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OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.08.2021 – 7 W 13/21

Leitsatz

Dem Versicherer ist es versagt, sich auf einen Ausschluss wegen arglistiger Täuschung zu berufen, wenn er vorläufige Abwehrkosten bei wissentlicher oder vorsätzlicher Pflichtverletzung bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zugesagt hat, aus der sich Tatsachen ergeben, welche die wissentliche oder vorsätzliche PflichtverletzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Pflichtverletzung
vorsätzliche Pflichtverletzung
belegen, und es an einer solchen Entscheidung fehlt.

Tenor

In der Beschwerdesache … wird auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 07.05.2021 abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird geboten, dem Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache (Landgericht Frankfurt am Main, Az. …) bedingungsgemäßen Versicherungsschutz in dem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stadt2 (Az. …), einschließlich Haftprüfungsverfahren und Vermögensarrestverfahren, zu gewähren.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird aus der Gebührenstufe bis zu 470.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt als versicherte Person im Wege einer einstweiligen Verfügung die Gewährung von Verteidigungskosten aus einer bei der Antragsgegnerin bestehenden D&O-Versicherung.

Der Antragsteller war seit 2005 bei der X AG angestellt, zuletzt als Prokurist und Director Accounting/Executive Vice President Accounting tätig und für die Leitung der Buchhaltung zuständig. Außerdem war er seit 2012 einer von vier Geschäftsführern der X2 GmbH, einem Tochterunternehmen der X AG, und dort für den Bereich Finanzen zuständig. Die X AG war ein international tätiger Zahlungsdienstleister mit Sitz in Stadt1. Seit September 2018 war das Unternehmen im Deutschen Aktienindex DAX gelistet.

Die X AG unterhielt als Versicherungsnehmerin bei der Antragsgegnerin seit 2002 eine D&O-Versicherung für Organmitglieder und leitende Angestellte. Maßgeblich für die vorliegend geltend gemachten Ansprüche ist der Versicherungsschein Nr. … vom 11.03.2020, der für die Versicherungsperiode vom 01.01.2020 bis zum 01.01.2021 galt, nebst den zugrundeliegenden Bedingungen Z1 Stand 2015 (im Weiteren: Z) und den vereinbarten besonderen Bedingungen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Versicherungsvertrag sowie die Bedingungen Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin entschied jedes Jahr erneut über die Verlängerung der Versicherung anhand eines von ihr erstellten aktuellen International Risk Reports.

Einen wesentlichen Anteil an der Geschäftstätigkeit des X-Konzerns nahmen sogenannte Third-Party-Geschäfte (im Weiteren: TPA-Geschäfte) in Asien ein. Diese Geschäfte wurden nicht von der X AG selbst, sondern von drei Tochtergesellschaften – u.a. der X2 GmbH – abgewickelt.

Ein hieraus angeblich resultierendes Treuhandguthaben soll zuletzt im Jahr 2019 1,9 Milliarden Euro betragen haben und wurde unter dem Bilanzposten „Zahlungsmittel bzw. Zahlungsmitteläquivalente“ („cashflow“ bzw. „cashflow-äquivalent“) in den Jahresabschlüssen der X AG verbucht.

Das von der X AG seit Jahren mit der Abschlussprüfung beauftragte Wirtschaftsprüfungsunternehmen C erteilte bis einschließlich 2018 regelmäßig beanstandungslos und uneingeschränkt das Testat für die Konzern- und Jahresabschlüsse.

Ob es die TPA-Geschäfte in Asien und daraus resultierend das Treuhandguthaben von zuletzt 1,9 Milliarden Euro überhaupt nicht oder nicht im verbuchten Umfang gegeben hat, ist Gegenstand verschiedener Untersuchungen.

Nachdem die Wirtschaftsprüfer von C das Testat für den Jahresabschluss 2019 nicht erteilten, trat der Vorstandsvorsitzende der X AG A am 19.06.2020 von seiner Position als Vorstandsvorsitzender zurück und schied aus dem Vorstand aus. Mit Beschluss der X2 GmbH vom 21.06.2020 wurde der Antragsteller als Geschäftsführer abberufen und mit sofortiger Wirkung freigestellt.

Am 22.06.2020 veröffentlichte der Vorstand der X AG eine ad-hoc-Mitteilung, nach der die bisher zugunsten des Unternehmens ausgewiesenen Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Milliarden Euro mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestünden.

Gegen den Antragsteller sowie gegen weitere leitende Mitarbeiter der X AG – u. a. gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden A – wird ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Stadt2 (Az. …) wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, der Untreue, der Marktmanipulation und Verstößen gegen das WpHG in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei der X AG und der X2 GmbH geführt. Der Antragsteller befand sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Stadt2 vom 21.07.2020 seit dem 22.07.2020 in Untersuchungshaft. Das Oberlandesgericht Stadt2 hat den Haftbefehl im Juli 2021 außer Vollzug gesetzt. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens ordnete das Amtsgericht Stadt2 mit Beschluss vom 03.08.2020 gegen den Antragsteller einen Vermögensarrest in Höhe von 2.866.968,81 Euro an. Der Antragsteller weist alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe als unbegründet zurück.

Der Antragsteller schloss am 05.06.2020 hinsichtlich seiner strafrechtlichen Verteidigung mit der Kanzlei B eine Honorarvereinbarung ab, nach der unter anderem eine Vergütung mit Netto-Stundensätzen von 170,- Euro für juristische Assistenz und bis zu 450,- Euro für Managing Partner vorgesehen ist. Zusätzlich schloss er am 24.06.2020 mit der D Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für die Bearbeitung u. a. der zivilrechtlichen, wirtschafts- und haftungsrechtlichen Fragestellungen eine Vergütungsvereinbarung mit einem Netto-Stundensatz von 275,- Euro ab.

Die X AG zeigte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 24.06.2020 den Versicherungsfall unter Hinweis auf das Ermittlungsverfahren an. Der Antragsteller unterrichtete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 03.07.2020 ebenfalls von dem Eintritt des Versicherungsfalls und bat um Deckungszusage.

Die Antragsgegnerin bestätigte die Anzeige des Antragstellers mit Schreiben vom 05.08.2020 und bat um zusätzliche Informationen. Nach weiterem Schriftwechsel lehnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30.09.2020 den Deckungsschutz ab und führte aus, der Versicherungsschutz sei vorliegend ausgeschlossen, weil der Antragsteller jedenfalls ab 2016 gefahrerhöhende Umstände verschwiegen und die Antragsgegnerin arglistig getäuscht habe. Die Finanzberichte der X AG seien seit 2015 wegen der Einbeziehung angeblicher UmsatzerlöSE aus sogenannten TPA-Geschäften unzutreffend und stellten die wirtschaftlichen Verhältnisse der X AG falsch dar, was dem Antragsteller bekannt gewesen sei, so dass die Ausschlüsse in Ziffern 7.3.1, 7.3.2 Z eingreifen würden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 30.09.2020 Bezug genommen.

Der Antragsteller hat mit Klageschrift vom 03.05.2021 Deckungsklage vor dem Landgericht Frankfurt erhoben (Az. …). Er begehrt, die Antragsgegnerin zu verurteilen, ihm vertragsgemäßen Versicherungsschutz für seine Verteidigung im laufenden Ermittlungsverfahren einschließlich des Haftprüfungsverfahrens und des Vermögensarrestes zu gewähren. Im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren begehrt er eine Leistungsverfügung gleichen Inhalts.

Er ist der Auffassung gewesen, im Wege der Leistungsverfügung Versicherungsleistungen beanspruchen zu können, da ihm sonst unwiederbringliche existentielle Nachteile entstehen würden. Aufgrund des in Vollzug gesetzten Vermögensarrestes befinde er sich in einer wirtschaftlichen Notlage. Ihm würden eigene finanzielle Mittel für seine Rechtsverteidigung aufgrund der Arretierung seiner Konten – zuletzt im April 2021 das Konto bei der Bank1 – nicht mehr zur Verfügung stehen, und die erbrachten Vorschüsse seien aufgebraucht. Die D Rechtsanwaltsgesellschaft mbH habe mitgeteilt, dass für den Zeitraum 02.08.2020 bis 30.04.2021 für die in Anspruch genommene anwaltliche Tätigkeit Verteidigungskosten in Höhe von 266.020,07 Euro angefallen seien. Ein weiteres Tätigwerden seiner Anwälte könne nur erwartet werden, wenn die Bezahlung der offenen Vergütungsforderungen sichergestellt sei. Die für seine Verteidigung erforderliche anwaltliche Tätigkeit müsse kurzfristig erbracht werden. Er könne nicht auf die Inanspruchnahme eines Pflichtverteidigers verwiesen werden, da eine adäquate Verteidigung nur durch ein arbeitsteiliges Zusammenwirken erfahrener und spezialisierter Rechtsanwälte möglich sei, die regelmäßig auf der Basis von Honorarvereinbarungen arbeiten würden. Die Erwirkung eines Titels im Hauptsacheverfahren sei ihm angesichts der zu erwartenden Verfahrensdauer nicht zuzumuten.

Er hat weiter behauptet, an der angeblich unrichtigen Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse der X AG nicht beteiligt gewesen zu sein und auch keine Kenntnis davon gehabt zu haben. Er habe die ihm übermittelten Daten in die Buchhaltung in dem Glauben eingegeben, dass diese zutreffend seien. Insbesondere sei er an der internen Beschlussfassung hinsichtlich der Verlängerung der D&O-Versicherung nicht beteiligt gewesen. Unabhängig davon habe die Antragsgegnerin sich verpflichtet, Versicherungsschutz auch bei Zweifeln über das Vorliegen einer vorsätzlichen Pflichtverletzung zu gewähren, weshalb sie sich nun nicht auf den Ausschluss wegen Arglist berufen dürfe.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. der Antragsgegnerin zu gebieten, ihm bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vertragsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren in dem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stadt2, …, einschließlich Haftprüfungsverfahren und Vermögensarrest. Der Versicherungsschutz umfasst die Strafverteidigung sowie auch die insoweit erforderliche Unterstützung im Bereich der mit der Strafverfolgung im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Rechtsfragen. Dabei gelten als angemessen die in den Vergütungsvereinbarungen des Antragstellers mit den beauftragten Rechtsanwaltskanzleien vom 05.06.2020 sowie vom 24.06.2020 bestimmten Stundensätze von 170,- Euro für juristische Assistenz und bis zu 450,- Euro für Managing Partner, jeweils netto, und mindestens die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz angefallenen und anfallenden Anwaltsvergütungen;

2. der Antragsgegnerin zu gebieten, ihn Zug um Zug gegen Vorlage entsprechender Rechnungen freizustellen von bereits entstandenen Kosten seiner Strafverteidigung in Höhe von 266.020,07 Euro;

3. der Antragsgegnerin zu gebieten, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache von den zukünftig entstehenden Kosten seiner Rechtsverteidigung gemäß Antrag zu 1) Zug um Zug gegen Vorlage der seitens der beauftragten Rechtsanwälte gestellten Rechnungen freizustellen.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 07.05.2021, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, es fehle jedenfalls an einem Verfügungsgrund, da der Antragsteller nicht dargetan habe, dass die bei einer Leistungsverfügung zu fordernde existenzgefährdende Notlage des Antragstellers gegeben und er deshalb auf die Leistung angewiesen sei. Es stehe ihm frei, sich die derzeitigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger beiordnen zu lassen. Dass die Verteidigung durch andere Pflichtverteidiger grundsätzlich inadäquat sei, sei nicht ersichtlich. Der Antragsteller befürchte lediglich, dass eine unzureichende Verteidigung zu einer Verurteilung im noch nicht eröffneten Strafverfahren und in der Folge zu einer wirtschaftlichen Existenzvernichtung führen könnte.

Im Übrigen habe der Antragsteller die behauptete Eilbedürftigkeit selbst herbeigeführt, indem er die Hauptsacheklage erst am 03.05.2021 bei dem Landgericht Frankfurt am Main anhängig gemacht habe, obwohl die Deckungsablehnung bereits am 30.09.2020 erfolgt und der Vermögensarrest durch Beschluss des Amtsgerichts Stadt2 am 03.08.2020 gegen ihn ausgebracht worden sei. Die Verweisung auf das Klageverfahren sei deshalb zumutbar.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 17.05.2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20.05.2021, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und nochmals darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller auf entsprechenden Antrag ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden könne. Es liege – auch unter Berücksichtigung der familiären Auswirkungen aufgrund der Untersuchungshaft, des Vermögensarrestes und des Ermittlungsverfahrens – keine existenzielle Notlage vor. Er habe im Übrigen die Eilbedürftigkeit selbst herbeigeführt.

Zudem lasse sich aus der Verpflichtung zur Übernahme der Rechtsverteidigungskosten trotz ungewissen Ausgangs der Hauptsache nicht ableiten, dass das Gebot der Nichtvorwegnahme der Hauptsache deswegen entfalle.

Der Antragsteller verfolgt mit der sofortigen Beschwerde seinen ursprünglichen Antrag weiter. Er macht geltend, trotz Vorwegnahme der Hauptsache Versicherungsleistungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren beanspruchen zu können, da sich die Antragsgegnerin verpflichtet habe, die Kosten der Strafverteidigung auf erstes Anfordern und ohne Rückforderungsrecht zu übernehmen, solange ein Vorsatzvorwurf nicht rechtskräftig festgestellt sei. Es drohe der Antragsgegnerin wegen dieser weitreichenden Verpflichtung auch kein wesentlicher Nachteil durch die Leistungsverfügung, da sie sich bereits vertraglich zum Verzicht auf einen Rückforderungsanspruch verpflichtet habe. Durch die Zusage des weitgehenden Verteidigungsschutzes habe er sich darauf verlassen dürfen, dass die Kosten seiner Rechtsverteidigung getragen werden würden; andernfalls werde ihm das von der Versicherung übernommene Risiko, sich gegen einen Vorsatzvorwurf nicht adäquat verteidigen zu können, auferlegt.

Ihm stünden eigene finanzielle Mittel zur Begleichung der Kosten seiner Rechtsverteidigung nicht mehr zur Verfügung. Die von ihm erbrachten Vorschüsse seien aufgebraucht. Auf sein Vermögen könne er wegen des seit dem 23.04.2021 vollständig vollzogenen Vermögensarrestes nicht zugreifen. Er befinde sich aufgrund der erlittenen Untersuchungshaft und dem Mangel an Mitteln zur weiteren Strafverteidigung in einer existentiellen Notlage, die auch auf seine Familie fortwirke.

Er sei auf die Leistungsverfügung zur Abwendung der existentiellen Nachteile dringend angewiesen, um seine kurzfristig erforderlich werdende Verteidigung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu gewährleisten. Soweit von den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers noch weitere Leistungen erbracht worden seien, obwohl die Vorschüsse bereits aufgebraucht gewesen seien, sei dies in der Erwartung einer positiven Entscheidung im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren geschehen. Eine Fortsetzung der Tätigkeit der Strafverteidiger sei ohne gesicherte Vergütung nicht zu erwarten. Eine der Bedeutung und Komplexität der Sache angemessene Verteidigung sei nur durch entsprechend honorierte Wahlverteidiger möglich. Ihm würden zudem unweigerlich zivilrechtliche Schadensersatzklagen drohen, die zu seiner wirtschaftlichen Existenzvernichtung beitragen würden.

Schließlich habe er die Eilbedürftigkeit nicht selbst herbeigeführt. Aufgrund der Haftentlassung des Mitbeschuldigten K im November 2020, der zunächst nur vorläufigen Deckungsablehnung der Antragsgegnerin sowie des erst im April 2021 vollständig vollzogenen Vermögensarrestes sei er der Auffassung gewesen, seine wirtschaftliche Situation werde sich nicht weiter verschärfen.

Ihm stehe auch ein Anspruch auf bedingungsgemäße Leistungen zu. Die Antragsgegnerin könne den Ausschluss des Versicherungsschutzes nicht mit Erfolg geltend machen, da er nicht über gefahrerhebliche Umstände getäuscht habe. Es habe ihm im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit nicht oblegen, Abrechnungen auf ihre sachliche Richtigkeit hin zu überprüfen; dies sei vielmehr Aufgabe des beauftragten Wirtschaftsprüfungsunternehmens C gewesen, die die von ihm verbuchten Sachverhalte bis 2019 nicht beanstandet hätten.

Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 24.06.2021 Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch ansonsten zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Der Antragsteller kann im Wege des einsteiligen Rechtsschutzes nach

§§ 935, 940 ZPO von der Antragsgegnerin die Gewährung bedingungsgemäßer Verteidigungskosten aus der D&O-Versicherung in Zusammenhang mit dem gegen ihn eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren verlangen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Leistungsverfügung sind gegeben. Es besteht sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund.

Die Antragsgegnerin hat weitreichenden Versicherungsschutz in Form von vorläufigen Verteidigungskosten nach Ziffer 7.1.3 Z zugesagt. Im Zweifel über das Vorliegen einer wissentlichen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung entfällt danach der Versicherungsschutz erst dann, wenn eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein Geständnis vorliegt, aus denen sich die Tatsachen ergeben, welche die wissentliche oder vorsätzliche PflichtverletzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vorsätzliche Pflichtverletzung
belegen. Beides ist nicht der Fall. Die Antragsgegnerin kann sich nicht auf den Ausschluss der Arglist nach Ziffern 7.3.1 und 7.3.2 Z berufen. Dass dem Antragsteller schwerwiegende Delikte (Bilanzfälschung, Marktmanipulation) vorgeworfen werden, stellt – bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung, aus der sich die entsprechenden Feststellungen ergeben – den (insoweit vorläufigen) Versicherungsschutz nicht in Frage.

Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass er zur Abwendung einer existentiellen Notlage auf die sofortige Erfüllung seines Abwehrschutzes aus der D&O-Versicherung dringend angewiesen ist.

Dem Antragsteller steht nach Ziffer 7.1.3 Z vorläufig – bis zum rechtskräftigen Abschluss des Deckungsprozesses als Hauptsacheverfahren – ein Anspruch auf Freistellung von Abwehrkosten (in den vorliegenden Klauseln als Verteidigungskosten bezeichnet) gegenüber der Antragsgegnerin zu.

Die Antragsgegnerin hat den versicherten Personen Versicherungsschutz nach Ziffer 1.1.1 Z, Nr. 7 der Besonderen Bedingungen zugesagt, soweit sie wegen einer Pflichtverletzung in Ausübung ihrer Tätigkeit als versicherte Person (erstmals schriftlich) für einen Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden (Haftpflichtversicherungsfall). Zusätzlich wird nach Ziffer 1.1.2 Z Verfahrensrechtsschutz gewährt, wenn unter anderem gegen die versicherten Personen wegen einer Pflichtverletzung erstmals ein Verfahren wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit eingeleitet wird, soweit durch die Pflichtverletzung ein Vermögensschaden verursacht werden kann (Verfahrensrechtsschutz-Versicherungsfall).

Vorliegend wird Versicherungsschutz ausschließlich gemäß Ziffer 1.1.2 a) Z in Anspruch genommen. Gegen den Antragsteller wurde – erstmals – ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Stadt2 (Az. …) unter anderem wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, der Untreue, der Marktmanipulation und Verstößen gegen das WpHG in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei der X AG und der X2 GmbH eingeleitet. Nach dem im Zuge des Ermittlungsverfahrens ergangenen Haftbefehl des Amtsgerichts Stadt2 vom 21.07.2020 sowie dem Haftfortdauerbeschluss des Oberlandesgerichts Stadt2 vom 25.02.2021 stehen die dem Antragsteller vorgeworfenen Straftatbestände unter anderem in Zusammenhang mit sogenannten TPA-Geschäften, den auf den Treuhandkonten zuletzt nicht (mehr) vorhandenen 1,9 Milliarden Euro und einem dadurch entstandenen Vermögensschaden in Milliardenhöhe. Es soll durch die dem Antragsteller vorgeworfenen Straftaten unter anderem zur Einschleusung unzutreffender Transaktionsdaten in die Buchhaltung und zu Fehlbuchungen hinsichtlich vermeintlicher ErlöSE aus den TPA-Geschäften gekommen sein. Durch das arbeitsteilige Vortäuschen von Einnahmen hätten die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen der X AG aufgebläht werden sollen, wodurch der Antragsteller und die weiteren Beteiligten den Bezug ihrer – durch betrügerisch erlangte Kredit- und Investorenmittel finanzierten – hohen Gehälter hätten sicherstellen wollen. So soll der Antragsteller von 2016 bis 2020 Gehälter von insgesamt 2.866.968,81 Euro bezogen haben.

Das gegen den Antragsteller eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren unterfällt in sachlicher Hinsicht dem Versicherungsschutz; auch der zeitliche Anwendungsbereich ist unstreitig eröffnet. Der Antragsteller gehört als (ehemaliger) Geschäftsführer der X2 GmbH und Prokurist der X AG nach Ziffer 1.3 a) i, iii Z in Verbindung mit § 2 Abs. 8 der Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag vom 07.11.2012 zum Kreis der versicherten Personen.

Der zugesagte Versicherungsschutz umfasst gemäß Ziffer 1.1.2 Z die Übernahme der Verteidigungskosten im Zusammenhang mit Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren. Zur vorläufigen Übernahme dieser Verteidigungskosten hat die Antragsgegnerin sich nach Ziffer 7.1.3 Z verpflichtet. Wie der Senat bereits im Parallelverfahren mit Urteil vom 07.07.2021 (Az. 7 U 19/21) ausgeführt hat, kann sich die Antragsgegnerin auf den „Ausschluss arglistiger oder die Anzeigepflicht verletzender versicherter Personen“ nach Ziffer 7.3.1 Z oder den weiteren Ausschluss betreffend „arglistige versicherte Personen und versicherte Personen mit Kenntnis der Arglist“ nach Ziffer 7.3.2 Z nicht berufen.

Diese Rechtsschutzverpflichtung betreffend die Verteidigung in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren – hier in der Form der Übernahme der Verteidigungskosten eines vom Versicherten selbst ausgewählten Anwalts zugesagt – ist Hauptleistungspflicht des D&O-Versicherers. Für den Versicherten ist sie von existentieller Bedeutung. Er muss sich auf die Rechtsschutzfunktion seiner D&O-Versicherung verlassen können. Diesem Interesse hat die Antragsgegnerin vorliegend durch die Ausgestaltung von Ziffer 7.1.3 Z, die vorläufig sehr weitgehenden Versicherungsschutz garantiert, Rechnung getragen. Dies kommt auch dem Antragsteller zugute, solange nicht Umstände in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung festgestellt werden, welche seine Unredlichkeit im Sinne einer vorsätzlichen oder wissentlichen Pflichtverletzung belegen.

Inhalt und Reichweite des Versicherungsschutzes nach Ziffer 7.1.3 Z sind durch Auslegung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Klausel sowie ihrer systematischen Stellung zu bestimmen.

Unter Ziffer 7 Z sind die Ausschlusstatbestände 7.1 „Wissentlichkeits- oder Vorsatzausschluss“ und 7.3 „Ausschlüsse bei Nichtausübung eines Anfechtungs-

oder Rücktrittrechts, Ausschlussfrist“ geregelt, die gegeneinander abzugrenzen und insbesondere vor dem Hintergrund der in Ziffer 4.15 Z geregelten „Verpflichtung zur Nichtausübung eines Anfechtungs- oder Rücktrittsrechts“ auszulegen sind.

Nach Ziffer 7.1.2 Z sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen Verfahrensrechtsschutz-Versicherungsfälle wegen Verfahren, die auf einer vorsätzlichen (dolus directus oder dolus eventualis) Pflichtverletzung der verantwortlich gemachten versicherten Person beruhen. Weiter heißt es in Ziffer 7.1.3 Z unter der Überschrift „Leistung von Verteidigungskosten, Rückforderungsverzicht“:

„Im Zweifel (Unterstreichung hinzugefügt) über das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung oder vorsätzlichen Pflichtverletzung wird der Versicherer Verteidigungskosten gewähren. Dies gilt auch, wenn der Anspruch auf eine Rechtsnorm gestützt wird, deren Voraussetzungen nur bei Vorsatz erfüllt sein können. Steht das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung oder einer vorsätzlichen Pflichtverletzung fest, entfällt der Versicherungsschutz. Als Feststellung gilt eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein Eingeständnis der versicherten Person, aus der/dem sich die Tatsachen ergeben, welche die wissentliche oder vorsätzliche PflichtverletzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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belegen. Der Versicherer verzichtet im Fall der Feststellung einer wissentlichen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung gegenüber den versicherten Personen auf eine Rückforderung bereits geleisteter Verteidigungskosten“.

Diese Konstellation „im Zweifel“ ist vorliegend gegeben. Dem Antragsteller werden Vorsatztaten vorgeworfen; er bestreitet die erhobenen Vorwürfe. Insofern kann er sich auf das sehr weitgehende Leistungsversprechen der Antragsgegnerin berufen, das als spezielle Regelung den Ausschlüssen nach Ziffern 7.3.1 und 7.3.2 Z vorgeht.

Auf den Ausschluss der vorsätzlichen Pflichtverletzung nach Ziffer 7.1.2 Z beruft die Antragsgegnerin sich zwar ausdrücklich nicht, sondern stützt sich darauf, dass der Ausschluss für Versicherungsfälle nach 7.3.1. Z eingreife wegen Inanspruchnahmen oder Verfahren, die auf dem Gefahrumstand beruhten, in Ansehung dessen die das Anfechtungs- oder Rücktrittsrecht begründende Täuschung oder Anzeigepflichtverletzung begangen worden sei. Der in dem Ermittlungsverfahren unter anderem erhobene Vorwurf der Bilanzfälschung wegen (angeblich) falsch ausgewiesener Umsatzzahlen (Pflichtverletzung) soll – nach Auffassung der Antragsgegnerin – zugleich als ein das Anfechtungsrecht bei Abschluss beziehungsweise Verlängerung des Versicherungsvertrages begründender Umstand im Rahmen der Ausschlüsse nach Ziffern 7.3.1 und 7.3.2 Z herangezogen werden, ohne dass es auf das Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung im Sinne von Ziffer 7.1.3 Z ankäme. Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Sie ist mit dem dem Klauselwerk zugrundeliegenden Haftungskonzept nicht vereinbar, das vorläufige Abwehrkosten selbst bei in Frage stehenden (reinen) Vorsatztaten zusagt.

Ziffer 7.1 Z regelt nicht nur den Ausschluss bei vorsätzlicher Pflichtverletzungen, sondern umschreibt in Ziffer 7.1.3 Z zugleich das Leistungsversprechen der Antragsgegnerin in Bezug auf Abwehrkosten.

Ausgehend davon, dass die Pflichtverletzung (der Verstoß und seine Schuldform) keine gesonderte zusätzliche Deckungsvoraussetzung ist (Bruck/Möller/Baumann, VVG, 9. Auflage 2013, AVB-AVG 2011/2013 Ziffer 2, Rn. 1, 5; Bruck/Möller/Baumann, VVG, 9. Auflage 2008, § 1 Rn. 114), sondern allein das gegen den Versicherten eingeleitete Verfahren wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit in Zusammenhang mit einer einen Vermögensschaden verursachenden Pflichtverletzung den Versicherungsfall darstellt, zugunsten des Versicherten zudem die Vermutung der Redlichkeit spricht, werden Verteidigungskosten „im Zweifel über das Vorliegen einer … vorsätzlichen Pflichtverletzung“ gewährt, bis eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein Geständnis vorliegt, aus dem sich die Tatsachen ergeben, welche die vorsätzliche PflichtverletzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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belegen. Erst dann entfällt der Versicherungsschutz, wobei auf eine Rückforderung der Abwehrkosten verzichtet wird und im Übrigen ihre Rückforderung ohnehin bereits deshalb ausgeschlossen sein dürfte, weil sie in Hinblick auf den Rechtsschutzfall zunächst zu Recht gezahlt wurden.

An die Ausgestaltung dieses Leistungsversprechens ist die Antragsgegnerin gebunden, und zwar unabhängig davon, ob sie sich auf den Ausschluss der vorsätzlichen Pflichtverletzung beruft oder aber – wie vorliegend in Ziffer 7.1.3 Z vorgesehen – vertragsgemäß hiervon absieht. Erst recht kann sie sich des insoweit zugesagten weitreichenden Deckungsschutzes nicht mit deckungsgleicher Tatsachenbehauptung unter Berufung auf den Ausschluss „arglistiger oder die Anzeigepflicht verletzender versicherter Personen“ nach Ziffer 7.3.1 oder 7.3.2 Z entledigen. Der Anwendungsbereich dieses Ausschlusses ist bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder eines entsprechenden Geständnisses im Sinne von Ziffer 7.1.3 Z für Abwehrkosten nicht eröffnet.

An einer solchen rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung fehlt es. Sie kann auch weder im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren noch im Hauptsacheverfahren getroffen werden.

Als „eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung“, aus der sich die Tatsachen ergeben, die die wissentliche oder vorsätzliche PflichtverletzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Pflichtverletzung
vorsätzliche Pflichtverletzung
belegen, kommt eine Verurteilung im Strafverfahren in Betracht, sofern nicht ein Geständnis erfolgt. Sie könnte auch in einem etwaigen Haftpflichtprozess zu treffen sein (Bruck/Möller/Gädtke, VVG, 9. Auflage 2013, AVB-AVG 2011/2013 Ziffer 5, Rn. 64; Gruber/Mitterlechner/Wax, D&O VersicherungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Versicherung
, 1. Auflage 2012, § 7 Rn. 79 f.; Ihlas, D&O, 2. Auflage 1997, S. 466). Eine Klärung im vorweggenommen Deckungsprozess ist nach dem insoweit eindeutigen Klauselwortlaut jedoch nicht zulässig (Bruck/Möller/Gädtke, VVG, 9. Auflage 2013, AVB-AVG 2011/2013 Ziffer 5, Rn. 64; so ausdrücklich bereits in der Vorauflage Bruck/Möller/Johannsen, VVG, 8. Auflage 1970, B 58). Inzident kann keine „rechtskräftige“ Entscheidung getroffen werden (vgl. zu einer ähnlichen Problematik OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Urteil vom 21.12.2006, Az. 4 U 6/06, zitiert nach Juris; vgl. Urteil des Senats vom 17.03.2021, Az. 7 U 33/19). Die Formulierung „eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung“ (Unterstreichung hinzugefügt) verweist auf ein außerhalb des Deckungsprozesses stattfindendes Verfahren und könnte auch als direkte Anknüpfung an den jeweils in Frage stehenden einzelnen Versicherungsfall – hier im Bereich des Strafverfahrensrechtsschutzes – zu verstehen sein.

Mit der vorstehenden Klausel soll die Gewährung effektiven Rechtsschutzes sichergestellt werden. Wird gegen die versicherte Person ein Verfahren wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit eingeleitet, das eine vorsätzliche PflichtverletzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vorsätzliche Pflichtverletzung
der versicherten Person beinhaltet, sieht sich der – möglicherweise zu Unrecht bezichtigte – Versicherte ohne eine solche Klausel der Situation ausgesetzt, dass der Versicherer, der zu einer unverzüglichen Entscheidung über die Gewährung von Rechtsschutz verpflichtet ist, die Deckung gegebenenfalls wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung ablehnt, so dass er auf einen langwierigen Deckungsprozess gegen den Versicherer angewiesen ist und sein Versicherungsschutz leer zu laufen droht. Das Kostenrisiko für den Versicherten vergrößert sich, wenn er neben der Verteidigung im Strafprozess auch noch auf eigene Kosten vorweg einen Deckungsprozess gegen den Versicherer führen müsste (so zu Recht MünchKomm/Ihlas, VVG, 2. Auflage 2017, D&O 320, Rn. 610). Diesen negativen Folgen wird die versicherte Person durch das sehr weitgehende Leistungsversprechen der Antragsgegnerin in Ziffer 7.1.3 Z, das ausdrücklich auch Vorsatzdelikte – wie z. B. Bilanzfälschungen – umfasst, enthoben (vgl. hierzu auch Gruber/Mitterlechner/Wax, D&O VersicherungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
D&O Versicherung
Versicherung
, 1. Auflage 2012, § 7 Rn. 83 – 85; Bruck/Möller/Gädtke, VVG, 9. Auflage 2013, AVB-AVG 2011/2013 Ziffer 5, Rn. 61). Im Spannungsfeld zwischen strafrechtlich relevant handelnden und zu Unrecht mit deliktischen Vorwürfen konfrontierten Organen juristischer Personen hat die Antragsgegnerin dem Bedürfnis des redlichen, zu Unrecht beschuldigten Managers nach bestmöglicher Absicherung in der D&O-Versicherung vor existenzvernichtenden juristischen Auseinandersetzungen durch die Zusage von Abwehrkosten nach Ziffer 7.1.3 Z den Vorrang eingeräumt. Er kann sich „im Zweifel“ bei Streit über die erhobenen Vorwürfe zunächst auf die Rechtsschutzfunktion verlassen. Auch bei reinen Vorsatztaten besteht die Möglichkeit, dass sich die Tatvorwürfe – unter anderem hinsichtlich der inneren Haltung der versicherten Person – als falsch erweisen. Der Rechtsschutzanspruch kann daher (vorläufig) auch bei reinen Vorsatztaten gewährt werden.

Dass bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung „vorläufig“ Verteidigungskosten im vorstehenden Sinn zu gewähren sind, entspricht dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bzw. des Versicherten.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind – ausgehend vom Wortlaut und unter Berücksichtigung des erkennbar mit dem Bedingungswerk verfolgten Zwecks – so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer/Versicherter sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers/Versicherten ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an, wobei zu berücksichtigen ist, dass der typische Adressaten- und Versichertenkreis in der D&O-Versicherung geschäftserfahren und mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertraut ist (BGH, Urteil vom 18.11.2020, Az. IV ZR 217/19; zitiert nach Juris). Werden Versicherungsverträge – wie hier – typischerweise mit und für einen bestimmten Personenkreis geschlossen, so sind die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Mitglieder dieses Personenkreises maßgebend (BGH, Urteil vom 25.05.2011, Az. IV ZR 117/09; Urteil vom 20.05.2021, Az. IV ZR 324/19; zitiert nach Juris).

Die Regelung in Ziffer 7.1.3 Z steht unter der Überschrift „Leistung von Verteidigungskosten, Rückforderungsverzicht“, was bereits darauf hindeutet, dass es sich – obwohl unter der Gesamtüberschrift „7 Ausschlüsse“ stehend – um eine konkrete Ausgestaltung des Leistungsversprechens im Bereich der Abwehrkosten und gerade nicht um die Regelung eines Ausschlusses handelt; der Ausschluss für wissentliche Pflichtverletzungen findet sich in Ziffer 7.1.1 Z, der für Vorsatztaten in Ziffer 7.1.2 Z. Da auch Verfahrensrechtsschutz wegen Pflichtverletzungen zugesagt ist, sobald ein Verfahren wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit eingeleitet wird, wird der Versicherungsnehmer/Versicherte hieraus den begründeten Schluss ziehen, dass der versicherten Person – sofern kein Geständnis erfolgt – bis zum Abschluss der jeweiligen Verfahren im Verfahrensrechtsschutz bzw. Haftpflichtrechtsschutz vorläufig Deckung gewährt werden soll, da das Bedingungswerk zunächst von dem Leitbild des redlichen Versicherten bzw. im Verfahrensrechtschutz von der Unschuldsvermutung ausgeht. Dass dieses weitgehende Leistungsversprechen – das vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss der maßgeblichen Verfahren gelten soll – wiederum für den Fall abbedungen werden soll, dass der Pflichtenverstoß (hier Bilanzfälschung und Marktmanipulation) auch Gegenstand einer (möglichen) arglistigen Täuschung bei Vertragsverlängerung gegenüber dem Versicherer sein könnte, erschließt sich dem Versicherten nicht. Hierfür gibt es nach dem Wortlaut der Klauseln keinerlei Anhaltspunkte. Auch Sinn und Zweck der Klausel sowie ihre systematische Stellung sprechen eindeutig dafür, dass es sich um eine Spezialregelung für den Bereich der (vorläufigen) Verteidigungskosten handelt, der den allgemeinen Ausschlüssen für unredliche Versicherte vorgeht.

Ziffer 7.1.3 Z unterstellt die Redlichkeit bzw. Unschuld des Versicherten und lässt etwaige Unredlichkeiten selbst bei Verstößen, die nur vorsätzlich begangen werden können, bis zur Feststellung der Tatsachen, welche die wissentliche oder vorsätzliche PflichtverletzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Pflichtverletzung
vorsätzliche Pflichtverletzung
belegen, außen vor. Aus dem Wortlaut des Ausschlusses in Ziffer 7.3.1 bzw. 7.3.2 Z ergibt sich nicht, dass er den bis zur rechtskräftigen Feststellung in den maßgeblichen Verfahren zugesagten (vorläufigen) Versicherungsschutz wiederum ausschließen will. Die gegenteilige Auffassung würde zu einer Aushöhlung des in Ziffer 7.1.3 Z zugesagten Deckungsschutzes führen und – ausgehend vom Leitbild des redlichen Managers – dem mit den Klauseln in Ziffern 7.3.1 bis 7.3.3 Z intendierten Zweck zuwiderlaufen.

Die Regelungen in Ziffern 7.3.1 bis 7.3.3 Z sind vor dem Hintergrund der Verpflichtung zur Nichtausübung eines Anfechtungs- oder Rücktrittsrechts gemäß Ziffer 4.15 Z zu sehen. Danach verpflichtet sich der Versicherer, im Versicherungsfall eine Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen einer arglistigen Täuschung, welche bei Vertragsschluss oder einer Vertragsverlängerung begangen wurde, nicht zu erklären. Gleiches gilt für die Ausübung eines Rücktrittrechts wegen einer bei Vertragsschluss bzw. -verlängerung begangenen Anzeigepflichtpflichtverletzung. Hinsichtlich der vertraglichen Folgen einer arglistigen Täuschung oder Anzeigepflichtverletzung wird abschließend auf die Ausschlüsse in Ziffer 7.3 Z verwiesen.

Da in Ziffer 4.15 Z – anders als etwa in Ziffer 4.16 Z (Verzicht auf Kündigung) – nur von der Verpflichtung zur Nichtausübung von Anfechtungs- und Rücktrittsrecht die Rede ist, dürfte in der Sache kein Verzicht auf diese Rechte, sondern nur eine vertragliche Beschränkung ihrer Ausübung vorliegen, so dass letztlich weder eine qualifizierte Severability-Klausel noch eine „Rechtsfolgenlösung“ vorliegen dürfte (vgl. hierzu Bruck/Möller/Gädtke, VVG, 9. Auflage 2013, AVB-AVG 2011/2013 Ziffer 7/8, Rn. 52; Steinkühler/Kassing, VersicherungsPraxis 2009, 31); mangels Verzichts auf das Anfechtungsrecht konnte die Antragsgegnerin sich die Ausübung ihres Anfechtungsrechts grundsätzlich in ihrem Ablehnungsschreiben vom 30.09.2020 vorbehalten, auch wenn ihr dies – wie noch darzulegen ist – in der Sache hinsichtlich der Abwehrkosten letztlich nicht zum Erfolg verhelfen kann.

Mit der Ausgestaltung der Klausel in Ziffer 4.15 Z in Verbindung mit Ziffer 7.3 Z soll der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit eines im Voraus erklärten Anfechtungsausschlusses wegen arglistiger Täuschung Rechnung getragen werden. Der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat sich in seiner Entscheidung vom 21.09.2011, Az. IV ZR 38/09 – eine Valorenversicherung betreffend – auch für das Versicherungsrecht der allgemeinen Auffassung (BGH, Urteil vom 17.01.2007, Az. VIII ZR 37/06; zitiert nach Juris) angeschlossen, dass ein im Voraus vereinbarter Ausschluss des Anfechtungsrechts aus § 123 Abs. 1 BGB unwirksam sei, da dies mit dem Schutz der rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung – die juristischen wie privaten Personen gleichermaßen zukäme – unvereinbar sei. Ob die Versicherten den Anfechtungsgrund kannten, sei für die Wirksamkeit der Anfechtung unerheblich. Auch den begünstigten Versicherten gegenüber gelte nichts Anderes; auch ihnen seien die Versicherungsleistungen zu versagen (so auch schon OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, NJW-RR 2006, 1260, eine D&O-Versicherung betreffend).

In der D&O-Versicherung als typische Fremdversicherung besteht jedoch ein gesteigertes Interesse der versicherten Personen am Erhalt ihres Versicherungsschutzes. Dies gilt insbesondere für DAX-Unternehmen mit einer Vielzahl mitversicherter Tochterunternehmen. Den redlichen Versicherten, die weder selbst getäuscht, noch von der Täuschung Kenntnis gehabt haben, soll daher nach Ziffern 7.3.1 und 7.3.2 Z der (volle) Versicherungsschutz erhalten bleiben.

Die Frage, ob diese Klauseln nach § 307 Abs.1, 2 BGB unwirksam sind, ist deshalb nicht zielführend, weil sie gerade zum Eingreifen der gesetzlichen Regelung bezüglich des Anfechtungsrechts nach § 123 BGB führt. Inwiefern gegen eine solche Beschränkung der Gesamtwirkung des Arglisteinwandes zugunsten redlich handelnder Versicherter Bedenken bestehen (vgl. hierzu im einzelnen Bruck/Möller/Gädtke, VVG, 9. Auflage 2013, AVB-AVG 2011/2013, Ziffern 7/8, Rn. 69 ff.; Langheid/Rixecker, VVG, 5. Auflage 2016, § 103 VVG, Rn. 14 f.), kann vorliegend deshalb dahingestellt bleiben.

Der Deckungsbereich der vorläufigen Verteidigungskosten bei wissentlichen oder vorsätzlichen Pflichtverletzungen ist abschließend in Ziffer 7.1.3 Z geregelt. Er geht – bis zum Vorliegen einer gegenteiligen rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung – von dem Leitbild des redlichen bzw. unschuldigen Versicherten aus, so dass für diesen Zeitraum der zugesagten vorläufigen Deckung für den Einwand der Arglist kein Raum ist.

Sofern die Antragsgegnerin zwischenzeitlich die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gegenüber dem Antragsteller erklärt haben sollte oder noch erklären wird, kann sie sich auf die Rechtsfolgen der Anfechtung erst nach Abschluss des Strafverfahrens oder auch etwaiger Haftpflichtprozesse berufen.

Danach kann der Antragsteller trotz des gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen vorsätzlicher deliktischer Vorwürfe vorläufig von der Antragsgegnerin die Gewährung von Abwehrkosten begehren.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht vorliegend auch ein Verfügungsgrund.

Nach § 940 ZPO kann ein Begehren, das – wie hier – auf eine vollständige Befriedigung der behaupteten Ansprüche abzielt, ausnahmsweise im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden. Der Gläubiger muss dazu auf die sofortige Erfüllung zur Abwendung einer existentiellen Notlage dringend angewiesen sein und im Hauptsacheverfahren mit hoher bis an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit obsiegen. Des Weiteren darf ihm die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren wegen der unvermeidlichen zeitlichen Verzögerung nicht zumutbar sein und ihm müssen aus der Nichtleistung schwerwiegende Nachteile drohen, die nicht außer Verhältnis stehen dürfen zu dem Schaden, den der Schuldner erleiden kann (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Urteil vom 15.05.2012, Az. I-4 U 246/11; LG Mannheim, Urteil vom 29.04.2020, Az. 11 O 66/20; zitiert nach Juris).

Der Antragsteller hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass er zur Abwendung einer existentiellen Notlage auf die sofortige Erfüllung seines Rechtsschutzanspruches aus der D&O-Versicherung dringend angewiesen ist.

Er befindet sich derzeit in einer für ihn existentiellen Notlage. Durch die gegen ihn erhobenen weitreichenden strafrechtlichen Vorwürfe in Zusammenhang mit der Insolvenz der X AG und seiner immerhin etwa ein Jahr andauernden Inhaftierung hat er seine berufliche und wirtschaftliche Existenzgrundlage verloren. Die dringend erforderlichen Mittel zur Finanzierung seiner Verteidigung im Ermittlungsverfahren stehen ihm zurzeit nicht zur Verfügung.

Er hat im Einzelnen dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er über keinerlei finanzielle Mittel mehr verfügt. Gegen ihn wurde ein strafrechtlicher Vermögensarrest in Höhe von 2.866.968,81 Euro ausgebracht. Er hat darüber hinaus durch Vorlage seiner eidesstattlichen Versicherung vom 03.05.2021 sowie der eidesstattlichen Versicherungen seiner Ehefrau G vom 05.05.2021 und 16.05.2021 dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sein gesamtes Vermögen von der Arretierung betroffen ist und er nicht über weitere freie Vermögenswerte verfügt. Dem ist die Antragsgegnerin bislang nicht entgegengetreten.

Die Annahme einer Notlage kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, der Antragsteller könne die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragen.

Der Anspruch des Antragstellers auf einen schnellen und wirksamen Verteidigungsrechtsschutz darf nicht durch den Verweis der Antragsgegnerin auf die Beiordnung eines Pflichtverteidigers verkürzt werden. In Ziffer 1.1.2 Z ist zusätzlich zum üblichen Haftpflichtschutz Verfahrensrechtsschutz bei Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren zugesagt. Die Antragsgegnerin hat mit dem Abschluss der vorliegenden D&O-Versicherung somit ein sehr weitreichendes Leistungsversprechen gegeben, von dem sie sich nicht mit dem Hinweis auf eine staatlich finanzierte Pflichtverteidigung lösen kann. Die vorliegende D&O-Versicherung gewährt Rechtsschutz für Führungskräfte insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine vorsätzliche Straftat im Raum steht.

Die Verteidigung in derartigen Fällen ist naturgemäß besonders aufwendig und erfordert oftmals rechtliche Spezialkenntnisse insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht. Um dem Versicherten eine angemessene Rechtsverteidigung zu ermöglichen, ist deshalb nach Ziffer 6.2.1 a) Z die Vergütung des Anwalts auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung – anstelle der üblichen, deutlich geringeren Vergütung nach dem RVG – gedeckt. Dass die Wahlverteidiger des Antragstellers für ihn auch zu den Bedingungen einer Pflichtverteidigung tätig werden würden, ist lebensfremd. Außerdem besteht nach Ziffer 6.1.1 Z freie Anwaltswahl.

Der Versicherer kann sich diesem weitgehenden Leistungsversprechen nicht durch einen Verweis auf die gesetzliche Pflichtverteidigung entziehen, die dem geschuldeten Versicherungsschutz nicht entspricht.

Der Antragsteller ist auf die sofortige Erfüllung seines Anspruches auf Abwehrschutz aus der D&O-Versicherung auch dringend angewiesen.

Ihm ist ein Zuwarten auf den Ausgang des vor dem Landgericht Frankfurt am Main geführten Deckungsprozesses nicht zuzumuten. Ein zeitnaher rechtskräftiger Abschluss des Verfahrens ist nicht absehbar. Eine effektive Verteidigung ist aktuell in dem laufenden Ermittlungsverfahren nebst Arrestverfahren dringend erforderlich, zumal noch in der zweiten Jahreshälfte mit einer Anklageerhebung zu rechnen sein soll. Zudem besteht der Haftbefehl weiter fort, lediglich sein Vollzug wurde ausgesetzt. Dass dem Antragsteller ein Zuwarten oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen unberechtigter Vorwürfe vor dem Hintergrund des laufenden, für ihn existentiellen Ermittlungsverfahrens nicht zumutbar ist, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass er vor diesem Risiko gerade durch die streitgegenständliche Police geschützt werden sollte. Ohne sofortige Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes liefe der Antragsteller Gefahr, dass seine Prozessbevollmächtigten – wie von ihnen im Schriftsatz vom 20.07.2021 in Aussicht gestellt – ihre anwaltliche Tätigkeit ohne gesicherte Vergütung nicht fortsetzen werden. Die von ihnen bislang trotzdem erbrachten, aber noch nicht abgerechneten Tätigkeiten in Höhe von mehr als 266.000,- Euro erfolgten allein vor dem Hintergrund der erwarteten positiven Entscheidung im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren. Ihrer Ankündigung zufolge ist eine Strafverteidigung auf der Grundlage einer bloßen Prozesschance in einem Hauptsacheverfahren durch die Strafverteidiger nicht zu erwarten.

Die Annahme der Dringlichkeit kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, der Antragsteller habe die Eilbedürftigkeit selbst herbeigeführt.

Unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller die Deckungsablehnung der Antragsgegnerin vom 30.09.2020 bereits als endgültig auffassen musste, hat er durch die eidesstattlichen Versicherungen seiner Ehefrau glaubhaft gemacht, dass der Vermögensarrest hinsichtlich des Kontos bei der Bank1 erst im April 2021 vollzogen wurde und bis dahin über das Kontoguthaben verfügt werden konnte. Nachdem der Zugriff auf das Konto am 23.04.2021 nicht mehr möglich war und dem Antragsteller damit keinerlei Vermögenswerte mehr zur Verfügung standen, ergab sich erstmalig die dringende Notwendigkeit, auf den in der D&O-Versicherung vereinbarten Deckungsschutz zurückzugreifen und am 03.05.2020 Klage vor dem Landgericht Frankfurt am Main zu erheben. Eine frühere gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche hätte voraussichtlich nicht dazu geführt, dass im Mai 2021 eine vollstreckbare Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorgelegen hätte.

Soweit die Antragsgegnerin für ihre Auffassung eine Entscheidung aus dem Wettbewerbsrecht (OLG Frankfurt, Urteil vom 25.03.2010, Az. 6 U 219/09) anführt, nach der ein langes Zuwarten als dringlichkeitsschädlich angesehen wurde, lässt sich diese Bewertung auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Der Antragsteller hat vorliegend gerade nicht trotz bereits bestehender Notlage mit der Erhebung der Klage zugewartet; es bestand vielmehr aus seiner Sicht bis zum April 2021 aufgrund des weiterhin möglichen Zugriffs auf das Konto bei der Bank1 noch kein finanzieller Engpass und damit kein zwingender Anlass zur Klageerhebung. solange noch Vermögenswerte vorhanden waren, lagen die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Verteidigungskosten im Wege der Leistungsverfügung im einstweiligen Verfügungsverfahren ohnehin nicht vor.

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung wiegen die dem Antragsteller aufgrund der Deckungsablehnung drohenden Nachteile schwer und stehen nicht außer Verhältnis zu dem möglichen Schaden, den die Antragsgegnerin erleiden könnte.

Die dem Antragsteller aufgrund der Verweigerung der vorläufigen Abwehrdeckung drohenden Nachteile sind erheblich. Für ihn besteht die Gefahr, dass er ohne adäquate Verteidigung in dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren verurteilt wird und so seine gesamte wirtschaftliche Existenzgrundlage verliert. Vor einem solchen Risiko soll ihn gerade die streitgegenständliche Versicherung schützen. Dass die Erfolgsaussichten für die Deckungsklage im Hauptsacheverfahren zu bejahen sind, steht – wie Eingangs ausgeführt – außer Frage.

Durch die Leistungsverfügung wird die Antragsgegnerin nur zu einer Leistung verurteilt, die sie ohnehin bereits aufgrund des Versicherungsvertrages schuldet.

Bestehen danach sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund, kann der Antragsteller die bereits entstandenen und zukünftig noch entstehenden Verteidigungskosten nach Ziffern 6.2.1, 6.2.2 Z für das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren, zu dem auch das Haftprüfungsverfahren sowie das strafrechtliche Arrestverfahren nach § 111 e StPO gehören, ersetzt verlangen. Die Verteidigungskosten umfassen auch die Kosten für die im Rahmen des Strafverfahrens erforderlich werdende Beratung in zivilrechtlichen Fragestellungen.

Die Höhe der zu erbringenden bedingungsgemäßen Leistungen richtet sich nach den getroffenen Honorarvereinbarungen vom 05.06.2020 und vom 24.06.2020, deren Angemessenheit bislang nicht in Streit steht.

Einer gesonderten Entscheidung über die Anträge zu 2) und 3) bedurfte es nicht, weil die damit verfolgten wirtschaftlichen Interessen bereits von dem Antrag zu 1) umfasst werden. Unabhängig davon hat der Antragsteller hinsichtlich des Antrags zu 2) nicht vorgetragen, dass die erbrachten Leistungen bereits in Rechnung gestellt wurden und fällig sind. Der vorgelegten Klageschrift vom 03.05.2021 im Hauptsacheverfahren lässt sich vielmehr entnehmen, dass die erbrachten Leistungen für die Rechtsverteidigung in Höhe von mehr als 266.000,- Euro noch nicht abgerechnet wurden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 3 ZPO.

Schlagworte: D&O-Versicherung