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OLG Frankfurt, Urteil vom 15.10.2019 – 8 U 54/19

§ 43 GmbHG, § 64 GmbHG, § 29 Abs 1 ZPO

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 07.03.2019 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main sowie das ihm zugrunde liegende Verfahren aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens überlassen bleibt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 71.362,25 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X GmbH, die in Frankfurt am Main in der Straße1 ansässig war.

Er beansprucht von dem Beklagten, der seinen allgemeinen Gerichtsstand im Landgerichtsbezirk Wiesbaden hat, als Geschäftsführer die Erstattung von Zahlungen in Höhe von insgesamt 71.362,25 €, da der Beklagte die Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife in der Zeit vom 02.05.2014 bis zum 02.06.2015 veranlasst habe, was nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sei (§ 64 GmbHG).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, für Ansprüche aus § 64 GmbHG sei gemäß § 29 Abs. 1 ZPO ein Gerichtsstand am Sitz der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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begründet.

Die Parteien haben die im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wiedergegebenen Anträge gestellt.

Der Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main gerügt.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.03.2019 abgewiesen, da es insbesondere nicht nach § 29 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er aus im Einzelnen dargelegten Gründen den zu Unrecht verneinten Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 29 Abs. 1 ZPO rügt.

Wegen der Einzelheiten der Argumentation wird auf die Berufungsbegründung vom 13.05.2019 und die Replik vom 04.09.2019 Bezug genommen (Bl. 126 ff., 145 f. d. A.).

Der Kläger beantragt,

1.das am 07.03.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2-23 O 321/18 aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Begründetheit der Klage an das Gericht des ersten Rechtszuges zu verweisen,

2.hilfsweise, für den Fall, dass das Rechtsmittel der Berufung zurückgewiesen wird, die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

A.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden.

B.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache ist antragsgemäß an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO).

1.

Das Landgericht Frankfurt am Main ist örtlich zuständig.

Für den geltend gemachten Anspruch aus § 64 GmbHG ist gemäß § 29 Abs. 1 ZPO der Gerichtsstand am Sitz der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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begründet.

Bei dem Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG handelt es sich nicht um einen Schadensersatz im herkömmlichen Sinn, sondern um einen „Ersatzanspruch eigener Art“ (BGH, Beschluss v. 11.02.2008 – II ZR 291/06, NJW-RR 2008, 1066). Denn der Geschäftsführer hat nach Eintritt der Insolvenzreife für die GmbH geleistete Zahlungen vielmehr auch dann zu ersetzen, wenn der Gesellschaft im Einzelfall keine Vermögenseinbuße entstanden ist (BGH, Beschluss v. 05.02.2007 – II ZR 51/06, NJW-RR 2007, 1490).

Diese Besonderheiten sind im Zusammenhang mit § 29 Abs. 1 ZPO jedoch nicht ausschlaggebend. Entscheidende Bedeutung kommt vielmehr dem Rechtsverhältnis zu, aus dem der Anspruch hergeleitet wird (BGH, Beschluss v. 06.08.2019 – X ARZ 317/19, juris).

Ein auf § 64 S. 1 GmbHG gestützter Anspruch beruht trotz der aufgezeigten Besonderheiten auf dem organschaftlichen Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer. Passivlegitimiert sind nur Personen, die rechtlich oder faktisch als Geschäftsführer fungiert haben. Vor diesem Hintergrund ist ein auf § 64 Abs. 1 GmbHG gestützter Anspruch aus denselben Gründen wie ein Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG als Anspruch aus einem Vertragsverhältnis im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO anzusehen (BGH a.a.O.).

Erfüllungsort für den Anspruch ist grundsätzlich der Ort, an dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. Zahlungsverpflichtungen eines Geschäftsführers gegenüber der GmbH sind grundsätzlich am Sitz der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zu erfüllen. Für den Anspruch aus kann nichts anderes gelten. Für die Beurteilung dieses Anspruchs sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft sowie Umfang und Zeitpunkt der geleisteten Zahlungen sogar von besonders großer Bedeutung. Der Umstand, dass der Anspruch in erster Linie den Vermögensinteressen der Gläubiger dient, führt auch insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung (BGH, a.a.O.).

2.

Die sonstigen Prozessvoraussetzungen sind gegeben.

3.

Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten.

4.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis ist nicht auszusprechen, da das Urteil des Senats keinen vollstreckbaren Inhalt hat.

5.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Bundesgerichtshof hat mit dem zitierten Beschluss vom 06.08.2019 – X ARZ 317/19 – ausgesprochen, dass auch für Ansprüche aus § 64 S. 1 GmbHG gemäß § 29 Abs. 1 ZPO der Gerichtsstand am Sitz der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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begründet ist.

6.

Die Festsetzung des Streitwertes für den zweiten Rechtszug entspricht der von den Parteien nicht beanstandeten Wertfestsetzung für den ersten Rechtszug (Beschluss des Landgerichts vom 07.03.2019, Bl. 97 d. A.).

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