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OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.07.2012 – I-6 U 220/11

GmbHG §§ 47, 48, 50, 51; AktG §§ 121, 241 ff.; ZPO § 256

1. Da eine Regelung im GmbHG fehlt, erfolgt die Geltendmachung von Beschlussmängeln nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Meinung im Schrifttum in entsprechender Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften (BGH, Urt. v. 11. Februar 2008 – II ZR 187/06, GmbHR 2008, 426). Soweit danach Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mangelhaft sind, können sie durch die kassatorisch wirkende Anfechtungsklage beseitigt werden.

2. Der angefochtene Beschluss ist wie jeder nicht an einem zur Beschlussnichtigkeit führenden schweren Mangel leidende Gesellschafterbeschluss solange wirksam, wie nicht seine Nichtigkeit durch ein kassatorisches Urteil rechtskräftig festgestellt worden ist.

3. Fehlt es an einem festgestellten Gesellschafterbeschluss, bleibt den Betroffenen allein die Erhebung der nicht fristgebundenen, nur der Verwirkung unterliegenden Feststellungsklage (BGH, Urt. v. 11. Februar 2008 – II ZR 187/06, GmbHR 2008, 426).

4. Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn der gefasste Beschluss gesetzes- oder satzungswidrig ist (BGH, Urt. v. 13. März 1980 – BGHZ 76, 191 ff. = WM 1980, 459; Urt. v. 20. Januar 1986 – BGHZ 97, 28 ff. = WM 1986, 456; Urt. v. 31. Mai 2011 – II ZR 109/10 – WM 2011, 1416 ff.). „Gesetz“ ist in diesem Zusammenhang jede privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Norm einschließlich der sogenannten Generalklauseln gemäß §§ 138, 242, 826 BGB, des Gebotes ordnungsgemäßen Stimmrechtsgebrauchs und der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (Bayer in Lutter/Hommelhoff, Anh. Zu § 47 Rn. 43 m. N.). Anfechtbar sind demnach auch Beschlüsse, bei denen Gesellschafter einem Stimmverbot unterlegen oder ihr Stimmrecht treuwidrig oder missbräuchlich ausgeübt haben, sofern sich die Nichtberücksichtigung dieser Stimmen auf das Ergebnis des Beschlusses auswirkt (Bayer a. a. O.).

5. Soweit der Gesellschaftsvertrag nicht anderes vorsieht, ist der ordnungsgemäße Versammlungsort grundsätzlich analog § 121 Abs. 4 AktG der Sitz der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Sitz der Gesellschaft
, wobei die Räumlichkeiten der Gesellschaft im Fall ihrer Eignung als Versammlungslokal der Wahl angesehen werden (vgl. etwa BGH, Urt. v. 28. Januar 1985 – II ZR 79/84; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
NZG 2003, 975 f.; Zöllner/Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Auflage, § 51 Rn. 15 und Römermann/Michalski, GmbHG, 2. Auflage 2010, § 48 Rn. 18 m. N.).

6. Der Gesellschafter muss sich zunächst um Einlass in die Räume des Versammlungsorts (hier die Geschäftsräume der Gesellschaft) bemühen; dies ist erforderlich, da die Bestimmung des Versammlungsortes dazu dient, das Teilnahmerecht der Gesellschafter zu wahren (BGH a. a. O.). Gerade in einer Zwei-Personen-GmbH ist das Teilnahmerecht des Gesellschafters besonders schützenswert. Deswegen handelt es sich gerade nicht um eine sinnlose Förmelei, sich vor Durchführung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Durchführung der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung
am Ausweichort um Einlass in die Räume der Gesellschaft zu bemühen.

7. Durch die Entscheidung, die Versammlung sofort unter der Ausweichadresse stattfinden zu lassen, wird es dem Gesellschafter erschwert, an dieser teilzunehmen. Gerade eine solche Beschränkung soll aber durch die Wahl des Versammlungsortes verhindert werden.

8. Nach allgemeiner Auffassung wäre es treuwidrig, sich auf die fehlende Vollmacht des Versammlungsvertreters des Gesellschafters zu berufen, wenn die Erteilung einer solchen anderweitig bekannt ist (vgl. etwa BGH NJW 1968, 743 und KG NZG 2000, 787 f.).

9. Einer Ablehnung des Einberufungsverlangens steht es gleich, wenn der Geschäftsführer ankündigt, die Gesellschafterversammlung nicht unverzüglich einzuberufen, wobei eine Frist von einem Monat als angemessen angesehen wird (vgl. etwa OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Beschluss vom 21. Februar 2000 – 7 W 2013/98/zitiert nach juris); zumindest muss die von dem die Einberufung verlangenden Gesellschafter selbst gesetzte Frist abgelaufen sein.

10. Zwar ist das Teilnahmerecht der Gesellschafter, vor allem derjenigen einer Zwei-Personen-Gesellschaft, von überragender Bedeutung und der Gesellschafter deshalb besonders schutzwürdig. Anerkannt ist aber auch, dass es den Gesellschaftern obliegt sicherzustellen, dass sie ihr Teilnahmerecht auch ausüben können. Daraus folgt, dass ein Gesellschafter eine Verlegung der Gesellschafterversammlung nur aus nachvollziehbaren Gründen verlangen kann, also solchen, die ihn unverschuldet daran hindern, zu einer anberaumten Gesellschafterversammlung zu erscheinen. Dies gilt natürlich vor allem für die typischen Urlaubszeiten. Bei einer personalistischen GmbH besteht eine Pflicht zur Verlegung nur dann, wenn ein gleichwertiger Ausweichtermin möglich ist (vgl. etwa OLG SaarbrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Saarbrücken
, Urt. v. 10. Oktober 2006 – 4 U 382/05/zitiert nach juris).

11. Treuwidrig ist die Bestellung eines Geschäftsführers nach der Rechtsprechung dann, wenn in dessen Person wichtige Gründe vorliegen, die seine Tätigkeit für die Gesellschaft unzumutbar machen (BGH NJW-RR 1993, 1253 f.; NJW 1991, 846; Zöllner a. a. O. Anh § 47 Rn. 99 m. N.). Ob ein solcher wichtiger Grund vorliegt, ist anhand einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, wobei insbesondere die Schwere vergangener Verfehlungen, deren Folgen für die Gesellschaft, das Ausmaß des Verschuldens und die Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen sind.

12. Die Rechtsfolge treuwidriger Stimmabgabe ist nach ganz h. M. deren Nichtigkeit (statt aller Zöllner a. a. O. § 47 Rn. 108 unter Hinweis auf BGHZ 105, 212 ff. u. m. w. N.).

Schlagworte: Allgemeine Feststellungsklage, Anfechtungsgründe, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Beschlussmängel, Bestellung zum Geschäftsführer, Einberufung, Einberufungsfrist, Erfordernis eines Abberufungsbeschlusses oder unnötige Förmelei, Förmliche Beschlussfeststellung, Gesamtwürdigung, Geschäftsführer, Interessenabwägung, Minderheitenschutz, Nichtigkeitsgründe, Relevanzlehre, Selbsthilferecht nach § 50 Abs. 3 Satz 1 GmbHG, Stimmrechtsausschluss, Stimmrechtsmissbrauch, Teilnahmerechte, Treuepflicht, treuwidrige Stimmenabgabe ist nichtig, Versammlungsleiter, Versammlungsort, Zwei-Personen-Gesellschaft