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OLG Celle, Urteil vom 31.08.1994 – 9 U 118/93

Amtsniederlegung Wettbewerbsverbot

§ 38 GmbHG, § 626 BGB

1. Die Kündigung des Anstellungsvertrags eines GmbH-Geschäftsführers ist bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer durch einen Mit-Geschäftsführer auszusprechen; die Gesellschafterversammlung kann allerdings auch andere Personen damit beauftragen.

2. Die unberechtigte Amtsniederlegung durch den Geschäftsführer rechtfertigt regelmäßig die Fristlose KündigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Fristlose Kündigung
Kündigung
des Anstellungsvertrags; dies gilt allerdings nicht, wenn das Vertragsverhältnis aufgrund Aufhebungsvertrags ohnehin in einigen Monaten endet, die GmbH selbst die vorzeitige Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
erwogen und ihm bereits weitere Geschäftsführer zur Seite gestellt hat, um ihn zu kontrollieren bzw. seine Befugnisse einzuschränken.

Aus dem Tatbestand

Der Kläger (Kl.) war aufgrund eines Geschäftsführer-Dienstvertrages vom 30. 12. 1987 Geschäftsführer der X-GmbH. Er war auch Gesellschafter dieser Firma, deren Geschäftsanteile er an die Muttergesellschaft der Beklagten, die Y-Ltd. in Finnland, mit Vertrag vom 27. 9. 1989 veräußerte. Diese durfte ihre Rechte aus dem Vertrag an eine von ihr beherrschte Tochtergesellschaft abtreten. Die Beklagte (Bekl.) ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Y-Ltd. …

Zwischen dem Kl. und der Bekl. kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Geschäftsführungspolitik. Der Kl. richtete an den Präsidenten der Muttergesellschaft der Bekl. ein Schreiben vom 27. 11. 1991, in dem er ankündigte, er werde seine Beschäftigung bei der Bekl. so früh wie möglich beenden, wenn bestimmte Vorstellungen nicht erfüllt würden. Die Muttergesellschaft der Bekl. antwortete durch Herrn … mit Schreiben vom 20. 12. 1991, in dem sie dem Kl. mitteilte, daß seine Vorstellungen nicht erfüllt werden könnten und seine „resignation” akzeptiert werde. Der Kl. richtete daraufhin noch mehrere Schreiben an die Muttergesellschaft der Bekl., u.a. das Schreiben vom 6. 1. 1992 … und 31. 1. 1992, in denen er ausführt, daß das Jahr 1992 sein letztes Jahr bei der Bekl. sei.

Die alleinige Gesellschafterin der Bekl., die Y-Ltd., faßte durch Herrn … am 10. 2. 1992 zwei Gesellschafterbeschlüsse. In dem einen Beschluß wurden zu Nr. 1 die Kaufleute … und … zu Geschäftsführern der Gesellschaft bestellt und zu Nr. 2 der Kl. als Geschäftsführer abberufen. In dem anderen Beschluß ist nur die Neubestellung der Kaufleute … und … zu Geschäftsführern der Gesellschaft, nicht aber die Abberufung des Kl. als Geschäftsführer enthalten. Der Notar Dr. …, der damals rechtlicher Berater der Bekl. und ihrer Muttergesellschaft war, aber auch den Kl. beriet, wurde darüber informiert und um Vertraulichkeit gebeten und durch weiteres 2. Telefax vom 11. 2. 1992 darüber informiert, daß der Kl. nicht abberufen werden sollte. Die beiden Original-Beschlüsse erhielt Herr … in Brüssel. Dieser händigte nach dem Vortrag der Bekl. den Beschluß, der nicht die Abberufung des Kl. enthielt, diesem aus und behielt die zweite Beschlußalternative, die nicht mehr gelten sollte, nämlich diejenige, die die Abberufung des Kl. enthielt, im Original bei seinen Unterlagen. Nach dem Vortrag des Kl., der im Besitz einer Ablichtung des Beschlusses, der seine Abberufung enthält, ist, erhielt er jedoch von diesem Beschluß Kenntnis.

Der Kl. richtete am 19. 3. 1992 ein Schreiben an den Präsidenten der Muttergesellschaft der Bekl., in dem er auf englisch u.a. folgendes ausführte:

„I hereby like to inform you, that effective at the moment and by it’s registration in the Commercial Register of the company, I withdraw from the post as managing director (‚Geschäftsführer’) of X-GmbH.”

Die Muttergesellschaft der Bekl. erklärte durch Herrn … mit Schreiben vom 30. 3. 1992 die Fristlose KündigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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seines Geschäftsführer-Anstellungsvertrags bei der Bekl. mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund. Die Fristlose KündigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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wiederholte die Bekl. vorsorglich mit Schreiben vom 9. 11. 1992, indem sie darauf hinwies, daß der Kl. durch die Firma … Handel-GmbH Wettbewerb betreibe.

Der Kl. hat die Auffassung vertreten, sein Dienstvertrag mit der Bekl. bestehe weiterhin und habe durch die fristlosen Kündigungen nicht wirksam beendet werden können. In seinem Schreiben vom 19. 3. 1992 habe er nur zum Ausdruck bringen wollen, er werde seine Geschäftsführertätigkeit einstellen, sobald seine Abberufung, von der er durch Herrn … Kenntnis erlangt habe, im Handelsregister eingetragen sei. Ein wichtiger Grund für eine Fristlose KündigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Kündigung
des Anstellungsverhältnisses habe nicht vorgelegen. …

Das LG hat die Klage abgewiesen. … Die Berufung blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen

1. Beendigung des Anstellungsverhältnisses zum 31. 12. 1992

Die Klage ist hinsichtlich der Gehaltsansprüche, die die Zeit ab Januar 1993 betreffen, schon deswegen unbegründet, weil die Parteien das Anstellungsverhältnis des Kl. bereits Ende 1991/Anfang 1992 übereinstimmend zum 31. 12. 1992 aufgehoben haben. Dies ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten:

Der Kl. hatte aufgrund der bestehenden Meinungsverschiedenheiten an die Muttergesellschaft der Bekl. am 27. 11. 1991 geschrieben, daß er, wenn ihm nicht eine volle Eigenständigkeit bei seiner Tätigkeit eingeräumt werde, seine Beschäftigung zum frühestmöglichen Zeitpunkt beenden werde. Dieses Schreiben enthält zwar – wovon auch beide Parteien in erster Instanz zutreffend ausgegangen sind – keine eigene Kündigung des Kl., weil der Kl. eine Beendigung nur für die Zukunft angekündigt hat (I shall terminate my employment), sofern seine Vorstellungen nicht erfüllt werden würden. Die Muttergesellschaft der

Bekl. hat dem Kl. aber durch Schreiben vom 20. 12. 1991 unmißverständlich mitgeteilt, daß seine Vorstellungen nicht erfüllt werden könnten und es deshalb ihre unerfreuliche Pflicht sei, den Kl. zu informieren, daß seine „resignation” akzeptiert werde. Selbst wenn man darin rechtlich noch keine Annahme eines Angebots des Kl., sein Anstellungsverhältnis als Geschäftsführer aufzugeben, sofern seine Vorstellungen nicht erfüllt würden, sieht, so enthält das Schreiben der Muttergesellschaft der Bekl. doch zumindest ein neues Angebot auf Aufhebung. Dies hat der Kl. jedenfalls durch schlüssiges Handeln angenommen, was sich zweifelsfrei aus dem nachfolgenden Schriftverkehr ergibt (wird ausgeführt).

Ebenso wie der Kl. hat die Bekl. den Schriftverkehr der Parteien verstanden; auch sie ist davon ausgegangen, daß jedenfalls per Ende 1992 das Anstellungsverhältnis des Kl. beendet sei. … Die Parteien sind also bis zur außerordentlichen Kündigung am 30. 3. 1992 übereinstimmend davon ausgegangen, daß das Beschäftigungsverhältnis des Kl. jedenfalls per Ende Dezember 1992 beendet sei. Beide Parteien haben sich – wie der Schriftverkehr zeigt – darauf eingestellt. Der Senat hat keinen Zweifel, daß es – wenn es nicht zu den Vorfällen um die außerordentliche Kündigung gekommen wäre – zwischen den Parteien angesichts ihres eindeutigen Verhaltens keinen Streit darüber hätte geben können, daß der Kl. ab Januar 1993 nicht mehr in den Diensten der Bekl. stand. …

Der Senat hat auf diese Umstände, die schon in erster Instanz ausführlich diskutiert worden waren, in der Verhandlung hingewiesen. Seitens des Kl. sind neue Gesichtspunkte, die eine andere Auslegung rechtfertigen könnten, nicht vorgetragen worden.

2. Wirksamkeit der fristlosen Kündigung

Die Klage ist insgesamt unbegründet (hinsichtlich der Ansprüche des Kl. ab Januar 1993 zusätzlich), weil die Fristlose KündigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vom 30. 3. 1992 wirksam war.

a) Gegen die formelle Wirksamkeit der Kündigung bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Die Kündigung ist aus wichtigem Grund erfolgt. Das LG hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Gründe im einzelnen im Kündigungsschreiben nicht genannt werden müssen (vgl. dazu § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB und Palandt/Putzo, BGB, 53. Aufl., Rn. 20 u. 32 zu § 626 m.N.). Soweit der Kl. in der Berufungsbegründung rügt, die Y-Ltd. sei nicht zur Kündigung befugt gewesen und Herr … habe die Y-Ltd. nicht vertreten können, ist dies rechtlich unbeachtlich. Zwar ist es im Grundsatz richtig, daß die Kündigung durch einen Geschäftsführer hätte ausgesprochen werden müssen und aufgrund des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 10. 2. 1990 auch weitere Geschäftsführer vorhanden waren, da bei Neubestellung eines Geschäftsführers die Eintragung ins Handelsregister gemäß § 39 GmbHG zwar erfolgen muß, diese Eintragung aber nicht konstitutiv ist, wenn sie nicht gleichzeitig eine Satzungsänderung darstellt (Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 15. Aufl., Rn. 15 zu § 39). Die Gesellschafterversammlung kann aber auch andere Personen beauftragen, die Kündigung auszusprechen. Davon ist hier auszugehen. Herr … hat auch bei der Beschlußfassung vom 10. 2. 1992 über die Neubestellung der Geschäftsführer bzw. die Abberufung des Kl. als Geschäftsführer für die Y-Ltd. die Gesellschafterbeschlüsse gefaßt. Dies greift der Kl. nicht an, geht vielmehr – worauf die Bekl. in ihrer Berufungserwiderung zutreffend hinweist – von der formellen Wirksamkeit dieser Beschlüsse aus. Der Kl. kann sich als (früherer) Geschäftsführer der Bekl. auch nicht darauf beschränken, die Vertretungsbefugnis des Herrn … substanzlos zu bestreiten; vielmehr müßte er eigene Kenntnisse dahin haben, weshalb Herr … die Gesellschafterin nicht vertreten durfte. …

b) Die Kündigung ist auch sachlich gerechtfertigt. Allerdings sieht der Senat einen wichtigen Grund für die Fristlose KündigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Kündigung
noch nicht in dem Schreiben des Kl. vom 19. 3. 1992. Dies gilt auch dann, wenn man mit dem Vortrag der Bekl. davon ausgeht, daß der Kl. offiziell nicht von dem (später nicht in Vollzug gesetzten) Alternativ-Beschluß vom 10. 2. 1992, der auch seine Abberufung als Geschäftsführer enthielt, Kenntnis erlangt hat. Zwar ist es richtig, daß in der ungerechtfertigten Niederlegung des Amts als Geschäftsführer ein Grund zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsverhältnisses liegen kann (vgl. BGHZ 78, 82 [85] = GmbHR 1980, 270). Dies folgt daraus, daß es im Regelfall dem Dienstberechtigten nicht mehr zuzumuten ist, jemanden weiterzubeschäftigen und wie einen Geschäftsführer zu besolden, der den Tätigkeitsbereich eines Geschäftsführers, für den er angestellt ist, nicht mehr ausfüllen will. Hier liegen aber andere Voraussetzungen vor. Wie sich aus dem Schriftverkehr der Parteien ergibt, hatte die Muttergesellschaft der Bekl. das Vertrauen in die Geschäftsführung des Kl. verloren. Zwischen den Parteien war ein Aufhebungsvertrag auch hinsichtlich des Geschäftsführer-Dienstvertrags zum Ende des Jahres 1992 abgeschlossen worden (vgl. dazu die Ausführungen zu Nr. 1 dieses Urteils). Die Parteien gingen auch im Februar/März 1992 davon aus, daß der Kl. nur noch bis zum Jahresende für die Bekl. tätig sein werde. Unter diesen Umständen konnte die Bekl. eine Niederlegung des Amts als Geschäftsführer durch den Kl. nicht mehr ernstlich in einer Weise treffen, daß ihr die Weiterbeschäftigung des Kl. bis zum Jahresende unzumutbar war. Dies gilt umso mehr, als sie am 10. 2. 1992 beschlossen hatte, dem Kl. jedenfalls weitere Geschäftsführer zur Seite zu stellen, die ihn kontrollierten und seine Befugnisse einschränkten. Darüber hinaus hat die Bekl. mit dem Alternativ-Beschluß vom 10. 2. 1992, der auch die Abberufung des Kl. als Geschäftsführer enthielt – auch wenn er später nicht in Vollzug gesetzt worden ist – gezeigt, daß sie ihrerseits ernstlich erwogen hat, den Kl. als Geschäftsführer abzuberufen und sich darüber im klaren sein mußte, daß sie ihn dann jedenfalls bis Ende 1992 wie einen Geschäftsführer besolden mußte. Dies war für sie kein Anlaß, etwa aus finanziellen Gründen eine Abberufung des Kl. als Geschäftsführer überhaupt nicht in Betracht zu ziehen. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, aufgrund welcher Umstände die Bekl. irgendeinen Schaden erlitten hat, wenn der Kl. angesichts der im Vorstehenden geschilderten Situation sein Amt als Geschäftsführer niederlegte. Im Grunde kam er damit sogar den Interessen der Bekl. entgegen. Unter diesen Umständen kann das Schreiben des Kl. vom 19. 3. 1992 nicht als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung angesehen werden, ohne daß es darauf ankommt, ob der Kl. von dem Alternativ-Beschluß, der auch seine Abberufung als Geschäftsführer enthielt, Kenntnis erlangt hatte oder nicht.

c) Die außerordentliche Kündigung vom 30. 3. 1992 ist aber deswegen gerechtfertigt, weil andere wichtige Gründe vorliegen, die eine Weiterbeschäftigung des Kl. unzumutbar machten. Die Bekl. hat diese Kündigungsgründe im Rechtsstreit nachgeschoben. Ein solches Nachschieben von Kündigungsgründen ist zulässig, wenn sie zum Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen haben und entweder dem Kündigenden erst nachher bekannt geworden sind, oder wenn sie ihm schon vorher bekannt waren, die Kenntnis aber nicht länger als zwei Wochen vor der Kündigung lag (vgl. dazu Corts in RGRK-BGB, 1991, Rn. 230 zu § 626). …

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