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OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Februar 2021 – I-3 VA 14/19

§ 23 Abs 1 S 1 GVGEG, §§ 23ff GVGEG, § 72 Abs 2 GVG, § 299 Abs 1 ZPO, § 299 Abs 2 ZPO, § 567 ZPO, §§ 567ff ZPO, § 4 InsO, § 6 Abs 1 InsO, § 43 Abs 2 GmbHG              

1. Soweit der Ablehnung eines mit seiner Beteiligtenstellung im Insolvenzverfahren begründeten Gesuchs des früheren Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin (GmbH) um Akteneinsicht nach § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 1 ZPO (Einsichtnahme in die Verfahrensakte nebst sämtlichen Beiakten des Insolvenzverfahrens) ein Justizverwaltungsakt nicht zugrunde liegt, ist gegen die Versagung ein Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG nicht statthaft.

2. Der frühere Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin (GmbH), gegen den der Insolvenzverwalter eine Zahlungsklage wegen Verletzung von Pflichten zur Buchführung und ordnungsgemäßen Aufstellung der Jahresabschlüsse nach § 43 Abs. 2 GmbHG führt, kann als dritte Person Akteneinsicht nach § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 2 ZPO in die Insolvenzakten (nicht die Unterlagen des Schuldners) nur verlangen, wenn er zu seiner Verteidigung gegen die Inanspruchnahme im Klageverfahren wegen eines konkreten rechtlichen Bezuges zum Inhalt der Insolvenzakte Informationen aus derselben (z.B. hinsichtlich des Insolvenzantrages, des Eröffnungsgutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Berichts des Insolvenzverwalters zum Berichtstermin und der nachfolgenden periodischen Berichte des Insolvenzverwalters, der Forderungsanmeldung anderer Insolvenzgläubiger sowie der Insolvenztabelle) benötigt.

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 85.000 €.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 war Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. Er wird von deren Insolvenzverwalter vor dem Landgericht Duisburg – 4 O 320/18 – auf Zahlung von 85.000 € in Anspruch genommen, weil die Insolvenzschuldnerin im Jahre 2013 im Rahmen eines Joint Venture mit einer chinesischen Partnerin Zahlungen in Höhe von insgesamt 305.500 € geleistet habe, für die es an Belegen fehle. Der Beteiligte zu 1 habe daher seine ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten zur Buchführung und ordnungsgemäßen Aufstellung der Jahresabschlüsse verletzt und sei nach § 43 Abs. 2 GmbHG ersatzpflichtig.

Der Beteiligte zu 1 macht in dem genannten Verfahren u.a. zu seiner Verteidigung geltend, die Insolvenzschuldnerin sei verpflichtet, ihm einen Teilbetrag eines Darlehens in Höhe von 92.500 € zurückzuzahlen; zudem bestünden nicht ausgeglichene Gehaltsansprüche in Höhe von 13.059,02 € und Abgeltungsansprüche für Urlaub in Höhe von 15.000 €. Diese Ansprüche stünden der angeblichen Forderung des Insolvenzverwalters aufrechenbar gegenüber. Mit diesen Forderungen rechnet er in dem genannten Verfahren hilfsweise auf.

Am 30. April 2019 hat der Beteiligte zu 1 bei dem Beteiligten zu 2 Einsichtnahme in die Verfahrensakte nebst sämtlichen Beiakten des Insolvenzverfahrens 64 IN 264/14 AG Duisburg beantragt. Sein berechtigtes (sic) Interesse bestehe aufgrund des genannten landgerichtlichen Verfahrens.

Der Beteiligte zu 2 hat mit Bescheid vom 6. Nov. 2019 den Antrag auf Bewilligung von Akteneinsicht zurückgewiesen. Der Beteiligte zu 1 sei weder Beteiligter des Insolvenzverfahrens gem. § 299 Abs. 1 ZPO, noch habe er ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht. Sein Interesse, im Rahmen einer Rechtsverteidigung gegen eine Klage des Insolvenzverwalters Kenntnisse hinsichtlich des erhobenen Vorwurfs zu erhalten, sei ein nicht erhebliches reines Ausforschungsinteresse.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 21. Nov. 2019 beantragt der Beteiligte zu 1 sinngemäß, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und ihm Akteneinsicht zu gewähren.

Er sei Beteiligter des Insolvenzverfahrens wegen der im Klageverfahren zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche. Ein Bestreiten dieser Forderungen sei insoweit unbeachtlich, weil die Ansprüche ja bereits gerichtlich geltend gemacht und vom Insolvenzverwalter allenfalls dem Rang nach bestritten worden seien. Jedenfalls sei es treuwidrig, wenn der Insolvenzverwalter die Forderungen bestreite, weil er sie in seinem Insolvenzgutachten konkret angeführt habe.

Jedenfalls habe er ein berechtigtes/erhebliches (sic) Interesse an Einsicht in die Insolvenzakte. Seiner Berechtigung stünden Gründe nicht entgegen. Die Versagung der Zustimmung durch den Insolvenzverwalter sei treuwidrig. Dieser selbst habe sich im Klageverfahren auf Inhalte der Insolvenzakte bezogen und sie so zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Er mache sogar geltend, es sei ja Sache des Beteiligte zu 1 gewesen, in die Akten des Insolvenzverwalters einzusehen, werfe ihm mithin gerade vor, dies nicht getan zu haben.

Es gehe im Klageverfahren vor allem um die Führung des Büros in Peking und damit um Bereiche der Geschäftstätigkeit der Insolvenzschuldnerin, für die er, der Beteiligte zu 1, als Geschäftsführer nicht direkt zuständig gewesen sei. Da der Vortrag des Insolvenzverwalters zudem widersprüchlich sei, sei eine Einsichtnahme in die Insolvenzakten bereits deshalb erforderlich, um zu prüfen, welche Untersuchungen der Insolvenzverwalter tatsächlich eingeholt und erhalten habe. Auch müsse geprüft werden, welche Akten und Geschäftsunterlagen der Insolvenzverwalter tatsächlich wann erfasst habe.

Auch sei fraglich, ob tatsächlich eine Überschuldung vorgelegen habe, weil der Insolvenzverwalter im Klageverfahren erklärt habe, er habe beabsichtigt, Zeichnungen und technisches know-how der Gemeinschuldnerin für 500.000 € zu verkaufen, was dann aber gescheitert sei. Daraus könne sich auch ein Indiz für rechtsfehlerhaftes Verhalten des Insolvenzverwalters und eine daraus resultierende Haftung gegenüber der Insolvenzmasse ergeben.

Letztlich müsse er, der Beteiligte zu 1, sich auch gegen den Vortrag des Insolvenzverwalters im Klageverfahren verteidigen, er habe in strafbarer Weise falsch vorgetragen. Es bestehe umgekehrt der dringende Verdacht, dass der Insolvenzverwalter im Klageverfahren falsch vortrage.

Der Insolvenzverwalter verfolge im Klageverfahren erklärtermaßen das Ziel, etwaige Pflichtverletzungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu klären. Auch deshalb liege ein berechtigtes Interesse an Einsicht in die Insolvenzakten vor.

Der Beteiligte zu 2 bittet um Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung.

Der Beteiligte zu 1 sei im Insolvenzverfahren kein Verfahrensbeteiligter. Alle von ihm zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen seien ausweislich des beigefügten Tabellenauszugs bestritten. Eine Feststellungsklage habe der Beteiligte zu 1 nicht erhoben.

Ein rechtliches Interesse liege nicht vor, ergebe sich jedenfalls nicht ohne weiteres aus dem Klageverfahren. Das Interesse des Beteiligten zu 1, sich gegen die Klage aus § 43 Abs. 2 GmbHG zu verteidigen, habe gerade keinen rechtlichen Gehalt in Bezug zur Insolvenzakte.

Eine Ermessensentscheidung habe er, der Beteiligten zu 2, nicht zu treffen, weil es schon an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 299 Abs. 2 ZPO fehle.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG ist zwar teilweise statthaft, in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Soweit der Beteiligte zu 1 seinen Antrag auf § 4 InsO iVm § 299 Abs. 1 ZPO stützt mit der Begründung, er sei Beteiligter des Insolvenzverfahrens, ist der Antrag nicht statthaft.

Verfahrensbeteiligte haben zwar unstreitig einen Anspruch auf Akteneinsicht aus § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 1 ZPO. Dem Senat ist aber die Prüfung, ob dem Beteiligten zu 1 über diese Norm ein Akteneinsichtsrecht zusteht, verwehrt, da insoweit kein Justizverwaltungsakt vorliegt, hinsichtlich dessen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG die Entscheidungszuständigkeit des Senats eröffnet wäre. Über die Ablehnung des Einsichtsgesuchs eines Verfahrensbeteiligten im Sinne des § § 299 Abs. 1 ZPO ist nämlich im Wege der sofortigen Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO und nicht im Antragsverfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG zu entscheiden. Nach § 6 Abs. 1 InsO i.V.m. § 72 Abs. 2 GVG ist das Landgericht zuständiges Beschwerdegericht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. Jan. 2021, 14 VA 15/20, BeckRS 2021, 329 m.N.; Madaus, in BeckOK § 4 InsO, Rdnr. 11.1 m.N.).

Da es sich bei der Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch eines Dritten nach § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 2 ZPO um einen Justizverwaltungsakt handelt (BGH, NJW 2015, 1827 und OLG Stuttgart, a.a.O.), ist der Antrag des Beteiligten zu 1 insoweit hingegen statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragsfrist des § 26 EGGVG ist gewahrt.

In der Sache ist das Gesuch des Beteiligten zu 1 um gerichtliche Entscheidung ohne Erfolg.

Nach § 299 Abs. 2 ZPO kann dritten Personen die Akteneinsicht ohne Einwilligung der Beteiligten nur gestattet werden, wenn ein rechtliches Interesse dargelegt und glaubhaft gemacht wird. Ist diese Voraussetzung erfüllt, steht die Bewilligung von Akteneinsicht im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands des Gerichts. § 299 Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass persönliche Rechte des Antragstellers durch den Gegenstand des Verfahrens, in dessen Akten Einsicht begehrt wird, berührt werden. Dabei muss sich das rechtliche Interesse aus der Rechtsordnung selbst ergeben und verlangt als Mindestbedingung ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes gegenwärtiges Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Danach muss das vom Einsichtsgesuch betroffene Verfahren selbst oder zumindest dessen Gegenstand für die rechtlichen Belange des Antragstellers von konkreter rechtlicher Bedeutung sein (BGH, NJW-RR 2021, 48; BayObLG NZI 2020, 491 sowie ständige Rechtsprechung des Senats). Bloße wirtschaftliche Interessen genügen daher ebensowenig wie nur berechtigtes oder erhebliches Interesse des Beteiligten zu 1.

Das Einsichtsrecht erstreckt sich auf von dem Verwalter gem. §§ 174 ff. InsO hinsichtlich Forderungsanmeldungen geführte Akten, die sich bei Gericht befinden (Madaus, a.a.O., Rdnr. 11). Die Insolvenzakte ist streng von den Unterlagen des Schuldners zu unterscheiden. Die aussagekräftigsten Informationen in der Insolvenzakte sind der Insolvenzantrag, das Eröffnungsgutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters, der Bericht des Insolvenzverwalters zum Berichtstermin und die nachfolgenden periodischen Berichte des Insolvenzverwalters, die Forderungsanmeldung anderer Insolvenzgläubiger sowie die Insolvenztabelle. Die Insolvenzakte ist streng von den Unterlagen des Schuldners zu unterscheiden. Auf Kontobelege, Verträge mit Lieferanten, Banken und Kunden, Informationen über Arbeitnehmer und vieles mehr hat nur der Insolvenzverwalter Zugriff. Diese Informationen befinden sich beim Schuldner oder Insolvenzverwalter. Sie befinden sich nicht in der Gerichtsakte (Lürken/Parzinger, Anm. zu BGH, NZI 2020, 731).

Dies vorausgeschickt kommt ein Akteneinsichtsrecht des Beteiligten zu 1 (nur) dann in Betracht, wenn er zu seiner Verteidigung gegen die Inanspruchnahme nach § 43 Abs. 2 GmbHG durch den Insolvenzverwalter im landgerichtlichen Klageverfahren Informationen aus der Insolvenzakte benötigt. Weder hat der Beteiligte zu 1 das geltend gemacht, noch ist dies sonst ersichtlich.

Soweit sich der Insolvenzverwalter im Klageverfahren auf Akteninhalte bezieht, sind dies nicht Inhalte der Insolvenzakte, sondern der davon verschiedenen vom Insolvenzverwalter geführten Akten der Gemeinschuldnerin, auf die sich von dem Vorstehenden ein Akteneinsichtsrecht nicht erstreckt. Gleiches gilt für die Unterlagen, die sich auf die Führung des Büros in Peking und die damit verbundene Geschäftstätigkeit der Gemeinschuldnerin beziehen und auch soweit der Beteiligte zu 1 sich darauf beruft, der Vortrag des Insolvenzverwalters im Klageverfahren sei widersprüchlich und es müsse geprüft werden, welche Akten und Geschäftsunterlagen der Verwalter tatsächlich wann erfasst habe. Auch diese Unterlagen sind nicht Gegenstand der Insolvenzakte.

Soweit der Beteiligte zu 1 Einsicht in die Insolvenzakte begehrt, weil er sich gegen den Vortrag des Insolvenzverwalters im Klageverfahren verteidigen müsse, er habe in strafbarer Weise falsch vorgetragen, und weil umgekehrt der dringende Verdacht bestehe, dass der Insolvenzverwalter im Klageverfahren falsch vortrage, besteht auch insoweit nach den Angaben des Beteiligten zu 1 kein rechtlicher Bezug zum Inhalt der Insolvenzakte.

Schließlich kommt auch eine Akteneinsicht des Beteiligten zu 1 mit dem Ziel der Prüfung rechtsfehlerhaften Verhaltens des Insolvenzverwalters und daraus resultierender Haftung gegenüber der Insolvenzmasse nicht in Betracht, denn all dies ist für die rechtlichen Belange des Antragstellers nicht von konkreter rechtlicher Bedeutung.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Tragung der Gerichtskosten wird unmittelbar durch das Gesetz geregelt, § 22 Abs. 2 GNotKG; außergerichtliche Kosten, die dem Beteiligten zu 2 entstanden sein könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 29 Abs. 1 EGGVG liegen nicht vor.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG.

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