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OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.06.2010 – VI-U (Kart) 9/10, U (Kart) 9/10

§ 1 GWB, § 935 ZPO, § 940 ZPO

1. Wenn ein verbundenes Unternehmen einen konzernfremden Subunternehmer mit zuvor ausschließlich konzernintern erbrachten Dienstleistungen betraut, ist der entsprechend geschlossene Austauschvertrag nicht als solcher wettbewerbsbeschränkend, sondern wettbewerbsfördernd und ist deshalb nicht auf ein nach § 1 GWB verbotenes Abkaufen von Wettbewerb gerichtet.

Die WAZ Post selbst bleibt unverändert als Anbieterin von Briefbeförderungsleistungen im Sinne einer sogenannten end-to-end-Beförderung auf dem Markt für Postdienstleistungen tätig. Dies ist geradezu eine wesentliche Voraussetzung des beabsichtigten vertraglichen Leistungsaustauschs, der nur einen Teil des Briefbeförderungs- und Zustellungsgeschäfts der WAZ Post zum Gegenstand hat und die Kundenakquise sowie die Erledigung der vorangehenden Teilleistungen von der Entgegennahme der Sendungen beim Versender bis zur Vorsortierung im Sortierzentrum durch die WAZ Post selbst erfordert. Insoweit beschränkt die WAZ Post auch nicht ihre Geschäftstätigkeit, sondern lagert lediglich den Teilbetrieb aus, der bereits zuvor – wenn auch konzernintern – durch einen Subunternehmer erledigt wurde. Vor diesem Hintergrund ergibt sich schließlich auch nichts für die Annahme, dass der LoI bzw. die darin in Aussicht genommene Beauftragung der Verfügungsbeklagten mit Briefbeförderungsleistungen langfristig auf die Übernahme des … Postdienstleistungsgeschäfts der WAZ Post durch die Verfügungsbeklagte bzw. des DPAG-Konzerns gerichtet ist. Ob in der Einstellung des Briefzustellungsgeschäfts der WAZ Logistik ein Verzicht der WAZ-Mediengruppe auf eine eigene Marktteilnahme liegt, begegnet bereits deshalb Bedenken, weil sich das geschäftliche Betätigungsfeld der WAZ Logistik – offensichtlich – ausschließlich auf die Erbringung von Subunternehmerleistungen namens und im Auftrag der WAZ Post beschränkte und die WAZ Post ihrerseits als Anbieterin einer end-to-end-Briefbeförderung mit unverändertem Leistungsangebot am Markt verbleibt. In jedem Fall aber liegt der Geschäftseinstellung kein Abkauf von Wettbewerb, sondern die autonome Entscheidung der WAZ-Mediengruppe zugrunde, das defizitäre Zustellgeschäft der WAZ Logistik einzustellen und die durch die WAZ Logistik bislang konzernintern erbrachte Leistung fortan bei einem externen Dienstleister einzukaufen. Diese Motivation der WAZ-Mediengruppe stellt die Verfügungsklägerin auch nicht in Frage, zumal sie selbst geltend macht, sie werde durch den LoI an dem Abschluss eines entsprechenden Dienstleistungsvertrages mit der WAZ Post gehindert. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass die WAZ Post den Vertrag mit der WAZ Logistik erst im Nachgang zum LoI gekündigt hat. Denn es ist in Anbetracht der fortbestehenden Leistungspflichten der WAZ Post gegenüber ihren Briefkunden wirtschaftlich nachvollziehbar und im WAZ-Konzern steuerbar gewesen, das Zustellgeschäft der WAZ Logistik erst dann wie beabsichtigt einzustellen, wenn ein Ersatz für sie gefunden und so ein nahtloser Übergang auf einen neuen Subunternehmer gewährleistet ist. Die in Aussicht genommene Beauftragung der Verfügungsbeklagten mit der Beförderung und Zustellung von Sendungen des sogenannten Exklusivbereichs ab Sortierzentrum der WAZ Post bezweckt oder bewirkt ferner keine kartellrechtsrelevante Beschränkung wettbewerblicher Interessen dritter Postdienstleister wie der Verfügungsklägerin. Insbesondere führt die Beauftragung der Verfügungsbeklagten – anders als die Verfügungsklägerin meint – nicht zu einer Marktverschließung gegenüber allen anderen Anbietern von Briefzustellungsleistungen. Die nach dem LoI beabsichtigte Beauftragung der Verfügungsbeklagten bzw. die inzwischen von der WAZ Post und der Verfügungsbeklagten auch vollzogene Absprache hierüber entzieht das entsprechende Nachfragevolumen der WAZ Post nicht dem Markt. Bei verständiger wirtschaftlicher Betrachtung ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Die (endgültige) Einstellung eines ausschließlich konzerninternen Leistungsaustauschs und die Einschaltung eines konzernfremden Dienstleisters als Subunternehmer ist darauf gerichtet, das Nachfragevolumen der WAZ Post erstmals am Markt einzudecken. Die der Zusammenarbeit der WAZ Post mit der Verfügungsbeklagten zugrunde liegende Vereinbarung ist daher sogar wettbewerbsfördernd. Dass die Beauftragung des einen Subunternehmers – hier der Verfügungsbeklagten – dessen Wettbewerber – hier u.a. die Verfügungsklägerin – von der Leistungserbringung ausschließt, ist die natürliche Folge eines jeden Vertragsabschlusses und deshalb kartellrechtlich ohne jede Bedeutung.

2. Der Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung ist nur unter den strengen Voraussetzungen für die Anordnung einer Leistungsverfügung möglich, sofern sie bereits auf die Befriedigung des Unterlassungsanspruchs gerichtet ist. Dies ist anzunehmen, wenn durch die Unterlassungsverfügung endgültige Verhältnisse geschaffen würden, die bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise einer vollumfänglichen Erfüllung des Unterlassungsanspruchs gleichkommen, z.B. weil der angegriffene Subunternehmerauftrag für den Verfügungsbeklagten im Falle des Erlasses der einstweiligen Verfügung verloren wäre.

Mit dem beantragten Verbot an die Verfügungsbeklagte, Verträge bestimmten Inhalts mit der WAZ Post abzuschließen oder durchzuführen, begehrt die Verfügungsklägerin eine Unterlassungsverfügung (§ 938 Abs. 2 ZPO), deren Erlass im Streitfall den strengen Voraussetzungen für die Anordnung einer Leistungsverfügung unterliegt. Zwar ist die Frage umstritten, ob für den Erlass einer eigens einen Unterlassungsanspruch sichernden Unterlassungsverfügung die geringeren Voraussetzungen einer Sicherungs- oder Regelungsverfügung im Sinne von §§ 935, 940 ZPO genügen (s. statt vieler: Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 940 Rn. 1; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., Grundz § 916 Rn. 8). Einigkeit besteht jedoch darüber, dass jedenfalls in dem Fall, dass die Unterlassungsverfügung deutlich über den reinen Sicherungszweck hinausgeht und insbesondere der Durchsetzung eines auf Unterlassung gerichteten Verfügungsanspruchs dient, diese einer Leistungsverfügung gleichgestellt ist (vgl. : Senat, Urteil vom 11.01.2006, VI-U (Kart) 24/05, zitiert nach juris Tz. 30; Vollkommer, a.a.O., § 940 Rz. 1 a.E.; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, MDR 2004, 1019, 1020). Dies ist hier der Fall, denn die Verfügungsklägerin begehrt den Erlass einer Unterlassungsverfügung, die über die Sicherung einer späteren Durchsetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs aus § 33 Abs. 1 GWB hinaus bereits jetzt auf dessen Befriedigung gerichtet ist:

Der gegen die Verfügungsbeklagte gerichtete Verfügungsanspruch aus § 33 Abs. 1 GWB ist darauf gerichtet, es zu Unterlassen, für die WAZ Post deren … Postsendungen im sog. Exklusivgebiet ab Sortierzentrum der WAZ Post zu übernehmen und zu befördern sowie zuzustellen. Der Verfügungsklägerin geht es in der Hauptsache nicht um das Unterlassen einer bestimmten Art und Weise oder den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern um die endgültige Unterbindung der im LoI vom 08.12.2009 in Aussicht genommenen Zusammenarbeit gerade der Verfügungsbeklagten mit der WAZ Post, weil – so die Verfügungsklägerin – in der Beauftragung eben der Verfügungsbeklagten eine Wettbewerbsbeeinträchtigung zu ihren Lasten liege. Die zur Sicherung dieses Verfügungsanspruchs begehrte einstweilige Untersagung ist auf dasselbe Ziel gerichtet. Der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Verfügungsantrag ist zwar formal darauf gerichtet gewesen, der Verfügungsbeklagten lediglich den Abschluss von Dienstleistungsverträgen mit der WAZ Post zu untersagen. Praktisch zielt eine entsprechende Unterlassungsverfügung jedoch darauf, durch das Verbot eines die gegenseitigen Leistungen regelnden Austauschvertrages die beabsichtigte Tätigkeit der Verfügungsbeklagten für die WAZ Post bereits im Keim zu unterbinden und zu verhindern. Ausdrücklich umfasst der Verfügungsantrag in seiner im Berufungsverfahren formulierten Fassung dieses Ziel. Denn offensichtlich vor dem Hintergrund, dass die Verfügungsbeklagte die nach dem LoI beabsichtigte Tätigkeit für die WAZ Post aufgenommen hat, begehrt die Verfügungsklägerin nun ausdrücklich auch die Untersagung, entsprechende Verträge durchzuführen. Dies bedeutet nichts anderes als die Untersagung der Briefbeförderung und Zustellung namens und im Auftrag der WAZ Post. Würde die beantragte einstweilige Untersagung erlassen werden, sicherte sie nicht nur die (spätere) Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs aus § 33 Abs. 1 GWB, indem die bei Vereinbarung des LoI bestehende Sachlage bis zur Klärung der Rechtslage in einem Hauptsacheverfahren aufrechterhalten wird. Vielmehr würde sie bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung endgültige Verhältnisse schaffen, die einer vollumfänglichen Erfüllung des Unterlassungsanspruchs aus § 33 Abs. 1 Satz 1 GWB gleichkämen:

Die untersagte Handlung könnte nicht nur für die Geltungsdauer des Verbots später nicht mehr nachgeholt werden, was bereits der (zeitweiligen) Befriedigung des Unterlassungsanspruchs entspricht. Über einen solchen Aufschub hinaus führt vielmehr bereits das einstweilige Verbot faktisch zur endgültigen Unterbindung der zwischen der Verfügungsbeklagten und der WAZ Post beabsichtigten Zusammenarbeit. Denn die WAZ Post wäre dann gezwungen, möglichst nahtlos einen anderen konzernfremden Dienstleister zu beauftragen, was dazu führt, dass die mit dem LoI vom 08.12.2009 in Aussicht genommene Subunternehmertätigkeit für die Verfügungsbeklagte endgültig verloren wäre. Die WAZ Post unterliegt im Verhältnis zu ihren Kunden (was selbst die Verfügungsbeklagte nicht in Abrede stellt) fortlaufenden Briefbeförderungspflichten. In der vorherigen Beauftragung der WAZ Logistik tritt bereits zu Tage, dass die WAZ Post selbst nicht über eigene Betriebsmittel sowie Vertriebsstrukturen verfügt, um den Fortfall der Verfügungsbeklagten aufzufangen und ihre Leistungspflichten mittels eigener Leistungen zu erbringen. Der Vertrag mit der WAZ Logistik ist unstreitig zum 31.01.2010 gekündigt; nach ebenfalls unstreitiger Entlassung ihres sämtlichen Zustellungspersonals und darin liegender Einstellung ihres Zustellbetriebs steht die WAZ Logistik nicht mehr zur Verfügung. Wird der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung eine Subunternehmertätigkeit für die WAZ Post auch nur vorläufig untersagt, ist die WAZ Post vor diesem Hintergrund wirtschaftlich gezwungen, ein Drittunternehmen mit den Briefbeförderungs- und Zustellungsleistungen zu beauftragen. Dies führt bei wirtschaftlicher Betrachtung zwangsläufig zum endgültigen Verlust des betreffenden Subunternehmerauftrages für die Verfügungsbeklagte und damit zur endgültigen sowie vollumfänglichen Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs aus § 33 Abs. 1 GWB.

Eine Leistungsverfügung ist – weil sie zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen Vorwegnahme der Hauptsache führt – nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. WuW/E DE-R 619, 774 und 847; Urt. v. 25.4.03 – U (Kart) 1/03 ; Urt. v. 29.12.04 – U (Kart) 41/04, Urt. v. 26.1.2005 – VI-U(Kart) 32/04 ; Beschl. v. 27.3.2006 – VI-W(Kart) 2/06 ) und anderer Oberlandesgerichte (OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, WuW/E OLG 2319; OLG SaarbrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, WuW/E OLG 2573; OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, WuW/E OLG 3893; KG, WuW/E OLG 4628; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, NJW 1994, 56) genügt es nicht, dass ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung die Verwirklichung eines Anspruchs des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO) oder der nachgesuchte einstweilige Rechtsschutz erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 940 ZPO). Eine Leistungsverfügung kommt nur bei bestehender oder zumindest drohender Notlage des Antragstellers in Betracht. Dieser muss so dringend auf die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs angewiesen sein oder ihm müssen so erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, dass ihm ein Zuwarten bei der Durchsetzung seines Anspruchs oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht zuzumuten ist. Dem Interesse der antragstellenden Partei an einer Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch Erlass der Leistungsverfügung ist dabei das schutzwürdige Interesse der verfügungsbeklagten Partei gegenüberzustellen, in einem mit nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten ausgestatteten summarischen Verfahren nicht zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs angehalten zu werden. Hierbei trägt der Antragsteller eines Verfügungsverfahrens für das Vorliegen der die Annahme eines Verfügungsgrundes tragenden Tatsachen die Last der Darlegung und Glaubhaftmachung.

 

 

Schlagworte: Kartellrechtliche Leistungsverfügungen