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OLG Celle, Urteil vom 29.08.2001 – 9 U 120/01

§ 13 Abs 2 GmbHG, § 30 GmbHG, §§ 30ff GmbHG, § 41 GmbHG

1. Der Kläger ist – wie das Landgericht zutreffend begründet hat – in entsprechender Anwendung des § 93 InsO zur Erhebung der Klage befugt.

Nach dieser Bestimmung kann, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Kommanditgesellschaft auf Aktien
eröffnet worden ist, die persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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persönliche Haftung
eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Der Sinn der Vorschrift ist darin zu erblicken, dass verhindert werden soll, dass sich einzelne Gläubiger durch einen gesonderten Zugriff auf einen persönlich haftenden Gesellschafter Vorteile verschaffen und damit den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger verletzen (Gerhardt, ZIP 2000, 2184 ff.). Damit wird zugleich auch verhindert, dass ein Antrag auf Eröffnung des Verfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse abgelehnt werden muss, obwohl ein persönlich haftender Gesellschafter über ausreichendes Vermögen verfügt (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung usw., 3. Auflage, S. 458; Gerhardt, a. a. O., S. 2186). § 93 InsO ist deshalb auf alle Fälle entsprechend anzuwenden, in denen die persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Haftung
persönliche Haftung
eines Gesellschafters für Gesellschaftsverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren der Gesellschaft geltend zu machen ist (Gerhardt, a. a. O., S. 2188).

2. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Gesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit besaß, weil sie die Rechtsform der GmbH missbraucht hat, indem sie nicht für eine klare Vermögensabgrenzung zwischen dem Gesellschafts- und ihrem Privatvermögen gesorgt hat, sodass insbesondere die Beachtung der Kapitalerhaltungsvorschriften, deretwegen die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen allein vertretbar ist, unkontrollierbar geworden ist (s. zur Rechtslage BGHZ 95, 330, 334). Das hat zur Folge, dass die Beklagte so zu stellen ist, als habe sie das von der GmbH betriebene Handelsgeschäft selbst ohne Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG) geführt.

Es ist davon auszugehen, dass es entgegen den §§ 41 ff. GmbHG und § 140 AO keine ordnungsgemäße Buchführung gab, weil der Gesellschaft kein sachkundiges Personal zur Verfügung stand; weder die Beklagte noch Frau *** waren Buchhalterinnen, und die Beklagte behauptet auch nicht, sie habe externe Hilfe bei der Buchführung in Anspruch genommen. Inventare und insbesondere Bilanzen (§§ 240, 242 HGB) existieren nicht, sodass das Finanzamt für Fahndung und Steuerstrafsachen in *** die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO ermitteln musste.

Die Beklagte konnte unter diesen Umständen zu keinem Zeitpunkt feststellen, ob der das gesamte GmbH-Recht beherrschende Grundsatz der (Aufbringung und) Erhaltung des Stammkapitals (§§ 30 ff. GmbHG), der bei der GmbH als Kapitalgesellschaft mit Haftungsausschluss der Gesellschafter allergrößte Bedeutung für den Gläubigerschutz hat, gewahrt war. Angesichts der aufgelaufenen Schulden in Millionenhöhe erscheint es ohne weiteres möglich, dass die im Oktober 1995 mit einem Stammkapital von 50.000 DM gegründete Gesellschaft schon alsbald überschuldet war und dass die vorgeschriebene Rechnungslegung ihre Konkursreife schon vor Jahren ergeben hätte; bei rechtzeitiger Liquidation hätten dann die allermeisten Gläubiger nicht mehr durch die Fortführung des Betriebs geschädigt werden können.

Schlagworte: Durchgriffshaftung, Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter, Insolvenzverwalter