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OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2006 – I-15 U 39/06, 15 U 39/06

§ 51 Abs 2 GmbHG, § 241 Nr 1 AktG, § 246 Abs 1 AktG, § 826 BGB

1. Auch bei einer so genannten Zwei-Mann-GmbH, bei der beide Gesellschafter 50% der Gesellschaftsanteile halten, bedarf es zum Ausschluss eines Gesellschafters eines rechtsgestaltenden Urteils nicht, wenn bereits die Satzung der GmbH einen Gesellschafterausschluss durch einen rechtsgestaltenden Gesellschafterbeschluss vorsieht (Abgrenzung BGH, 20. Dezember 1982, II ZR 110/82, BGHZ 86, 177).

Eines rechtsgestaltenden Urteils – neben einem Gesellschafterbeschluss – bedarf es zur Ausschließung eines Gesellschafters aus der GmbH nur dann, wenn nicht schon die Satzung der Gesellschaft einen Ausschluss durch einen rechtsgestaltenden Gesellschafterbeschluss vorsieht (allgemeine Ansicht, vgl. etwa BGHZ 32, 17, 18, 22; BGH, GmbHR 2003, 1062, 1063; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 22. Oktober 1998, Az. 6 U 78/97, www.juris-web.de Rdnr. 66; Rowedder / Bergmann, GmbH-Gesetz, 4. Aufl. 2002, § 34 Rdnr. 84; Scholz, GmbH-Gesetz, 9. Aufl. 2000, § 15 Rdnr. 152; Baumbach / Hueck / Fastrich, GmbH-Gesetz, 18. Aufl. 2006, Anh § 34, Rdnr. 16). In diesem Falle ist für eine Ausschlussklage als Gestaltungsklage kein Raum (OLG Stuttgart, WM 1989, 1252; Michalski / Sosnitza, GmbH-Gesetz, 2002, Anh § 34 Rdnr. 42). So liegen die Dinge auch hier. Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin enthält in § 10 Nr. 1 eine hinreichend präzise Regelung, mit der festgelegt worden ist, dass ein Gesellschafter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch Beschluss der Gesellschafterversammlung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann.

Entgegen der Auffassung der Beklagten gelten diese Grundsätze in gleicher Weise auch dann, wenn es sich um eine sog. Zwei-Mann-Gesellschaft handelt, in der beide Gesellschafter 50 % der Gesellschaftsanteile halten (vgl. etwa BGHZ 32, 17, 22; BGHZ 101, 113 ff.; Michalski / Sosnitza a.a.O.). Zwar besteht hier die Gefahr, dass es bei einem Versuch der Gesellschafter, sich gegenseitig auszuschließen, zu einem Wettlauf um die Ansetzung einer Gesellschafterversammlung oder gar zum Streit darüber kommt, über wessen Ausschließungsverlangen in einer Gesellschafterversammlung als erstes abgestimmt werden soll. Diese Bedenken sind aber nicht so gewichtig, dass deshalb die Vertragsfreiheit eingeschränkt und eine gesellschaftsvertragliche Regelung der hier vorliegenden Art beiseite geschoben werden könnte. Die Ungewissheit des Mitgliederbestandes nehmen die Gesellschafter in Kauf, wenn sie im Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit der Ausschließung durch Gesellschafterbeschluss eröffnen und es bei dieser Regelung belassen (vgl. im Einzelnen BGHZ 32, 17, 22 f.).

2. Beim Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters muss nicht gleichzeitig in einem Akt über das weitere Schicksal des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Schicksal des Geschäftsanteils
entschieden werden. Der Anteil des ausgeschlossenen Gesellschafters, an dem die Gesellschaft mit dem Ausschluss das Verfügungsrecht erwirbt, besteht vorübergehend bis zur Entscheidung über die Verwertung als trägerloses Recht; daraus erwächst dem ausgeschlossenen Gesellschafter keinerlei Nachteil.

Der Umstand, dass in der Versammlung vom 30. Juni 2004 lediglich der Ausschluss des Beklagten beschlossen, nicht aber gemäß § 10 Nr. 3 der Satzung „gleichzeitig“ über das weitere Schicksal des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Schicksal des Geschäftsanteils
entschieden worden ist, vermag die Wirksamkeit des Beschlusses ebenfalls nicht in Frage zu stellen. Der Formulierung in § 10 Nr. 3 der Satzung kann nicht entnommen werden, dass die Gesellschafterversammlung über den Ausschluss des betroffenen Gesellschafters und über das Schicksal seines Anteils in einem Akt entscheiden müsste. Können die Entscheidungen aber getrennt erfolgen, ist nicht einzusehen, warum sie zwingend auf ein- und derselben Gesellschafterversammlung gefasst werden müssten. Dafür besteht – entgegen der Ansicht des Beklagten – auch kein Bedürfnis. Denn bereits mit dem Ausschluss des GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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fällt dessen Geschäftsanteil automatisch der Gesellschaft zum Zwecke der Verwertung zu (vgl. BGHZ 9, 157, 178; BGHZ 32, 17, 23; Scholz / Winter, GmbH-Gesetz, 9. Aufl. 2000, § 15 Rdnr. 149). Der Anteil, an dem sie das Verfügungsrecht erwirbt, besteht vorübergehend – bis zur Entscheidung über die Verwertung – als trägerloses Recht (Scholz / Winter a.a.O.). Der ausgeschlossene Gesellschafter erleidet durch eine „getrennte“ Beschlussfassung auch keinerlei Nachteile. Vor diesem Hintergrund kann in der in Rede stehenden Formulierung lediglich eine Ordnungsvorschrift erblickt werden, nach der über das weitere Schicksal des Gesellschaftsanteils möglichst zeitnah entschieden werden soll. Selbst wenn man aber, weil die Entscheidung betreffend die Übertragung des Anteils auf den Gesellschafter K. nicht schon in der Versammlung vom 30. Juni 2004 gefasst worden ist, insoweit von einer Fehlerhaftigkeit der Beschlüsse ausgehen wollte, könnte dies allenfalls zu deren Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit führen (vgl. auch Scholz / Schmidt a.a.O., § 48 Rdnr. 48).

3. Ein auf der Grundlage der Satzung gefasster Ausschließungsbeschluss kann entsprechend § 243 AktG allein im Wege der Anfechtungsklage darauf überprüft werden, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für den Ausschluss vorgelegen haben. Dabei ist § 246 Abs. 1 AktG nicht in der Weise analog anzuwenden, dass die dort normierte Monatsfrist streng anzuwenden ist.Vielmehr gilt hier eine von Fall zu Fall zu bestimmende angemessene Frist, die sich jedoch am Leitbild des § 246 Abs. 1 AktG zu orientieren hat. Danach ist die Anfechtungsklage jedenfalls mit aller dem Kläger zumutbaren Beschleunigung zu erheben. Bei Überschreitung dieser Frist kommt es darauf an, ob zwingende Gründe den Gesellschafter an einer früheren Klageerhebung gehindert haben, was bei auf eine wünschenswerte einvernehmliche Konfliktlösung gerichteten Verhandlungen der Fall sein wird.

Ein auf der Grundlage der Gesellschaftssatzung gefasster Ausschließungsbeschluss der GmbH-Gesellschafterversammlung kann entsprechend § 243 AktG allein im Wege der Anfechtungsklage darauf überprüft werden, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für den Ausschluss vorgelegen haben (vgl. BGH, GmbHR 1991, 362; Lutter / Hommelhoff a.a.O., Anh § 47 Rdnr. 61; Baumbach / Hueck / Fastrich a.a.O., Anh § 34 Rdnr. 16; Michalski / Sosnitza a.a.O., Anh § 34 Rdnr. 42). Versäumt der Betroffene die Anfechtungsfrist (dazu noch weiter unten), so kann er sich der Gesellschaft gegenüber – von engen Ausnahmen abgesehen (vgl. BGHZ 101, 113, 120 f., dazu im Folgenden unter dd)) – auf das Fehlen der Beschlussvoraussetzungen nicht mehr berufen (vgl. BGH, GmbHR 1992, 801; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a.a.O., Rdnr. 103; Hachenburg / Ulmer, GmbH-Gesetz, 8. Aufl. 1992, § 34 Rdnr. 47; Rowedder / Bergmann a.a.O., § 34 Rdnr. 85; Lutter / Hommelhoff a.a.O., Anh § 47, Rdnr. 60). So liegen die Dinge hier, denn der Beklagte hat erst mit der Berufungserwiderung vom 24. Juli 2006 widerklagend – und dies auch nur hilfsweise – einen Antrag gestellt, mit dem er die Nichtigkeit des Ausschließungsbeschlusses vom 30. Juni 2004 festgestellt haben will. Zwar schließt die Nichtigkeitsklage entsprechend § 249 AktG den Anfechtungsantrag entsprechend § 246 AktG regelmäßig mit ein (vgl. Lutter / Hommelhoff a.a.O., Anh § 47, Rdnr. 61). Zum Zeitpunkt der (hilfsweisen) Widerklageerhebung war die Anfechtungsfrist indes bereits abgelaufen.

Zwar ist nach herrschender Ansicht, welcher der Senat folgt, auf eine Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH § 246 Abs. 1 AktG nicht in der Weise analog anzuwenden, dass die dort normierte Monatsfrist streng anzuwenden ist. Vielmehr gilt hier eine von Fall zu Fall zu bestimmende angemessene Frist, die sich allerdings am Leitbild des § 246 Abs. 1 AktG zu orientieren hat, jedoch keinesfalls kürzer als die für das Aktienrecht geltende Frist sein darf (vgl. BGHZ 111, 224, 226; BGH, GmbHR 1992, 801; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a.a.O., Rdnr. 103; Lutter / Hommelhoff a.a.O., Anh § 47, Rdnr. 60). Auch wenn also der Anfechtungskläger im GmbH-Recht nicht in jedem Fall an die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG gebunden ist, hat er doch die Anfechtungsklage mit aller ihm zumutbaren Beschleunigung zu erheben (vgl. BGHZ 101, 113, 117; BGH, GmbHR 1992, 801; Lutter / Hommelhoff a.a.O.). Bei einer Überschreitung dieser Frist kommt es darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren Klageerhebung gehindert haben. So kann die Bindung des Gesellschafters an die aktienrechtliche Anfechtungsfrist namentlich dann unzumutbar sein, wenn er längere Zeit benötigt, um schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen zu klären, die für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage bedeutsam sind (vgl. BGH a.a.O.). Ebenso ist die Anwendung der Monatsfrist dann nicht angebracht, wenn sich die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter im Anschluss an die Beschlussfassung auf Verhandlungen über die Behandlung der Angelegenheit eingelassen haben; denn gerade in Anbetracht der personalistischen Prägung der GmbH wäre es verfehlt, den Gesellschafter während der Dauer solcher, auf eine wünschenswerte einvernehmliche Konfliktlösung gerichteter Verhandlungen zur Erhebung der Anfechtungsklage zu zwingen (vgl. BGHZ 111, 224, 226; BGH, GmbHR 1992, 801).

4. Für eine Klage des auf Grundlage der Satzung ausgeschlossenen Gesellschafters auf Feststellung, dass er seine Gesellschafterstellung gerade durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung, und nicht erst durch die Übertragung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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verloren hat, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis.

Die Klage ist – entgegen der Ansicht des Landgerichts und des Beklagten – mit beiden Hauptanträgen zulässig. Dabei war der erste Hauptantrag, mit dem die Klägerin festgestellt wissen will, dass „die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 30.062004 und 03.08.2004 zu TOP 2, mit denen der Gesellschafter J. … ausgeschlossen worden ist“, so auszulegen, dass es lediglich um den Beschluss der Gesellschafterversammlung zu TOP 2 vom 30. Juni 2004 geht, da allein dieser Beschluss den Ausschluss des Beklagten betrifft, um dessen Wirksamkeit es der Klägerin geht (zur Wirksamkeit des Beschlusses vom 03. August 2004 zu TOP 2, mit dem der Gesellschaftsanteil des Beklagten auf Herrn K. übertragen tragen worden ist, vgl. die Ausführungen unten zu Ziff. 3. a)).

Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Beklagte bei Erhebung der Klage nicht mehr Gesellschafter der Klägerin war. Dies lässt das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin an der begehrten Feststellung, dass der Beklagte seine Gesellschafterstellung gerade durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 30. Juni 2004 – und nicht erst durch die Übertragung seines Geschäftsanteils auf Herrn G. am 29. Juli 2004 – verloren hat, aber nicht entfallen. Von der Entscheidung dieser Frage hängen nämlich Rechtswirkungen ab, die gerade auch im Rechtsverhältnis der Parteien zueinander von Bedeutung sind. So weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass dem Beklagten (nur) im Falle der Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses eine Abfindung gemäß § 10 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages zu zahlen sei, die – jedenfalls nach Ansicht des Beklagten – auch eine beträchtliche Höhe erreichen könnte. Auch die Frage, bis wann dem Beklagten das Gewinnbezugsrecht zustand, hängt von dem genauen Zeitpunkt seines Ausscheidens ab. Hierüber Klarheit zu erhalten, kann der Klägerin nicht versagt werden.

 

Schlagworte: Anfechtungsklage Auschließungsbeschluss, Ausschluss des Gesellschafters, Ausschluss GmbH-Gesellschafter, Einstufiges Ausschlussverfahren, Geschäftsanteil als trägerloses Recht, Gesellschafterbeschluss, Rechtsfolgen für Geschäftsanteil, Satzungsgrundlage Ausschluss, Verwertung des Geschäftsanteils, Verwertung durch Übertragung an Mitgesellschafter oder Dritten, Zwei-Personen-Gesellschaft