§ 166 Abs 1 BGB, § 241 Abs 2 BGB, § 249 BGB, §§ 249ff BGB, § 278 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 311 Abs 2 Nr 1 BGB, § 433 BGB
1. Schaltet der Verkäufer von Geschäftsanteilen bei der von ihm geschuldeten Auskunftserteilung, etwa im Rahmen einer Due Diligence, andere Personen ein, zu denen häufig auch Manager und/oder Mitarbeiter des Zielunternehmens gehören, und stammen die dem Käufer überlassenen Informationen von dem Management der Zielgesellschaft oder deren Mitarbeitern, sind diese regelmäßig auch als Erfüllungsgehilfen des Verkäufers zu qualifizieren. Soweit eine solche Person eine falsche Auskunft erteilt, haftet der Verkäufer daher, wie wenn er die Auskunft selbst erteilt hätte.
Die Beklagten haben die Pflichtverletzungen zu vertreten. Die Beklagten haften nach §§ 278, 276 BGB für das Fehlverhalten der beiden damaligen Geschäftsführer der „A.“ als derjenigen Personen, welche die unrichtigen Bilanzangaben durch unstreitig vorsätzlich falsche Buchungen verursacht haben. Indem sich die Beklagten in den Vertragsverhandlungen auf die von der damaligen Geschäftsführung erstellten Unterlagen einschließlich der Jahresabschlüsse mitsamt der (vorläufigen) Bilanz(en) gestützt und diese zur Grundlage der erteilten Auskünfte über die Zielgesellschaften („A.“ und „B.“) gemacht haben, haben sie sich der Herren H. und G. in Bezug auf ihre vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten als Erfüllungsgehilfen bedient.
Erfüllungsgehilfe i.S.d. § 278 BGB ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird. Der Ausdruck „Verbindlichkeit“ bezieht sich nicht nur auf alle Haupt- und Nebenleistungspflichten, sondern auch auf alle dem Schuldner obliegenden Verhaltenspflichten. § 278 BGB findet auch auf die Haftung aus „c.i.c.“ Anwendung (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 278 Rn. 2). Entscheidend ist, dass die verrichtete Tätigkeit im Bereich des vom Schuldner geschuldeten Gesamtverhaltens liegt, wobei unschädlich ist, wenn die Leistung von der Hilfsperson schon vor dem (die Verbindlichkeit auslösenden) Vertragsschluss hergestellt oder vorbereitet hat. Bei Offenbarungspflichten hängt die Anwendung von § 278 BGB davon ab, welche Aufgaben der Hilfsperson zugewiesen sind. Ohnehin muss die schuldhafte Handlung des Erfüllungsgehilfen in innerem sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben stehen, die der Schuldner dem Erfüllungsgehilfen hinsichtlich der Vertragserfüllung zugewiesen hat. Die Handlung des Erfüllungsgehilfen muss in den allgemeinen Umkreis der Aufgaben gehören (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 278 Rn. 19/20 m.w.N.). Schaltet der Verkäufer von Geschäftsanteilen bei der von ihm geschuldeten Auskunftserteilung, etwa im Rahmen einer Due Diligence, andere Personen ein, zu denen häufig auch Manager und/oder Mitarbeiter des Zielunternehmens gehören, und stammen die dem Käufer überlassenen Informationen von dem Management der Zielgesellschaft oder deren Mitarbeitern, sind diese regelmäßig auch als Erfüllungsgehilfen des Verkäufers zu qualifizieren. Soweit eine solche Person eine falsche Auskunft erteilt, haftet der Verkäufer daher, wie wenn er die Auskunft selbst erteilt hätte (vgl. nur Semler in/Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 8. Auflage 2015,7.58 m.w.N.).
Gemessen daran sind H. und G. als Erfüllungsgehilfen der Beklagten anzusehen. Ihnen oblag als Geschäftsführern der „A.“ als der wichtigsten Zielgesellschaft neben der Buchführung, § 41 GmbHG i.V.m. §§ 238 ff. HGB, die Aufstellung des Jahresabschlusses und dessen Gesellschafter-Vorlage, §§ 42, 42a GmbHG. Auch und gerade auf den Inhalt dieser Buchführungsunterlagen der Zielgesellschaften beziehen sich die genannten Auskunftspflichten der Beklagten. Dem „LoI“ war u.a. die von dem Geschäftsführer G. erstellte und der „S.“ zwecks Klärung des Kaufinteresses überlassene vorläufige Bilanz der „A.“ zum 31.12.2010 beigefügt. In dem „LoI“ wird demgemäß auch erwähnt, dass die der „S.“ – jedenfalls bis zur Unterzeichnung des „LoI“ – überlassenen Unterlagen im Wesentlichen von der Geschäftsführung der „A.“ stammen. Den Abreden in dem „LoI“ (dort Ziffer 7., Anlage K 9) entsprechend hat die „S.“ für die Klägerin später eine Due Diligence bei der „A.“ und bei der „B.“ durchgeführt. Dass im Rahmen dieser Due Diligence im sog. Datenraum nicht von der Geschäftsführung der „A.“ erstellte oder jedenfalls zu verantwortende Buchführungsunterlagen und/oder Jahresabschlüsse zugänglich gemacht worden sind, behauptet niemand. Die Beklagten tragen auch nicht vor, ihre Aufklärungspflichten auf andere Weise, sei es mündlich oder schriftlich durch ihre Vorstände oder Geschäftsführer bzw. nachgeordnete Mitarbeiter anhand von nicht durch G. und H. angefertigten Unterlagen erfüllt zu haben. Die Beklagten haben sich somit in den Vertragsverhandlungen – mit den hier nicht interessierenden vertraglich vereinbarten Einschränkungen hinsichtlich einer Forderung der „A.“ gegen die „I.“, laut 7.1 und 7.2, Seite 13 (Anlage K 13) – soweit ersichtlich nur auf von H. und G. erstellte Unterlagen einschließlich der Jahresabschlüsse gestützt. Die Beklagte zu 1) hat sich zudem die Richtigkeit bestimmter Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der „A.“ seit dem 31.12.2011 von Herrn H. unter dem 21.03.2011 schriftlich bestätigen lassen und hierbei zu erkennen gegeben, dass diese Angaben für die „S.“ bestimmt sind (Anlage K 11). Dass H. und G. bei der Erteilung von Auskünften für die Beklagten agierten, entsprach nicht zuletzt dem beiderseitigen Verständnis, wie sich dem „LoI“ vom 21.03.2011 (Anlage K 9) entnehmen lässt. Dort heißt es auf Seite 4 zunächst, dass die der „S.“ für die „A.“ bisher bereitgestellten Informationen und/oder Unterlagen im Wesentlichen von der Geschäftsführung der „A.“ stammen, sich auch die Beklagten auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen und/oder Unterlagen verlassen müssen und sie daher nur für die Richtigkeit der in der Anlage genannten Unterlagen einstehen wollen. Die folgende Formulierung, es sei „noch zu verhandeln, ob und inwieweit sich die Käuferin die Kenntnis der derzeitigen Geschäftsführung der „A.“ und der „B.“ zurechnen lassen müsse“, ist im Umkehrschluss dahin zu verstehen, dass die Erfüllungsgehilfeneigenschaft von H. und G. auf Verkäuferseite dem gemeinsamen Verständnis der Verhandelnden entsprach. Soweit die Buchhaltungsunterlagen und Jahresabschlüsse die weiter oben aufgeführten Fehler aufwiesen, haften die Beklagten daher, wie wenn sie die der „S.“ überlassenen Unterlagen und Jahresabschlüsse selbst erstellt hätten.
Auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der Transaktion vom 20.04.2011 kann die Zurechenbarkeit des Fehlverhaltens von H. und G. auf Seiten der Beklagten nicht verneint werden. Ganz abgesehen davon, dass die Beklagten als Verkäufer der Geschäftsanteile und der Darlehensforderungen den dargestellten gesteigerten Aufklärungspflichten nun einmal unterliegen und nicht ersichtlich ist, durch welche Angaben, wenn nicht durch die von den Herren H. und G. verfassten, sie diesen Pflichten nachgekommen sein wollen, werden sie durch die Zurechnung des vorsätzlichen Fehlverhaltens aber auch nicht unangemessen und in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise belastet. Die Beklagten waren nämlich der Geschäftsführung der Zielgesellschaften im Verkaufsprozess keineswegs schutzlos ausgeliefert. Sie waren insbesondere auf die von H. und G. erteilten Auskünfte zur Erfüllung ihrer vorvertraglichen Pflichten nicht angewiesen, weil sie von ihrer Möglichkeit, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse insbesondere der „A.“ ein eigenes Bild zu verschaffen, in – allerdings nicht näher mitgeteiltem Umfang – sogar Gebrauch gemacht hatten. Welche Erkenntnisse die Beklagte zu 2) im Rahmen der Entscheidungsfindung, sich von der Sparte „Mobility“ zu trennen, insbesondere im Zusammenhang mit der Tätigkeit von „N.“, über die wirtschaftlichen Verhältnisse der „A.“ erlangt hat, ist den Akten nicht zu entnehmen. Sie verfügte aber zumindest über eine – nicht von H. und G. erstellte – Liquidationsbilanz, wie der Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 2) in seiner Anhörung vor dem Senat am 03.09.2015 erklärt hat (Bl. 478 GA).
2. Die Käuferin von Geschäftsanteilen muss sich das Wissen der Geschäftsführer der Zielgesellschaft analog § 166 Abs. 1 BGB unter dem Aspekt vorzeitig übergegangener Loyalität sowie der Veranlassung von Vertragsverhandlungen zurechnen lassen, wenn die Geschäftsführer der Zielgesellschaft im Rahmen der Transaktion zwischen der Käuferin und dem Verkäufer der Geschäftsanteile Gesellschafter der Käuferin geworden sind, was in den notariellen Urkunden bereits festgelegt worden war.
Die Klägerin muss sich das Wissen von H. und G. jedoch kraft gesetzlicher Vorschriften zurechnen lassen.
Die Kenntnisse von Herrn H. muss sich die Klägerin gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Die Vorschrift gilt für alle Vertreter einschließlich der Organe juristischer Personen. H. ist am Tag des Kaufvertragsabschlusses von der „E.“ zum (Mit-)Geschäftsführer der Klägerin bestellt worden. Der Zurechnung steht nicht entgegen, dass H. bei der Beurkundung des Kauf- und Abtretungsvertrages noch nicht Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin gewesen ist. Die Berufung auf diesen Aspekt ist der Klägerin versagt, § 242 BGB. Dass H. ausweislich des Protokolls über die Gesellschafterversammlung vom 20.04.2011 (Bl. 505 GA) zu diesem Zeitpunkt noch nicht Gesellschafter der Klägerin gewesen ist, beruht nach Lage der Akten nur darauf, dass die Anteilsübertragung mit schuldrechtlicher und wirtschaftlicher Wirkung auf den 20.04.2011 aufschiebend bedingt durch die Wirksamkeit der Übertragung und Abtretung des Geschäftsanteils der Beklagten zu 1) auf die Klägerin war (Anlage K 73, Bl. 571 – 576 GA) und die Wirksamkeit jenes Rechtsgeschäfts von dem Eingang der vereinbarten Zahlungen abhing (6.1 des Kauf- und Abtretungsvertrages vom 20.04.2011, Anlage K 13). Die unter I. dieses Urteils näher dargestellte Verknüpfung aller Rechtsgeschäfte zu einer umfangreichen Transaktion mag in der umgesetzten Art und Weise üblich und sinnvoll gewesen sein. Mit dem Landgericht ist aber davon auszugehen, dass es vorliegend keinen entscheidenden Unterschied machen kann, ob H. unmittelbar vor oder unmittelbar nach der Beurkundung des Kauf- und Abtretungsvertrages der Parteien zum Geschäftsführer bestellt worden ist. Denn dies war ausweislich der aufeinander bezogenen und miteinander verknüpften Verträge vom 20.04.2011 von vorneherein ebenso geplant wie die Beteiligung von G. und H. an der Klägerin. Hinzu kommt, dass die Reihenfolge der einzelnen Transaktionsbestandteile allein vom Willen der Klägerin respektive der „E.“ als ihrer Gesellschafterin abhing, was Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Auch wenn es grundsätzlich auf die Vertretereigenschaft im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt, muss der Klägerin vor diesem Hintergrund die Berufung auf die fehlende Organstellung von H. zum Zeitpunkt der Beurkundung des Kauf- und Abtretungsvertrages der Parteien nach § 242 BGB ausnahmsweise verwehrt sein.
Die Klägerin muss sich das Wissen von G. und H. auch unter dem Aspekt der Wissenszurechnung analog § 166 Abs. 1 BGB unter dem Aspekt vorzeitig übergegangener Loyalität (hierzu u.a. Hoenig/Klingen NZG 2013, 1046 ff., 1059 unter Hinweis auf Weißhaupt WM 2013, 782 u.a.) sowie der Veranlassung von Vertragsverhandlungen zurechnen lassen. Denn auch wenn die Investorenstellung der „E.“ respektive der hinter ihr stehenden Personen durchaus anzuerkennen ist, kann doch nicht der Umstand außer Acht gelassen werden, dass die „S.“ bei wirtschaftlicher Betrachtung zumindest auch für die an dem Erwerb weiterer Anteile an der „A.“ interessierten H. und G. verhandelt hat. Diese waren durch Vermittlung ihres Beraters Q. in Kontakt zu der „S.“, für welche Q. jedenfalls bis etwa Ende 2010 als sogenannter Partner (Bl. 137 GA) tätig gewesen war, getreten, nachdem sie zunächst unmittelbar mit den Beklagten über den Kauf der Anteile an der „A.“ und der „B.“ verhandelt hatten. Sodann wurde das Ansinnen – ebenfalls auf Vermittlung von Q. – an c., einen weiteren „Partner“ der „S.“ (Bl. 137 GA), herangetragen, angeblich aber nicht für die „S.“, sondern als potentiellem Privatinvestor. Die „Vertraulichkeitsverpflichtung“ vom 22.12.2010 (Anlage B 4, Bl. 139 f. GA) unterzeichnete C. indes schon für die „S.“. H. und G. haben, immer noch als Kaufinteressenten, nach dem Scheitern ihrer Finanzierungsbemühungen über Banken die Zusage der „S.“ vom 18.02.2011 (Anlage K 8) an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 2) weitergeleitet. Die „S.“ stand also bei Aufnahme der Gespräche mit den Beklagten bereits seit längerem in Kontakt zu H. und G., hatte sich mit deren Vorhaben schon befasst und ihr Finanzierungsinteresse bekundet, sodass sie auch „in einem Lager“ standen. Es mag sein, dass, wie es der Zeuge X. relativierend geschildert hat, der Kontakt zu dem Verkäufer immer „in irgendeiner Weise hergestellt werden muss“, und er die Geschäftsführung der Zielgesellschaften als „nicht selbständig genug“ empfunden hat. Nicht zu übersehen ist indes, dass zumindest auch der Anteilserwerb von H. und G. finanziert wurde, weswegen diese wirtschaftlich betrachtet als Partner der Transaktion und als Veranlasser der Vertragsverhandlungen der „S.“ mit den Beklagten anzusehen sind. Zwar mag der Umstand, dass H. und G. ununterbrochen vor und nach der Transaktion Geschäftsführer der „A.“ gewesen sind, was bei einem Unternehmenskauf nicht unüblich ist, noch keine Grundlage für die Zurechnung ihres Wissens auf Käuferseite bieten. Anderes gilt aber für den Umstand, dass sie im Rahmen der Transaktion zwischen der Klägerin und den Beklagten Gesellschafter der Käuferin bzw. Klägerin geworden sind, was zumindest hinsichtlich des H. in den weiteren notariellen Urkunden vom 20.04.2011 (Anlagen K 17, K 19) bereits festgelegt worden war. Die Anteile der „I.“ und des Herrn J. an der „A.“ und die Anteile an der „I.“ sind, wie schon erwähnt, jeweils unter Vereinbarung der aufschiebenden Bedingung übertragen worden, dass Herrn H. ein Geschäftsanteil an der Klägerin (dortige Käuferin) in Höhe von 9.750,00 EUR übertragen wird (6.1, Seite 5 Anlage K 17, 8.1 (b), Seite 15 Anlage K 19). Damit ist Herr H. mit 39 % am Stammkapital der Klägerin (25.000,00 EUR) beteiligt worden. Herr G., der zuvor keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen innehatte, war nach der Transaktion Gesellschafter der Klägerin mit einem Geschäftsanteil von 2.500,00 EUR entsprechend 10 % des Stammkapitals (Anlage K 73, Bl. 571 ff. GA).
Dass all dies schon vor Abschluss des Kauf- und Abtretungsvertrages genauso beabsichtigt gewesen ist, stellt also keine durch Parteivortrag nicht gedeckte Unterstellung des Landgerichts dar, wie die Berufung moniert, sondern steht aufgrund der aufgezeigten Umstände fest, § 286 Abs. 1 ZPO. Es erscheint mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen und wird von der Klägerin auch nicht ernsthaft behauptet, dass die weiteren Rechtsgeschäfte vom 20.04.2011 auf spontanen Entschlüssen beruhten, zumal diese Vorgehensweise exakt der mit Schreiben vom 18.02.2011 angekündigten Transaktionsgestaltung entspricht.
Schlagworte: Aufklärungspflichtverletzung, Unternehmenskauf, Unternehmenskaufvertrag, Wissenszurechnung