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OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.04.1999 – 16 U 126/98

§ 35 GmbHG, § 615 S 2 BGB, § 626 Abs 1 BGB

1. Der Geschäftsführer einer GmbH, der aus dem Organverhältnis abberufen und von seinen Dienstpflichten für die Dauer des fortbestehenden Anstellungsverhältnisses freigestellt wurde, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, unaufgefordert über seinen während dieser Zeit bezogenen anderweitigen Verdienst Auskunft zu erteilen, wenn er die Gesellschaft auf Zahlung rückständigen Gehalts verklagt.

Dagegen, daß der Beklagte auch nach seiner Freistellung durch die Klägerin nicht berechtigt sein sollte, eine anderweitige entgeltliche Tätigkeit aufzunehmen, spricht desweiteren § 615 BGB. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann der Dienstverpflichtete im Falle des Annahmeverzuges des Dienstberechtigten die Fortzahlung der vereinbarten Vergütung verlangen, muß sich nach Satz 2 u.a. aber dasjenige anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste zu erwerben böswillig unterläßt. Diese Bestimmung haben die Parteien in § 4 lit. c) des Vertrages insoweit übernommen, als die Klägerin nach einer Kündigung berechtigt sein sollte, auf die Dienste des Beklagten zu verzichten, wovon sie hier Gebrauch gemacht hat. Dieser hatte gleichwohl Anspruch auf seine bisherigen Gehaltsbezüge bis zum Ende des Vertragsverhältnisses. Daß die Parteien mit dieser vertraglichen Regelung, welche keine Bestimmung über die Anrechnung anderweitigen Zwischenverdienstes enthält, etwa § 615 Satz 2 BGB hätten abbedingen wollen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr gehen beide Parteien im vorliegenden Rechtsstreit wie auch in dem Prozeß 13 O 12/97 LG Wuppertal davon aus, daß § 615 Satz 2 BGB anwendbar ist. Dann aber hätte der Beklagte ggfs. sogar eine Kürzung seiner Bezüge hinnehmen müssen, wenn er die Möglichkeit anderweitigen Verdienstes nicht wahrgenommen hätte. Mithin kann die – auch ungenehmigte – Aufnahme einer anderweitigen entgeltlichen Tätigkeit kein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses zwischen den Parteien sein, jedenfalls dann nicht, wenn es sich wie hier nicht um eine konkurrierende Tätigkeit handelte. Der Beklagte war deshalb auch nicht etwa gehalten, vor Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit seinerseits das Vertragsverhältnis mit der Klägerin zu kündigen und etwaigen Verdienstausfall als Schadensersatz geltend zu machen. Vielmehr konnte er als Dienstpflichtiger wählen, ob er gemäß § 615 BGB vorging oder andere Rechte geltend machte und etwa Schadensersatz verlangte (vgl. Soergel-Kraft, BGB, 12. Aufl., § 615 Rdnr. 50).

Gemäß § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 4 lit. c) Satz 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Dienstvertrages stand dem Beklagten grundsätzlich trotz seiner Freistellung ein Anspruch auf die vereinbarte Geschäftsführervergütung sowie sonstige Bezüge zu. Dadurch daß der Beklagte eine anderweitige Tätigkeit aufnahm, entfiel dieser Anspruch nicht etwa schon dem Grunde nach. Zwar setzt der Annahmeverzug des Dienstberechtigten, an welchen § 615 Satz 1 BGB den Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge anknüpft, voraus, daß der Dienstverpflichtete tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen, und hieran wird es regelmäßig fehlen, wenn der Dienstpflichtige eine anderweitige Vollbeschäftigung übernimmt. Die Unmöglichkeit der Diensterbringung wegen Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit bleibt aber gerade außer Betracht, wie § 615 Satz 2 BGB belegt. Durch anderweitige Arbeitsaufnahme wird der bestehende Dienstvertrag auch nicht beendet und nicht gekündigt (vgl. MK-Schaub, BGB, 3. Aufl., § 615 Rdnr. 17; Staudinger-Richardi, BGB, 12. Aufl., § 615 Rdnr. 79 und 117; Soergel-Kraft, BGB, 12. Aufl., § 615 Rdnr. 47). Gemäß § 615 Satz 2 BGB mußte sich der Beklagte allerdings dasjenige auf seinen gegen die Klägerin gerichteten Vergütungsanspruch anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwarb, so u.a. das von der D Y GmbH und der P Unternehmensberatung und Beteiligungsgesellschaft mbH für die Zeit ab März 1997 bezogene Honorar. Gleichwohl ist nicht feststellbar, daß der Beklagte einen versuchten Prozeßbetrug begangen hat, als er mit Schriftsatz vom 21.04.1997 die Klage u.a. um seine ungekürzten Gehaltsforderungen für die Monate März bis Mai 1997 erweiterte. Insofern ist bereits nicht ersichtlich, daß der Beklagte falsche Tatsachen vorgespiegelt oder wahre unterdrückt oder entstellt habe, § 263 StGB. Zu einem etwaigen anderweitigen Verdienst hat sich der Kläger ausweislich der beigezogenen Akten 13 O 91/96 und 13 O 12/97 weder vor noch im Zusammenhang mit dieser Klageerhöhung geäußert. Seinem Schweigen kann aber nicht die Bedeutung beigemessen werden, er erziele keinen anderweitigen Verdienst oder habe keine anrechenbaren Einkünfte (gehabt). Es entspricht einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, daß im Rahmen des § 615 Satz 2 BGB den Dienstberechtigten die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, ob und in welcher Höhe anrechenbare Bezüge den Anspruch des Dienstpflichtigen auf Fortzahlung seiner Vergütung während der Zeit des Annahmeverzuges mindern (BAG in ständiger Rechtsprechung vgl. nur NJW 1994, 2041, 2042 = AP § 615 Nr. 52; Staudinger-Richardi § 615 Rdnr. 158; MK-Schaub, § 615 Rdnr. 73; Soergel-Kraft, § 615 Rdnr. 59). Hat der Dienstberechtigte Anhaltspunkte für anderweitigen anrechenbaren Verdienst des Dienstpflichtigen und kann er dies im Prozeß darlegen sowie ggfs. beweisen, kann er von den Dienstpflichtigen analog § 74 c) Abs. 2 HGB über die Höhe der anrechenbaren Einkünfte Auskunft verlangen und bis zu deren Erteilung seinerseits Zahlung verweigern (BAG a.a.O.; BAG NJW 1974, 1348 f. = AP § 242 BGB – Auskunftspflicht – Nr. 15; BAG NJW 1979, 285 f. = AP § 242 BGB – Auskunftspflicht – Nr. 16; MK-Schaub § 615 BGB Rdnr. 73; Staudinger-Richardi § 615 Rdnr. 158 f.). Fällig wird dieser Auskunftsanspruch auf Verlangen des Dienstberechtigten, so daß der Dienstverpflichtete nicht unaufgefordert zur Auskunft verpflichtet ist (MK-v. Hoyningen-Huene, HGB, § 74 c) Rdnr. 29). Demzufolge kann dem Vorbringen des Beklagten als Dienstverpflichteten, der sich über anderweitige Auskünfte ausschweigt, nicht konkludent die Aussage entnommen werden, er habe solche nicht erzielt.

2. Ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung des auslaufenden Dienstvertrages des Geschäftsführers kann fehlen, wenn die Gesellschaft sich ihrerseits gegenüber dem abberufenen Geschäftsführer vertragsbrüchig und rechtswidrig verhält.

3. Steht dem Geschäftsführer gemäß Dienstvertrag ein Dienstwagen zu, welcher unbegrenzt privat genutzt werden darf und erst bei Beendigung des Dienstverhältnisses zurückzugeben ist, so verletzt er seine Dienstpflichten nicht, wenn er das Fahrzeug während der Restdauer des Dienstvertrages für eine erlaubte anderweitige berufliche Tätigkeit nutzt.

Schlagworte: Annahmeverzug der Gesellschaft, Außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages