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OLG Celle, Urteil vom 27.06.2018 – 9 U 61/17

§ 823 BGB, § 1 BauFordSiG

1. Der Empfänger von Baugeld muss dessen zweckgerechte Verwendung darlegen und erforderlichenfalls beweisen (Anschluss an BGH, Urt. v. 19.8.2010 – VII ZR 169/09 ).

2. Der Geschäftsführer einer GmbH ist gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 BauFordSiG persönlich schadensersatzpflichtig, wenn und soweit die GmbH eine einem ausführenden Bauunternehmer zustehende Werklohnforderung vor ihrer masselosen Insolvenz nicht mehr erfüllt und der Geschäftsführer die zweckgerechte Verwendung des Baugeldes, das die von ihm geführte Gesellschaft in die offene Forderung übersteigender Höhe erhalten hat, nicht darlegen und beweisen kann.

3. Der Geschäftsführer eines Bauträgers kann die von dessen Nachunternehmer berechneten Massen nicht pauschal Bestreiten, insbesondere dann nicht, wenn er die Rechnung insoweit nicht zeitnah beanstandet hat.

4. Die Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers einer GmbH wegen Betruges kann nicht mit der schlichten Behauptung begründet werden, diese sei bei Vertragsschluss entweder zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig gewesen.

Sachverhalt

Der Kl. verfolgt Werklohnansprüche für Tiefbauarbeiten, die er zwischen dem 5.5. und dem 8.9.2014 für zwei von der inzwischen insolventen und gemäß § 60 Absatz 1 Nummer 5 GmbHG aufgelösten B-GmbH betreute Bauvorhaben erbracht hat. Die Bekl. war Geschäftsführerin dieser Gesellschaft. Auf vom Kl. im November 2014 gestellte Rechnungen in Höhe von 16.298,46 Euro für Leistungen im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben B und 4.503,26 Euro für Leistungen im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben in X. zahlte die B-GmbH nicht. Unter dem 8.3.2016 stellte sie Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der jedoch mangels Masse abgelehnt wurde. Der Kl. nimmt nunmehr die Bekl. direkt in Anspruch und hält sie für deliktisch haftbar.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG Lüneburg (Urt. v. 12.7.2017 – 3 O 11/17) einen gegen die Bekl. ergangenen Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen

II. (…) 1.) Der Kl. kann von der Bekl. 4503,26 Euro als Schadensersatz gem. 823 Absatz II BGB iVm § 1 Absatz I BauFordSiG verlangen, weil sie als Geschäftsführerin der B in dieser Höhe Baugeld erhalten, aber nicht an den Kl. zur Erfüllung von dessen Werklohnforderung weitergegeben oder eine anderweitige zweckgerechte Verwendung nachgewiesen hat.

a) Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Haftung
ist gem. § 823 Absatz II BGB iVm § 1 BauFordSiG persönlich schadensersatzpflichtig, wenn er Baugeld iSd § 1 BauFordSiG zweckwidrig verwendet hat und deshalb eine einem ausführenden Bauunternehmer zustehende Werklohnforderung nicht erfüllt wird (BGH, NJW 2018, NJW Jahr 2018 Seite 2115 Rn. 10; BGH, NJW-RR 2013, 340 Randnummer 39). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

aa) Dem Kl. stand eine – unerfüllt gebliebene – Werklohnforderung gem. § 631 Absatz I BGB für die von ihm im Auftrag der B-GmbH erbrachten Werkleistungen in der geltend gemachten Höhe zu. Die dagegen gerichteten Einwendungen der Bekl. verfangen nicht.



(2) Des Weiteren ist auch ihr bereits mit der Klagerwiderung erfolgtes pauschales Bestreiten der abgerechneten Massen angesichts der Tatsache, dass die von der Bekl. geführte GmbH Bauträgerin gewesen ist, unbeachtlich: Die Bekl. müsste – zumal sie das errichtete Objekt heute selbst bewohnt – zumindest konkrete andere Massen benennen, die ihrer Ansicht nach zutreffen sollen. Zudem verweist der Kl. auch zu Recht darauf, dass die Bekl. gehalten gewesen wäre, ihrer Auffassung nach unzutreffende Massen zeitnah zum Erhalt der Rechnung zu beanstanden. Dass sie dies unterlassen hat, erhöht die Glaubwürdigkeit ihres jetzigen – ohnehin nur rudimentären – Vortrags jedenfalls nicht, zumal der Zeuge L in der vorerwähnten polizeilichen Vernehmung zumindest in Bezug auf die Position 1 der verfahrensgegenständlichen Rechnung bestätigt hat, dass 60 m3 Bodenabfuhr zutreffen

bb) Die B-GmbH hat von dem Bauherren B. Zahlungen in Höhe von mindestens 219.286 Euro erhalten. Dass es sich dabei um Baugeld jedenfalls iSd § § 1 Absatz 3 Nummer 2 BauFordSiG handelt, nimmt auch die Bekl. nicht mehr in Abrede. (Wird ausgeführt und ist abrufbar unter BeckRS 2018, 14399.)

cc) Eine zweckgerechte Verwendung des insgesamt von dem Bauherren B erhaltenen Baugelds hat die Bekl. nicht dargelegt. Entgegen der Auffassung des LG hätte ihr dies jedoch oblegen. Denn nicht der Unternehmer, dessen Zahlungsansprüche nicht befriedigt wurden, muss die zweckwidrige, sondern der Empfänger von Baugeld muss dessen zweckgerechte Verwendung darlegen und erforderlichenfalls beweisen (BGH, NJW 2010, Seite 3365 = NZBau 2010, Seite 746 = NZM 2010, Seite 910 Rn. 17; Kniffka/Koeble, Kompendium d. BauR, 4. Aufl. 2014, 10. Teil, Rn. 244 f.).

Das ist der Bekl. indes nicht vollständig gelungen. Vielmehr hat sie in Bezug auf das Bauvorhaben B mit Schriftsätzen vom 31.1.2018 und 14.3.2018 lediglich für Zahlungen iHv 181.409,83 Euro (und nicht, wie sie selbst meint, 181.409,23 Euro) deren konkrete Verwendung zur Begleichung baubezogener Forderungen nachgewiesen. Dahinstehen kann dabei, dass sich nach Auffassung des Senats aufgrund einzelner erforderlicher Korrekturen (es wurden teilweise auf das Bauvorhaben R. oder ein anderes Bauvorhaben des Bauherrn B, nämlich im B., entfallende Ausgaben verbucht) lediglich ein Betrag iHv 171.710,74 Euro ergibt, von dem angenommen werden kann, dass er für eine zweckgerichtete Verwendung des erhaltenen Baugeldes steht. Denn selbst bei Ansatz des von der Bekl. errechneten Betrags ergibt sich zwischen der Höhe des erhaltenen Baugeldes und den nachgewiesenen baubezogenen Abflüssen eine die Forderung des Kl. weit übersteigende Differenz von 37.876,17 Euro.

Soweit die Bekl. mit Schriftsatz vom 14.3.2018 diese Lücke zu schließen versucht hat, indem sie Eigenleistungen in erheblichem Umfang, nämlich bezüglich des Bauvorhabens B iHv 100.780 Euro behauptet und auch diese in die Betrachtung der Verwendung des erhaltenen Baugeldes einbezogen wissen will, kann sie damit kein Gehör finden. Denn es trifft zwar zu, dass der Unternehmer, der Baugeld erhalten hat, dieses auch für Eigenleistungen verwenden darf (Kniffka/Koeble, Rn. 242). Doch fehlt es diesbezüglich an substanziiertem Vortrag der Bekl., weil sie lediglich die vermeintlichen Werte angeblich von ihr erbrachter Leistungen auflistet, ohne aufzuzeigen, aus welchen konkreten Positionen sich die behaupteten Summen zusammensetzen. Die Bekl. müsste aber – wie bei Drittleistungen auch – die genaue Verwendung der Gelder darlegen, wobei dann eigener Gewinn ein Faktor sein könnte. Eines (weiteren) Hinweises auf die Unzulänglichkeit des Vortrags bedurfte es nicht mehr, da der Senat bereits mit Beschluss vom 5.1.2018 auf die an den die Verwendung von Baugeld betreffenden Vortrag zu stellenden Anforderungen hingewiesen hat.

dd) Hat die Bekl. die zweckgerichtete Verwendung des erhaltenen Baugeldes sonach nicht vollständig dargelegt, kann der Kl. bis zur Höhe der Differenz zwischen Baugeldzu- und –abfluss Schadensersatz in Höhe seiner unerfüllt gebliebenen Werklohnforderung beanspruchen. Entgegen der Auffassung der Bekl. muss der Kl. nicht nachweisen, dass er bei ordnungsgemäßer Verwendung des Baugeldes durch die beklagte Geschäftsführerin Geld erhalten hätte. Der Baugeldempfänger haftet nämlich jedem einzelnen Baugläubiger mit dem gesamten Baugeldbetrag für dessen Bauforderung, bis das Baugeld für Bauforderungen (ordnungsgemäß) verbraucht ist. Die am Bau Bet. genügen ihrer Behauptungslast im Prozess, wenn sie (wie vorliegend der Kl.) darlegen, dass sie eine offene Werklohnforderung in Höhe des vom Empfänger erhaltenen Baugelds haben und Baugeld zur Befriedigung dieser Forderung nicht mehr zur Verfügung steht (Kniffka/Koeble, Rn. 244).

b) Das zur Begründung des klägerischen Anspruchs schließlich noch erforderliche Verschulden ist jedenfalls in Form des hier ausreichenden Eventualvorsatzes (vgl. BGH, NJW-RR 2002, Seite 740) gegeben, weil die Bekl. als Geschäftsführerin der BPM jedenfalls billigend in Kauf genommen hat, dass der Kl. mit seiner Werklohnforderung in Folge zweckwidriger Verwendung des erhaltenen Baugelds ausfällt.

c) Kann der Kl. nach alldem im Hinblick auf das Bauvorhaben in B. von der Bekl. Schadensersatz in Höhe seiner ursprünglichen Werklohnforderung gegen die B-GmbH verlangen, ist die Forderung gem. §§ 280 Absatz I und II, 286 Absatz I 2 BGB bzw. gem. §§ 288, 291 BGB iVm § 700 Absatz II ZPO ab dem 4.12.2016 zu verzinsen, nachdem der Mahnbescheid am 3.12.2016 zugestellt worden ist. Ein vorheriger Zinsbeginn scheidet aus, weil der Kl. die Voraussetzungen des Verzuges in Bezug auf die Bekl. persönlich nicht dargetan hat. Die von ihm insofern in Bezug genommene Mahnung vom 28.11.2014 hatte nicht den gegen die Bekl. gerichteten Schadensersatzanspruch, sondern die ursprüngliche Werklohnforderung gegen die B-GmbH zum Gegenstand und war folgerichtig auch an diese gerichtet.

Die Zinshöhe ergibt sich entgegen der Auffassung des Kl. aus § 288 Absatz I 2 BGB, weil § 288 Absatz II BGB nur Entgeltforderungen, nicht aber deliktische Ansprüche erfasst (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 288 Rn. 8).

Inkassokosten kann der Kl. nicht von der Bekl. ersetzt verlangen, weil nicht dargetan ist, dass sich diese selbst und nicht lediglich die B-GmbH bei Beauftragung des Inkassobüros in Verzug befand (s. o.). Von dem Anspruch des Kl. auf Schadensersatz sind diese Kosten nicht umfasst, weil es sich zum einen insofern nicht um einen kausalen Schaden handelt und weil der Kl. zum anderen mit Schriftsatz vom 3.3.2017 selbst vorgetragen hat, dass die Beauftragung des Inkassobüros „zur weiteren Beitreibung der Forderung“ erfolgte, wobei sich aus dem Zusammenhang ergibt, dass es insofern noch um die ursprüngliche Werklohnforderung, nicht aber die hier verfahrensgegenständliche Schadensersatzforderung gegen die beklagte Geschäftsführerin persönlich ging.

Soweit sich hinsichtlich der Nebenforderungen Abweichungen vom klägerischen Begehren nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen ergeben, bedurfte es eines vorherigen Hinweises gem. § ZPO § 139 Absatz II 1 ZPO nicht.


2.) Hinsichtlich der auf das Bauvorhaben R. bezogenen unerfüllten Werklohnforderung des Kl. gegen die B-GmbH iHv 16.298,46 Euro besteht kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Bekl.

a) Ein Anspruch aus § 823 Absatz II BGB iVm § 1 BauFordSiG scheidet hier aus. Bezüglich des Bauvorhabens R. hat der – diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete (s. o.) – Kl. einen Zufluss von Baugeld in Höhe von lediglich 62.200 Euro darlegen können. Dem stehen jedoch von der Bekl. konkret dargelegte Abflüsse in – von ihr errechneter – Höhe von 81.733,46 Euro gegenüber. Zwar sind nach Auffassung des Senats auch insofern einzelne Korrekturen vorzunehmen, die zu einem tatsächlich nachgewiesenen Ausgabenbetrag von nur 79.857,88 Euro führen. Doch kann dies auch hier dahinstehen und ist nicht näher auszuführen, weil sich in jedem Fall ein den nachgewiesenen Baugeldzufluss übersteigender Betrag ergibt, so dass ein Anspruch des Kl. ausscheidet. (Wird ausgeführt. Die Ausführungen sind abrufbar unter BeckRS 2018, 14399.)

b) Auch auf andere Anspruchsgrundlagen kann sich der Kl. nicht stützen.

aa) Zutreffend hat das LG angenommen, dass der Kl. eine wirtschaftliche Lage der B-GmbH, die seine Bezahlung schon im Zeitpunkt seiner Beauftragung bzw. der Leistungserbringung ausgeschlossen erscheinen ließe, als grundlegende Voraussetzung für die Annahme eines Betruges oder einer Insolvenzverschleppung und damit eines Anspruchs aus § 823 Absatz II BGB iVm § 263 StGB, § 15 a InsO nicht dargelegt hat. Seine mit der Berufungsbegründung wiederholte Behauptung, die Bekl. als Geschäftsführerin der B-GmbH sei entweder nicht zahlungsfähig oder nicht zahlungswillig gewesen, bleibt ohne jegliche Substanz. Insbesondere ist der Verweis auf ein am 6.7.2016 und damit rund zwei Jahre nach dem hier maßgeblichen Zeitraum von Auftrag und Leistungserbringung erstelltes Vermögensverzeichnis unbehelflich. Auch die Tatsache, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im ersten Halbjahr 2016 mangels Masse abgelehnt wurde, lässt keinen tragfähigen Schluss auf die Vermögenslage der Gesellschaft im Frühjahr/Sommer 2014 zu.

Sofern der Kl. meint, die von der Bekl. vorgelegten Kontoauszüge reichten nicht aus, verkennt er die Darlegungs- und Beweislast. Denn wer als mutmaßlich Geschädigter einen Anspruch aus § 823 Absatz II BGB geltend macht, muss grundsätzlich alle Umstände, aus denen sich der Verstoß gegen ein Schutzgesetz bzw. die Verwirklichung dessen einzelner Tatbestandsmerkmale ergibt, darlegen und beweisen (BGH, NJW 2016, Seite 1823 = NZI 2016, Seite 406 Rn. 9; Palandt/Sprau, BGB, § 823 Rn. 81). Es wäre daher vorliegend allein am Kl. gewesen, das Fehlen finanzieller Mittel schon bei seiner Beauftragung als Voraussetzung für einen Verstoß gegen § 263 StGB oder § 15 a InsO darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen. Insofern trifft die Bekl. auch keine sekundäre Darlegungslast, zumal sie bereits Kontoauszüge des Geschäftskontos der B-GmbH vorgelegt hat, die für den Zeitpunkt der Beauftragung des Kl. unabhängig davon, ob sie End- oder Zwischensalden ausweisen, jedenfalls nicht unerhebliches Guthaben erkennen lassen. Schlicht unzutreffend schließlich ist die Auffassung des Kl., er könne sich angesichts der Nichtzahlung von Rechnungen trotz Beauftragung von Werkleistungen auf einen Anscheinsbeweis für betrügerisches Verhalten stützen.

bb) Sofern die Berufung des Weiteren erneut auf ein angeblich von der Bekl. erklärtes Anerkenntnis gegenüber der S-KG abstellt und meint, das LG habe dies unberücksichtigt gelassen, übersieht sie offenbar dessen Ausführungen unter Nr. 2 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Auf die diesbezüglichen, auch gegenüber dem Berufungsvorbringen in vollem Umfang zutreffenden Ausführungen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Der Kl. legt nach wie vor keine sich irgendwie zu dem Anschreiben der Creditreform vom 13.5.2015 verhaltende Erklärung der Bekl. vor, die auch nur im Entferntesten als Anerkenntnis (zudem der Bekl. persönlich) bewertet werden könnte.

cc) Ebenfalls auf die angefochtene Entscheidung verwiesen werden kann im Hinblick auf die Verneinung eines Anspruchs aus § BGB § 826Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 826
BGB. Der auch insofern darlegungs- und beweisbelastete Kl. (vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 826 Rn. 18) tut die Anspruchsvoraussetzungen nicht mit der erforderlichen Substanz dar.

Schlagworte: Baugeld, Geschäftsführerhaftung, Haftung wegen Verletzung der Sicherung der Bauforderungen gemäß § 1 Abs. 1 BauFordSiG