprechung anderer Obergerichte abwiche. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass das Oberlandesgericht Frankfurt mit seinem Beschluss vom 9. März 2012 in der dortigen Sache 17 U 191/11 entgegen dem Berufungsvorbringen keine rechtskräftige Entscheidung fällte, sondern nur einen Hinweis erteilte. Ein bloßer Hinweis erzeugt keine Divergenz. Der Beschluss ist überdies nicht einschlägig, weil er nicht das Bestreiten einer negativen Tatsache betrifft. Gleiches gilt für das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 1. Dezember 2014 in der dortigen Sache 23 U 33/14 und für das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 21. März 2014 in der dortigen Sache 5 U 158/10.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Soweit das Landgericht die Beklagte (im Tenor zu 4.) zur Freistellung verurteilt hat, beträgt die Beschwer der Beklagten gemäß der ständigen Rechtsprechung des Senats 50 % der vom Kläger mit 600 € vorgetragenen Ausschüttungen, mithin 300 €. Dem Anspruch auf entgangenen Gewinn ist gemäß § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO kein eigenständiger Wert beizumessen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2015 – III ZR 228/14, juris, Rn. 3 m. w. N.). Bei dem schon vom Landgericht abgewiesenen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten handelt es sich um eine Nebenforderung, die bei der Wertberechnung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zu berücksichtigen ist.

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