Einträge nach Montat filtern

OLG Düsseldorf, Urteil vom 01. Oktober 2015 – I-6 U 169/14

§ 142 InsO, § 64 S 1 GmbHG

1. analog § 142 InsO wirkt sich eine vom Geschäftsführer veranlasste Zahlung dann nicht im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG masseschmälernd aus, wenn der Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Zahlung eine mindestens gleichwertige GegenleistungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gegenleistung
gleichwertige Gegenleistung
zufließt, unabhängig davon, ob mit dieser Gegenleistung ein dem unmittelbaren Gläubigerzugriff unterliegenden Gegenstand zugeführt wird oder nicht. Dementsprechend wirken sich wiederkehrende Zahlungen der Gesellschaft für von ihr fortlaufend bezogene Versorgungsdienstleistungen nicht im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG masseschmälernd aus.

2. Um Wertungswidersprüche zum Recht der Insolvenzanfechtung zu vermeiden, wirken sich auch die vom Geschäftsführer veranlassten Vergütungszahlungen nicht im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG masseschmälernd aus, wenn mit ihnen Arbeitsleistungen abgegolten werden, die der Gesellschaft in den letzten drei Monaten erbracht worden sind.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 01.07.2014 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 39.874,56 nebst Zinsen hiervon in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2010, zuzüglich Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von insgesamt € 1.419,19 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 26 % und der Beklagte zu 74 %.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. (im Folgenden: „Schuldnerin“) von dem Beklagten als deren „director“ gemäß § 64 GmbHG bzw. §§ 15a InsO, 823 Abs. 2 BGB die Erstattung von Zahlungen in Höhe von insgesamt € 15.716,78, welche die Schuldnerin mit Mitteln der Barkasse und des Geschäftskontos in der Zeit vom 14.09.2009 bis zum 24.11.2009 erbrachte, sowie Ersatz des Betrags von € 38.223,47, den einzelne Gläubiger bei der Schuldnerin durch verschiedene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen am 10. und am 17.09.2009 eintrieben.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25.07.2014 insoweit Bezug genommen, als diese den Feststellungen des Senats nicht widersprechen.

Die alleinige Geschäftstätigkeit der Schuldnerin bestand darin, für die in L. residierende W. (im Folgenden: „W.“) den Verkauf ihrer Anteilsscheine an der in L. ansässigen A. (im Folgenden: „A.“) zu vermitteln. Der hierzu am 01.08.2006 geschlossene Vertrag sah unter Nr. 4. (2) vor, dass die Schuldnerin für ihre Vermittlungstätigkeit eine Provision erhält, sobald der Kaufvertrag zwischen der W. und dem Anleger zustande kommt und der hierfür vereinbarte Kaufpreis an die W. gezahlt wird. Nach der am 02.01.2007 erstellten Anlage 1) zu diesem Vertrag sollte die Schuldnerin eine Provision von 5 % erhalten, wenn der Anleger von ihr und W. gemeinsam geworben wird.

Die B. und das F. ließen der C. am 07. und 26.08.2009 Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse über € 18.799,86 und € 19.457,98 zustellen, die sich auf das bei ihr unter der Nr. … geführte Geschäftskonto der Schuldnerin bezogen. Aufgrund der erst-genannten Pfändung- und Überweisung wurde am 27.08.2009 das seinerzeitige Kontoguthaben von € 2.035,37 an die B. ausgezahlt. Diese Zahlung verlangt der Kläger nicht ersetzt. Am 07.09.2009 ging auf dem vorgenannten Geschäftskonto eine Überweisung der A. über € 50.000,- ein. Am 10.09.2009 erhielten daraufhin die B. den restlichen Pfändungsbetrag von € 16.764,49 und das F. seinen vollständigen Pfändungsbetrag von der C. ausgekehrt. Außerdem pfändete das H. am 17.09.2009 aus der Barkasse der Schuldnerin einen Betrag von € 2.001,-, der von dem H. an die D., E., I. und J. ausgekehrt wurde.

Das Landgericht hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2014 der Klage in Höhe von € 53.940,25 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz daraus seit dem 16.09.2010 sowie vorgerichtlicher Kosten in Höhe von € 1.746,38 stattgegeben. Es sei gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO international zuständig. Der Anwendungsbereich der EuInsVO sei eröffnet, da die EuGVVO gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVVO nicht auf Verfahren anwendbar sei, die in einem untrennbaren Zusammenhang mit einem Konkurs- und Vergleichsverfahren stünden. Letzteres sei jedoch bei den Klageforderungen der Fall. Hinsichtlich der Anspruchsgrundlage des § 15a InsO folge dies schon daraus, dass der Gesetzgeber diese Norm in die InsO integriert habe. Die andere Anspruchsgrundlage § 64 GmbHG befinde sich zwar nicht in der InsO. Sie habe aber mit Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung typisch insolvenzrechtliche Tatbestandsvoraussetzungen. Außerdem werde mit § 64 GmbHG der Zweck verfolgt, Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern, um so die ranggerechte und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherzustellen. Dem Kläger stehe auch gemäß § 64 Satz 1 GmbHG ein Anspruch auf Zahlung von € 15.716,78 zu. § 64 GmbHG sei auf den Beklagten als einem „director“ einer Limited anwendbar, da sich gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO das für das Insolvenzverfahren anwendbare Recht nach dem Recht desjenigen Mitgliedstaats richte, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet werde. Das Insolvenzverfahren sei vor dem Amtsgericht Düsseldorf eröffnet worden. Die Insolvenzschuldnerin sei spätestens zum 07.09.2009 zahlungsunfähig gewesen, weil sie damals ihre Zahlungen bereits eingestellt habe, da sie von Juni 2009 an bis zur Insolvenzeröffnung die Gehälter ihrer Mitarbeiter nicht mehr vollständig beglichen habe. Mit den im September 2009 eingegangenen € 50.000,- sei nur ein Teil der rückständigen Verbindlichkeiten beglichen worden, die sich auf insgesamt € 189.476,27 belaufen hätten. Gerade der Umstand, dass fällige Gehälter nicht gezahlt worden seien, spreche für eine Zahlungsunfähigkeit. Abgesehen davon ergebe sich die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin aus der vom Kläger gefertigten Gegenüberstellung der am 07.09.2009 vorhandenen Liquidität in Höhe von € 60.020,69 mit den seinerzeit vorhandenen Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von € 189.476,27. Es sei auch nicht damit zu rechnen gewesen, dass diese Liquiditätslücke innerhalb von 3 Wochen geschlossen werde, da der Beklagte erst zum 01.11.2009 und zum 01.02.2010 jeweils einen Zahlungseingang von € 625.000,- erwartet habe. Nichts anderes gelte hinsichtlich der ersten Rate von € 625.000,-, die eigentlich am 01.09.2009 hätte gezahlt werden sollen. Mit einer baldigen Nachzahlung dieser Rate habe der Beklagte nicht rechnen können, da die W. gegenüber der Schuldnerin gemäß Nr. 4 des Vertrags vom 01.08.2006 zu einer solchen Zahlung nur verpflichtet gewesen wäre, wenn die W. ihrerseits von dem Anleger den Kaufpreis für das vermittelte Geschäft erhalten hätte. Es habe aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden können, dass die Anlegerin O. (im Folgenden: „O.“) der W. noch die erste Rate zahle. Da der Beklagte keine konkreten Gründe dafür vorgetragen habe, wieso seitens O. die Zahlung ausgeblieben sei, müsse in Betracht gezogen werden, dass die O., wenn sie denn überhaupt solvent gewesen sei, jedenfalls zahlungsunwillig gewesen sei. Die von dem Beklagten aus der Barkasse und von dem Geschäftskonto der Schuldnerin in Höhe von insgesamt € 15.716,78 vorgenommenen Zahlungen seien auch nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar gewesen, weil der Beklagte keine entsprechenden Gründe substantiiert vorgetragen habe. Für die anderen streitgegenständlichen, aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bewirkten Zahlungen hafte der Beklagte jedoch nicht gemäß § 64 Satz 1 GmbHG, weil sie nicht von ihm „geleistet“ worden seien. Die durch diese Zahlungen eingetretene Masseschmälerung müsse jedoch der Beklagte gemäß §§ 15a InsO, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 4 Abs. 1 EuInsVO ersetzen. Da die Schuldnerin spätestens am 07.09.2009 zahlungsunfähig gewesen sei, hätte der Beklagte spätestens am 28.09.2009 Insolvenzantrag stellen müssen. Hätte der Beklagte den Insolvenzantrag zu diesem Zeitpunkt gestellt, wären die im Rahmen der Zwangsvollstreckung bewirkten Zahlungen gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar gewesen, da die ihnen zugrundeliegenden Pfandrechte in der „kritischen“ Zeit vor Insolvenzeröffnung entstanden seien. So sei die Inbesitznahme des Bargelds in Höhe von € 2.001,- durch den Gerichtsvollzieher am 17.09.2009 erfolgt. Die Pfandrechte an dem Guthaben des Geschäftskontos der Schuldnerin seien erst mit dem Geldeingang auf dem Geschäftskonto am 07.09.2009 entstanden, da bei der Pfändung einer künftigen Forderung das Pfandrecht erst im Zeitpunkt der Entstehung der Forderung begründet werde.

Diese rechtliche Würdigung greift der Beklagte mit dem Rechtsmittel der Berufung an. Das Landgericht habe seinen erstinstanzlichen Vortrag nicht vollständig gewürdigt. Er habe bereits in erster Instanz durch Vorlage der entsprechenden Urkunden und unter Benennung von Zeugen unter Beweis gestellt, dass aufgrund von Zahlungsgarantien im Monat September 2009 aus Sicht des Geschäftsführers die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit bestanden habe, dass etwaige Liquiditätslücken in Kürze vollständig beseitigt würden. Ausweislich der mit der O. geschlossenen Verträge habe am 01.09.2009 eine Investmentzahlung an W. erfolgen sollen, von der die Schuldnerin einen Provisionsanteil von 5 % habe erhalten sollen. Nachdem diese Investmentzahlung ausgeblieben sei, seien, wie von ihm bereits erstinstanzlich dargelegt, im September immer wieder und auch Ende September Gespräche geführt worden, in deren Verlauf jeweils von der O. gegenüber W. wie auch der Schuldnerin Zahlungsgarantien ausgesprochen worden seien. Dies ergebe sich auch aus der umfangreichen Korrespondenz, die erstinstanzlich vorgelegt worden sei. Ferner habe das Landgericht nicht beachtet, dass den von ihm veranlassten Zahlungen unmittelbare Gegenleistungen gegenüber gestanden hätten. Diese Zahlungen seien auch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers vereinbar gewesen, weil er, wie bereits dargelegt, aufgrund der gegebenen Zahlungsgarantien auf eine kurzfristige Befriedigung sämtlicher Verbindlichkeiten habe vertrauen dürfen. Nicht verständlich sei auch, dass das Landgericht die Zahlungen vom 14.09.2009 beanstande, obwohl es eine Insolvenzantragspflicht erst ab dem 28.09.2009 als gegeben erachtet habe.

Der Beklagte beantragt abändernd,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die rechtliche Würdigung des Landgerichts vor den Angriffen der Berufung. Der gesamte Vortrag des Beklagten zu der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei verspätet, da er erst nach der mündlichen Verhandlung vom 08.01.2013 gehalten worden sei. Abgesehen davon sei die Schuldnerin bereits im Juni 2009 zahlungsunfähig gewesen, weil schon damals Verbindlichkeiten bestanden hätten, die bis zur Insolvenzeröffnung nicht mehr beglichen worden seien. Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass die Schuldnerin gegenüber sämtlichen Gläubigern die Zahlungen wieder vollständig hätte aufnehmen können. Von einer bloßen Zahlungsstockung könne bei einem Zeitraum von mehr als 3 Monaten (Juni bis September 2009) nicht mehr die Rede sein. Der Beklagte hätte daher spätestens im Juli 2009 Insolvenzantrag stellen und jegliche Mittelabflüsse unterbinden müssen. Der Vortrag des Beklagten zu den angeblichen Zahlungsgarantien sei nicht nur unsubstantiiert, sondern auch unschlüssig, da der Schuldnerin gemäß Nr. 4 des Vertrags vom 01.08.2006 nur für den unstreitig nicht eingetretenen Fall eines Zahlungseingangs bei W. eine Provision zugestanden hätte. Daher sei die „Forderung“ der Schuldnerin gegenüber der W. auch nicht beleihungsfähig und die Schuldnerin infolgedessen auch nicht mehr kreditwürdig gewesen. Schließlich habe das Landgericht zutreffend entschieden, dass das Zahlungsverbot des § 64 Satz 1 GmbHG bereits ab Insolvenzreife und nicht erst ab dem Ende der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist gelte.

Ergänzend wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat den Parteien mit Beschluss vom 23.04.2015 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2015 Hinweise zur Sach- und Rechtslage erteilt.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit angenommen (s. hierzu Nr. 1.) und die Klageforderungen dem deutschen Recht unterworfen (s. hierzu Nr. 2.). Ferner ist auch die rechtliche Würdigung des Landgerichts zutreffend, dass die Insolvenzschuldnerin G. (im Folgenden: „Schuldnerin“) seit dem 07.09.2009 zahlungsunfähig gewesen ist (s. hierzu Nr. 3.). Nachdem der Senat den Kläger mit Beschluss vom 23.04.2015 erstmals auf die weitgehende Unschlüssigkeit seiner bisherigen Klagebegründung hingewiesen hatte, hat der Kläger in gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch zulässiger und nunmehr gemäß §§ 15a InsO, 823 Abs. 2 BGB auch schlüssiger Weise einen Gesamtgläubigerschaden in Höhe von € 39.874,56 vorgetragen, der durch die schon seit der ersten Instanz streitgegenständliche Insolvenzverschleppung des Beklagten eingetreten ist (s. hierzu Nr. 4.). Diesem Vortrag ist der Beklagte nicht hinreichend entgegengetreten (s. hierzu Nr. 5.). Die weitergehende Klage ist jedoch unbegründet, da der Kläger außer dem vorgenannten Schadensersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung nicht auch noch einen Ersatzanspruch gemäß § 64 Satz 1 GmbHG hat (s. hierzu Nr. 6.).

1. Wie erst kürzlich durch den EuGH mit Urteil vom 04.12.2014 – C-295/13 entschieden worden ist, sind gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO (VO (EG) Nr. 1346/2000) die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft eröffnet worden ist, auch für die Entscheidung einer auf § 64 Satz 1 GmbHG gestützten Klage zuständig, sofern sie vom Insolvenzverwalter erhoben wird, weil dann die Klage unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgeht und mit diesem in engem Zusammenhang steht. Da §§ 15a InsO, 823 Abs. 2 BGB wie § 64 Satz 1 GmbHG die Masse der Gesellschaft schon im Vorfeld des Insolvenzverfahrens vor Massekürzungen schützen sollen, hat auch eine auf §§ 15a InsO, 823 Abs. 2 BGB gestützte Klage, sofern sie vom Insolvenzverwalter erhoben wird, den für die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO erforderlichen Ursprung in und Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren. Ausgehend hiervon ist das Landgericht Düsseldorf international zuständig gewesen, weil in seinem Gerichtsbezirk das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin beim Amtsgericht Düsseldorf eröffnet worden ist und der Kläger als der vom Amtsgericht Düsseldorf für das Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter die von ihm erhobene Klage ausschließlich auf Ansprüche gemäß § 64 Satz 1 GmbHG und gemäß §§ 15a InsO, 823 Abs. 2 BGB gestützt hat.

2. Zutreffend hat das Landgericht gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO auf die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche das deutsche Recht angewandt, obwohl es sich bei der Schuldnerin um eine nach britischem Recht gegründete Gesellschaft handelt. Nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Recht des Mitgliedsstaats, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Zu den insolvenzrechtlichen Vorschriften in diesem unionsrechtlichen Sinn gehört auch § 64 Satz 1 GmbHG, weil die danach angeordnete haftung des Geschäftsführers für von ihm nach der Insolvenzreife veranlasste Masseschmälerungen dem Ziel dient, den Gläubigern unter Beachtung ihrer grundsätzlichen Gleichrangigkeit Befriedigung zu verschaffen (BGH, Vorlagebeschluss vom 02.12.2014 – II ZR 119/14, Rz. 17ff). Da auch §§ 15a InsO, 823 Abs. 2 BGB demselben Ziel dienen, gilt für diese Vorschriften nichts anderes (Kindler in MünchKommBGB, 6. Auflage, EuInsVO Art. 4, Rz. 71). Ferner verstoßen beide Haftungsinstitute nicht gegen die durch Artt. 49, 54 AEUV verbürgte Niederlassungsfreiheit, weil sie nicht die Voraussetzungen, unter denen EU-Auslandsgesellschaften ihren Verwaltungssitz in Deutschland begründen können, bestimmen, sondern nur die Folgen eines Fehlverhaltens der Geschäftsführung nach der Sitzbegründung in Deutschland regeln (so BGH, Vorlagebeschluss vom 02.12.2014, a.a.O., Rz. 21 zu der Haftung gemäß § 64 GmbHG). Des Weiteren sieht sich der Senat nicht als verpflichtet an, das Verfahren gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV dem EuGH vorzulegen. Anders als der Bundesgerichtshof, für den Art. 267 Abs. 3 AEUV eine Pflicht zur Vorlage zum EuGH statuiert, wenn die Frage der unionsrechtlichen Gültigkeit einer entscheidungserheblichen Norm schon nur in der Rechtslehre diskutiert wird, ist ein Instanzgericht lediglich dann zu einer solchen Vorlage verpflichtet, wenn sich sein ihm gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV eingeräumtes Ermessen vorzulegen auf null reduziert, weil es durchgreifende Bedenken gegen die unionsrechtliche oder grundrechtliche Gültigkeit der entscheidungserheblichen Norm hat (Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 54. Auflage, AEUV Art. 267, Rz. 62 f). Der Senat hegt jedoch keine Bedenken, dass § 64 Satz 1 GmbHG oder §§ 15a InsO, 823 Abs. 2 BGB gegen die durch Artt. 49, 54 AEUV verbürgte Niederlassungsfreiheit verstoßen. Aus diesem Grunde besteht auch kein Anlass, das Verfahren gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung des EUGH (Az. C-594/14) über den vorgenannten Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs auszusetzen.

3. Ohne Erfolg greift die Berufung die landgerichtliche Feststellung an, dass die Schuldnerin am 07.09.2009 im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO zahlungsunfähig gewesen ist. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO eine die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründende fortdauernde Zahlungseinstellung vorliegt, wenn im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden haben, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden sind (BGH, Urteil vom 19.06.2012 – II ZR 243/11, Rz. 24). Dies ist bei der Schuldnerin der Fall gewesen, weil sie bis zur Insolvenzeröffnung am 29.07.2010 insgesamt Forderungen in Höhe von € 144.903,46 nicht beglichen hat, die bereits am 07.09.2009 fällig gewesen sind, wie die nachfolgende Berechnung zeigt:

 

 

Gegenüber der Berechnung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 13.08.2015, Seite 3, deren Ansätze der Beklagte nur pauschal und damit nicht hinreichend gemäß § 138 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO bestritten hat, ergeben sich gewisse Änderungen: Erstens müssen bei den Gehaltsforderungen der Angestellten P., Q. und S. die Arbeitnehmeranteile der Beiträge zu den gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen herausgerechnet werden, weil diese Vergütungsbestandteile bereits in den obigen Beitragsforderungen der B. enthalten sind. Zweitens können die obigen Sozialbeiträge und Gehälter nur bis zum Stichtag 07.09.2009 berücksichtigt werden, weshalb die Beiträge und Gehälter für den Monat September gemäß § 287 ZPO entsprechend gekürzt worden sind. Drittens müssen aus diesem Grunde auch die erst am 16.09.2009 entstandenen Vollstreckungskosten der B. unberücksichtigt bleiben.

Die durch die Zahlungseinstellung begründete Vermutung der Zahlungsunfähigkeit hat der Beklagte nicht widerlegt. Zur Widerlegung der Vermutung muss dargelegt und bewiesen werden, dass im maßgebenden Zeitraum eine Liquiditätsbilanz eine Deckungslücke von weniger als 10 % aufwies (BGH, Urteil vom 15.03.2012 – IX ZR 239/09, Rz. 18). Nach dem auch von der Berufung nicht bestrittenen Vortrag des Klägers verfügte die Schuldnerin per 07.09.2009 über liquide Mittel in Höhe von € 60.020,69 (Anlage LR-15). Unter Berücksichtigung der vorgenannten Forderungen sowie der nachgenannten Forderungen, die gleichfalls am 07.09.2009 bestanden haben und später befriedigt worden sind, errechnet sich daraus eine Deckungslücke von 69 %:

 

 

Anzumerken bleibt, dass die am 07.09.2009 fälligen Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen gemäß § 287 ZPO vorsichtig auf 80 % des Betrags geschätzt werden, den sie per 14.09.2009 hatten.

Zwar kann trotz einer über 10 % hinausgehenden Deckungslücke ausnahmsweise Zahlungsfähigkeit dann angenommen werden, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Falls zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 12.10.2006 – IX ZR 228/03, Rz. 27). Das Vorliegen solcher besonderen Umstände hat jedoch der Beklagte schon nicht dargelegt. Sein gesamter Vortrag zu den im Laufe des September 2009 immer wieder mit der O. (im Folgenden: „O.“) geführten Gespräche und den von dieser angeblich erklärten „Garantien“ ist nicht nur gänzlich unsubstantiiert, sondern steht auch im eklatanten Widerspruch zu den von ihm vorgelegten Unterlagen. Entgegen seiner Behauptung, die O. habe Aktien der A. erwerben wollen, ergibt sich aus der von der O. direkt mit W. abgeschlossenen Vereinbarung vom 31.07./03.08.2009, dass die O. für W. lediglich als Vermittler tätig werden sollte. Ferner stellt Ziffer 2.2. dieses Vertrags kein Ratenzahlungsplan für den für den Erwerb von Aktien geschuldeten Kaufpreis dar, sondern lediglich einen Bonusplan für die Vertriebsziele der O.. Wie sich im Weiteren aus Ziffer 4.1.2 der Vereinbarung ergibt, sollte die O. für jeden von ihr vermittelten Partner eine Provision in Höhe von 6 % und für die von der Schuldnerin ohne Mitwirkung der O. vermittelten Anlagegeschäfte eine Provision in Höhe von 1,5 % erhalten. Von einem Provisionsrecht der Schuldnerin an den von der O. vermittelten Umsätzen ist hingegen dort keine Rede. Mithin sollte die O. anstelle der Schuldnerin das Hauptvertriebsrecht an den Aktien der A. erhalten. Dies widerspricht eklatant der pauschalen Behauptung des Beklagten, die Schuldnerin habe aufgrund des Vertrags der W. mit der O. einen Provisionsanspruch erhalten. Im Weiteren ergibt sich aus der von dem Beklagten vorgelegten E-Mail-Korrespondenz, dass die O. und die W. den ganzen September und auch Oktober 2009 entgegen der in dem Vertriebsvertrag vom 31.07./03.08.2009 vorgesehenen Zeitplanung ausschließlich damit beschäftigt gewesen sind, ein Konzept für den angestrebten Vertrieb der Aktien durch die O. zu entwickeln.

4. Der Beklagte haftet dem Kläger gemäß §§ 15a InsO, 823 Abs. 2 BGB wegen Insolvenzverschleppung auf Ersatz des den Altgläubigern entstandenen Quotenschadens in Höhe von € 39.874,56. Die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (Klöhn in MünchKommInsO, 3. Auflage 2013, § 15a Rz. 10). Solange das Insolvenzverfahren andauert, ist der Insolvenzverwalter befugt den Quotenschaden, der den Altgläubigern durch eine verspätete Insolvenzantragsstellung entsteht, geltend zu machen, weil es sich dabei um einen Gesamtgläubigerschaden im Sinne des § 92 InsO handelt (BGH, Urteil vom 05.02.2007 – II ZR 234/05, Rz. 12).

Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO muss der Geschäftsführer einer GmbH den Insolvenzantrag ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit stellen (Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Auflage, § 64 Rz. 116). Das bedeutet, dass der Insolvenzantrag unverzüglich nach Eintritt der Insolvenzreife zu stellen ist und nur dann und nur längstens bis zu drei Wochen der Insolvenzantrag hinausgezögert werden darf, wenn ernsthafte Sanierungsbemühen stattfinden (Strohn in Organhaftung im Vorfeld der Insolvenz, NZG 2011, S. 1161, 1162). Diesen Gesichtspunkt hat das Landgericht übersehen. Mithin hätte der Beklagte schon und spätestens am 07.09.2009 für die Schuldnerin den Insolvenzantrag stellen müssen, da er keine Sanierungsbemühungen unternommen hat. Wie bereits oben festgestellt worden ist, ist das gesamte Vorbringen des Beklagten zu den der Schuldnerin gegenüber ausgesprochenen „Garantien“ nicht nur unsubstantiiert, sondern in sich widersprüchlich.

Dadurch, dass der Beklagte es entgegen seiner Verpflichtung unterlassen hat, am 07.09.2009 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zu beantragen, haben die Altgläubiger der Schuldnerin einen Quotenschaden in Höhe von € 39.874,56 erlitten. Der Quotenschaden der Altgläubiger berechnet sich nach BGH, Urteil vom 30.03.1998 – II ZR 146/96, Rz. 25, wie folgt: Zunächst ist das Verhältnis der den Altgläubigern bei Insolvenzreife zur Verfügung stehenden Masse zu ihren damaligen Forderungen zu ermitteln. Diese Quote ist mit den Insolvenzforderungen der noch vorhandenen Altgläubiger zu multiplizieren; von dem Ergebnis ist der auf die Altgläubiger entfallende Masseanteil abzuziehen, der sich aus dem Verhältnis ihrer Forderungen zur Summe aller Insolvenzforderungen ergibt.

Wie bereits ausgeführt worden ist, haben die Altgläubiger bei Eintritt der Insolvenzreife am 07.09.2009 gegenüber der Schuldnerin Forderungen in Höhe von insgesamt € 194.138,79 gehabt. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 13.08.2015, S. 3., zu einem deutlich niedrigeren Betrag gelangt, liegt das im Wesentlichen daran, dass er bei seiner Berechnung die oben gesondert aufgeführten Forderungen der Altgläubiger in Höhe von € 49.25,33, die nach dem 07.09.2009 noch befriedigt worden sind, unberücksichtigt gelassen hat.

Zutreffend hat jedoch der Kläger berechnet, dass bei einem bereits am 07.09.2009 gestellten Insolvenzantrag den Altgläubigerforderungen eine verteilbare Masse von € 37.684,49 zur Verfügung gestanden hätte, da von der bereits oben erwähnten Masse per 07.09.2009 in Höhe von € 60.020,69 noch die vorrangig zu befriedigenden Kosten des Insolvenzverfahrens in Höhe von € 22.336,20 in Abzug zu bringen gewesen wären. Diese verteilbare Masse von € 37.684,49 ist nicht wegen der streitgegenständlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Höhe von insgesamt € 38.223,47 weiter zu reduzieren. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, sind diese Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erst nach dem Stichtag wirksam geworden. Bei der Sachpfändung vollzieht sich gemäß § 808 Abs. 1 ZPO die Pfändung mit der Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher (Breuer in MünchKommInsO, 3. Auflage, § 88 Rz. 30). Die Kassenpfändung von € 2.001,- fand erst am 17.09.2009 und damit nach dem hier zu betrachtenden Stichtag statt. Bei der Pfändung einer Forderung entsteht gemäß § 829 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO das Pfändungspfandrecht zwar grundsätzlich mit der Zustellung an den Drittschuldner, im Falle der Pfändung einer künftigen Forderung nicht jedoch vor deren Entstehung (a.a.O.). Die B. und das F. haben der C., bei der die Schuldnerin ihr Geschäftskonto unterhielt, bereits am 07.08.2009 bzw. am 26.08.2009 jeweils einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt. Nachdem die C. der B. am 27.08.2009 das seinerzeitige Kontoguthaben von € 2.035,37 ausgekehrt hatte, sind der B. und dem F. Pfändungspfandrechte für die streitgegenständlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen dann am 07.09.2009 dadurch erwachsen, dass an diesem Tag auf dem kein Guthaben mehr aufweisenden Geschäftskonto € 50.000,- eingegangen sind (Anlage LR-5). Hätte allerdings der Beklagte pflichtgemäß am 07.09.2009 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, wären diese beiden Pfändungspfandrechte gemäß § 88 Abs. 1 InsO ohne Wirkung gewesen. Die erst am 10.09.2009 erfolgte Auskehrung der gepfändeten Beträge an die B. und das F. ist für die Berechnung des Quotenschadens schon aus zeitlichen Gründen unerheblich, da für diese Berechnung, wie oben ausgeführt worden ist, die Verhältnisse an dem Tag, an dem die Insolvenzreife eingetreten ist, mithin am 07.09.2009, mit den heutigen Verhältnissen verglichen werden, ohne die dazwischen liegende Zeit in die Berechnung miteinzubeziehen. Sollte man dies anders sehen, gelangte man zu keinem anderen Ergebnis. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, hätte der Kläger die am 10. und 17.09.2009 im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Vermögen der Schuldnern an die vollstreckenden Gläubiger ausgekehrten € 38.223,47 wieder im Wege der Insolvenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zur Masse zurückführen können, wenn der Beklagte pflichtgemäß bereits am 07.09.2009 den Insolvenzantrag gestellt hätte. Die in der „kritischen“ Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung ist inkongruent (BGH, Urteil vom 20.03.2003 – IX ZR 166/02, NJW 2003, S. 2171). Die streitgegenständlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hätten auch in der Frist des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO, d.h. nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegen, wenn der Beklagte den Insolvenzantrag pflichtgemäß am 07.09.2009 und nicht erst am 09.12.2009 gestellt hätte.

Aus dem Verhältnis der Altgläubigerforderungen in Höhe von € 194.138,79 zu der nach den obigen Ausführungen mit € 37.684,49 zu beziffernden verteilbaren Masse errechnet sich per 07.09.2009 eine Insolvenzquote der Altgläubiger in Höhe von 19,4111076 %.

Wie sich aus der von dem Kläger in der Anlage LR-11 vorgelegten Insolvenztabelle mit Stand vom 28.05.2015 ergibt, sind Insolvenzforderungen der Altgläubiger in Höhe von insgesamt € 205.421,36 festgestellt worden, wie die nachfolgende Berechnung zeigt:

 

 

Der Kläger kommt hier in seiner Anlage LR-23 zu einem anderen Betrag, weil er erstens bei der Forderung der Z. nicht den festgesetzten, sondern angemeldeten Betrag berücksichtigt hat und zweitens bei der Forderung der E. das Komma versehentlich drei Stellen zu weit rechts gesetzt hat.

Multipliziert man diesen Betrag von € 205.421,36 mit der vorgenannten Quote der Altgläubiger von 19,4111076 % errechnet sich ein ersatzfähiger Altgläubigerschaden in Höhe von € 39.874,56. Ein weiterer Abzug ist hiervon nicht vorzunehmen, da nach der in der Anlage LR-24 angestellten Berechnung des Klägers wegen der die Masse übersteigenden Verfahrenskosten keine Quotenaussicht besteht.

5. Der Beklagte ist dem Vortrag des Klägers zu dem durch Insolvenzverschleppung entstandenen Quotenschaden nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Soweit der Beklagte gemeint hatte, der Vortrag des Klägers sei als verspätet zurückzuweisen, ist der Beklagte bereits fernmündlich am 18.08.2015 darauf hingewiesen worden, dass der Vortrag des Klägers gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu berücksichtigen ist, weil das Landgericht die besonderen Anforderungen an die Darlegung eines Quotenschadens ersichtlich übersehen hatte. Mit Schriftsatz vom 20.08.2015 hat sich dann der Beklagte darauf beschränkt, den neuen Vortrag des Klägers zu dem Quotenschaden als nicht nachvollziehbar zu bezeichnen und die Höhe der am 07.09.2009 bestehenden Altgläubigerforderungen pauschal zu Bestreiten. Wie den obigen Feststellungen zu entnehmen ist, ist jedoch der klägerische Vortrag sehr wohl einlassungsfähig gewesen. Der Umstand, dass der Senat bei seinen Feststellungen den Berechnungen des Klägers nicht uneingeschränkt gefolgt ist, indiziert nicht, dass dessen Vortrag nicht einlassungsfähig gewesen ist. Im Gegenteil hat der Senat aufgrund der nachvollziehbaren Darlegungen des Klägers zu seinen Berechnungen die daran aus Sicht des Senats notwendig erscheinenden Korrekturen überhaupt erst vornehmen können. Ferner hat sich der Beklagte zu der Höhe der Altgläubigerforderungen nicht gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hinreichend erklärt, sondern sie gemäß § 138 Abs. 3 ZPO ALS unstreitig gelten. Als seinerzeitiger Geschäftsführer der Beklagten ist es ihm möglich gewesen, die Höhe der von dem Kläger zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen der Altgläubiger qualifiziert zu Bestreiten und sich zu den hierzu von dem Kläger vorgelegten Belegen wie z.B. den Gehaltsabrechnungen der Mitarbeiter oder zu dem Steuerbescheid der Y. im einzelnen zu erklären. Dies hat der Beklagte jedoch nicht getan. In der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2015 ist folglich ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass aufgrund der nicht verspäteten Darlegungen und Nachweise des Klägers zu dem Quotenschaden eine Schadensersatzhaftung des Beklagten in Betracht komme.

6. Neben der vorgenannten Schadensersatzverpflichtung für den Quotenschaden der Altgläubiger trifft den Beklagten nicht auch noch gemäß § 64 Satz 1 GmbHG die Verpflichtung, dem Kläger die Mittel zu ersetzen, die der Masse der Schuldnerin durch die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vom 10.09.2009 und vom 17.09.2009 (s. hierzu a)) oder durch diverse Zahlungen aus der Barkasse bzw. vom Geschäftskonto in der Zeit vom 14.09.2009 bis zum 09.12.2009 entzogen worden sind (s. hierzu b)).

a) Die Ersatzpflicht des Geschäftsführers für nach dem Eintritt der Insolvenzreife eingetretene Masseschmälerungen setzt gemäß § 64 Satz 1 GmbHG voraus, dass die Masseschmälerungen von dem Geschäftsführer „veranlasst“ worden sind; die Masseschmälerungen müssen daher entweder mit seinem Wissen und Wollen geschehen sein oder hätten von ihm verhindert werden können (BGH, Urteil vom 16.03. 2009 – II ZR 32/08, Rz. 13). Von dem Beklagten können daher, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, die am 10.09.2009 und am 17.09.2009 eingetretenen Masseschmälerungen in Höhe von insgesamt € 38.223,47 nicht ersetzt verlangt werden, weil sie nicht von dem Beklagten veranlasst, sondern von Gläubigern der Schuldnerin im Wege der Zwangsvollstreckung bewirkt worden sind.

b) Hinsichtlich der Zahlungen in Höhe von insgesamt € 15.716,78, die in der Zeit vom 14.09.2009 bis zum 09.12.2009 aus der Barkasse bzw. vom Geschäftskonto geleistet worden sind, ist zwar die „Veranlassung“ durch den Beklagten nicht zweifelhaft. Allerdings liegt eine masseschmälernde Zahlung im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG dann nicht vor, wenn und sobald im „unmittelbaren Zusammenhang“ mit dieser Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen endgültig gelangt, der die mit der Zahlung bewirkte Masseschmälerung ausgleicht, ohne dass es darüber hinaus erforderlich ist, dass dieser Gegenwert bis zur Insolvenzeröffnung in dem Gesellschaftsvermögen verbleibt (BGH, Urteil vom 18.11.2014 – II ZR 231/13, Rz. 9ff). Diese Entscheidung stellt insoweit eine Fortentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar, als nunmehr für die Beurteilung der Frage, ob eine die haftung des Geschäftsführers ausschließende Gegenleistung für die masseschmälernde Zahlung zur Masse gelangt ist, nur auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird und nicht auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung (a.a.O., Rz. 11). Da somit die höchstrichterliche Rechtsprechung die Zuführung eines in dem Aktivvermögen der Gesellschaft dauerhaft verbleibenden Werts nicht mehr verlangt, stellen sich neue Fragen der Abgrenzung, in welchen Fällen eine masseschmälernde Zahlung durch eine Gegenleistung kompensiert werden kann, die mit der vorgenannten Entscheidung noch nicht höchstrichterlich geklärt worden sind (s. Anmerkung von Strohn zu der vorgenannten Entscheidung in DB 2015, S. 57f). Der Senat hält es diesbezüglich für sachgerecht unter Rückgriff auf die Wertungen des Anfechtungsrechts als eine Fallgruppe des von der vorgenannten Entscheidung verlangten „unmittelbaren Zusammenhangs“ zwischen Leistung und Gegenleistung Bargeschäfte analog § 142 InsO anzuerkennen (hierfür z.B. Strohn, a.a.O. sowie ders., Organhaftung im Vorfeld der Insolvenz, NZG 2011, S. 1161) und dabei, wie es von Habersack und Foerster, Austauschgeschäfte der insolvenzreifen Gesellschaft, ZHR 178 (2014), S. 387, 403 ff, vorgeschlagen wird, allein darauf abzustellen, ob der Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung im unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung der Gesellschaft eine mindestens gleichwertige GegenleistungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gegenleistung
gleichwertige Gegenleistung
zufließt, ohne zusätzlich zu verlangen, dass der Gesellschaft ein unmittelbar dem Gläubigerzugriff unterliegender Gegenstand zugeführt wird. Der Ausnahmeregelung des § 142 InsO liegt der wirtschaftliche Gesichtspunkt zugrunde, dass bei wertäquivalenten Bargeschäfte keine Vermögensverschiebung zu Lasten des Schuldners, sondern eine bloße Vermögensumschichtung stattfindet (BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 192/13, Rz. 9). Ferner ist allgemein anerkannt, dass die Erfüllung beliebiger gegenseitiger Verträge unter das Bargeschäftsprivileg fallen können (BGH, Urteil vom 13.04.2006 – IX ZR 158/05, Rz. 32) und daher auch die Tätigkeit des Arbeitsnehmers eine werthaltige Gegenleistung für ein Bargeschäft sein kann (BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 192/13, Rz. 31ff). Folglich kann den obiter dicta der Urteile vom 09.06.2005 – IX ZR 152/03, NZI 2005, S. 497, 498 und vom 23.09.2010 – IX ZR 212/09, NZI 2010, S. 897, 899, dass die dortigen, aus anderen Gründen schon nicht für ein Bargeschäft in Betracht kommenden Gegenleistungen auch nicht dem unmittelbaren Zugriff der Gläubiger offen gestanden hätten, nicht entnommen werden, es handele es sich dabei um ein notwendiges Tatbestandsmerkmal des Bargeschäfts, weil dann nicht die unzweifelhaft nicht dem unmittelbaren Zugriff der Gläubiger unterliegende Tätigkeit der Arbeitnehmer des Schuldners als eine Gegenleistung für ein Bargeschäft in Betracht käme.

aa) Ausgehend hiervon werden die erforderliche Werthaltigkeit der Gegenleistung und ihr unmittelbarer Zusammenhang mit der Zahlung des Schuldners gewahrt, wenn der Schuldner für von ihm bezogene Versorgungsleistungen wiederkehrende Zahlungen erbringt (Kirchhof, MünchKommInsO, 3. Auflage, § 142 Rz. 19; Haberstroh/Foerster, a.a.O., S. 405). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines solchen Bargeschäfts trägt der Geschäftsführer, weil es sich insoweit um einen Ausnahmetatbestand handelt (BGH, Beschluss vom 05.02.2007 – II ZR 51/06, Rz. 4). Dementsprechend sind die von dem Beklagten am 14.09.2009, 13.11.2009, 17.11.2009, 24.11.2009, 01.12.2009 und 09.12.2009 veranlassten Zahlungen der Schuldnerin an die X., die V., T., M., N. und U. in Höhe von insgesamt € 6.508,27 nicht gemäß § 64 Satz 1 GmbHG ausgleichspflichtig, da bei lebensnaher Betrachtungsweise die dadurch bewirkten Masseschmälerungen unmittelbar durch den gleichwertigen Bezug von Energie, Wasser und Kaffeeautomatenservice sowie Dienstleistungen der Telekommunikation, des Internets und des Kabelfernsehens ausgeglichen worden sind. Auf diese rechtliche Würdigung hat der Senat die Parteien bereits mit Beschluss vom 23.04.2015 hingewiesen. Soweit der Kläger daraufhin pauschal bestritten hat, dass die Gegenleistungen überhaupt erbracht worden und gleichwertig gewesen seien, handelt es sich ersichtlich um ein Bestreiten ins Blaue hinein. Konkrete Anhaltspunkte für einen fehlenden gleichwertigen Leistungsbezug oder eine auch nur verspätet von Seiten der Schuldnerin erbrachte Zahlung sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist durch die in den Akten befindlichen Kontoauszüge belegt, dass die Schuldnerin an die vorgenannten Versorgungsdienstleistungsunternehmen unter Angabe ihrer Kunden-Nr. wiederkehrende Zahlungen erbracht hat. Ebenfalls ist nicht ersichtlich, dass im Verhältnis zu den Versorgungsdienstleistungsunternehmen die Voraussetzungen für eine die analoge Anwendung des § 142 InsO ausschließende Vorsatzanfechtung gegeben sind.

bb) Nachdem der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes mit Beschluss vom 27.09.2010 – GmS-OGB 1/09 die Entscheidungskompetenz für die gegen einen Arbeitnehmer auf Rückgewähr des von dem Schuldner im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG gezahlten Arbeitsentgelts dem Bundesarbeitsgericht zugewiesen hatte, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass wegen der besonderen rechtstatsächlichen Umstände, unter denen Arbeitsleistungen erbracht werden, der für die Annahme eines Bargeschäfts im Sinne des § 142 InsO erforderliche „unmittelbare Zusammenhang“ zwischen Arbeitsleistung und Vergütungszahlung auch dann noch gewahrt wird, wenn mit der Zahlung in den letzten drei Monaten erbrachte Arbeitsleistungen vergütet werden (BAG, Urteil vom 06.10.2011 – 6 AZR 262/10, Rz. 17). Diese Entscheidung ist zwar auf beachtenswerte Kritik gestoßen (BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 192/13, Rz. 16 ff). Solange sich jedoch das Bundesarbeitsgericht durch diese Kritik nicht zu einer Änderung seiner Rechtsprechung veranlasst sieht, ist schon wegen der hier vertretenen analogen Anwendung des § 142 InsO für die haftung des Geschäftsführers gemäß § 64 Satz 1 GmbHG wegen masseschmälernden Zahlungen gleichfalls davon auszugehen, dass die im Rahmen von Arbeitsverhältnissen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG verspätet erbrachten Entgeltzahlungen dann als ein Bargeschäft anzusehen sind, wenn sie den von dem Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 06.10.2011 aufgestellten Kriterien für einen unmittelbare Zusammenhang zwischen Entgeltzahlung und Arbeitsleistungen genügen. Zugleich zeigt diese Fallgestaltung besonders deutlich, dass die hier vertretene analoge Anwendung des § 142 InsO auf die haftung des Geschäftsführers für masseschmälernde Zahlungen gemäß § 64 Satz 1 GmbHG hilft, Wertungswidersprüche zu vermeiden: Wenn es dem Insolvenzverwalter gegenüber den Arbeitnehmern wegen der rechtlichen Einordnung als Bargeschäft gleichsam untersagt wird, wenn man einmal von der eher schwer nachzuweisenden Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO absieht, auf das den Arbeitnehmern von dem Schuldner in der Krise deutlich verspätet gezahlte Arbeitsentgelt zuzugreifen, weil diese Entgeltzahlung im Hinblick auf die von dem Arbeitnehmer erbrachte Tätigkeit als eine bloße Vermögensumschichtung angesehen wird, dann wäre es wenig verständlich, wenn der Insolvenzverwalter von dem Geschäftsführer gleichwohl den Ersatz dieser Zahlungen mit dem Argument verlangen dürfte, es handele sich dabei um unmittelbar die Gläubiger benachteiligende, masseschmälernde Zahlungen. analog § 142 InsO haftet daher der Beklagte gemäß § 64 Satz 1 GmbHG auch nicht für die von ihm am 14.09.2009 veranlassten Gehaltszahlungen in Höhe von insgesamt € 9.208,51, weil er damit den Angestellten der Schuldnerin die Gehälter für den Monat Juni 2009 gezahlt hat. Ferner ist es dem Beklagten auch nicht gemäß §§ 142, letzter Halbsatz, 133 Abs. 1 InsO versagt, sich auf dieses Bargeschäftsprivileg zu berufen. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darin erschöpfen, eine gleichwertige GegenleistungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gegenleistung
gleichwertige Gegenleistung
für die Arbeitsleistung zu erbringen, die zur Fortführung des Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern auch nützen kann, so dass ihm eine mit der Zahlung verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden ist (BAG, Urteil vom 29.01.2014 – 6 AZR 345/12, Rz. 89). Demnach scheidet regelmäßig ein Benachteiligungsvorsatz aus, wenn durch Gehaltszahlungen im Zuge eines Baraustauschs die für die Betriebsfortführung unerlässliche Gegenleistung der Arbeitstätigkeit entgolten wird (BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 192/13, Rz. 44). Da nach den obigen Feststellungen die am 14.09.2009 veranlassten Gehaltszahlungen für die von den Arbeitnehmern der Schuldnerin in dem Monat Juni 2009 erbrachten Arbeitstätigkeiten noch ein Baraustausch gewesen ist, lässt sich ein Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO selbst dann nicht feststellen, wenn dem Beklagten, was bei lebensnaher Betrachtung anzunehmen ist, die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Zeitpunkt der Gehaltszahlungen bewusst gewesen ist.

Schlagworte: GmbHG § 64 Satz 1, Zahlungen nach Insolvenzreife § 64 Satz 1 GmbHG