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OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.07.2012 – I-6 U 69/11

AktG §§ 121 ff., 142, 241 ff.

1. Eine gerichtlich in einem Verfahren nach § 142 Abs. 2 AktG auf Antrag einer Aktionärsminderheit angeordnete Sonderprüfung und eine von der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft mit Mehrheit freiwillig beschlossene Sonderprüfung unterscheidet sich – unabhängig von ihrem jeweiligen Umfang in der Sache – in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen vielfach voneinander, unter anderem auch im Hinblick auf die nur bei einer gerichtlich angeordneten Sonderprüfung bestehende Möglichkeit einer Schwärzung von kritischen Textpassagen auf Antrag des Vorstandes in einem gerichtlichen Verfahren gemäß § 145 Abs. 4 AktG.

2. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Feststellung des Zustandekommens eines Beschlusses über die Durchführung einer Sonderprüfung kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass ein derartiger Beschluss seinerseits in mehrfacher Hinsicht inhaltlich mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren sei. Dieser Einwand führt nicht zur fehlenden Zulässigkeit, sondern allenfalls zur fehlenden Begründetheit der Klage, weil diese nicht auf die Feststellung eines Beschlusses mit einem gesetzlich unzulässigen Inhalt gerichtet sein kann (LG München WM 2008, 2297 f. = juris Rn. 19; LG Dortmund AG 2009, 881 ff. = juris Rn. 94, 98; Hüffer, AktG, 10. Auflage, § 246 AktG Rn. 42).

3. Gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 AktG a. F. hat der Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung „schriftlich“ zu erfolgen. Nach praktisch einhelliger Ansicht ist diese Anforderung dahingehend zu verstehen, dass die Form des § 126 Abs.1 Satz 1 BGB einzuhalten ist, das Antragsschreiben also von dem Unterzeichner eigenhändig unterschrieben sein muss (K. Schmidt/Lutter/Ziemons, AktG, 2. Auflage, § 122 AktG Rn. 32.; Hölters/Drinhausen, AktG, § 122 AktG Rn. 9, 18; Hüffer, AktG, 10. Auflage, § 12 AktG Rn. 4; a. A. nur MüKo AktG/Kubis, 2.Auflage, § 122 AktG Rn12, der in Fällen besonderer Dringlichkeit entgegen dem Wortlaut des Gesetzes ohne nähere Begründung eine Übermittlung per Telekopie genügen lassen will).  Eine derart eindeutige Formvorschrift kann nicht einfach unterlaufen werden. Die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für die von ihm geforderte Form ist hinzunehmen und kann nicht contra legem durch eine weniger strenge Form ersetzt werden.

4. Ob für die Zeit nach dem Ablauf der sich aus Art. 15 Satz 1 der Aktionärsrechterichtlinie (RL 2007/36/EG) ergebenden Umsetzungsfrist bis zum 03. August 2009 möglicherweise etwas anderes gilt, weil die Vorschrift des § 122 AktG jedenfalls in ihrer Neufassung durch das ARUG in richtlinienkonformer Weise dahingehend auszulegen ist, dass hier auch die Einhaltung der bloßen Textform i. S. d. §126b BGB als ausreichend angesehen werden muss (so K. Schmidt/Lutter/Ziemons, a. a. O., § 122 AktG Rn. 32), kann dahinstehen.

5. Der Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung ist in der Regel innerhalb einer Frist von vier bis fünf Werktagen nach der Bekanntgabe der Einberufung zu stellen (Obermüller/Werner/Winden/Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 4. Auflage, Rn. B 115; Kaum, Beck’sches Formularbuch Aktienrecht, S. 533; Mertens, AG 1997, 481, 486).

6. Bei dem Verlangen auf die Ergänzung der Tagesordnung einer Hauptversammlung gemäß § 122 Abs. 2 AktG handelt es sich – ebenso wie bei dem Verlangen auf die Einberufung einer Hauptversammlung gemäß § 122 Abs. 1 AktG – um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, für die nach allgemeiner Ansicht unter anderem auch die Vorschrift des § 174 BGB analog anzuwenden ist (Hüffer, a. a. O., §122 AktG Rn. 4; Hölters/Drinhausen, a. a. O., § 122 AktG Rn. 9; MüKoAktG/Kubis, a. a. O., § 122 AktG Rn. 10 m. w. N.). Die daher erforderliche Vorlage einer Vollmachtsurkunde im Original oder in einer den Anforderungen des § 47 BeurkG genügenden Ausfertigung (BGH NJW 2001, 289 ff., 291 = juris Rn. 23; MüKoBGB/Schramm, Bürgerliches Gesetzbuch, 6. Auflage, § 174 BGB Rn. 4; Palandt/Ellenberger, a. a. O., §174 BGB Rn. 5, jeweils m. w. N.).

7. Anfechtungsgründe müssen in ihrem wesentlichen Tatsachenkern bereits innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG in den Rechtsstreit eingeführt werden; daher müssen auch die Fragen, auf deren fehlende oder nicht ausreichende Beantwortung die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses gestützt werden soll, bereits in der Klageschrift im einzelnen bezeichnet werden (BGHZ 180, 9 ff. = WM 2009, 459 ff. = juris Rn. 34 m. w. N.; OLG Stuttgart, AG 2011, 93 ff. = juris Rn. 632); hierzu gehört insbesondere auch, dass in solchen Fällen, in denen sich der Anfechtungskläger nicht bloß darauf beruft, bestimmte Fragen seien überhaupt nicht beantwortet worden, sondern darauf, die erteilten Antworten seien unrichtig oder unvollständig, nicht nur die gestellten Fragen, sondern auch die darauf gegebenen Antworten der Verwaltung noch innerhalb der Anfechtungsfrist ebenfalls vorgetragen werden (OLG Stuttgart, a. a. O. = juris Rn. 633). Eine pauschale Rüge der Verletzung von Informationspflichten lässt die erforderliche Überprüfung, ob ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte ansehen würde – (BGHZ 180, 9 ff. = WM 2009, 459 ff. = juris Rn. 39 m. w. N.) – Maßstab des § 243 Abs.4 Satz 1 AktG – nicht zu und reicht deshalb im Ergebnis nicht aus.

8. Beschlüsse über die Entlastung von Organmitgliedern in einer Aktiengesellschaft können gemäß § 243 Abs. 1 AktG wegen eines Verstoßes gegen das Gesetz oder gegen die Satzung der Gesellschaft angefochten werden können, wenn Gegenstand der Entlastungsentscheidung ein Verhalten ist, das seinerseits eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß beinhaltet (BGHZ 153, 47 ff. = WM 2003, 533 ff. = juris Rn. 15; BGHZ 160, 385 ff. = WM 204, 2489 ff. = juris Rn. 6 ).

9. Unter den Voraussetzungen des § 122 Abs. 1 Satz 1 AktG ist der Vorstand nicht nur berechtigt, sondern grundsätzlich auch verpflichtet, eine Hauptversammlung einzuberufen. Es handelt sich um eine gebundene Vorstandsentscheidung. Weitere inhaltliche Anforderungen an das Einberufungsverlangen stellt das Gesetz ausdrücklich nicht (OLG Stuttgart, AG 2009, 169 ff. = juris Rn. 10). Genügt das Verlangen auf die Einberufung einer Hauptversammlung den gesetzlichen Anforderungen, so ist es daher nicht die Aufgabe des Vorstandes, den sich aus einer derartigen Hauptversammlung ergebenden Kostenaufwand im Hinblick auf seine Sinnhaftigkeit zu hinterfragen.

10. In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings anerkannt, dass die Ausübung des durch § 122 Abs. 1 AktG geschützten Minderheitenrechts den Treuebindungen unterliegt, die zwischen der Aktiengesellschaft und ihren Aktionären bestehen. Ein Einberufungsverlangen darf daher nur auf die Behandlung solcher Gegenstände gerichtet sein, für welche die Hauptversammlung eine aktienrechtliche Zuständigkeit besitzt und die eine Beschlussfassung durch die Hauptversammlung erfordern. Außerdem darf es auch nicht auf die Herbeiführung eines gesetzes- oder satzungswidrigen Hauptversammlungsbeschlusses gerichtet und auch nicht rechtsmissbräuchlich sein, wobei im Rahmen der Konkretisierung des Rechtsmissbrauchs Zurückhaltung geboten ist, um den Zweck des Minderheitenschutzes nicht zu gefährden (OLG Stuttgart, AG 2009, 169 ff. = juris Rn. 11 m. w. N.). Der Vorstand ist daher nicht verpflichtet, dem auf die Herbeiführung eines rechtswidrigen Beschlusses gerichteten oder aus sonstigen Gründen rechtsmissbräuchlichen Einberufungsverlangen einer Aktionärsminderheit nachzugeben.

11. Allerdings besteht keine Verpflichtung des Vorstandes, Einberufungsverlangen der Minderheit zu prüfen und ggf. abzulehnen; andernfalls würde dies auf eine Missachtung des gesetzlichen Strukturgefüges in der Aktiengesellschaft sowie auf eine vollständige Entmachtung der Hauptversammlung hinauslaufen, wenn der Vorstand die Beschlussgegenstände der Hauptversammlung – selbst entgegen dem Willen der Aktionärsmehrheit oder sogar der Gesamtheit aller Aktionäre – einer Art „Vorabzensur“ im Hinblick auf ihre rechtliche Zulässigkeit zu unterziehen hätte. Die Verantwortung für die Fassung rechtswidriger Beschlüsse trägt aber allein die Hauptversammlung, nicht der Vorstand. Dieser hat zwar nach der näheren Maßgabe von §122 Abs. 1 und 2 AktG das Recht, die Gesellschaft vor rechtswidrigen oder querulatorischen Anträgen von Minderheiten zu beschützen, nicht aber die Pflicht, eine Mehrheit der Hauptversammlung vor sich selbst zu schützen, indem er sie an der Fassung eines rechtswidrigen Beschlusses hindert, mit der – widersinnigen – Konsequenz, dass er bei Nichterfüllung dieser Pflicht später von eben dieser Mehrheit der Hauptversammlung auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch genommen werden könnte, die genau darin gelegen hat, dass er dem Verlangen der Hauptversammlung nachgekommen ist.

12. Eine vom Mehrheitsaktionär begehrte Aufhebung bereits gefasster Sonderprüfungsbeschlüsse verstößt weder gegen das Gesetz noch gegen die Satzung der Gesellschaft. Ob die Hauptversammlung eine Sonderprüfung beschließen will oder nicht, liegt vielmehr bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 AktG in ihrem freien Ermessen, ebenso folglich auch, ob sie einen einmal gefassten Beschluss auf die Durchführung einer solchen Sonderprüfung wieder rückgängig machen will. Wird eine solche Sonderprüfung von der Mehrheit der Aktionäre abgelehnt, obwohl ihre Durchführung in der Sache möglicherweise ganz oder zumindest teilweise durch das Vorliegen von objektiven Verdachtsmomenten eines Fehlverhaltens der Verwaltungsmitglieder gerechtfertigt ist, so sind die (Minderheits-)aktionäre durch die Vorschrift des §142 Abs. 2 AktG ausreichend geschützt. Das dort vorgesehene Verfahren für die gerichtliche Anordnung einer Sonderprüfung wäre überflüssig, wenn bereits die Hauptversammlung zur Fassung eines Sonderprüfungsbeschlusses gezwungen oder an seiner Wiederaufhebung gehindert werden könnte. Ein Anlass, um schon die Entscheidungsfreiheit der Aktionärsmehrheit in der Hauptversammlung entsprechend einzuschränken, kann daher jedenfalls allein aus dem Vorliegen von objektiven Verdachtsmomenten für ein untersuchungswürdiges Fehlverhalten in der Gesellschaft noch nicht hergeleitet werden.

13. Anders als die Organe der Gesellschaft, welche die Pflichtverletzungen anderer Organmitglieder nach den Grundsätzen der sog. ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 135, 244 ff. = WM 1997, 970 ff. = juris Rn. 14) zumindest im Grundsatz stets zu verfolgen haben, ist vielmehr die Hauptversammlung im Grundsatz in der Entscheidung frei, ob sie eine derartige Verfolgung im wirtschaftlichen Gesamtinteresse der Gesellschaft für geboten hält. Wie nicht zuletzt aus der Vorschrift des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG deutlich wird, kann die Hauptversammlung auf eine derartige Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen ihre Organmitglieder im Ergebnis sogar vollständig verzichten und ist insoweit lediglich gehalten, auf die Interessen von Minderheitsgesellschaftern in der gebotenen Weise Rücksicht zu nehmen.

14. Ein Gegenantrag im Sinne des § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG setzt immer die Opposition gegen einen ausdrücklichen Beschlussvorschlag der Verwaltung voraus (MüKoAktG/Kubis, a. a. O, §126 AktG Rn. 9, Werner in: Großkommentar zum AktG,4. Auflage, § 126 AktG Rn. 19 f.; K. Schmidt/Lutter/Ziemons, a. a. O., § 126 AktG Rn. 5). Eine andere Auslegung des Begriffs der „Gegenanträge“ ergibt sich auch nicht daraus, dass §126 Abs. Satz 1 AktG möglicherweise im Lichte des durch Art. 6 Abs. 1 b) der Aktionärsrechterichtlinie geschützten Rechts der Aktionäre auf die Einbringung von Beschlussvorlagen zu Punkten, die bereits auf der Tagesordnung einer Hauptversammlung stehen oder ergänzend in diese aufgenommen werden, mittlerweile so ausgelegt werden muss, dass ein Vorschlag der Verwaltung zur Auslösung der sich aus § 126 Abs. 1 AktG ergebenden Verpflichtung zur Zugänglichmachung von Aktionärsanträgen heute nicht mehr verlangt werden kann (so jedenfalls Ziemons, a. a. O., § 126 AktG Rn. 7).

15. Nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG ist bei Beschlüssen zur wahl von Prüfern schon ausdrücklich allenfalls ein Vorschlag des Aufsichtsrates vorgeschrieben. „Prüfer“ in diesem Sinne ist dabei auch der Sonderprüfer (Hüffer, a. a. O., § 124 AktG Rn. 13). Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, dass der Vorstand nicht die Entscheidung der Hauptversammlung soll beeinflussen können, soweit es darum geht, durch eine etwaige Prüfung (auch) seine eigene Tätigkeit einer Kontrolle zu unterwerfen (Hüffer, a. a. O. Rn. 13 m. w. N.). Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus muss dass Gleiche deshalb auch dann gelten, wenn es nicht die Auswahl und Bestellung der Person eines Prüfers, sondern dessen Abberufung und die Aufhebung einer bereits getroffenen Entscheidung über die Durchführung einer Sonderprüfung betrifft. Ist darüber hinaus auch die Tätigkeit des Aufsichtsrats Prüfungsgegenstand, so hat sich nach dem Rechtsgedanken des § 124 Abs.3 Satz 1 Alt. 2 AktG auch der Aufsichtsrat einer eigenen Stellungnahme zu allen mit der Sonderprüfung im Zusammenhang stehenden Fragen zu enthalten hatte (K. Schmidt/Lutter/Ziemons, a. a. O., § 124 AktG Rn. 26).

16. Nach § 124 Abs. 3 Satz 3, Alt. 2 AktG ist ein Beschlussvorschlag der Verwaltung nach Satz 1 nicht notwendig oder zumindest entbehrlich, wenn der Gegenstand der Beschlussfassung „auf Verlangen einer Minderheit“ auf die Tagesordnung gesetzt worden ist. Obwohl der Wortlaut von § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG in dieser Hinsicht irreführend ist, bezieht er sich richtigerweise unmittelbar auf die amtliche Überschrift in § 122 AktG, sodass anerkannt ist (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, DStR 2003, 219 = juris Rn. 25 f.; K. Schmidt/Lutter/Ziemons, a. a. O., § 122 AktG Rn. 8; Hüffer, a. a. O., § 122 AktG Rn. 2 m. w. N.), dass sich § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG auf alle Aktionäre bezieht, die das in §122 Abs. 1 und 2 AktG vorgeschriebene Mindestquorum erfüllen, mithin also auch auf eine Mehrheitsaktionärin.

17. Ausgehend von dem auch für die aktienrechtliche Anfechtungsklage geltenden Grundsatz, dass jede Partei diejenigen Tatsachen darlegen und beweisen muss, die von den ihr günstigen Normen vorausgesetzt werden (MüKoAktG/Hüffer, 3. Auflage, § 243 AktG Rn. 144 ff. m. w. N.), sind nämlich auch diejenigen Tatsachen, aus denen ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 130 AktG hergeleitet werden soll, zunächst einmal durch den Anfechtungskläger schlüssig vorzutragen.

18. Nach Ziffer 5.5.3 Satz 1 des DCGK soll der Aufsichtsrat in seinem jährlichen Bericht an die Hauptversammlung (§ 171 Abs. 2 AktG, vgl. Kremer in: Ringleb/Kremer/Lutter/von Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance-Index, 4. Auflage, Rn. 1139) „über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung informieren“, um auf diese Weise die Informationsgrundlage für die Entlastung des Aufsichtsrates zu verbessern (BGH WM 2009, 459 ff. = juris Rn. 21; Kremer, a. a. O., Rn. 1138). Eine derartige Berichtspflicht steht jedoch in einem potentiellen Spannungsverhältnis zu der in § 116 Satz 2 AktG auch gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder , welche ihrerseits die gesamten Beratungen des Aufsichtsrates einschließlich auch des Abstimmungsverhaltens der einzelnen Mitglieder erfasst (BGHZ 64, 325 ff., 332 = NJW 1975, 1412, 1413; Hüffer, a. a. O., § 116 AktG Rn6; Hoffmann-Becking, Handbuch der Aktiengesellschaft, 3. Auflage, § 33 Rn. 51; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Auflage Rn. 266 f.; Priester, ZIP 2011, 2081 ff., 2083).

19. Der Beschlusses der Hauptversammlung über die Entlastung der Vorstandsmitglieder ist nur bei Eindeutigkeit der Rechtsverletzung anfechtbar, von der nur dann ausgegangen werden kann, wenn sich der Vorstand über eine zweifelsfreie und eindeutig geklärte Rechtslage hinweggesetzt hätte (BGH ZIP 2009, 2436 f. = juris Rn. 2).

20. Für die Verfolgung von Pflichtverletzungen und Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder ist gemäß § 112 AktG allein der Aufsichtsrat der Gesellschaft zuständig. Das gilt nicht nur für die Rechtsverfolgung gegen solche Mitglieder des Vorstandes, die zum Zeitpunkt der in Betracht kommenden Rechtsverfolgung noch im Amt gewesen sind, sondern auch gegenüber solchen Vorstandsmitgliedern, die zu diesem Zeitpunkt aus ihrem Amt bereits ausgeschieden waren (BGH WM 2009, 702 f. = juris Rn. 7 m. w. N.).

21. Eine schlüssige Darlegung der behaupteten Schadensersatzansprüche erfordert neben dem schlüssigen Vortrag einer Pflichtverletzung der betroffenen Organmitglieder als solche zumindest auch noch nähere Angaben über den daraus entstandenen Schaden, über die Kausalität und die Adäquanz der Pflichtverletzung für diesen Schaden, während das Verschulden nach der Beweislastregel des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ggf. zu vermuten ist (BGHZ 152, 280 ff. = WM 2002, 2509 ff. = juris Rn. 6; Hölters/Hölters, a. a. O., §93 AktG Rn. 264).

22. Nach herrschender Meinung wird für den Beginn der hier einschlägigen, spezialgesetzlich geregelten Verjährungsfrist gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 6 AktG, 200 BGB eine Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände anders als für die Regelverjährung in §199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht vorausgesetzt (K.Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, a. a. O., § 93 AktG Rn. 61 m. w. N., a. A. allerdings z. B. Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rn. 121).

23. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt bei Ersatzansprüchen gemäß den §§ 93, 116 AktG im Fall des Unterlassens erst in dem Augenblick, in dem durch die Unterlassung ein Schaden entstanden ist. Wenn sich der Schaden durch ein fortgesetztes Nichthandeln allmählich immer weiter vergrößert, bezieht sich der Beginn der Verjährung erst auf das Ende des pflichtwidrigen Unterlassens, da erst dieses den entscheidenden Bezugspunkt für das Entstehen des gesamten Anspruchs darstellt (MüKoAktG/Spindler, a. a. O. § 93 AktG Rn. 257; Mertens in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 93 Rn. 162; Hopt in: Großkommentar zum AktG, 4. Auflage, § 93 AktG Rn. 85; Hölters/Hölters, a. a. O., § 93 AktG Rn. 337).

24. Die Pflichtenkreise des Vorstandes und des Aufsichtsrates unterscheiden sich erheblich voneinander. Während der Vorstand in eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten hat (§ 76 Abs. 1 AktG), treffen den Aufsichtsrat grundsätzlich nur bloße Überwachungs- und Kontrollpflichten (§ 111 Abs. 1 AktG). Originär eigene Pflichtverletzungen der Aufsichtsratsmitglieder kommen daher von vornherein nur im Hinblick auf das Verjährenlassen von Schadensersatzansprüchen gegen frühere Vorstandsmitglieder der Gesellschaft, für deren Verfolgung ausnahmsweise der Aufsichtsrat zuständig ist, und im Hinblick auf die Abgabe einer unrichtigen Entsprechenserklärung gemäß § 161 Abs. 1 AktG in Betracht, weil diese Erklärung ausdrücklich auch von dem Aufsichtsrat der Gesellschaft selbst abzugeben ist und diesen überdies auch die Berichtspflicht nach § 171 Abs. 2 AktG trifft, auf deren nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Vorwurf der unrichtigen Entsprechenserklärung ggf. aufbaut.

25. Auch ohne ausdrückliche Sonderregelung für die Verfolgung von etwaigen Schadensersatzansprüchen gegen frühere Mitglieder des Aufsichtsrates ist hierfür der Vorstand zuständig (K.Schmidt/Lutter/Drygala, § 116 AktG Rn. 45).

Schlagworte: Abberufung aus wichtigem Grund, Aktienrecht, Anfechtungsfrist, Anfechtungsgründe, Aufsichtsrat, Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Darlegungs- und Beweislast, Einberufung, Entlastung, Entlastung der Geschäftsführer, Entlastung des Aufsichtsrats, Geschäftsleiterpflichten, Haftung nach § 43 GmbHG, Hauptversammlung, Hauptversammlungsbeschluss, Innenhaftung, Legalitätspflicht, Minderheitenschutz, Pflichtverletzung, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Schadensersatzanspruch, Schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoss, Sonderprüfung, Tagesordnung, Treuepflicht, überprüfbares Ermessen, Unredlichkeit, Verjährung, Vorstand