Einträge nach Montat filtern

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2011 – I-14 U 67/11, 14 U 67/11

§ 280 BGB, § 311 BGB, § 172 Abs 4 HGB, § 172 Abs 5 HGB, § 522 Abs 2 ZPO

1. Zu den Eigenschaften und Risiken, die für eine Anlageentscheidung bedeutsam sind und über die ein Anlageberater rechtzeitig, richtig, vollständig, sorgfältig und verständlich beraten muss, gehören auch Einschränkungen bei der Aussicht, das Anlageobjekt bei Bedarf weiter zu veräußern (Fungibilität). Hierbei handelt es sich um ein wesentliches Element der Anlageentscheidung, über das ungefragt aufzuklären ist, auch wenn die Anlage der Altersversorgung dient. Die Aufklärungspflicht kann nur dann entfallen, wenn die Frage der Veräußerbarkeit im Einzelfall erkennbar ohne Belang war oder der Kunde die Angaben einem Prospekt entnehmen konnte.

Eine fehlerhafte Aufklärung lässt sich insbesondere nicht im Hinblick auf die Frage nach der Veräußerbarkeit (Fungibilität) der Beteiligungen feststellen, und zwar auch nicht im Lichte der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 10.05.2007 – III ZR 44/06 -; Urt. v. 13.01. 2004 – XI ZR 355/02 – juris). Danach trifft es allerdings zu, dass zu den Eigenschaften und Risiken, die für eine Anlageentscheidung bedeutsam sind und über die ein Anlageberater rechtzeitig, richtig, vollständig, sorgfältig und verständlich beraten muss, auch Einschränkungen bei der Aussicht gehören, das Anlageobjekt bei Bedarf weiter zu veräußern. Hierbei handelt es sich um ein wesentliches Element der Anlageentscheidung, über das ungefragt aufzuklären ist, auch wenn die Anlage der Altersversorgung dient. Die Aufklärungspflicht kann nur dann entfallen, wenn die Frage der Veräußerbarkeit im Einzelfall erkennbar ohne Belang war oder der Kunde die Angaben einem Prospekt entnehmen konnte.

2. Der Hinweis im Anlageprospekt auf das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB  bedarf keiner weiteren Erläuterungen. Es reicht aus, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Ausschüttungen aus Liquiditätsüberschüssen und nicht aus bilanziell ausgewiesenen Gewinnen erfolgen, was zum Fortbestehen bzw. Wiederaufleben der Haftung bis zur ursprünglichen Haftungssumme führt (vgl. BGH, 9. November 2009, II ZR 16/09=WM 2009, 2387).

Dazu gehört aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auch das Risiko eines Wiederauflebens der Haftung aus § 172 Abs. 4 HGB. Die mit der Berufungsbegründung angeführten weiteren Textpassagen zum (beschränkten) Haftungsumfang sind, anders als dies der Kläger suggerieren will, weder falsch noch irreführend. Sie sind allerdings in Bezug auf die sich aus § 172 Abs. 4 HGB ergebenden Rechtsfolgen ergänzungsbedürftig. Diese Ergänzung findet sich jeweils an thematisch einschlägigen Stellen (vgl. S. 28 „Gesellschaftsvertrag“ und S. 40 zu § 6). Dabei ist hinreichend erläutert worden, dass die Ausschüttungen aus Liquiditätsüberschüssen, d.h. nicht aus bilanziell ausgewiesenen Gewinnen (vgl. § 172 Abs. 5 HGB) erfolgen sollten, was entsprechend den zutreffenden Prospektangaben dazu führt, dass die Einlagehaftung bis zur ursprünglichen Haftungssumme fortbesteht bzw. wieder auflebt (vgl. S. 23). Der Rechtsprechung des BGH (vgl. Beschl. v. 09.11.2009 – II ZR 16/09 -) sind gerade keine weiter reichenden Anforderungen an die Anlegeraufklärung zu entnehmen, wie es denn auch grundsätzlich verfehlt wäre, die Anlegerberatung mit unüberwindbaren Hürden auszustatten. Wollte man den Anforderungen folgen, die der Kläger postuliert, wären praktisch an jeder Prospektstelle, welche die Haftung des Anlegers thematisiert, sämtliche denkbaren Haftungsaspekte vollumfänglich aufzugreifen und darzustellen, was letztlich zur Unlesbarkeit von ausufernden Informationen führen würde (zum Horizont eines verständigen und sorgfältigen Anlegers vgl. vielmehr BGH NJW-RR 1992, 879; BGH, NJW 1982, 2823; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, WM 2004, 1831).

3. Mit Berechnungsbeispielen und Prognosen, deren Beispielcharakter und Vorläufigkeit im Anlageprospekt wiederholt betont werden, übernimmt der Prospektverantwortliche grundsätzlich keine verbindliche Gewähr dafür, dass die prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintritt. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. BGH, 21. März 2006, XI ZR 63/05= NJW 2006, 2041).

Die im Prospekt unterbreiteten Berechnungsbeispiele und Prognosen beinhalteten ebenfalls keine feststellbar fehlerhafte Aufklärung. Soweit der Kläger meint, seine Anlageziele seien vor dem Hintergrund der prognostischen Angaben im Folgenden verfehlt worden, verkennt er den Kernbereich zu beachtender Aufklärungspflichten. Insoweit handelt es sich um die Verwirklichung allgemeiner Anlagerisiken, hinsichtlich derer die Argumentation des Klägers systemwidrig darauf abzielt, dass ihm sowohl für die unterbreiteten Prognosen als auch für seine Anlageziele und -vorstellungen gleichsam eine Gesamtgarantie zu gewähren sei. Eine solche Garantie ist ihm jedoch selbst nach seinem eigenen Vortrag nicht versprochen worden. Mit bloßen Berechnungsbeispielen und Prognosen, deren Beispielcharakter und Vorläufigkeit im Prospekt wiederholt betont worden sind, übernimmt der Emittent bzw. Prospektherausgeber grundsätzlich keine verbindliche Gewähr dafür, dass die von ihm prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintritt. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2009 – XI ZR 337/08 -; BGH, Urt. v. 21. März 2006 – XI ZR 63/05, WM 2006, 851). Dessen Interessen werden dadurch gewahrt, dass Prognosen im Prospekt durch Tatsachen gestützt und ex-ante betrachtet vertretbar sein müssen. Sie sind nach den damals gegebenen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der sich abzeichnenden Risiken zu erstellen (vgl. BGH, Urteile v. 12. Juli 1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862, 865 und vom 18. Juli 2008 – V ZR 71/07, WM 2008, 1798). Dass beim Kläger mit diesen Vorgaben wider besseres Wissen grundlegend falsche Hoffnungen erweckt wurden, ist nicht feststellbar. Die Berufungsbegründung erschöpft sich insoweit im Wesentlichen darin, einen hochspekulativen Charakter der Anlage zu unterstellen, ohne dies auch nur ansatzweise zu erhärten.

Schlagworte: Anlageberatung und Prospekthaftung, Fungilibität, geschlossener Immobilienfonds, gewinnunabhängige Ausschüttungen, Haftsumme, Kommanditistenhaftung, Publikumsgesellschaft, Publikumspersonengesellschaft