Einträge nach Montat filtern

OLG Dresden, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 8 W 350/20

§ 57 Abs 1 ZPO, § 29 BGB, § 35 Abs 1 GmbHG

1. Die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 Abs. 1 ZPO kann regelmäßig nicht unter Verweis auf eine mögliche Notgeschäftsführerbestellung analog § 29 BGB abgelehnt werden.

2. Zu den Anforderungen an eine Gefahr im Verzug im Sinne des § 57 Abs. 1 ZPO.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin vom 13.02.2020 wird der Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 29.01.2020 – 6 O 1889/19 – aufgehoben. Es wird angeordnet, dass für die Beklagte 1) ein Prozesspfleger zu bestellen ist. Die Entscheidung über die Auswahl des Prozesspflegers wird dem Landgericht Chemnitz übertragen und hierzu das Verfahren an das Landgericht Chemnitz zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Klägerin hat sich im Jahr 2013 als Treuhandkommanditistin mit Beteiligungsbeträgen von insgesamt 48.000,00 Euro an der V… GmbH & Co. … KG beteiligt. Sie nimmt u.a. die Beklagte 1), eine Vertriebsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, auf Schadensersatz in Anspruch, weil diese Beratungs- und Aufklärungspflichten verletzt habe.

Geschäftsführer der Beklagten 1) war zuletzt C… P… Am 22.02.2019 wurde in das Handelsregister eingetragen, dass dieser als Geschäftsführer ausgeschieden sei (Anlage K 7).

Am 19.12.2019 erhob die Klägerin Klage und beantragte zugleich, für die Beklagte 1) einen Prozesspfleger nach § 57 Abs. 1 ZPO zu bestellen. Da nicht absehbar sei, wann und ob überhaupt ein neuer Geschäftsführer bestellt werde, liege Gefahr im Verzug vor. Ohne eine Vertretung der Beklagten sei zu befürchten, dass die Beklagte in Insolvenz gehe, ein Urteil nicht rechtzeitig erlangt werden könne und überdies die Vollstreckung gefährdet werde.

Unter dem 17.01.2020 wies das Landgericht darauf hin, dass die Ausführungen der Klägerin zu Zeitverzögerungen und ihr entstehenden Nachteilen nicht ausreichten, um eine Gefahr im Verzug im Sinn des § 57 Abs. 1 ZPO zu begründen, woraufhin die Klägerin weitere Erwägungen im Schriftsatz vom 27.01.2020 vortrug.

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 29.01.2020 hat das Landgericht den Antrag auf Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für die Beklagte 1) zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen des § 57 ZPO nicht vorlägen. Es obliege der Klägerin, die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters durch den Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit herbeizuführen. Es sei nicht ersichtlich, dass ein hierdurch entstehender zeitlicher Aufschub mit erheblichen Nachteilen für die Klägerin verbunden wäre. Dieser Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgrund der Verfügung vom 29.01.2020, abgefertigt am 10.02.2020, formlos übersandt.

Das Landgericht hat im Nachgang die Klage an die Beklagte 1) nicht nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, sondern öffentlich zugestellt.

Am 14.02.2020 ging beim Landgericht der Schriftsatz der Klägerin vom 13.02.2020 ein, in dem sie auf den Beschluss des Landgerichts vom 29.01.2020 Bezug nimmt. Sie vertritt die Auffassung, dass das weitere Fehlen eines Geschäftsführers zeige, dass die Beklagte 1) den Umstand der Führungslosigkeit nutze, um sich auf Dauer den von Anlegern geltend gemachten Schadensersatzansprüchen zu entziehen. Der Antrag auf Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 Abs. 1 ZPO werde deshalb aufrechterhalten.

Nach Hinweiserteilung des Landgerichts mit Verfügung vom 19.02.2020, wonach über den Antrag auf Bestellung eines Prozesspflegers bereit (abschlägig) entschieden worden sei, reichte die Klägerin im weiteren Verfahrensverlauf einen mit „Beschwerde“ überschriebenen Schriftsatz vom 24.04.2020, eingegangen am 04.05.2020, zu den Akten und begehrte erneut die Bestellung eines Prozesspflegers. Sie verwies ergänzend darauf, dass der Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft der Beklagten 1) weiterhin keine Bestellung eines Geschäftsführers plane. Es sei (dauerhaft) nicht mit der Berufung eines Geschäftsführers zu rechnen, sodass es der Bestellung eines Prozesspflegers notwendig bedürfe. Mit der § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG widersprechenden Nichtbestellung eines Geschäftsführers innerhalb eines Jahres sei zugleich die Gefahr verbunden, dass die Verwirklichung der Rechte der Klägerin vereitelt werde.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 12.05.2020 nicht abgeholfen, weil keine konkrete Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 ZPO ersichtlich sei und sich der Vorrang einer Bestellung des gesetzlichen Vertreters durch den Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit aus dem Vorschriftenwortlaut ergebe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Auf den Antrag der Klägerin ist der Beklagten 1) ein Prozesspfleger nach § 57 Abs. 1 ZPO zu bestellen. Der Senat hebt den angegriffenen Beschluss des Landgerichts vom 29.01.2020 auf und ordnet die Bestellung eines Prozesspflegers an. Hinsichtlich der Auswahl eines vertretungsbereiten Prozesspflegers wird das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen.

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig.

a) Gegen Entscheidungen, durch die ein Antrag auf Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen wird, ist die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft (vgl. Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl., § 57 Rn. 7).

b) Die weiteren Zulässigkeitsanforderungen der § 567 und § 569 ZPO sind erfüllt. Insbesondere ist die sofortige Beschwerde fristgemäß im Sinne des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhoben. Unabhängig davon, wann mangels förmlicher Zustellung des Beschlusses vom 29.01.2020 an die Klägerin die Beschwerdefrist zu laufen begonnen hat, kommt es für die Fristwahrung nicht entscheidend auf den Eingang des ausdrücklich mit „Beschwerde“ überschriebenen Schriftsatzes der Klägerin vom 24.04.2020 an. Vielmehr stellt bereits der in jedem Fall fristgerecht eingegangene Schriftsatz der Klägerin vom 13.02.2020 eine Rechtsmitteleinlegung dar.

aa) Für die Auslegung von Prozesserklärungen gelten die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Die Prozesspartei darf nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden. Die Auslegung hat sich vielmehr daran zu orientieren, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse der Partei entspricht (vgl. BGH, NJW-RR 2014, 369). Dies dient der Verwirklichung des in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip gewährleisteten Anspruchs des Einzelnen auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz (BGH, NJW 2016, 2328).

bb) Ausgehend hiervon sind die vorgetragenen Beanstandungen der Klägerin im Schriftsatz vom 13.02.2020 verbunden mit dem Gesuch um nunmehrige Bestellung eines Prozesspflegers als sofortige Beschwerde auszulegen (vgl. Senat, Beschluss vom 25.05.2020 – 8 W 298/20). Der Annahme des Landgerichts in der Verfügung vom 19.02.2020, es handele sich bei dem klägerseitigen Schriftsatz lediglich um einen neuerlichen gleichlautenden Antrag auf Bestellung eines Prozesspflegers auf gleicher Tatsachengrundlage, liegt die Annahme eines unvernünftigen und das eigene Interesse an einer Fristwahrung nicht beachtenden Verhaltens der Klägerin zugrunde. Bei interessengerechter Würdigung kann die unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den – ein eigenes Gesuch zurückweisenden und deshalb gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO rechtsmittelfähigen – Beschluss vom 29.01.2020 abgegebene Erklärung der Klägerin, an dem ursprünglichen Antrag festhalten zu wollen, nur als Beschwerdeeinlegung verstanden werden. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin der Einschätzung des Landgerichts nicht ausdrücklich widersprochen hat, weil bei der Auslegung auf den Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung abzustellen ist (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 133 Rn. 6 b). Der Schriftsatz vom 24.04.2020 enthielt vor diesem Hintergrund lediglich ergänzende Begründungserwägungen zu dem bereits wirksam eingelegten Rechtsmittel.

2. Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg, weil die Voraussetzungen der Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 Abs. 1 ZPO glaubhaft aufgezeigt sind.

a) Bei Anbringung des Antrags auf Bestellung eines Prozesspflegers bestand ausweislich der eingereichten Klageschrift eine von § 57 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Klageabsicht.

b) Die Beklagte 1) ist eine prozessunfähige Partei, weil sie ohne gesetzlichen Vertreter im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist.

aa) Die Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst oder durch selbst bestellte Vertreter wirksam vor- oder entgegenzunehmen. Eine GmbH ist als juristische Person als solche nicht fähig, Prozesshandlungen selbst vorzunehmen. Sie wird nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG durch ihre Geschäftsführer und im Fall der Liquidation nach § 66 Abs. 1 GmbHG durch die Liquidatoren gesetzlich vertreten. Die Norm des § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG erfasst lediglich die Empfangszuständigkeit der Gesellschafter im Falle einer Führungslosigkeit und gewährleistet keine Prozessfähigkeit (vgl. Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 57 Rn. 4).

bb) Nach diesen Maßstäben ist die Beklagte 1) nicht prozessfähig, weil sie seit längerer Zeit nicht über einen vertretungsberechtigten Geschäftsführer verfügt. Ausweislich des zur Akte gereichten Handelsregisterauszugs (Anlage K 7) wurde am 22.02.2019 in das Register eingetragen, dass der vormalige Geschäftsführer der Beklagten sein Amt als Geschäftsführer niedergelegt hat; seitdem wurde kein neuer Geschäftsführer bestellt.

c) Entgegen der landgerichtlichen Sichtweise kann nach der in der Rechtsprechung und im Schrifttum herrschenden Auffassung die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 Abs. 1 ZPO nicht unter Hinweis auf eine mögliche Notbestellung eines Geschäftsführers analog § 29 BGB abgelehnt werden. Insbesondere folgt gegenteiliges nicht aus dem Wortlaut des § 57 Abs. 1 ZPO, der an die Neubestellung durch die regulär zuständigen Gesellschaftsorgane anknüpft. Die Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 Abs. 1 ZPO stellt gegenüber der Einsetzung eines Notgeschäftsführers analog § 29 BGB regelmäßig den einfacheren und in der Sache auch zumeist angemessenen Weg dar, zumal die Bestellung eines Prozesspflegers für die beklagte Partei weniger einschneidend ist als die gerichtliche Bestellung eines Vertretungsorgans (BAG, NZA 2008, 1030; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
/M., NJW-RR 2012, 510; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, NZG 2008, 160; OLG ZweibrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Zweibrücken
, GmbHR 2007, 544; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, OLGR 2005, 684; OLG Stuttgart, MDR 1996, 198; OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, GmbHR 2002, 163; Senat, Beschluss vom 25.05.2020 – 8 W 298/20; MüKo ZPO/Lindacher, 5. Aufl., ZPO § 57 Rn. 7; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 57 Rn. 7; Münchener HdB GesR VII, Teil 1, Kapitel 2, § 9 Rn. 71; Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl., § 6 Rn. 54). Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass § 29 BGB ebenso qualifizierte Anforderungen, insbesondere ein dringendes Erfordernis, statuiert (vgl. Baumbach/Hueck/Beurskens, GmbHG, 22. Aufl., § 6 Rn. 41) und vor diesem Hintergrund dessen genereller Vorrang nicht angenommen werden kann.

Mithin schließt eine Möglichkeit der Notgeschäftsführerbestellung die Bestellung eines Prozesspflegers nicht aus, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 ZPO erfüllt sind, insbesondere eine Gefahr im Verzug gegeben ist (vgl. OLG Stuttgart, MDR 1996, 198; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 57 Rn. 7).

d) Unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgetragenen Gesamtumstände, die mangels gegenteiliger Erkenntnisse der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt werden können, ist eine Gefahr im Verzug anzuerkennen, sodass eine Prozesspflegerbestellung nicht versagt werden kann.

aa) Ob eine entsprechende Gefahrenlage in Rede steht, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen (BGH, FamRZ 2010, 548; OLG Stuttgart, MDR 1996, 198; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 57 Rn. 7). Gefahr im Verzug besteht für einen Kläger immer dann, wenn die Verwirklichung seiner Rechte ohne die Prozesspflegerbestellung ernstlich gefährdet, wenn nicht sogar vereitelt würde. Genügen kann, dass ein Aufschub mit erheblichen Nachteilen für den Kläger verbunden oder ein Abwarten unzumutbar wäre (BGH, FamRZ 2010, 548; OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, AG 2005, 812; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 57 Rn. 7; MüKo ZPO/Lindacher, 5. Aufl., § 57 Rn. 9). Bei der Ermessensausübung ist zugleich der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes zu beachten, wonach der klagenden Partei die wirksame Möglichkeit einzuräumen ist, ihre Forderung auch gegenüber einer prozessunfähigen Partei durchzusetzen (BGH, NJW 2011, 1740).

bb) Gemessen an diesen Maßstäben ist eine Gefahr im Verzug im Sinne des § 57 Abs. 1 ZPO zu bejahen; der Klägerin ist es im Hinblick auf ihre klageweise Anspruchsverfolgung nicht zumutbar, die Bestellung eines neuen Geschäftsführers durch die zuständige Stelle, d.h. die Gesellschafterversammlung der Beklagten 1), abzuwarten.

Nach § 6 Abs. 1 GmbHG besteht eine Pflicht der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter zur Bestellung eines vertretungsberechtigten Geschäftsführers (Baumbach/Hueck/Beurskens, GmbHG, 22. Aufl., § 6 Rn. 6). Dieser zwingenden Verpflichtung sind die zuständigen Organe der Beklagten 1) länger als ein Jahr nicht nachgekommen. Die Klägerin hat darüber hinaus dargelegt, dass der Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft auf eine Anfrage mitgeteilt habe, dass eine Geschäftsführerneubestellung nicht geplant sei. Aufgrund dieser Ankündigung besteht die Besorgnis, dass die Beklagte 1) ohne eine Entscheidung nach § 57 Abs. 1 ZPO ihre Prozessfähigkeit in absehbarer Zeit nicht wiedererlangen wird (vgl. OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, AG 2005, 812). Dies bedingt aus der Perspektive der Klägerin zugleich die konkrete Gefahrenlage, dass es ihr entgegen den Gewährleistungen effektiven Rechtsschutzes innerhalb einer kalkulierbaren und angemessenen Zeit nicht eröffnet sein wird, die behaupteten Schadenersatzansprüche gegenüber der Beklagten 1) wirksam geltend zu machen. Die Klägerin hat darüber hinaus plausibel vorgetragen, dass die Niederlegung des Mandats durch den letzten Geschäftsführer und das Unterbleiben einer neuen Geschäftsführerbestellung gerade mit dem Ziel erfolgt sei, die Durchsetzung von Ansprüchen geschädigter Kapitalanleger zu erschweren oder sogar ganz zu vereiteln.

Ist derzeit nicht ansatzweise absehbar, ob und wann bei der Beklagten 1) Maßnahmen zu Bestellung eines neuen Geschäftsführers ergriffen werden, gefährdet diese Situation nicht nur mit Blick auf Verjährungsaspekte, im Zeitverlauf schwieriger werdende Nachweisführungen, Besorgungen des weiteren Vermögensverfalls sowie sonstige mit einer andauernden Führungslosigkeit einhergehende Gefährdungen für die Haftungsmasse die Verwirklichung der streitgegenständlichen Ansprüche. Vielmehr droht nach gegenwärtiger Sachlage eine dauerhafte Vereitelung der Forderungsdurchsetzung. Diese Konsequenzen stellen entgegen der landgerichtlichen Sichtweise nicht nur abstrakte Gefahren, sondern nicht unerhebliche sowie greifbare Nachteile für die Klägerin dar. Ein weiteres Abwarten der organschaftlichen Entwicklungen bei der Beklagten 1) ist der Klägerin angesichts eines über ein Jahr hinaus andauernden, wegen § 6 Abs. 1 GmbHG gesetzeswidrigen Zustands nicht mehr zumutbar. Da aus den genannten Gründen kein genereller Vorrang einer Notgeschäftsführerbestellung analog § 29 BGB besteht, vermag die Klägerin zur Abwehr der zu Tage getretenen Gefahrenlagen eine Prozesspflegerbestellung erfolgreich einzufordern.

e) Eine Prozesspflegerbestellung ist schließlich nicht deswegen entbehrlich, weil die Rechtsanwälte B… PartGmbB – wie etwa in anderen Parallelverfahren – vorprozessual auf eine Vollmachterteilung durch die Beklagte 1) verwiesen hätten, die als nach § 86 ZPO fortbestehende Prozessvollmacht ausgelegt werden könnte (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 25.05.2020 – 8 W 298/20). Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin ausgeführt, dass auf ihr Mahnschreiben vom 20.03.2019 (Anlage K 8) keine Reaktion der Beklagten 1) mehr erfolgte. Dies ist auch plausibel, weil bereits zuvor am 22.02.2019 das Ausscheiden des ehemaligen Geschäftsführers im Handelsregister eingetragen wurde.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht.

Schlagworte: Prozesspfleger § 57 ZPO, Prozessvertreter