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OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Juni 2001 – 17 U 200/00 

§ 29 GmbHG, § 42a Abs 2 S 1 GmbHG, § 50 Abs 3 GmbHG

1. Wenn die Gesellschaftermehrheit keine Gewinnverwendungsbeschlüsse faßt, von denen letztlich der Gewinnanspruch der Gesellschafter abhängt, kann dem Gesellschafter zwar ein klagbarer Anspruch gegen die Gesellschaft zustehen, der aber nur auf die Herbeiführung eines Gewinnverwendungsbeschlusses gerichtet sein kann, ohne dessen Inhalt festzulegen.

2. Für eine auf Herbeiführung eines Gewinnverwendungsbeschlusses gerichtete Klage gegen die Gesellschaft besteht jedoch dann kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der betreffende Gesellschafter seine Rechtsinteressen auch ohne Erhebung einer solchen Klage, insbesondere durch Ausübung des ihm nach GmbHG § 50 Abs 3 zustehenden Selbsthilferechts erreichen kann.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. November 2000 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,– DM abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheitsleistungen können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer Deutschen Großbank oder eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.

Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Haftung
einen Fachverlag für Steuer- und Wirtschaftsliteratur. Geschäftsführer der Beklagten ist der Vater des Klägers, … W, der auch bis zum Jahre 1996 alleiniger Gesellschafter war. Durch notariellen Vertrag vom 18. Januar 1996 (Bl. 7-12 GA) übertrug … W im Wege der vorgenommenen Erbfolge und Schenkung dem Kläger 40 % der Geschäftsanteile an der Beklagten, wobei der Geschäftsanteilsübertragungsvertrag unter Nr. II folgende Regelung enthielt:

„Der Geschäftsanteil wird mit allen in verbundenen Rechten und Pflichten, insbesondere mit dem vollen Gewinnbezugsrecht für 1995 mit sofortiger dinglicher und schuldrechtlicher Wirkung auf den Erwerber übertragen.“

In den Jahren 1996 und 1997 erwirtschaftete die Beklagte jeweils Gewinne, von denen nach der Darstellung des Klägers — ausgehend von seiner 40 %-igen Beteiligung — auf ihn Gewinnanteile in Höhe von 28.764,16 DM (1996) bzw. 101.619,59 DM (1997) entfallen sein sollen. Der Kläger knüpft dabei an ihn von der Beklagten erteilten Steuerbescheinigungen (Bl. 13, 14 GA) an. Wirksame Gewinnverwendungsbeschlüsse wurden für den fraglichen Zeitraum von den Gesellschaftern der Beklagten nicht gefasst. Der Kläger hat sich bislang auch nicht darüber bemüht, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, um derartige Beschlüsse zu fassen.

Mit seiner Klage hat er in erster Linie die Auszahlung der auf ihn entfallenen Gewinnanteile für die Jahre 1996 und 1997 geltend gemacht. Hilfsweise verlangt er von der Beklagten, Gesellschafterbeschlüsse herbeizuführen, wonach ihm die oben genannten Gewinnanteile auszukehren sind.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 130.383,75 DM nebst 5 % Zinsen aus einem Betrag von 28.764,16 DM seit dem 02.04.1997 sowie aus einem Betrag in Höhe von 101.619,59 DM seit dem 02.04.1998 zu zahlen.

Hilfsweise hat er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, Gesellschafterbeschlüsse herbeizuführen, wonach ihm für das Jahr 1996 ein Betrag von 28.764,16 DM und für das Jahr 1997 ein Betrag von 101.619,59 DM als Gewinn auszukehren sind.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat folgendes geltend gemacht:

Vor der Übertragung der Geschäftsanteile Ende 1995 sei in einem Gespräch zwischen ihrem Geschäftsführer und dem Kläger eine Vereinbarung getroffen worden, nach deren Inhalt sich ihre Geschäftsführer als Bedingung für die Übertragung der Geschäftsanteile das Recht vorbehalten habe, alleine über eventuelle Gewinnausschüttungen zu verfügen und zu bestimmen, solange er das Unternehmen leite und die Mehrheit der Geschäftsanteile besitze. Hierdurch habe der Kläger auf irgendwelche Gewinnauszahlungsansprüche verzichtet.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Klage hinsichtlich des Hauptantrages abgewiesen und ihr in Bezug auf den Hilfsantrag stattgegeben. Zur Begründung hat es folgendes ausgeführt: Ein Anspruch auf Gewinnausschüttung stehe dem Kläger derzeit nicht zu, da dieser einen von den Gesellschaftern in der Gesellschafterversammlung gefassten Gewinnverwendungsbeschluss voraussetze. Der Kläger könne jedoch von der Beklagten die Herbeiführung eines derartigen Beschlusses mit dem vom Kläger gewünschten Inhalt verlangen. Denn dem Kläger stünden aufgrund seiner 40 %-igen Beteiligung an der Beklagten Gewinnanteile in der geltenden gemachten Höhe zu. Es könne auch nicht angenommen werden, dass der Kläger auf deren Ausschüttung verzichtet habe. Die insoweit beweispflichtige Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis dafür, dass eine solche Abrede getroffen worden sei, nicht geführt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie insbesondere folgendes geltend macht:

Ein Anspruch gegen sie — die Beklagte — auf Herbeiführung von Gewinnverwendungsbeschlüssen des beantragten Inhalts stehe dem Kläger schon aus grundsätzlichen gesellschaftsrechtlichen Erwägungen nicht zu. Sie könne als Gesellschaft keine Handlungen vornehmen, die zur Herbeiführung der vom Kläger begehrten Beschlüsse erforderlich wären. Im übrigen sei bewiesen, dass der Kläger im Vorfeld der Geschäftsanteilsübertragung auf Gewinnbezugsrechte verzichtet habe. Die zum gegenteiligen Ergebnis gelangende Beweiswürdigung des Landgerichts sei unzutreffend.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger, der sowohl die mit Schriftsatz vom 05. Juni 2001 eingelegte AnschlußBerufung, mit der er den in erster Instanz abgewiesenen Zahlungsantrag weiterverfolgen wollte, als auch die in der Berufungserwiderung vorgenommene Klageerweiterung auf den Mitgesellschafter W. wieder zurückgenommen hat, bevor dieser Schriftsatz dem Mitgesellschafter des Klägers zugestellt worden ist, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil gegen die Angriffe der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden und Unterlagen Bezug genommen.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

I.

Nachdem der Kläger seine AnschlußBerufung zurückgenommen hat, ist Gegenstand des Berufungsverfahrens allein der vom Kläger gestellte Hilfsantrag, mit dem er von der beklagten Gesellschaft die Herbeiführung konkreter Gesellschafterbeschlüsse über die Verwendung der von der Beklagten in den Jahren 1996 und 1997 erzielten Gewinne begehrt, nach deren Inhalt ihm — dem Kläger — Gewinnanteile in Höhe von 28.764,16 DM sowie 101.619,59 DM ausgekehrt werden sollen.

Die darauf gerichtete Klage ist jedoch unzulässig, weil dem Kläger hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Nach dem beiderseitigen Vorbringen der Parteien sind von den Gesellschaftern der Beklagten — trotz der dafür in § 42 a Abs. 2 S. 1 GmbHG vorgesehenen Frist von maximal 11 Monaten — bislang jedenfalls keine wirksamen Gewinnverwendungsbeschlüsse für die Jahre 1996 und 1997 gefasst worden. In einem derartigen Fall stellt sich die Frage, wie gesellschaftsrechtlich zu verfahren ist, wenn die Gesellschaftermehrheit nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht Beschlüsse fasst, von denen letztlich der Gewinnanspruch der Gesellschafter abhängt.

Während die höchstrichterliche Rechtsprechung diese Frage bislang nicht entschieden bzw. ausdrücklich offengelassen hat (vgl. BGH NJW 1998, 3646, 3648), billigt die herrschende Meinung in der Literatur jedem Gesellschafter einen klagbaren Anspruch gegen die Gesellschaft auf Beschlussfassung zu (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 17. Auflage, § 29 GmbHG, Rdn. 40, m.w.Nachw.; Scholz/Emmerich, GmbHG, 9. Auflage, § 29 GmbHG, Rdn 34 ff; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, § 29 GmbHG, Rdn. 32 f; Hachenburg/Goerdeler/Müller, GmbHG, 8. Auflage, § 29 GmbHG, Rdn. 56; Hachenburg/Hüffer, a.a.O., § 46 GmbHG, Rdn. 20; Rowedder, GmbHG, 3. Auflage, § 29 GmbHG, Rdn. 35 f). Meinungsverschiedenheiten bestehen jedoch in Bezug auf die inhaltliche Reichweite der Klagemöglichkeit. Nach einem Teil der Literatur hat der Gesellschafter einen einklagbaren Anspruch auf einen Gewinnverwendungsbeschluss mit konkretem Beschlussinhalt mit der Folge, dass im Falle der Begründetheit des sich aus dem gesellschaftlichen Mitgliedschaftsrecht ergebenden Gewinnbezugsrechtes ein nach § 894 ZPO vollstreckbares Urteil ergeht, in dem der Beschlussinhalt im einzelnen festgelegt wird. Begründet wird diese Auffassung damit, dass sich der erforderliche Beschlussinhalt im wesentlichen aus dem Gesetz und der Satzung der Gesellschaft ergebe, wobei fehlende Beschlussteile notfalls in entsprechender Anwendung der §§ 315 ff BGB sowie des § 254 Abs. 1 AktG durch das Gericht ersetzt werden könnten (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O., § 29 GmbHG, Rdn. 41, Hueck, Festschrift für Steindorff, 1990, S. 45, 56 f; Zöllner, ZGR 1988, 416, 418 ff). Gegen diese Auffassung sprechen jedoch grundsätzliche gesellschaftsrechtliche Erwägungen. Die Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ist als juristische Person nicht in der Lage, Beschlüsse zu fassen; dies können nur ihre Organe, im konkreten Fall die dafür nach §§ 29, 46 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG zuständige Gesellschafterversammlung. Dieser Grundsatz widerspricht prinzipiell dem Ergebnis, einem Gesellschafter die Möglichkeit einzuräumen, die Gesellschaft selbst auf eine Beschlussfassung mit bestimmten Inhalt zu verklagen. Hinzukommt, dass es durchgreifenden Bedenken begegnet, richterliches Ermessen an die Stelle einer Gesellschafterentscheidung zu setzen, die — wie dem GmbH-Gesetz insgesamt zu entnehmen ist — autonom gefasst werden soll. Dies gilt gerade in besonders hohem Maße auch für die Beschlussfassung über die Gewinnverwendung, bei der nach der durch das Bilanzrichtliniengesetz erfolgten Neufassung des § 29 GmbHG den Gesellschaftern bei der Gewinnverwendung frei Hand gelassen wird. Der Senat folgt daher der in der Literatur mehrheitlich vertretenen Auffassung, nach der dem Gesellschafter in einem Fall wie dem vorliegenden unter Umständen zwar ein klagbarer und gegebenenfalls nach § 888 ZPO vollstreckbarer Anspruch gegen die Gesellschaft zustehen kann, der aber nur auf die Herbeiführung eines Gewinnverwendungsbeschlusses gerichtet sein kann, ohne dessen Inhalt festzulegen (vgl. Scholz/Emmerich, a.a.O., § 29 GmbHG, Rdn. 35, 35 a; Scholz/Schmidt, GmbHG, 8. Auflage, § 46 GmbHG, Rdn. 51; Hachenburg/Goerdeler/Müller, a.a.O., § 29 GmbHG, Rdn. 58; Hachenburg/Hüffer, a.a.O., § 46 GmbHG, Rdn. 16, 17 m.w.Nachw.).

Für eine derartige auf Herbeiführung eines Gewinnverwendungsbeschlusses gerichtete Klage gegen die Gesellschaft besteht jedoch dann kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der betreffende Gesellschafter seine Rechtsinteressen auch ohne Erhebung einer solchen Klage, insbesondere durch Ausübung des ihm nach § 50 Abs. 3 GmbHG zustehenden Selbsthilferechts erreichen kann (vgl. Hachenburg/Hüffer, a.a.O., § 46 GmbHG, Rdn. 15 und § 50 GmbHG, Rdn. 29; Scholz/Schmidt, a.a.O., § 46 GmbHG, Rdn. 20 und § 50 GmbHG, Rdn. 33 m.w.Nachw.). Dies ist hier der Fall. Der Kläger hält 40 % der Geschäftsanteile an der Beklagten; damit verfügt er über eine Minderheitsbeteiligung, die ihm nach § 50 Abs. 3 GmbHG das Recht gibt, selbst eine Gesellschafterversammlung unter Mitteilung des Sachverhältnisses — hier die Beschlussfassung über die Gewinnverwendung — einzuberufen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die Vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den § 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Der Wert der Beschwer des Klägers beträgt mehr als 60.000,–DM.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 130.383,75 DM festgesetzt.

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Schlagworte: Gewinnausschüttung, Selbsthilferecht nach § 50 Abs. 3 Satz 1 GmbHG