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OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.08.2020 – 6 W 87/20

§ 3 UWG, § 4 Nr 4 UWG, § 826 BGB, § 8 Abs 2 Nr 10 MarkenG

1. Ansprüche gegen die missbräuchliche Geltendmachung der Rechte aus einer Marke setzen voraus, dass auf Seiten des Markeninhabers Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des markenrechtlichen Schutzes als sittenwidrig oder unlauter erscheinen lassen. Das ist der Fall, wenn die Marke entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG bösgläubig angemeldet wurde.

2. Für die Bösgläubigkeit des Markenanmelders reicht es nicht aus, dass er weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben. Zur Kenntnis müssen besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Anmelders als unlauter erscheinen lassen.

3. Besondere Umstände können darin liegen, dass der Markenanmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund mit dem Ziel der Störung des Vorbenutzers oder in der Absicht, den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, gehandelt hat.

4. In einem zweckfremdem Mittel des Wettbewerbskampfes kann grundsätzlich eine Behinderungsabsicht liegen. Es kann aber nicht darin gesehen werden, dass der Markenanmelder den Vorbenutzer nicht förmlich abmahnt, sondern eine Beschwerde bei der von beiden genutzten Handelsplattform einreicht, um eine sofortige Sperrung für die Handelstätigkeit des Vorbenutzers zu erreichen.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Beschwerdewert: 50.000,- €

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Antragstellerin steht gegenüber dem Antragsgegner kein Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Behauptung aus §§ 3, 4 Nr. 4, 8 Abs. 1 UWG, §§ 823, 826 BGB zu. Die im vorliegenden Eilverfahren dargelegten und glaubhaft gemachten Umstände genügen nicht, um von einer missbräuchlichen Geltendmachung der Rechte aus der Wortmarke „Candicare“ auszugehen.

a) Ansprüche gegen die missbräuchliche Geltendmachung der Rechte aus einer Marke können sich aus §§ 3, 4 Nr. 4, 8 Abs. 1 UWG, § 826 BGB ergeben. Voraussetzung ist, dass auf Seiten des Markeninhabers Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des markenrechtlichen Schutzes als sittenwidrig bzw. als unlauter erscheinen lassen. Dies ist der Fall, wenn die Marke entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG bösgläubig angemeldet wurde. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt derjenige, der ein Zeichen als Marke anmeldet, nicht schon deshalb bösgläubig, weil er weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben. Zur Kenntnis von der Benutzung müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Anmelders als unlauter erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen. Sie können aber auch darin liegen, dass der Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (BGH, Urteil vom 12.11.2009 – I ZR 183/07, Rn 51 – WM-Marken; BGH Urteil vom 10.1.2008 – I ZR 38/05 = GRUR 2008, 621Tz 21 – AKADEMIKS; BGH, Urteil vom 26.6.2008 – I ZR 190/05 = GRUR 2008, 917Tz 20 – EROS).

b) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass dem Antragsgegner zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke am 19.1.2020 bekannt war, dass die Antragstellerin bereits am 14.1.2020, also fünf Tage zuvor, damit begonnen hatte, auf der Handelsplattform Amazon Nahrungsergänzungsmittel unter der nahezu identischen Bezeichnung „CandiCare“ anzubieten. Die X AG, deren Verwaltungsrat der Antragsgegner ist, vertreibt ebenfalls „Candida“-Produkte, und zwar nach eigenen Angaben ausschließlich auf der Handelsplattform Amazon. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass es sich bei den „Candida“-Produkten um ein sehr enges Marktsegment handelt. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass Unternehmen, die auf derselben Handelsplattform unter diesen Umständen tätig sind, das Marktgeschehen nicht ständig beobachten. Hierfür spricht auch, dass dem Antragsgegner unstreitig die Vorgängerbezeichnung des Produkts der Antragstellerin „CandidaCare“ bekannt ist und dass die X AG bereits im Dezember 2019 – wenige Wochen vor der Markteinführung von „CandiCare“ – Angebote der Antragstellerin auf Amazon beanstanden ließ (Anlage Ast12). Es kann jedenfalls angenommen werden, dass der Antragsgegner vor der Markenanmeldung recherchiert hat, ob Dritte die Bezeichnung auf der Plattform Amazon bereits verwenden.

c) Anhaltspunkte für das Hinzutreten besondere Umstände, die das Verhalten des Anmelders als unlauter erscheinen lassen, sind jedoch nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Da es kein Recht zur „Vorbenutzung“ einer nicht geschützten Bezeichnung gibt, reicht die Kenntnis von der Vorbenutzung eines Dritten für ein bösgläubiges Vorgehen bei der Markenanmeldung nicht aus. Es bedarf weiterer Umstände, die für eine Sperr- oder Behinderungsabsicht sprechen.

aa) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Antragstellerin bereits einen schutzwürdigen Besitzstand an der Bezeichnung erlangt und der Antragsgegner davon Kenntnis hatte. Maßgeblich ist insoweit der Prioritätszeitpunkt der Marke des Antragsgegners, also der Anmeldetag. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragstellerin das Zeichen erst fünf Tage in Benutzung.

bb) Eine Behinderungsabsicht lässt sich auch nicht aus sonstigen Umständen mit der notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ableiten. Die Antragstellerin weist zu Recht darauf hin, dass die Unlauterkeit bei fehlendem schutzwürdigem Besitzstand auch darin liegen kann, dass ein Zeichenanmelder die Sperrwirkung des Zeichenrechts zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (BGH a.a.O.). Ein zweckfremdes Mittel des Wettbewerbskampfes kann jedoch nicht darin gesehen werden, dass der Antragsgegner die Antragstellerin nicht förmlich abgemahnt, sondern eine Beschwerde bei Amazon gegen die unter der gleichnamigen Bezeichnung gelisteten Angebote eingereicht und damit eine sofortige Sperrung der betreffenden Angebote bewirkt hat. Die Antragstellerin hat sich selbst für eine Handelstätigkeit auf Amazon entschieden und sich den Geschäftsbedingungen des Plattformbetreibers unterworfen. Es erscheint nicht missbräuchlich, wenn ein Schutzrechtsinhaber die vom Plattformbetreiber bereitgestellten Mittel nutzt, um einer Rechtsverletzung schnell und effektiv zu begegnen.

cc) Eine Sperrabsicht kann auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die X ihre Produkte bislang mit „Candiflor“ kennzeichnete, wobei diese Bezeichnung keinen Markenschutz beansprucht. Dieser Umstand spricht nicht zwingend gegen die Absicht des Antragsgegners, auch die Marke „Candicare“ für eigene Produkte der X einzusetzen. Denkbar sind z.B. eine geplante Umbenennung des Produkts „Candiflor“ oder die Verfolgung einer Mehrmarkenstrategie. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, spricht es nicht gegen eine Benutzungsabsicht, wenn eine Marke, deren Benutzungsschonfrist gerade erst begonnen hat, derzeit noch nicht zur Produktkennzeichnung verwendet wird. Es spricht auch nicht für eine Behinderungs- oder Sperrabsicht, dass die Marke nicht (auch) in der Schweiz angemeldet wurde, obwohl es sich bei der X AG um ein Schweizer Unternehmen handelt. Dafür kann es nachvollziehbare, nicht unlautere Gründe geben. Denkbar ist, dass nur der deutsche Markt mit den mit der Marke gekennzeichneten Produkten bedient werden soll.

dd) Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin schließlich auf die weiteren Wortmarken, die der Antragsgegner beim DPMA angemeldet hat (Anlage Ast 16). Es bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Antragsgegner im Begriff ist, ein Portfolio von Spekulationsmarken aufzubauen.

(1) Grundsätzlich kann es gegen einen ernsthaften Benutzungswillen sprechen, wenn eine Vielzahl von Marken für völlig unterschiedliche Waren angemeldet wird, ernsthafte Planungen für die eigene oder fremde Benutzung dieser Marken fehlen und von einem „Horten“ dieser Marken ausgegangen werden muss. Es liegt dann nahe, dass allein der Zweck verfolgt wird, Dritte bei Verwendung ähnlicher Zeichen mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen (vgl. BGH GRUR 2001, 242, 244 – E-Classe; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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am Main GRUR-RR 2005, 184, 185 – Depo-Provera; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 8.6.2010 – I-20 U 199/09, Rn 31 – juris).

(2) Entsprechende Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Es handelt sich lediglich um fünf Markenanmeldungen, die alle für die Warenklasse 5 Schutz beanspruchen. Anhaltspunkte dafür, dass die Marken – sollten sie eingetragen werden – nicht benutzt werden würden, liegen nicht vor. Allein der Umstand, dass die Zeichen an beschreibende Begriffe angelehnt sind und dass es sich um mehrere Marken handelt, reicht hierfür nicht aus. Inwieweit bei diesen Marken ein Freihaltebedürfnis auf der Hand liegt, wird das DPMA zu beurteilen haben. Der Versuch, eine überschaubare Anzahl von Marken mit beschreibenden Anklängen zur Anmeldung zu bringen, spricht unter den gegebenen Umständen nicht generell für die eine missbräuchliche Zweckverfolgung.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Schlagworte: Marken, Markenrechte, Markenverletzung