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OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.05.2017 – 20 W 150/17

§§ 121, 174 AktG

Tenor

Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts wird aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin vom 21.04.2017 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens vor dem Amtsgericht trägt die
Antragstellerin.

Eine Erstattung notwendiger Aufwendungen findet weder im Verfahren vor dem Amtsgericht noch im Verfahren vor dem Oberlandesgericht statt.

Gründe

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerde vom 02.05.2017 – eingegangen bei dem Amtsgericht am selben Tag – gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom selben Tag, mit dem dieses die Antragstellerin ermächtigt hat, den in dem genannten Beschluss tenorierten Beschlussgegenstand als weiteren Tagesordnungspunkt der Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 18.05.2017 anzukündigen und bekanntzumachen; weiterhin beantragt sie, den diesem Beschluss zugrundeliegenden Antrag der Antragstellerin vom 21.04.2017 zurückzuweisen. Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.

Das Beschwerdeverfahren ist nicht dadurch erledigt, dass die Antragstellerin von der ihr mit dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts erteilten Ermächtigung durch Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger am 10.05.2017 Gebrauch gemacht hat (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.05.2012, Az. II ZB 17/11).

Weiterhin folgt der Senat der Auffassung der Antragstellerin nicht, wonach der Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil die Ergänzung der Tagesordnung durch den Vorstand der Antragsgegnerin zwischenzeitlich durch die am 09.05.2017 im elektronischen Bundesanzeiger erfolgte Veröffentlichung bekannt gemacht worden sei. Gegenstand des hiesigen Beschwerdeverfahrens ist alleine die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den die Antragstellerin ermächtigenden Beschluss des Amtsgerichts vom 02.05.2017. Durch diesen Beschluss ist die Antragsgegnerin jedenfalls unmittelbar in ihren Rechten beeinträchtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG), da ihr mit diesem Beschluss eigene Kompetenzen (§ 121 Abs. 2 AktG) genommen werden. An dieser nach wie vor bestehenden Rechtsbeeinträchtigung ändert die eigene Bekanntmachung der Antragsgegnerin vom 09.05.2017 nichts.

Die sich aus dieser möglicherweise ergebenden Rechtsfolgen sind vielmehr eigener Art und nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin bei ihrer am 09.05.2017 erfolgten Veröffentlichung der Tagesordnungsergänzung bereits in der beigefügten Stellungnahme ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sie eine separate Beschlussfassung über den Bilanzgewinn 2015 für unzulässig erachtet und daher der Vorstand am 02.05.2017 gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main Beschwerde eingelegt hat. Weiterhin hat die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz an den Senat vom 09.05.2017 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie für den Fall des Erfolges ihrer Beschwerde den hier verfahrensgegenständlichen Punkt wieder von der Tagesordnung absetzen werde. Die rechtliche Einordnung einer derartigen Absetzung ist dann aber erforderlichenfalls im Rahmen der hierfür einschlägigen Verfahren zu klären.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur einhellig anerkannt, dass die Ausübung auch der Rechte auf Einberufungsverlangen und Ergänzung der Tagesordnung einer Hauptversammlung nach § 122 Abs. 1 und 2 AktG den Treuebindungen unterliegt, die zwischen der Aktiengesellschaft und den Aktionären bestehen. Insbesondere darf das Einberufungs- oder Ergänzungsverlangen nur auf die Behandlung solcher Gegenstände durch die Hauptversammlung gerichtet sein, für die diese eine aktienrechtliche Zuständigkeit besitzt und die eine Beschlussfassung durch die Hauptversammlung erfordern. Des Weiteren darf das Einberufungs- oder der Ergänzungsverlangen nicht auf die Herbeiführung eines gesetzes- oder satzungswidrigen Hauptversammlungsbeschlusses gerichtet sein. Aus der Treuebindung des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft folgt außerdem, dass die Ausübung des Rechtes auf Einberufung der HauptversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Einberufung der Hauptversammlung
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nicht rechtsmissbräuchlich sein darf. Im Rahmen der Konkretisierung des Rechtsmissbrauches ist allerdings Zurückhaltung geboten, um den Zweck des Minderheitenschutzes nicht zu gefährden (allgemeine Auffassung, vgl. u.a. bereits Senat, Beschluss vom 15.02.2005, Az. 20 W 1/05 m.w.N.).

Das vorliegende Ergänzungsverlangen der Antragstellerin ist auf die Herbeiführung eines gesetzeswidrigen Hauptversammlungsbeschlusses gerichtet und damit zurückzuweisen.

Zwar weist die Antragstellerin zur Begründung der von ihr begehrten Ermächtigung zur Bekanntmachung eines gesonderten Tagesordnungspunkts „Verwendung des Bilanzgewinns 2015“ zu Recht darauf hin, dass nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 174 AktG einzig und alleine die Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns zu entscheiden habe. Dies entspricht der gesetzlichen Regelung in § 174 Abs. 1 S. 1 AktG und unzweifelhaft der Rechtslage.

Daraus folgt entgegen der Ansicht der Antragstellerin aber nicht, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch ein Recht der anstehenden Hauptversammlung besteht, unter dem von der Antragstellerin begehrten Tagesordnungspunkt „Verwendung des Bilanzgewinns 2015“ über die Verwendung des Bilanzgewinns 2015 zu entscheiden, nachdem der in der letzten Hauptversammlung über dessen Verwendung gefasste Beschluss durch Gerichtsurteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, so dass bislang noch kein gültiger Hauptversammlungsbeschluss über die Gewinnverwendung aus dem Geschäftsjahr 2015 gefasst worden ist.

Die Antragstellerin berücksichtigt nämlich nicht, dass die Hauptversammlung nach § 174 Abs. 1 S. 2 AktG bei der Beschlussfassung über die Verwendung eines Bilanzgewinns an den festgestellten Jahresabschluss gebunden ist. Das Gesetz grenzt also die Kompetenzen von Vorstand und Aufsichtsrat einerseits und Hauptversammlung anderseits bei der Entscheidung über eine Gewinnverwendung ab und sichert somit die Funktion des festgestellten Jahresabschlusses als rechnungslegungsmäßige Grundlage für die Gewinnverwendung (vgl. Hennrichs/Pöschke, Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2013, § 174, Rn. 8, m.w.N.; Waclawik in Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 174, Rn. 4; Drygala in Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 174, Rn. 4, m.w.N.).

Die am 18.05.2017 anstehende Hauptversammlung ist daher nicht befugt, auf anderer Grundlage als der des von Vorstand und Aufsichtsrat der Antragsgegnerin festgestellten Jahresabschlusses 2016 über eine Gewinnverwendung zu entscheiden.

Teil dieses festgestellten Jahresabschlusses 2016 ist aber in jedem Fall auch der dort nach Ansicht des Senats zutreffend als Gewinnvortrag bilanzierte, auf den Bilanzgewinn aus 2015 entfallende Betrag in Höhe von 165.256.667,68 Euro.

Somit kann in der anstehenden Hauptversammlung über die Verwendung des als Teil des festgestellten Jahresabschlusses 2016 in diesen eingeflossenen Bilanzgewinn 2015 auch nur im Rahmen dieses festgestellten Jahresabschlusses 2016 entschieden werden.

Darauf, ob – wie die Antragstellerin meint – die Antragsgegnerin den Jahresabschluss 2016 „unrichtig und damit rechtswidrig“ aufgestellt habe, insbesondere weil sie „noch schnell vor der Beschlussfassung“ über den Bilanzgewinn 2015 den Folgeabschluss festgestellt habe, kommt es für das vorliegende Ermächtigungsverfahren nicht an. Derartige Bedenken wären vielmehr gegebenenfalls beispielsweise im Rahmen eines gerichtlichen Nichtigkeitsfeststellungsverfahrens (§ 256 AktG) oder eines Schadensersatzverfahrens zu klären. Sie ändern jedoch nichts an der dargelegten Rechtslage der Bindung der Hauptversammlung an den festgestellten Jahresabschluss 2016. Dies gilt letztlich auch für die weiteren Bedenken der Antragstellerin bezüglich einer von ihr befürchteten Verwässerung der Rechte von Altaktionären aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Kapitalerhöhung der Antragsgegnerin oder aber auch für ihre Kontrollüberlegung, welchen Beschlussvorschlag Vorstand und Aufsichtsrat hätten unterbreiten wollen, falls die Antragsgegnerin im Geschäftsjahr 2016 einen Bilanzverlust erlitten hätte.

Im Hinblick auf die nunmehr bereits erlassene Hauptsacheentscheidung und im Hinblick auf die oben erwähnte eigene zwischenzeitliche Bekanntmachung der ergänzten Tagesordnung am 09.05.2017 durch die Antragsgegnerin hat der Senat keine Veranlassung zum Erlass einer von der Antragsgegnerin auch beantragten einstweiligen Anordnung gesehen.

Aufgrund des Erfolgs der Beschwerde ist das Beschwerdeverfahren gerichtskostenfrei.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten im Übrigen und über die Nichtanordnung einer Erstattung von notwendigen Aufwendungen folgt aus § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG und berücksichtigt insbesondere, dass das Amtsgericht und das Oberlandesgericht im Ergebnis unterschiedlich beschlossen haben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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